Die Frauen-EM 2029 findet in Deutschland statt! Mit dieser Entscheidung am Mittwoch Nachmittag endete das letzte Länderspielfenster dieses Frauenfußball-Jahres. Es brachte einen Nations-League-Sieger Spanien und für Österreich ein Trainingslager in Andalusien mit zwei Testspielen – einem 1:1 gegen Finnland und einem 2:3 gegen die Ukraine.
Welche Erkenntnisse lassen sich aus den ersten beiden Länderspielen der Amtszeit von Alexander Schriebl ziehen, in denen es die Abläufe wichtiger waren als die Resultate?
Worum ging es in diesem Trainingslager?
Explizit nicht vordergründig um die Ergebnisse der beiden Spiele. Das betonte Teamchef Alex Schriebl schon direkt nach dem geschafften Nations-League-Klassenerhalt gegen Tschechien. Endlich mal in Ruhe inhaltlich arbeiten können, was im Dauerdruck der Nations League einfach nicht geht – einer der Effekte der Einführung dieses Bewerbs, in dessen Modus seit letztem jahr auch EM- und WM-Qualifikationen absolviert werden.
„Darum wollte wir jetzt auch bewusst Gegner haben, die wir sonst nicht haben“, erklärte Schriebl in Andalusien. Zum einen, um auch mehr die Muster im eigenen Ballbesitz unter Wettkampfbedingungen zu testen. Zum anderen aber auch schon mit Blick auf die WM-Qualifikation. Schließt man die Quali-Gruppe mit Deutschland, Norwegen und Slowenien als Zweiter oder Dritter ab (was realistischerweise der Fall sein dürfte), sind Teams von der Kragenweite von Finnland und Ukraine in der entscheidenden Playoff-Runde die Kontrahenten. „Wir müssen vorausschauend planen und das Playoff hat eine Rolle gespielt“, bestätigt Schriebl. Matches gegen Top-Teams hat man sowieso, „und Partien gegen ein Team, gegen das wir locker 6:0 gewinnen, hilft uns nicht weiter.“
Wie aussagekräftig ist das 1:1 gegen Finnland?
Das Spiel war durchaus aufschlussreich – in dem Sinne, dass es viele Eindrücke aus den bisherigen Spielen in diesem Jahr bestätigt hat. Finnland hatte bei der EM einen erstaunlich gepflegten Fußball gezeigt, bei dem der Ball gut zirkulierte und man die Gegner auch vorne anlief. Zu diesem Ballbesitzspiel kamen die Finninnen gegen das österreichische Pressing praktisch nie und die Versuche, selbst hoch anzupressen, löste die Hintermannschaft mit Wenger und El Sherif in der Regel auf, ohne ins Schwitzen oder gar ins Schwimmen zu kommen.

Die etwas seltsame finnische Staffelung bereitete Österreich gegen den Ball keinerlei Probleme und das Gegentor war ein Hoppala, kein guter finnischer Angriff. Eine etwas kurz geklärte Flanke landete bei Koivisto, die eine Verlegenheits-Kopfball-Bogenlampe Richtung Tor schickte; El Sherif und Wenger behinderten sich gegenseitig und die Kugel hüpfte über die Linie. Wenn es wirklich um das Ergebnis ginge, könnte man sich über die uruguayanische Schiedsrichterin Silvia Rios Ribero wundern, die kurz vor dem Gegentor aus irgendeinem Grund nicht auf den Elfmeterpunkt gezeigt hat, als Hickelsberger von Siren ziemlich rüde niedergetreten wurde. Immerhin, es war die einzige strittige Szene, die klar falsch beurteilt wurde.
Finnland war hart, aber von dieser Szene abgesehen nicht unfair und vor allem nach der Pause aber schon ziemlich sturmreif geschossen. Roth etwa fürchtete sich am eigenen Strafraum stehend in der 50. Minute so sehr vor einer in zehn Metern Entfernung stehenden Österreicherin, dass sie ebenso unbedrängt wie panisch den Ball quer durch den Strafraum zur Ecke hinaus spielte.
Wie klappte das mit dem eigenen Aufbau?
Das Urteil „Gar Nicht“ wäre harsch, aber es war definitiv meilenweit davon entfernt, irgendwie vorzeigbar zu sein. Wie schon Tschechien setzte auch Finnland auf direkte 1-gegen-1-Deckung, Österreich hatte es dadurch wieder schwer, kontrolliert aus der ersten Linie heraus zu kommen – obwohl sich Puntigam auf der Sechs nach hinten fallen ließ. Wenn es ins Angriffsdrittel kam, dann fast nur über hohe Pässe und den Versuch, an zweite Bälle zu kommen. Julia Hickelsberger und Eileen Campbell sind keine Zweikampfkanten, das mag aber der Grund sein, warum die Achter Schasching und Plattner so auffällig hoch gestanden sind.
Finnland erzeugte 90 Minuten so gut wie gar keine Torgefahr und Österreich recht wenig, bei aller Kontrolle, die die ÖFB-Frauen über das Spielgeschehen hatten.
Spürbarer Schwung kam erst nach dem Fünffach-Wechsel nach einer Stunde (der sich wegen der vielen Herumdrückerei am Anzeige-Board fast zwei Minuten lang zog, was bei den beteiligten Spielerinnen durchaus für Schmunzeln sorgte) – und zwar in Person von Barbara Dunst. Sie spielte, als wäre sie nie weg gewesen und zeigte viel Spielfreude, drehte sich widerholt um Finninnen herum, zog das Tempo an, brachte Dribblings und bespielte Räume gedankenschnell. Ihr Weitschuss wurde von Torhüterin Talaslahti nach vorne abgewehrt, Lisa Kolb staubte ab und freute sich sehr darüber: „Die letzten ein, zwei Jahre waren schwer für mich auf Nationalteam-Ebene!“
Muss das 2:3 gegen die Ukraine Sorgen bereiten?
Nein, zumindest nicht mehr als die zumeist vorhersehbare und nicht gerade vor Phantasie sprühenden Aufbau-Versuche gegen Finnland. Warum? Weil gegen Finnland mehr oder weniger die Einserpanier auf dem Feld war, gegen die Ukraine hingegen eine Experimental-Elf, die nie wieder so zusammen spielen wird. Und dass sie das auch bisher nicht getan hat, sah man. Dem 15-Sekunden-Tor von Sophie Hillebrand zum Trotz, dank dem die Partie de facto mit einer 1:0-Führung von Österreich startete.

Beim ersten ukrainischen Tor lief Kozlova durch den völlig verwaisten Halbraum, beim zweiten verließen sich Klein und Degen darauf, dass die jeweils andere das Zuspiel auf Kravchuk abfängt. Klassische Abstimmungsfehler, wenn man sonst so nie zusammen spielt. Das System war gleich wie gegen Finnland (also viel mehr ein 4-1-3-2 als ein 4-3-1-2), die ukrainische IV wurde aber nicht angelaufen, der Pressingtrigger war der Pass auf die ukrainischen AV. Die Ukraine ist in seinem Wesen ein unkreatives Team, machte aber viel durch das Tempo der Außenstürmerinnen wett.
Wie schon gegen Finnland gelang es zu selten, aus Ballgewinnen in gute Abschlusspositionen zu kommen und Kreativität am Boden kam wiederum in erster Linie von Barbara Dunst. „Wir müssen schauen, etwas zielgerichteter die Angriffe durchzuziehen“, hatte sie nach dem Finnland-Spiel gefordert, und die Ukraine gab zwar schon etwas mehr Räume her als die am Ende doch eine Nuance stärkeren Finninnen, aber richtig durchgespielt bekam man die Angriffe wiederum kaum.
Gibt es Gewinner und Verlierer im ÖFB-Camp?
Eine große Gewinnerin des Ukraine-Spiels – so paradox es zunächst klingen mag – war eine, die gar nicht spielte. Chiara D’Angelo nämlich. Bei Laura Wienroither wurden die fehlende Spielpraxis und die sichtbare Unsicherheit bei Timing und Stellungsspiel phasenweise wieder relativ deutlich. Die schnelle Kozlova, eigentlich auf der rechten Seite aufgestellt, wechselte nach wenigen Minuten die Seiten und bereitete Wienroither große Probleme, ehe sich diese über eine defensivere Positionierung wieder etwas Sicherheit holte. Die zweite Halbzeit der Oberösterreicherin war spürbar solider und sie schaltete sich auch wieder mehr nach vorne ein, manche Pässe blieben aber zittrig.
Es war längst nicht so schlecht wie in Uherské Hradiště, aber der Unterschied zur vor Selbstvertrauen strotzenden Chiara D’Angelo im ersten Spiel war frappant. Zum einen musste nicht sie ihrer Gegenspielerin Katariina Kosola nachlaufen, wie es diverse Kontrahentinnen bei der EM mussten – nein, Kosola war selbst null Faktor und sie hatte im Gegenteil mit D’Angelo zu tun. Sie agierte gedankenschnell, kann Drucksituationen auch kreativ lösen und trug wesentlich zur flüssigeren Gesamtleistung bei.
Die 21-jährige Kärntnerin bekommt in Bremen Vertrauen und Einsatzminuten („Mit dem Trainerteam passt es richtig gut, es macht Spaß dort zu spielen und ich fühle mich richtig wohl“). Sie kann auch mit beiden Füßen spielen: „Ich bin eigentlich Rechtsfuß, es hat mich aber schon als ganz junge Spielerin genervt, dass ich links nicht so gut war – darum habe ich dann intensiv daran gearbeitet.“ Man darf davon ausgehen, dass sich D’Angelo den Stammplatz rechts hinten bis auf Weiteres gesichert hat.
Ebenfalls eine gute Figur abgegeben hat Viktoria Pinther, die nach ihrer Einwechslung gegen Finnland (Pfostenschuss!) und auch gegen die Ukraine sehr lebhaft war, Verantwortung übernehmen wollte und auch Übersicht zeigte – sie ist in ihren anderthalb Jahren in Frankreich und nun in Italien zu einer bessern Fußballerin geworden. Und Katharina Schiechtl kam nach 20 Monaten ohne Einsatz nun doch noch als 13. Österreicherin zu ihrem 75. Länderspiel.

Rein nach den Eindrücken der Spiele gehend – was im Training passiert, ist naturgemäß ohne Einblick schwer zu beurteilen – dürfte Katharina Naschenweng einem Stammplatz eher keinen Schritt nähergekommen sein. Sie war gegen die Ukraine als LV deutlich weniger präsent als Verena Hanshaw nach deren Einwechslung, in der Folge wurde Naschenweng auf die Acht im linken Halbfeld geschoben, wo sie sonst eigentlich nie spielt. Die Spieldynamik dürfte Hanshaw einfach mehr entgegen kommen.
Was hat sich in diesem Länderspiel-Fenster sonst getan?
In Kaiserslautern und im Atletico-Stadion von Madrid fanden die Finalspiele der Nations League statt. Das Hinspiel in der Pfalz vor 40.000 Zusehern endete mit einem 0:0, was für den Weltmeister aus Spanien sehr schmeichelhaft war – der Favorit konnte keine Kontrolle ausüben, musste sich mit Fouls behelfen und schien mit dem engagierten, mutigen Auftritt Deutschlands nicht gerechnet zu haben.

Im Rückspiel vor 55.000 spanischen Fans in Madrid sah es dann aber doch wieder so aus wie auch schon im EM-Semifinale, das Spanien für sich entscheiden hatte können: Deutschland agierte zu passiv, lud Spanien (wo Aitana Bonmatí mit einem im Training erlittenen Wadenbeinbruch lange ausfallen wird) zum kampflosen Ballbesitz ein. Eine Stunde lang blieb es beim 0:0, ehe Spanien in kürzester Zeit auf 3:0 stellte und damit auch die zweite Auflage dieses Turniers für sich entschied.
Und der Gastgeber für die Frauen-EM 2029 wurde bekannt gegeben. Auch hier hatte Deutschland seinen Hut in den Ring geworden, dieses Rennen hat der DFB gewonnen – das hat UEFA-Präsident Aleksandar Čeferin am Mittwoch bekannt gegeben. Die Spielorte werden München, Dortmund, Frankfurt, Köln, Hannover, Leipzig, Düsseldorf und Wolfsburg sein.
Man hat sich bei der UEFA also nach dem großen Erfolg mit dem enormen Publikumszuspruch im Sommer in der Schweiz für das größtmögliche Projekt entschieden, um diesem Turnier nachzufolgen. Die verbleibenden Kontrahenten waren Polen (es wäre das erste Frauen-Turnier in Ost-Europa gewesen) und Dänemark/Schweden (klassische Frauenfußball-Länder, aber mit weniger großen Stadien). Portugal und Italien hatten ebenfalls Interesse bekundet, ihre offiziellen Bewerbungen aber im August (Italien) bzw. vor zwei Wochen (Portugal) zurückgezogen.
Nach der gescheiterten Niederlage der gemeinsam mit den Niederlanden und Belgien gestarteten WM-Bewerbung für 2027 hat Deutschland nun also doch sein erstes Frauen-Großturnier seit der WM 2011. „Es war eine lange Reise“, war DFB-Präsident Bernd Neuendorf eher erleichtert als enthusiasmiert. Detail am Rande: Beim Smalltalk auf der Bühne war Čeferins Mikro noch offen. Breit grinsend sagte er zu Hans-Joachim Watzke: „Hast du meine SMS gesehen?“
Ob die wichtig war oder nicht?