Im ersten von drei Testspielen innerhalb von zwölf Tagen besiegte Österreich den WM-Gastgeber Russland in Innsbruck mit 1:0. Eine ordentliche, aber nicht übertrieben starke Vorstellung reichte dem ÖFB-Team gegen eine biedere Sbornaja.
Das System zu Beginn
Österreich begann in einem 3-4-2-1, wobei Arnautovic die nominelle Spitze gab und er von Schaub und Kainz flankiert wurde. Kainz, halbrechts aufgeboten, postierte sich oft etwas tiefer als Schaub auf der halblinken Seite und in der 2. Hälfte rückte er dann ganz ins zentrale Mittelfeld zurück. Schöpf und Lainer hatten die Außenbahnen für sich, weil sich Kainz und Schaub eher in den Halbpositionen aufhielten.
Was auffiel
Diagonalpässe. Wenn Österreich im Aufbau war, waren Seitenverlagerungen ein oft gewähltes Mittel. Lange Pässe von Dragovic in Richtung Schöpf bzw. von Hinteregger in Richtung Lainer zwangen die Russen zum Verschieben und gaben dem ÖFB-Team die Gelegenheit, schnell Überzahl in Ballnähe zu schaffen.
Arnautovic. Der West-Ham-Legionär ließ sich oft ins Mittelfeld zurück fallen und bot sich als Anspielstation für Pässe aus der Verteidigung an. Wenn sich die entsprechende Lücke im russischen Verbund ergab, wurde diese Option auch oft genützt. Arnautovic lief viel, arbeitete viel und war auch stets bemüht, den Blick für den Mitspieler zu haben. Das war nicht nur beim Tor zum 1:0 so, als er für Schöpf bzw. Zulj zur Mitte spielte, sondern auch im Aufbau. Wenn er sich nach hinten bewegte um Bälle zu erhalten, wurden gegenläufig sprintende Mitspieler eingesetzt.
Druck, aber kein echtes Pressing. Österreich verstand es gut, schnell Druck auf den ballführenden Russen auszuüben. Allerdings geschah dies, ohne ein wirkliches Pressing zu zeigen. Die Eröffnung der Russen ließ das ÖFB-Team weitgehend in Ruhe, es hatte dabei auch nichts zu befürchten. Gutes Antizipieren (was bei dem recht berechenbaren Gegner auch keine Hexerei war) ermöglichte es aber dem Mittelfeld, schnell Druck auszuüben – auch, weil die Russen selten Tempo in ihre Spielzüge bekamen.
Die Umstellungen
Mit der Einwechslung von Burgstaller für Schaub ging auch eine System-Anpassung bei Franco Foda einher. Kainz ging nun voll ins Mittelfeld zurück, während Burgstaller und Arnautovic die Sturmspitzen in einem 3-5-1-1 gaben.
Dies änderte das Grundgleichgewicht im österreichischen Spiel etwas, aber eine signifikantere Auswirkung auf das Spiel hatten zwei etwas später vorgenommene personelle Wechsel im Mittelfeld selbst. Bei den Russen kam nach einer Stunde das ehemalige Wunderkind Alan Dzagoyev (mittlerweile 27 Jahre alt und längst in die Kategorie „stecken gebliebenes Talent“ gehörend) für Kudryayev. Der neue Mann agierte weniger robust und mehr nach vorne orientiert. Daher war auch der Wechsel von Schlager für Kainz ein paar Minuten später sinnvoll.
Mit dem robusten und zweikampfstarken Salzburger erarbeitete sich Österreich nämlich sehr schnell ein deutliches Übergewicht im Zentrum. So konnte das Spiel, das die Russen zuvor ein wenig in den Griff bekommen hatten (und durch Smolov auch eine große Chance auf den Ausgleich vergaben) wieder selbst in die Hand genommen werden.
Der Gegner
Der langjährige Tirol-Keeper Stanislav Tchertchessov, der eine individuell maximal durchschnittliche russische Truppe zur Heim-WM führt, vertraute auf ein 4-1-4-1 und, zumindest in der Startformation, ausschießlich auf Spieler aus der eigenen Liga (Spanien-Legionär Tcherishov wurde in der 2. Halbzeit eingewechselt). Die einzigen beiden Spieler von Meister Lok Moskau im ganzen Kader, die Miranchuk-Zwillinge, kamen ebenfalls erst im Laufe des Spiels.
Wie es bei den Russen schon länger auffällt, gibt es ganz massive Probleme im Spielaufbau. Anspiele von der Abwehr ins Mittelfeld werden vom Empfänger fast immer mit dem Rücken zum gegnerischen Tor aufgenommen. So ist es der Sbornaja fast unmöglich, Tempo ins Spiel zu bekommen, zumal Baumgartlinger und Zulj der aufmerksam waren.
Ihre besten Momente hatten die Russen, wenn sie vorne die österreichische Spieleröffnung anliefen. Mit diesem Mittel sorgten sie zwar nicht für Ballgewinne in vielversprechenden Zonen, aber zumindest für eine gewisse Kontrolle des österreichischen Aufbaus.
Fazit: Korrekter Sieg gegen biedere Russen
Für die Russen kommt die WM um mindestens ein halbes Jahrzehnt zu spät. Im Gegensatz zum Confed Cup vor einem Jahr oder (vor allem) zur EM 2016 und zur WM 2014 ist nun zwar zumindest eine grundsätzliche Idee erkennbar, wie man den Gegner ärgern will. Aber spielerisch ist man weiterhin meilenweit von Konkurrenzfähigkeit auf höherem Niveau entfernt.
Der Sieg der Österreicher war nicht unverdient. Die Leistung war solide und in Ordnung, aber beileibe nicht überragend. Über weite Strecken kontrollierte man das Zentrum zumindest defensiv, es wurden einige eintrainierte Spielzüge gezeigt. Arnautovic war fleißig, Zulj machte im Zentrum auch eine gute Figur, Schlager war in den letzten 20 Minuten wieder ein spürbare Bereicherung.
Die Spielanlage war anders als beim recht aggressiven Auftritt beim 3:0 über Slowenien, sie war noch mehr auf Arnautovic zugeschnitten und generell etwas zurückgenommener. Im Gegenzog konnte man sich nicht so leicht aus Pressing-Situationen befreien wie beim Spiel im März. Die Seitenverlagerungen waren horizontaler als gegen Slowenien und wurden schon aus der Abwehr heraus gespielt (gegen Slowenien waren es mehr Steilpässe aus dem Mittelfeld).
Die kommenden Spiele gegen Deutschland und Brasilien sollten Aufschluss darüber geben, wie sich das Team unter Foda gegen Teams der echten Weltklasse gibt. Zumal das Match gegen Russland auch von beiden Mannschaften in Testspiel-Tempo absolviert wurde.