0:1 nach 64 Sekunden, 0:2 nach 161 Sekunden – wahrlich, das Testspiel in Holland hätte für die ÖFB-Frauen kaum schlimmer beginnen können. Bei der 0:3-Niederlage gegen den ungemein starken EM-Gastgeber bekam Österreich aufgezeigt, was man gegen ein solches Team eher nicht kann bzw. nicht machen sollte. Und man zeigte einmal mehr Spirit.
Gleich hoch pressen, voll draufgehen, Holland hinten reindrängen: Das war die offensichtliche Devise gleich nach dem Anstoß. Und zack, riss die Sprinterin Van de Sanden den Konter an und Österreich war schon hinten. Österreich ging wieder nach vorne, diesmal zog Martens den Konter an, und die Abwehr stand völlig verkehrt.
Dennoch ließen sich die ÖFB-Frauen auch weiterhin nicht irritieren und versuchten immer noch, nach vorne zu agieren. Weitere Male musste Zinsberger in höchster Not retten. Die Linie zwischen mutig und naiv ist schmal.
Nach zehn Minuten jedenfalls zog sich Österreich merklich zurück (gut hörbar auch die Anweisung „Tiefer!“ von Teamchef Thalhammer), es wurde nun in gleicher Weise agiert wie in der ersten Hälfte beim letzten Testspiel in England – so lange da die taktische Disziplin gewahrt wurde, hatte das dort gut funktioniert.
Holland: Schnell
Gegen die im Vergleich mit England ungleich schnelleren Holländerinnen funktionierte das nicht so gut. Österreich versuchte, das Zentrum zuzumachen, aber auf den Flügeln waren die trickreiche Lieke Martens (gegen Kirchberger) und die schnelle Shanice van de Sanden (gegen Aschauer) kaum zu stoppen. Sie narrten ihre Gegenspieler, was bei denen auch deutliche mentale Spuren hinterlassen hat.
Dass Holland das derzeit wohl schnellste Team der Welt ist, wusste man. Das Österreich seine Stärken genau eher nicht im Tempo hat, auch. Der Unterschied wurde in vielen, einzelnen Szenen deutlich.
Hier muss man dazusagen, dass in Holland die Mädchen deutlich länger mit den Burschen trainieren – bis 16 Jahren – als in praktsich allen anderen Ländern. In Österreich erfolgt die Trennung nach der U-14. So haben vor allem die jungen Holländerinnen einen ungemeinen Vorteil was Tempohärte, Auffassungsgabe unter Druck und Handlungsschnelligkeit betrifft. Das wurde in diesem Spiel sehr deutlich.
Österreich hat Probleme
Wenn Österreich über mehrere Stationen aufbauen wollte, stellte Holland extrem schnell die Passwege zu, presste die Ballführende an, oder lief dieser routiniert und mit hoher Geschwindigkeit agierend den Ball ab.
Wenn Holland in Angriffssequenzen rochierte, half es Schnaderbeck und Wenninger wenig, dass sie ihre Klubkollegin Miedema in- und auswendig kennen: Die 20-Jährige (in ihrem 50. Länderspiel, unglaublich) war ihnen einfach zu schnell. So entstand immer wieder Unruhe in der österreichischen Abwehrlinie und Chancen für Holland.
Und wohlgemerkt: Schnaderbeck und Wenninger sind ein ungemein eingespieltes Abwehr-Duo – sie sind seit über zwei Jahren in praktisch jedem Länderspiel gemeinsam im Innenverteidiger-Einsatz und noch dazu seit der Jugend Klubkollegen – wenn auch Schnaderbeck erst in den letzten Jahren von der Sechs in die Abwehr gerückt ist.
Stabilität nach Wechseln und mit System-Adaptierungen
Nach einer Stunde – beim Stand von 3:0 für Holland, Lieke Martens hatte in der 37. Minute getroffen – änderten Wechsel die Balance auf dem Feld. Bei Österreich war der entscheidende Wechsel der von Kathi Schiechtl (für Kirchberger auf der RV-Position) und bei Holland jener von Renate Janssen von Van de Sanden. So hatten die ÖFB-Frauen nun die linke Abwehrseite (durch die Abwesenheit von Van de Sanden) und auch die rechte (durch die Anwesenheit von Schiechtl) besser im Griff.
Außerdem adaptierte Thalhammer die Systeme ein wenig. Phasenweise rückte RM Feiersinger nach hinten und Österreich spielte ein 5-3-2. Phasenweise rückte ZM Puntigam nach hinten und die AV Schiechtl und Aschauer gingen in den Sechserraum für ein 3-2-4-1. Aus dieser Formation heraus konnte auch schnell ein 4-2-3-1 werden, in dem Billa etwas aus der Tiefe kam.
Zudem hatte man erkannt, dass man nicht schnell genug ist, um kontrolliert aufzubauen und man versuchte, die eigene mentale Schnelligkeit mehr ins Spiel zu bringen, wenn schon die körperliche fehlte.. So wurde im Verlauf der zweiten Hälfte immer mehr auf ein Dump-&-Chase-Spiel umgestellt: Den Ball nach vorne schießen und nachpressen. So ist Japan immerhin 2011 Weltmeister geworden und ein Jahr später ins Olympia-Finale gekommen.
Natürlich waren auch die Gastgeberinnen vom Gas gegangen, aber in der letzten halben Stunde, nach diesen Adaptierungen, hatte Holland nur noch eine einzige gute Torchance – während sich Österreich halbwegs gut aus der Umklammerung lösen konnte. Dass es nicht mehr zu einem eigenen Tor reichte, lag vor allem an der gut gespielten holländischen Abseitsfalle.
Diese brachte vor ein paar Tagen schon Japan in einem Testspiel gegen die Niederlande auf die Palme – gefühlte 15-mal.
Fazit: Chancenlos, aber gut gegengesteuert
Die erste Hälfte war wirklich nicht gut, Österreich hatte Glück, nicht schon deutlich höher als 0:3 im Rückstand zu liegen. Entsprechend war auch die Laune von Dominik Thalhammer auf der Bank – grimmig. Der Plan, Holland aktiv anzugehen und selbst nach vorne zu arbeiten, ging spektakulär nach hinten los. Österreich hat fünf Wochen vor dem ersten EM-Spiel – übrigens in genau diesem Stadion in Deventer – hochverdient verloren, war im Grunde genommen chancenlos (zwei ernst zu nehmende Torschüsse).
Immerhin wurden die richtigen Schlüsse gezogen, um gegenzusteuern. Erst wurde von Aggressivspiel auf Verteidigungsblock umgestellt, dann die richtigen Wechsel vollzogen und auch die Spielanlage so umgestellt, dass das eigene Pressing-Spiel doch halbwegs zur Geltung kommen kann. Und der Zusammenhalt und der Spirit dieser Truppe ist sowieso über jeden Zweifel erhaben.
Was in den EM-Vorbereitungsspielen gegen Top-Gegner auffällt: 0:1 in Deutschland nach acht Minuten, 0:1 in England nach fünf Minuten, 0:2 in Holland nach drei Minuten. Das darf bei der EM nicht passieren.