Mit einer 0:1-Niederlage in Wales hat Österreich nun endgültig keine realistische Chance mehr auf eine WM-Teilnahme. Zwar war die Leistung nicht furchtbar schlecht, Marko Arnautovic hatte zwei Top-Torchancen und das ÖFB-Team hätte damit durchaus auch gewinnen können. Allerdings ließ man sich nach einer aggressiven Anfangsphase die taktische Initiative einmal mehr völlig aus der Hand nehmen.
Marcel Koller stellte Österreich im gewohnten 4-2-3-1 auf, mit Hinteregger als LV und Alaba auf der Acht. Der walisische Trainer Chris Coleman vertraute auf ein 3-4-3, das gegen den Ball ein 5-4-1 wurde. Bale spielte in diesem System zumeist links, Lawrence rechts. Joe Allen fehlte gesperrt, der noch vereinslose Joe Ledley war auf der Bank.
Österreich presst an
Die Anfangsphase von Österreich erinnerte, zumindest was die Offensive anging, an die besten Koller-Zeiten vor zwei Jahren. Das offensive Quartett fuhr die volle Pressing-Maschine; schon nach 40 Sekunden lief Harnik voll auf Goalie Hennessey zu, ebenso wie Arnautovic auf Chester.
Der Rest des Teams machte diesen Druck allerdings nicht ganz mit und rückte nicht konsequent nach. Die Folge war, dass sich hinter der Pressingwelle einiges an Räumen ergab – in die hinein Wales sehr gut kontern konnte, wie etwa in der 8. Minute, als Ramsey nach einem Gegenstoß gefährlich zum Abschluss kam.
Wales stellt um
Die Waliser wollten grundsätzlich über das Zentrum aufbauen, die ersten Passempfänger von hinten heraus waren also in der Regel Ramsey und Edwards. Genau hier allerdings hakte das österreichische Pressing ein und Wales kam so nicht zum Aufbau. Es half den Walisern in diesem Zusammenhang nicht, dass die Wing-Backs sehr hoch standen und für den ersten Pass damit nicht in Frage kamen.
Schon nach wenigen Minuten wurde das Mittelfeld-Zentrum daher mit langen Bällen auf die Spitzen umgangen. Eine tatsächliche Umstellung in der Spielanlage folge bei Wales nach zehn, fünfzehn Minuten. Man versuchte nun nicht mehr selbst, den Ball nach vorne zu bringen, sondern entzog sich dem österreichischen Pressing, indem man Österreich einfach den Ball überließ.
Viel Ballbesitz für Österreich…
Somit konnte sich Österreich in der walisischen Hälfte festsetzen. Wales machte in der Mitte die Räume eng und den Strafraum zu; David Alaba bekam wenig Gelegenheit, das Spiel von der Zehn aus zu lenken. Wenn er mal ein paar Meter Platz hatte, wurde es sofort gefählich, aber immer mehr verlegte er sich darauf, nach links auszuweichen.
Die linke Seite war einmal mehr jene, über die Österreich vorenehmlich angriff. Hinteregger positionierte sich sehr hoch und unterstützte Arnautovic nach Kräften. Zunächst hatte Arnautovic noch eher versucht an Gunter vorbei in den Rücken der Fünferkette zu kommen; nach der walisischen Umstellung zog er mehr in die Mitte und ließ Hinteregger die Außenbahn über.
…aber wenig Torgefahr
Auffällig war, dass sowohl von der Sechs als auch aus der Abwehr heraus sehr viele Spielverlagerungen genau auf Hinteregger (bzw. Arnautovic) gespielt wurde, fast immer in den Raum rund zehn bis fünfzehn Meter jenseits der Mittellinie. Hinteregger, Alaba und Arnautovic bildete auf der linken Seite ein stabiles Dreieck, aber es ging nur selten eine Schnittstelle auf. Einmal erwischten sie diese, aber Arnautovic verzog die Top-Chance knapp.
Dadaurch, dass das Spiel in der Regel von ihnen weg verlagert wurde, waren Lainer und Sabitzer deutlich weniger auffällig. Gerade Sabitzer traf in der Offensive auch in einigen Situationen die falsche Entscheidung, mal passte ein Laufweg nicht ganz, mal wurde der Pass nicht an den richtigen Adressaten geschickt.
Coleman dreht den Knopf
Zu Beginn der zweiten Hälfte adaptierte Chris Coleman die Taktik erneut – und auch das System. Er brachte einen zentralen Mittelfeldspieler (King) für den linken Wing-Bank (Richards), stellte Ramsey auf die Zehn und Bale auf die rechte Seite. Damit ergab sein ein 4-4-1-1. Damit war es den Walisern möglich, die österreichische Viererkette effektiv unter Druck zu setzen.
Anstatt Österreich tief zu erwarten, wir ab der 15. Minute, attackierte Wales nun also gleich die Spieleröffnung und nagelte das Team damit sehr gut hinten fest. Zudem rückte Wales auch im Mannschaftsverbund gut nach
Wales stellt wieder um
Österreich ließ sich vom Spielverlauf so ein wenig treiben und spielte halt sein Spiel, brachte aber keine eigenen Ideen ein. Erst ab etwa der 60. Minute, als sich die Waliser wieder etwas zurückzogen und erst in der eigenen Hälfte die Gegenspieler attackierten, kam Österreich wieder vermehrt zu Ballbesitz.
Baumgartlinger und Ilsanker fanden nun zwar durchaus Platz vor ihrem Sechserraum, aber wenige Anspielstationen – da die beiden walisischen Viererketten den Raum vor ihrem Strafraum gut eng machten und sich das österreichische Offensivquartett auch nicht gerade in die freien Räume hinein anbot.
Coleman brachte nach knapp 70 Minuten zwei neue Kräfte zum offensiv forechecken (Woodburn links, Robson-Kanu vorne). Gerade der 17-jährige Woodburn, der aus dem Liverpool-Nachwuchs kommt, konnte die schwächere österreichische Seite besser anbohren als es Lawrence zuvor getan hatte. Und es war auch Woodburn, der zur Stelle war, als (der ansonsten als Prödl-Vertreter starke) Kevin Danso und Dragovic einen Ball nicht gut klären konnten.
Brechstange nach Rückstand
Österreich brauchte nun zwei Tore in 20 Minuten, nachdem zuvor kein Tor in 70 Minuten erzielt wurde. Also packte Koller die Brechstange aus: Gregoritsch für Sabitzer und Janko für Harnik, damit eine Umstellung auf 4-4-2 – und Alaba auf der RECHTEN Mittelfeldseite. Ein wirkliches taktisches Mittel außer dem Drängen auf den Lucky Punch gab es nun nicht mehr: Die Bälle wurden vermehrt direkt in den Strafraum gehoben, und dort wurde versucht, etwas zu erzwingen.
In der Tat aber waren in der Schlussphase die Waliser dem 2:0 deutlich näher als Österreich dem Ausgleich. Da das ÖFB-Team aufmachen musste, boten sich Räume, und in der Nachspielzeit holze Robson-Kanu auch noch einmal an den Pfosten.
Fazit: Eh okay, aber zu wenig
Aufbauen, zurückziehen, System umstellen, vorne draufgehen, Gegner locken, zuschlagen – Chris Coleman und seine Waliser zeigten die ganze Palette. Österreich hingegen überließ Wales ab der 15. Minute völlig die taktische Initiative.
Es war jetzt keine schlechte Leistung von Österreich. Vor allem, wenn man bedenkt, dass einige wichtige Spieler nicht gerade regelmäßig spielen: Dragovic und Baumgartlinger vor allem. Arnautovic hat einen holprigen Saisonstart hinter sich. Danso hat noch keinen Saison-Einsatz für Augsburg, der spät eingewechselte Janko spielt bei Sparta Prag keine Rolle. Und Burgstaller war verletzt und konnte gleich gar nicht mitfahren.
Aber: Es war auch nicht genug. Wieder hatte Koller einen Plan zum Spielbeginn, den seine Spieler angemessen gut exekutierten, aber ab der ersten walisischen Umstellung wurde wieder nur das angenommen, was einem der Gegner gerade taktisch so anbot. Das war in diesem Spiel weder supergut noch dramatisch schlecht. Aber in einer solchen Situation, wenn man auf einen Sieg angewiesen ist, um im Rennen zu bleiben, ist das halt dann doch etwas zu wenig.
Ja: Österreich hatte die besseren, die klareren Torchancen (Arnautovic vor allem, mit zwei Topchancen) und das Tor von Wales war eher eine Verkettung von Zufällen und ein gut gezielter Weitschuss. Wenn Österreich das Spiel 2:1 gewinnt, kann sich niemand in Wales beschweren. Aber: Ab der 15. Spielminute investierte nur Wales eigene Ideen in das Spiel. Und es wäre eher die individuelle Klasse von Arnautovic und Alaba gewesen, die den Sieg gerettet hätten.
Die WM-Chance ist damit zwar noch nicht rechnerisch, aber in der Praxis doch endgültig verspielt. Das ist schade, aber Österreich hat sich das selbst zuzuschreiben.