Österreichs U-Turniere im Überblick: Spiegelbild einer Entwicklung

Erstmals in der Geschichte des österreichischen Fußballs stehen im Jahr 2015 gleich drei Turniere mit ÖFB-Beteiligung an. Die Teilnahmen an der U-17-EM (im Mai), der U-20-WM (im Juni) und er U-19-EM (im Juli) markieren den Höhepunkt einer erfreulichen Entwicklung, die in den letzten zwölf Jahren das gestiegene Bewusstsein für die Wichtigkeit von guter Nachwuchs-Arbeit widerspiegelt.

Ein krasser Gegensatz zur verlorenen Generation, die 1997 beinahe U-16-Europameister geworden wäre.

The Lost Boys

Finale der U-16-EM 1997
Finale der U-16-EM 1997

Der 1980er-Jahrgang gilt gemeinhin als Parade-Beispiel, wie Ende der Neunziger, Anfanger der Nuller-Jahre der Nachwuchs zugunsten von dritt- und viertklassigen Legionären vernachlässigt wurde. Im Mai 1997 kämpften sich die Burschen unter Teamchef Paul Gludovatz bei der U-16-EM in Niedersachsen ins Finale – mit Siegen gegen Polen (4:0) und die Ukraine (2:0) und einem 0:2 gegen Spanien, danach gab’s im Viertelfinale ein 3:0 über die Türkei und im Semifinale einen Sieg im Penalty-Schießen gegen die Schweizer.

Im Finale traf man wieder auf die Spanier um Torhüter Iker Casillas, hielt trotz spanischem Dauerdruck das 0:0 und unterlag im Elferschießen – Lukas Habeler verschoss.

Natürlich: Viele Spieler der Sieger haben auch keine große Karriere hingelegt. Halbwegs respektabel verlief die Karriere neben dem Torhüter noch für Corona (der aktuell bei Almeria spielt) und für Gurrutxaga (Real Sociedad, Rayo Vallecano); Camacho spielte 2002 mit dem schottischen Klub Livingston im Europacup gegen Sturm Graz. Allerdings ist bei Österreich überhaupt niemand dabei, dem man eine wirklich große Karriere attestieren kann.

Alexander Ziervogel war einige Zeit Stammspieler bei der Admira, Jürgen Kampel ist ein Urgestein der Ersten Liga (spielte beim FC Kärnten und bei Austria Lustenau), Thomas Eder spielte vor der Red-Bull-Übernahme bei Salzburg, Philipp Frenzl war in der Interwetten-Zeit bei Untersiebenbrunn beschäftigt, Marc Niemetz spielte in Gratkorn Erste Liga. Pascal Ortner hätte wohl das Talent für mehr gehabt, kam aber kaum über die Zweitklassigkeit hinaus; Ümit Erbay schnupperte bei Rapid mal rein, schaffte aber den Durchbruch.

Die erfolgreichste Laufbahn hat sicher Torhüter Hans-Peter Berger hinter sich: Cupsieger bei Pasching, Stammkraft in der Bundesliga bei Ried, Portugal-Legionär bei Leixoes, zahlreiche U-21-Länderspiele. Aber der Rest ist zum Teil selbst Experten kein Begriff mehr. Kapitan Christian Mikula verließ die Austria als 22-Jähriger, ohne jemals für die „Erste“ gespielt zu haben, Lukas Habeler spielte eine Zweitliga-Saison beim Sportklub, Friessnegger pendelte zwischen Regional- und Kärntner Liga, Alexander Unger zwischen Rohrbach und Gallneukirchen, Yalcin Demir verbrachte den Großteil seiner Karriere in Grieskirchen und Bad Schallerbach und Bernd Kren wechselte jedes Jahr seinen Verein – von Stadlau über Enzesfeld und Langenzersdorf bis Stetten.

Mit dem Final-Einzug qualifizierte man sich für die U-17-WM in Ägypten, dort holte Paul Gludovatz Martin Stranzl (1860 München), Paul Scharner (Austria), Wolfi Mair (FC Tirol) und Michael Mörz (Mattersburg) in den Kader, man kassierte aber dennoch kräftig Prügel – 0:7 gegen Brasilien (ein Tor von Ronaldinho), 1:3 gegen den Oman (Ehrentor von Ziervogel) und 0:4 gegen die USA.

Vom für die WM rekrutierten Quartett abgesehen, war niemand auch nur in realistischer Nähe zu einer Nationalteam-Karriere. So symbolisiert der Final-Kader der U-16-EM wie kaum etwas anderes die „verlorene Generation“ im österreichischen Fußball.

Doppel-Bronze

Es dauerte sechs Jahre – in denen etwa die U-21 in der Quali für die EM 2000 sieben von acht Spielen verloren hat – bis wieder österreichische U-Mannschaften bei Turnieren waren. Dafür waren es im Sommer 2003 gleich zwei davon, und beide sorgten für Furore. In einer Zeit, in der ein bieder besetztes Nationalteam von Hans Krankl zusätzlich verheert wurde, Frank Stronach und Peter Westenthaler die Bundesliga führten und eine Armada von mittelmäßigen Legionären in der Liga einen Einheimischen-Anteil von rund 50 % übrig ließen, war dieser Sommer ein kleiner Hoffnungsschimmer.

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Weiters im Kader: Kajtezovic; Balga, Samwald; Horvat-Markovic, König; Mayer, Stankovic.

Erst war im Mai die U-17-EM in Portugal dran, für die sich die Burschen von Teamchef Ernst Weber qualifzierten (in der Eliterunde gegen Serbien-Montenegro, Nordirland und Finnland). Weber konnte da schon auf die ersten Produkte der zur Austria gehörenden Akademie in Hollabrunn zurückgreifen.

In der Vorrunde wurde Portugal (mit Balazs Dzusdzak) durch ein spätes Saurer-Tor mit 1:0 bezwungen, gegen Portugal (mit Veloso) gab’s eine 0:1-Niederlage. So musste gegen Dänemark ein Sieg her. Es sicherten mit Arnheim-Legionär Patrick Mayer und Daniel Horvat-Markovic aus der GAK-Jugend zwei Joker den 2:0-Sieg und den Halbfinal-Einzug.

Dort war Spanien (u.a. mit David Silva und Jurado) deutlich zu stark, schon zur Halbzeit waren die ÖFB-Burschen 0:4 im Rückstand, am Ende hieß es 2:5 (Tor von Fuchs und Stankovic). Im kleinen Finale, das damals noch ausgespielt wurde, gewann Österreich dann aber 1:0 (Pirker) gegen England (mit Milner, Lennon und Huddlestone) und holte sich so den dritten Turnier-Platz.

Fuchs und Gercaiu waren fünf Jahre später im EM-Kader, Schiemer war lange Teamspieler, Stankovic und Dober spielten auch im Nationalteam, Saurer einige Zeit in der Bundesliga. Für eine U-17, die ja noch mit vielen Unwegbarkeiten für die Zukunft verbunden ist, eine großartige Ausbeute. Und Christian Balga tourt nun als Rapper „CRISO“ durch die Clubs.

Sie profitierten nicht nur von den immer mehr werdenden Nachwuchsakademien nach dem Vorbild von Hollabrunn, sondern auch vom Österreicher-Topf. Dieser belohnte Klubs für den Einsatz von einheimischen Spielern mit Geld aus dem TV-Topf.

Weiters im Kader:
Weiters im Kader: Vollnhofer; Bolter, Fürthaler; Cehajic, Lindschinger, Öbster; Mössner.

Das gilt auch für die U-19, die im Juli bei der EM in Liechtenstein antrat (nach drei Eliterunden-Siegen gegen Serbien-Montenegro, Mazedonien und Zypern). Gleich zum Start gegen England (mit Downing und Ridgewell) gab’s mit dem 2:1-Sieg einen Paukenschlag, Lukas Mössner und Jürgen Säumel schossen die Tore für Österreich.

Noch bemerkenswerter war dann der 4:1-Triumph gegen Tschechien im zweiten Spiel. Doppelpacks von René Schicker und Roman Kienast konterten die frühe tschechische Führung, sodass schon nach zwei Spielen der Halbfinal-Einzug fix war. Im dritten Gruppenspiel hatte man die Franzosen dank eines Cehajic-Elfers am Rand der Niederlage, ehe man in der Nachspielzeit noch den Ausgleich schluckte.

Egal: Als Gruppensieger ging’s ins Halbfinale, wo Portugal wartete. Und was war das für ein Krimi: Ein Salmutter-Doppelschlag (24., 28.) sorgte für die 2:0-Führung, doch bis zur Halbzeit glichen die Portugiesen durch Hugo Almeida auf 2:2 aus und sie gingen nach der Pause mit 3:2 in Front, ehe Mario Bolter mit Gelb-Rot vom Platz flog (78.). Dennoch glich Lukas Mössner noch zum 3:3 aus – aber in der Verlängerung fehlte den dezimierten Österreichern die Luft und Portugal siegte 6:3.

Wie auch bei der U-17 schafften auch aus diesem Team einige den Durchbruch: Robert Almer ist Team-Goalie, Jürgen Säumel war bei der Heim-EM 2008, auch Kienast war da dabei. Markus Berger spielt seit Jahren in Portugal, der Ukraine und Russland. Bei Prager wäre beim LASK und Rapid wohl mehr möglich gewesen, Salmutter war jahrelang Stammkraft bei Sturm, René Schicker ist es bei der Admira.

Generation Kanada

Für Teamchef Paul Gludovatz war das Halbfinale mit dem 84er-Jahrgang schon ein Riesen-Erfolg, aber sein Meisterstück sollten die 87er werden, die der direkt danach übernahm. Denn mit diesem Jahrgang erreichte er jedes mögliche Turnier: Zwei Europameisterschaften und die WM in Kanada.

Außerdem im Kader:
Außerdem im Kader: Lukse; Asinger; Glauninger, Lederer, Walzer; Bürger, Idrizaj

In der Eliterunde stand das WM-Ticket schon nach dem 3:2 über Finnland und dem 2:0 gegen Rumänien fest, zum Abschluss gab’s noch ein 0:0 gegen Moldawien. Bei der Endrunde im Loire-Tal in Frankreich startete man mit einem 0:0 gegen Portugal, ehe ein Doppelschlag von Kapitän Daniel Gramann (dem Neffen von Andi Herzog) einen 2:1-Sieg über die Ukraine brachte.

So hätte im letzten Gruppenspiel gegen England ein Remis zum Einzug ins Halbfinale gereicht, zudem wurden bei den Young Lions einige Stammkräfte für die nächste Runde geschont. „Mit Jugendmannschaften braucht man aber nicht auf Remis zu spielen“, gab Gludovatz zu protokoll. England übernahm schnell die Kontrolle, Levi Porter sorgte nach rund einer Stunde für das Tor zum verdienten 1:0-Sieg. So zog Portugal noch vorbei.

Wie hochklassig das Turnier besetzt war, zeigen die Aufstellungen vom Finale. Dort siegten die Franzosen mit Nasri, Menez und Ben-Arfa 2:1 gegen die Spanier mit Piqué, Fàbregas und Javi García. Für den Nukleus des österreichischen Jahrganges war es der erste Schritt.

Der nächste folgte zwei Jahre später, als es um die U-19-EM ging. Da brauchte man in der Quali-Vorrunde noch etwas Glück, sich punktgleich mit Wales wegen der besseren Tordifferenz Platz zwei hinter Frankreich zu sichern, in der Elite-Runde gab’s aber mit drei Siegen gegen Slowenien, Russland und Ungarn keine Diskussionen mehr. Dass die Resultate aber durchwegs knapp waren (2:1, 1:0, 1:0) sollte aber zu einem Markenzeichen dieses Jahrgangs werden.

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Außerdem im Kader: Zaglmair; Pichler; Simkovic, Glauninger; Vishaj.

Denn auch bei der Endrunde in Polen fing es genau so an – mit einem 1:0-Sieg über den Gastgeber durch ein Tor von Jimmy Hoffer. Zwei Tage später setzte es gegen Tschechien eine 1:3-Niederlage (nicht die letzte…), da gelang Hoffer kurz vor Schluss nur noch der Ehrentreffer.

Vor dem abschließenden Gruppenspiel gegen Belgien waren damit alle Teams punktgleich, und während für die ersten beiden das Semifinale wartete, gab es für den Dritten immerhin noch das Ticket für die U-20-WM im folgenden Jahr in Kanada. In einem ausgeglichenen Spiel nützte Hoffer nach 16 Minuten einen gut getimten Lochpass von Sikorski zum 1:0, aber die Belgier ließen nicht locker. Kurz nach dem Seitenwechsel sorgte Massimo Moia für sein Team mit Marouane Fellaini, Kevin Mirallas und Sébastien Pocognoli für den 1:1-Ausgleich, im direkten Gegenzug aber netzte erneut Hoffer zum 2:1. Belgien drückte, aber Innenverteidiger Michael Madl machte mit dem 3:1 zehn Minuten vor Schluss den Deckel drauf, ehe ein Gramann-Elfer sogar den 4:1-Endstand herstellte.

Damit war nicht nur das WM-Ticket gesichert, sondern auch das Halbfinale erreicht. Dort war aber Spanien klar zu stark – Juan Mata, Javi García und Jeffren trafen beim 5:0.

Für die U-20-WM bekam man am 3. März 2007 neben Gastgeber Kanada auch Turnier-Mitfavorit Chile und Afrikameister Congo zugelost. Dass man im letzten Vorbereitungsspiel vor der WM dem fischgebackenen Vizemeister Ried gleich mit 6:1 abmontierte, deutete das Potenzal des Teams schon an. Was dann aber tatsächlich kam, sah niemand kommen.

Hier ausführlich: „Drei Wochen im Juli“, der Ballverliebt-Klassiker über das Turnier in Kanada.

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Außerdem im Kader: Kuru, Lukse; Gramann, T. Pirker; Enzenberger, Hinum, Morgenthaler; Simkovic.

Gegenüber der U-19-EM ein Jahr davor gab es zwei entscheidende Neuerungen: Martin Harnik (der in Hamburg aufgewachsene Werder-Jugendspieler hat einen österreichischen Vater und ist Austria-Scouts bei einem Hallenturnier aufgefallen) und Zlatko Junuzovic, die vom U-21-Team kamen.

Gleich nach ein paar Minuten gab’s gegen den Congo das 1:0 durch Hoffer, es reichte aber nur für ein 1:1. Auch in der Hitzeschlacht gegen Kanada schwanden in der Schlussphase die Kräfte, das 1:0 (Kopfballtor von Okotie) wurde aber über die Zeit gebracht. Damit stand schon vor dem letzten Gruppenspiel gegen Chile der Achtelfinal-Einzug fest. Mit einer starken Leistung spielten die ÖFB-Burschen 0:0 gegen die Südamerikaner, wurden Gruppenzweiter und mussten im Achtelfinale gegen Gambia ran.

Nach dem 1:0 von Kapitän Prödl und dem Ausschluss für einen Gambier regierte bei Österreich aber Bruder Leichtfuß, Gambia glich nach einem fürchterlichen Harnik-Fehler aus; Joker Hoffer brachte kurz vor Schluss den 2:1-Sieg in trockene Tücher. Gludovatz war dennoch sauer, ließ Harnik im Viertelfinale gegen die USA draußen. Mit Morgenthaler statt Harnik brachte Österreich im Dauerregen von Toronto aber keinen Fuß auf den Boden, Jozy Altidore schoss das 1:0. Schon nach einer halben Stunde kam Harnik dann doch wieder, Österreich übernahm die Kontrolle und Okotie nützte einen Goalie-Fehler zum 1:1. In der Verlängerung staubte der eingewechselte Hoffer zum 2:1-Sieg ab.

Im Halbfinale verlor Österreich aber, wie schon ein Jahr zuvor im Gruppenspiel, gegen Tschechien. Panny hatte sich schwer verletzt, Stanislaw und Madl waren gesperrt – da waren die Tschechen (die im Viertelfinale Spanien eliminiert hatten) zu gut. Nach 15 Minuten stand’s 0:2, bis zur Halbzeit führten die Tschechen Österreich vor, die waren danach erledigt. Im Spiel um Platz drei gab’s trotz erneut toller Leistung ein 0:1 gegen Chile.

Harnik, Prödl und Hoffer schafften noch den Sprung in den Kader für die Heim-EM im folgenden Jahr. Junuzovic, Kavlak, Okotie und Suttner sind fixe Bestandteile des Nationalteams; Madl, Hinum und Simkovic sind bzw. waren konstante Bundesliga-Spieler. Man kann durchaus behaupten, dass dies die aktuelle goldene Generation in Österreichs Fußball ist.

Die im Schatten sieht man nicht

Zeitgleich zur K.o.-Phase bei der U-20-WM fand in Oberösterreich die U-19-EM statt – durch den medialen Hype, der um die WM-Truppe entstand, nahm dieses Turnier aber kaum jemand wirklich wahr. Am ehesten blieb noch Herbert Prohaskas Hurenkind-Sager in Erinnerung.

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Weiters im Kader: Schartner; Seebacher; Beichler, Ilsanker, Perchtold; Lindner, Salkic

Das lag sicher auch daran, dass Hermann Stadlers Mannschaft zwar sehr talentiert war, die Gruppengegner aber noch besser. Zum Start zeigte man eine couragierte Leistung, verlor in Linz aber vor 11.700 Zusehern mit 0:2 gegen Spanien – Cesar Azpilicueta war unter den Torschützen, Javi Martinez war ebenso auf dem Feld.

In Pasching waren zum zweiten Gruppenspiel gegen Griechenland 8.000 Menschen im Stadion. Die sahen, wie Kostas Mitroglou die Gäste nach einer Viertelstunde in Front brachte, in der Folge die Österreicher um Kapitän Julian Baumgartlinger drückten. Nach einer Stunde verwandelte Daniel Beichler einen Elfer zum 1:1, in Minute 78 sah Marko Arnautovic seine zweite gelbe Karte und musste runter. Das 1:1 half nicht wirklich weiter.

Vor erneut ausverkauftem Haus in Ried musste gegen Portugal ein Sieg her, um noch ans Halbfinale denken zu können, die Portugiesen ließen die Kontrolle über das Spiel aber nie wirklich aus der Hand. Nach dem 0:2 war Österreich als Gruppenletzter ausgeschieden. Die Gruppengegner Spanien und Griechenland trafen sich im Finale wieder, Spanien gewann 1:0.

Natürlich ragen die Nationalteam-Leistungsträger Arnautovic und Baumgartlinger aus dem Kader heraus, auch Ilsanker hat es ins Team geschafft. Aber auch Riegler, Ramsebner, Beichler, Bukva und Salkic spielten bzw. spielen regelmäßig Bundesliga. Angesichts der Tatsache, dass dies ein beinahe vergessenes Turnier ist und nur ein Punkt geholt wurde, gilt auch hier: Eine stattliche Durchbruch-Ausbeute.

Team Alaba

Drei Jahre später rettete Christian Klem mit seinem späten Tor zum 1:0 gegen Schottland im letzten Quali-Vorrunden-Spiel das Team vor dem ganz frühen Aus, die Eliterunde begann mit einem 2:3 gegen die Schweiz. Es brauchte nun zwei eigene Siege und Schützenhilfe, und tatsächlich gab es beides – 2:0 gegen Serbien, 4:3 gegen Dänemark und die Schweizer verloren das letzte Spiel. Österreich hatte sich für die U-19-EM in der Normandie qualifiziert.

Dort ging es auch um ein Ticket für die U-20-WM in Kolumbien, eine glückliche Figur gab Teamchef Andi Heraf aber nicht ab. Dass die Austria Aleksandar Dragovic nicht freigab, dafür konnte Heraf nichts, aber David Alaba trug sich selbst an – Heraf hatte bei den Bayern (womöglich aus Angst vor einer Absage) anzufragen.

Weiters im Kader:
Weiters im Kader: Petrovcic; Teigl; Klem, Knasmüllner, Meilinger; Tiffner

Gegen England kämpfte Österreich bis zum Umfallen, derbe individuelle Schnitzer bescherten dem ÖFB-Team aber ein 2:3. Nach dem 0:2 zur Pause erzielte Alaba den Anschlusstreffer, im direkten Gegenzug schlief die Hintermannschaft bei einer Ecke und es hieß 1:3. Trauner sorgte für den Endstand.

Im zweiten Spiel gegen Gastgeber und Top-Favorit Frankreich hielt Österreich über eine Stunde ein knappes 0:1, dann brachen aber alle Dämme. Nach dem 0:5 mussten Alaba und (der im ersten Spiel starke) Knasmüllner dann zurück zu den Bayern, weil sie nur bleiben hätten dürfen, wenn Österreich noch ins Halbfinale kommen kann. Das war nach der zweiten Niederlage kein Thema mehr.

Das Krisenmanagement Herafs war aber ein größeres Thema. Nach dem 0:5 mokierte er sich öffentlich darüber, dass ein namentlich nicht genannter Spieler intern quergetrieben hat, sauer, im zweiten Spiel nicht von Beginn an gespielt zu haben. Ob es Djuricin, Tiffner oder Knasmüllner war, kam nie raus – die Vermutung liegt aber nahe, dass es entweder Knasmüllner (musste ohnehin zum Klub zurück) oder Tiffner (wurde im dritten Spiel nicht einmal eingewechselt) war. Denn Djuricin spielte gegen Holland, und er verwandelte in der 87. Minute auch den Elfmeter zum 1:0-Sieg gegen Martins-Indi, Clasie, Van Rhijn, Zoet und Co.

Womit, allem internen Zank zum Trotz, das Ticket für die WM gelöst wurde.

Weiters im Kader:
Weiters im Kader: Petermann, Riegler; Rotpuller, Windbichler; Meilinger, K. Stöger, Schütz, Teigl, Ziegl; Djuricin.

Im Vorfeld des Turnieres in Kolumbien musste Heraf vor allem mit den Vereinen um die Abstellung kämpfen. Alaba von den Bayern, Holzhauser von Stuttgart und Aleks Dragovic von der Austria bekamen keine Freigabe, bei den Spielern von Salzburg – Offenbacher, Meilinger und Teigl – gab es erst spät die Freigabe. Dazu fehlte Gernot Trauner verletzt. Zugelost wurden Panama, Ägypten und Brasilien; dazu wurde versucht, mit allen Mitteln – etwa Zahnspangen, die bessere Atmung gewährleisten – mit der Hitze und der Luftfeuchtigkeit klar zu kommen

Im ersten Spiel gegen Panama machte die Mannschaft eigentlich alles richtig, dominierte klar, vergab aber Top-Chancen am laufenden Band. So stand am Ende des Spiels, das für den angepeilten Achtelfinal-Einzug in der Rechnung auf jeden Fall ein Sieg hergemusst hätte, ein enttäuschendes 0:0. Gegen Brasilien stellte Heraf dann auf ein 3-3-3-1 um und tauschte vier Spieler aus. Dabei gelang es aber nicht, den auch in der Nachbetrachtung herausragend besetzten späteren Weltmeister (mit Oscar, Coutinho, Danilo, Alex Sandro und Casemiro) wirklich beizukommen. Man agierte zu eng, übte zu wenig Druck auf die starken brasilianischen Außenverteidiger aus, und war auch individuell nicht gut genug. Österreich verlor das Spiel mit 0:3.

Das hieß vor dem letzten Gruppenspiel gegen Ägypten, dass ein Sieg mit zwei Toren Differenz auf jeden Fall für das Achtelfinale reicht und auch bei einem knapperen Erfolg noch die Chance besteht, als Gruppendritter weiterzukommen. Die Ägypter um Mohamed Salah bestachen vor allem durch ihre bärenstarke Innenverteidigung. Dennoch versäumte es Österreich – diesmal in einem 4-4-2 angetreten – konsequent die ägyptischen Schwachpunkte namens Außenverteidiger anzubohren. Ägypten genoss es, trotz (zunächst) optischer Unterlegenheit alles im Griff zu haben und ging durch einen abgefälschten Schuss nach einer halben Stunde in Führung.

Österreich reagierte geschockt, dann schwanden nach zweieinhalb Spielen in Hitze und Schwüle auch die Kräfte, und mit Radlingers Patzer zum 0:2 nach einer Stunde war’s vorbei. Am Ende gewann Ägypten gar 4:0; Österreich war ausgeschieden. Torlos.

Lazaro und Co.

2013 war die U-19 um Sabitzer, Schaub, Wydra, Gartner und Schöpf mit einem 0:1 gegen Frankreich im letzten Quali-Spiel knapp gescheitert, die U-17 machte es besser und hatte auch mehr Glück. Nach dem 0:1 gegen Irland zum Eliterunden-Auftakt gab’s für die Burschen von Hermann Stadler ein 1:0 über Serbien. Vorm letzten Spiel brauchte es neben einem eigenen Sieg ein Remis im Parallel-Spiel. Selbst gewann man 2:1 gegen Georgien – und profitierte davon, dass Serbien trotz drückender Überlegenheit nur 1:1 gegen Irland spielte. Österreich hatte sich für die EM-Endrunde in der Slowakei qualifiziert.

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Weiters im Kader: Hartl; Haas, Probst; Mathis, T. Steiner; Mayr-Fälten, Pellegrini.

Dort ging’s nicht nur um den EM-Titel, sondern wiederum auch um ein Ticket für die U-17-WM in den Emiraten; der 3. Gruppenplatz musste dafür zumindest her. Zum Auftakt gegen Gastgeber Slowakei hielt Österreich lange ein 0:0, auch nachdem der gerade rechtzeitig von einem Mittelfußbruch genesenen Valentino Lazaro nach einer Stunde mit muskulären Problemen ausgewechselt werden musste und Joker Steiner fünf Minuten vor Schluss per Gelb-Rot ausgeschlossen wurde. Doch in der Nachspielzeit schlug es doch noch ein – 0:1.

Im zweiten Spiel gegen Schweden geriet Österreich sofort schwer unter Druck, überstand die kritischen Phasen aber und rettete das 0:0 in die Pause. Kurz nach Wiederanpfiff kassierte man nach einem Eckball dennoch das 0:1, kurze Zeit später jedoch glich Zivotic nach Lazaro-Assist entgegen des Spielverlaufes aus. Auch dank größerer Kraft-Reserven bekam Österreich das Spiel in der Folge in den Griff, kam zu einigen Chancen, es blieb aber beim 1:1.

So musste im letzten Gruppenspiel gegen die Schweiz ein Sieg her, um nach dem so gut wie sicher verpassten Halbfinale zumindest das WM-Ticket zu sichern. Das gelang – schon nach einer halben Stunde schossen Baumgartner und Ripic einen 2:0-Vorsprung heraus, bis 20 Minuten vor Schluss war unter Kontrolle. Der Schweizer Anschlusstreffer ließ dann aber doch noch die Nerven flattern. Es blieb aber beim 2:1 – Österreich hatte sich erstmals nach den „Lost Boys“ 15 Jahre davor wieder für eine U-17-Weltmeisterschaft qualifiziert.

Parallel zum Turnier in den Emiraten sammelten die Austria-Nachwuchskräfte um Sascha Horvath – also auch Gluhakovic, Zivotic, Kvasina und Endlicher – wertvolle Erfahrungen und erstaunliche Erfolge in der UEFA Youth League, also der Junioren-Champions-League, wo man gegen Porto, Zenit und Atlético sogar ins Achtelfinale einzog. Bei der U-17-WM sollte sich aber ein Grundthema durch das Turnier ziehen: Vorne super, hinten zuweilen haarsträubend.

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Weiters im Kader: Bundschuh, Hartl; Haas, Probst; Bahtic, Endlicher, Tursch; Kvasina, Mayr-Fälten, Pellegrini

Gegen Kanada bekam Keeper Schlager gleich zu Beginn viel zu tun, ehe Horvath den Ball nach einer halben Stunde unter die Latte zum 1:0 drosch. Österreich legte immer mehr den Vorwärtsgang ein, kassierte aber nach der Pause erst den Ausgleich und dann den 1:2-Rückstand (per umstrittenem Elfer). Doch ein unglaubliches Seitfallzieher-Tor von Adrian Grbic rettete zumindest das 2:2.

Noch extremer wurde dieser Gegensatz zwischen offensiver Power und defensiver Anfälligkeit beim zweiten Spiel gegen Argentinien. Man traute sich, die Südamerikaner zu ärgern und mutig nach vorne zu spielen, was mit der verdienten 1:0-Führung nach einer halben Stunde durch Zivotic belohnt wurde. Noch beim 1:1 (42.) bekam Argentinien zu viel Platz und beim 1:2 (51.) griff Goalie Schlager daneben. Österreich spielte weiter kompromisslos nach vorne, Joker Pellegrini glich auch zum 2:2 aus (79.) und Horvath hatte kurz danach die Riesen-Chance auf die Führung.

Doch hinten wurde wieder gepatzt und Argentinien gewann spät doch noch mit 3:2. Die Achtelfinal-Chancen vorm letzten Spiel gegen den Iran waren damit schon minimal. Dort hatte es schon ein bisschen den Eindruck, als wäre die Luft draußen. Gegen die biederen Perser fand Rot-Weiß-Rot nicht wirklich ins Spiel und verteidigte einen Energie-Anfall von Youssef Seyyedi nach 36 Minuten praktisch gar nicht. Das 0:1, der Endstand, das Aus. „Wir hätten uns mehr erwartet“, war Stadler nach dem Turnier zerknirscht.

Dennoch: Die Spiele in Dubai und Al-Ain waren nicht das letzte Highlight für den 96er-Jahrgang: Zwei Jahre später qualifizierte sich das Team in fast unveränderter Besetzung für die U-19-EM, die im Juli in Griechenland steigt. Wieder, wie schon auf U-17-Level, auch dank eines Remis im Parallelspiel am letzten Quali-Spieltag.

Die Neuseeländer

Im Oktober 2011 war die U-17 von Andi Heraf schon in der Quali-Vorrunde gescheitert – als man in der Schlussminute gegen Italien das entscheidende 2:3 kassierte, waren Bytyqi, Blutsch, Grubeck, Michorl und Rosenbichler mit dabei. Zwei Jahre später münzten sie die Lehrern, die daraus gezogen wurden, um9. Als U-19 besiegte man in der Elite-Runde Rumänien (5:0) und Norwegen (3:1), ehe man gegen Russland das zur Quali nötige 0:0 hielt.

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Auch im Kader: Casali; L. Gugganig, Joppich, Puchegger; Laimer; Grubeck, Maderner

Das liegt auch daran, dass Heraf einige starke Spieler-Persönlichkeiten hat, die nicht nur mit dem Spielgerät stark sind, sondern auch im Kopf. Angeführt von Man-City-Legionär Sinan Bytyqi, U-17-Held Sascha Horvath, Francesco Lovric aus Stuttgart und dem nach dem Turnier zu Real Madrid transferierten Philipp Lienhart bildete sich eine Mannschaft, die darüber hinaus über einen extremen Teamgeist verfügt.

Schon im ersten Endrunden-Spiel vor fast 10.000 Zusehern gegen Ungarn ließ Österreich keine Zweifel aufkommen, wer das bessere Team war. Die Gastgeber waren ohne Chance; Bytyci (15., Elfer) und Blutsch (18.) sorgten früh für klare Verhältnisse; Jung-Papa Peter Michorl machte kurz nach dem Seitenwechsel mit dem 3:0 den Deckel drauf. Am Ende hieß es 3:1 und das Ticket für die WM-Endrunde 2015 in Neuseeland war da schon so gut wie gelöst, das Minimal-Ziel bereits nach einem Spiel de facto erreicht. Ganz fix war es nach dem souveränen und nie gefährdeten 3:0-Sieg drei Tage später gegen Israel. Bytyci und Werder-Spieler Grillitsch sorgten wiederum schon vor der Pause für die Vorentscheidung, Grubeck – der einige Monate davor von Rapid-Hools niedergeprügelt worden war – für den 3:0-Endstand.

So konnte Heraf im letzten Gruppenspiel gegen Portugal auch den anderen Kaderspielern einen Einsatz verschaffen, nach Grillitsch‘ zwischenzeitlichem 1:1-Ausgleich stand am Ende eine 1:2-Niederlage, deren einzige Konsequenz war, dass man im Halbfinale auf Deutschland traf und nicht auf Serbien. Wie schon in der Vorrunde versuchte das ÖFB-Team dort, dem Gegner mit Pressing beizukommen, aber die Deutschen waren einfach zu stark.

Tore von Selke und Öztunali (Bremen), Stendera (Frankfurt) – allesamt Bundesliga-Spieler – sowie Mukhtar (Hertha BSC) sorgten für den deutschen 4:0-Sieg, bei dem etwa auch Julian Brandt (Leverkusen) und Bald-Bayern-Spieler Kimmich auf dem Feld waren. Die Deutschen besiegten im Finale Serbien mit 1:0, und Österreich freut sich auf die Weltmeisterschaft.

Vorrunden-Gegner dort: Ghana, Panama und Argentinien.

Fazit: Jeder Jahrgang brachte Leute durch

Der EM-Kader von 1997 war der letzte eines ÖFB-U-Teams bei einem EM- bzw. WM-Turnier, der keinen einzigen Spieler in die Nationalmannschaft und auch kaum jemanden konstant in die Bundesliga gebracht hätte. Seither hat sich nicht nur die Quote signifikant gesteigert – als Höhepunkt natürlich die WM-Halbfinalisten von 2007 – auch die schiere Zahl an Endrunden-Teilnahmen ist deutlich angestiegen.

Mit dem Höhepunkt des Jahres 2015. Drei U-Turniere mit Österreich-Beteiligung stehen an. Die Nachwuchsarbeit ist hervorragend und verglichen mit den spätern Neunzigern und frühen Nuller-Jahren ist nun auch bei den Bundesliga-Klubs deutlich mehr Bereitschaft gegeben, die Talente auch einzusetzen.

Damit sie nicht mit 24 immer noch als Talente gelten.

Über Philipp Eitzinger

Journalist, Statistik-Experte und Taktik-Junkie. Kein Fan eines bestimmten heimischen Bundesliga-Vereins, sondern von guter Arbeit. Und voller Hoffnung, dass irgendwann doch noch alles gut wird.