So spielte Europa 2025 – Teil 3: Die Plätze 16 bis 1

Wer die ersten beiden Teile unserer Vorstellung aller Nationalteams des europäischen Verbandes gesehen hat, wird festgestellt haben: Es war bisher noch kein einziges Team dabei, das sich als Gruppensieger direkt für die WM in Nordamerika qualifiziert hat. Also auch Österreich noch nicht! Das ändert sich natürlich im dritten und letzten Teil, in dem der Countdown der Top-16 des Kontinents laut Elo-Rating vorgenommen wird.

Platz 16 (-1): Schottland

Qualifiziert. Mindestens so groß wie in Wien war der Jubel in Glasgow nach dem letzten Match, dem turbulenten 4:2-Sieg gegen Dänemark, bei dem die entscheidenden beiden Tore erst in der Nachspielzeit gefallen sind. So richtig umgehen konnten sie emotional damit in dem Moment nicht, weil „so etwas Gutes den Schotten eigentlich nie passiert“. Es hat dem Team gut getan, dass einige Schlüsselspieler wie Ferguson und McTominay, aber auch Billy Gilmour, nach Italien ausgewandert sind, wo andere Aspekte im Zentrum stehen als in der High-Tempo-Premier League oder auch der englischen zweiten Liga oder der eigenen Meisterschaft, die eher Schnalzer-Ligen sind. Wie Österreich ist Schottland nun erstmals seit 1998 wieder bei einer WM mit dabei.

Platz 15 (-5): Ukraine

Die beiden Spitzenklubs Dynamo Kyiv und Shakhtar Donetsk sind international kaum noch konkurrenzfähig und die Bedingungen sind kriegsbedingt natürlich richtig übel, was den ukrainischen Fußball angeht. Dennoch hat es die Truppe – die ihre Heimspiele in Polen austrägt – einmal mehr geschafft, einen sehr achtbaren zweiten Platz in der Quali-Gruppe zu sichern, natürlich deutlich hinter Frankreich, aber mit dem Sieg im entscheidenden Spiel gegen Island. Das muss man als großen Erfolg betrachten, ein Überstehen des Playoffs wäre eine sportliche Heldentat.

Platz 14 (-3): Österreich

Qualifiziert. Rein sportlich betrachtet waren die eineinhalb Jahre seit der EM, die zwischen Rauschzustand (nach der Vorrunde) und Schockstarre (nach dem Aus gegen die Türkei) changierte, eine ziemlich harzige Angelegenheit. Einzelnen Highlights wie dem 5:1 gegen Norwegen oder Arnautovic‘ Tor-Rekord beim 10:0 gegen San Marino stehen viele mühsame Matches gegenüber, in denen die Kontrahenten sich den österreichischen Stärken entzogen. Zur eigenen Gestaltung gezwungen, wurde Österreich zuweilen auf die individuelle Qualität zurückgeworfen. Diese, in Kombination mit dem extremen Teamgeist und eisernen Nerven im entscheidenden Spiel gegen Bosnien, reichte aber letztlich zur ersten WM-Teilnahme seit 28 Jahren.

Platz 13 (-8): Belgien

Qualifiziert. Thibaut Courtois hat sich nach seinem Zerwürfnis mit Ex-Teamchef Tedesco seinen Platz im belgischen Tor wieder zurückreklamiert. Es ist aber sicher nicht nur die zwischenmenschliche Unruhe, die hinter dem Rückfall von Belgien steckt. Man befindet sich mitten im Generationswechsel, ganz ohne die Routiniers geht es noch nicht, so richtig bringen sie Belgien aber auch nicht mehr nach vorne. Nach der missratenen EM und dem Beinahe-Abstieg aus der A-Gruppe der Nations League schlich Belgien eher zum Gruppensieg, mit zwei Remis gegen Kasachstan und einem Punktverlust auch gegen Nordmazedonien. Die Roten Teufel sind aktuell nicht in einer Position, der Konkurrenz die Hölle heiß zu machen.

Platz 12 (-4): Italien

So weit hinten war Italien im inner-europäischen Ranking noch nie klassiert. Der vierfache Weltmeister droht nun die dritte WM in Folge zu verpassen, wenn nicht die beiden Nervenspiele im Playoff (erst daheim gegen Nordirland, dann gegebenenfalls auswärts in Wales oder Bosnien) überstanden werden. Warum? Vordergründig mal wegen des 0:3 in Norwegen zum Auftakt und weil die Norweger dann nichts mehr liegen gelassen haben. Ganz generell hat Italien eine vernünftige Abwehr und ein Mittelfeld, das schon mit dem Ball was anfangen kann. Aber ganz vorne (und auf dem Weg dorthin) ist halt praktisch gar nichts los. Vorbei die Zeiten von Toni und Inzaghi, von Vialli und Del Piero, von Mancini und Rossi. So werden die Spiele eher zur Qual.

Platz 11 (+2): Dänemark

Alles klar auf dem Weg zur Endrunde – das war für Dänemark bis zur vor Schluss der Fall. Dann hätte man schon beinahe daheim gegen Weißrussland verloren, musste deswegen dann in Schottland noch einen Punkt holen, den man dann in Unterzahl in der Nachspielzeit noch hergab. Natürlich ist Dänemark Favorit darauf, sich gegen Nordmazedonien und dann gegen Tschechien oder Irland durchzusetzen. Aber wenig, was die Dänen seit dem EM-Semifinale von 2021 zeigen konnten, kann allzu großes Vertrauen in die Verlässlichkeit des Teams vermitteln.

Platz 10 (+7): Türkei

Unglaublich, aber wahr: Seit dem dritten Platz von 2002 war die Türkei bei keiner einzigem WM-Endrunde dabei. Seit Vincenzo Montella das Trainer-Amt übernommen hat, geht es aber wieder bergauf. Der Viertelfinal-Einzug bei der EM mag mehr gewesen sein, als einem eher chaotischen türkischen Turnier zugestanden wäre, aber es folgte der erstmalige Aufstieg in die A-Gruppe der Nations League und dann ein niemals auch nur im Ansatz gefährdeter zweiter Platz in der WM-Quali-Gruppe hinter Spanien. Montella hat eine ziemlich klare erste Elf, in der kaum rotiert wird; es ist eine erstaunlich homogene Mischung aus Legionären sowie Spielern von Galatasaray und Fenerbahçe. Im Playoff wartet zunächst Rumänien, danach entweder die Slowakei oder der Kosovo. Das sieht sehr machbar aus.

Platz 9 (+7): Schweiz

Qualifiziert. Die Schweiz macht, was die Schweiz nun mal macht: Ohne Drama und ohne Zweifel holten die Eidgenossen in einer potenziell komplizierten Gruppe mit Slowenien, Schweden und dem Kosovo die nötigen Punkte, sodass die Endrunden-Teilnahme de facto schon vor dem letzten Spiel feststand. Erstaunlich: Seit 2004 hat sich die Schweiz damit für elf der zwölf WM- und EM-Endrunden qualifiziert, zuletzt klopfte man sogar schon an Halbfinals an. Das wäre in den USA jetzt zwar wohl etwas viel verlangt, beeindruckend ist diese jahrzehntelange Stabilität aber schon.

Platz 8 (+1): Deutschland

Qualifiziert. Seit dem WM-Desaster von 2018 fragt sich Deutschland, wie stark die Mannschaft wirklich ist bzw. sein kann und bis heute haben sie keine letztgültige Antwort darauf erhalten. In der Nations League ging es ins Halbfinale, dort prallte man an Portugal ab. Auch in der Qualifikation gab es glanzvolle Spiele (das 6:0 gegen die Slowakei) ebenso wie kampfstarke (das 1:0 in Belfast) und desaströse (das 0:2 in Bratislava). Dem Druck nach dieser Auftaktniederlage hat die DFB-Elf standgehalten. Und jetzt? Zwischen krampfigem frühem WM-Aus bis zu einem Erreichen des ganz späten Phase des Turniers scheint alles möglich.

Platz 7 (+13): Norwegen

„Mit diesem Personal sollte Norwegen zumindest nah dran sein, sich zu qualifizieren“, stand vor zwei Jahren an dieser Stelle. Nun haben Haaland und Co. aber sowas von abgeliefert: Alle acht Spiele hat Norwegen gewonnen, darunter ein 3:0 gegen und ein 4:1 in Italien, zum Drüberstreuen ein 11:1 gegen Moldawien. Erstmals seit 26 Jahren hat sich das Land für ein Turnier qualifiziert und Platz 7 ist ein All-Time-High. Ob nun Norwegen ist, was in den letzten Jahren Belgien war, also „The Hipster’s Choice“? Dem Star-Faktor von Erling Haaland würde eine WM, bei der es zumindest ins Viertelfinale geht – und das erscheint absolut möglich – fraglos nicht schaden.

Platz 6 (+1): Kroatien

Qualifiziert. Und sie machen einfach immer weiter. Das gilt nicht nur für den mittlerweile 40-jährigen Luka Modrić und den 36-jährigen Ivan Perišić, sondern generell für das kroatische Team. Dieses hat vor allem in der Defensive längst eine neue Generation starker Spieler mit dabei und man war in der Gruppe mit Tschechien relativ unterfordert – einziger Punktverlust war ein 0:0 in Prag, nachdem die WM-Teilnahme eh schon praktisch festgestanden ist. Davor schied man in der Nations League erst im Elfmeterschießen gegen Frankreich aus. Ja, ganz vorne ist der WM-Finalist von 2018 eher alt aufgestellt. Aber die Kroaten zu unterschätzen war schon immer ein Fehler.

Platz 5 (+1): Niederlande

Qualifiziert. Wie ist die Bilanz der Niederlande zu interpretieren? Beide Spiele gegen Polen, den einzigen Quali-Gegner von halbwegs Format, endeten 1:1 und der Gruppensieg kam vor allem deswegen so relativ souverän zustande, weil man selbst – im Gegensatz zu den Polen – in den anderen Spielen nicht gepatzt hat. Gleichzeitig hatte man Spanien im Nations-League-Viertelfinale am Rande der Niederlage, unterlag erst im Elfmeterschießen. Was kann Oranje also wirklich? Angesichts des auf dem Papier wahrscheinlich stärksten Kaders seit längerer Zeit müsste der dreifache Vize-Weltmeister zum engeren Favoritenkreis gehören. Jetzt müsste es Ronald Koeman nur noch umgesetzt bekommen.

Platz 4 (-1): Portugal

Qualifiziert. Nach seinem Ausraster gegen Irland warfen sie sich bis rauf zu FIFA-Präsident Infanto in den Kugelhagel, um die dem Altstar zustehende Zwei- bis Drei-Spiele-Sperre zu reduzieren. Letztlich erfolgreich – aber die seit Jahren simmernde Frage bleibt: Ist Portugal nicht ohne den 40-Jährigen längst viel besser als mit ihn? Ist er auf dem Feld, dreht sich alles nur um ihn. Ohne ihn gab es ein 9:1 gegen Armenien. Das ist kein Maßstab, erinnert aber an das 6:1 gegen die Schweiz im WM-Achtelfinale von 2022. Und eigentlich ist Portugal eine sensationell stark besetzte Mannschaft, die wirklich einen spektakulären Fußball spielen kann. Man reist als amtierender Nations-League-Sieger nach Nordamerika und müsste ein echter Titelkandidat sein. Eigentlich.

Platz 3 (+1): England

Qualifiziert. Wie ist das jetzt mit Thomas Tuchel und Jude Bellingham? Das beste Einvernehmen wird dem deutschen Trainer der Three Lions und dem immer noch recht jungen Star von Real Madrid nicht nachgesagt – und schon bei der EM galt Bellingham intern eher als Spaltpilz, weniger als Integrationsfigur. Der Rest des Kaders und Tuchel haben das Jahr und die unproblematische Quali-Gruppe genützt, um zueinander zu finden. Es konnte viel rotiert werden, erstaunlich unrotierbar waren aber mit Elliot Anderson und Morgan Rodgers zwei international noch kaum bekannte Namen im Mittelfeld. Es gab mühsame Siege gegen Andorra ebenso wie ein 5:0 in Serbien, die echten Tests warten aber natürlich erst bei der WM selbst.

Platz 2 (-1): Frankreich

Qualifiziert. Ein letztes Mal geht es mit Didier Deschamps an der Seitenlinie zu einem großen Turnier für Frankreich. Der Rekord-Teamchef (er hat mehr als doppelt so viele Matches als Trainer wie jener mit den zweitmeisten) stand nie für Champagner-Fußball, das wird sich jetzt auch nicht ändern. Frankreich spazierte voll-rotierend durch die Qualifikation und konnte es verschmerzen, in den letzten Spielen auf den verletzten Weltfußballer Ousmane Dembélé zu verzichten. Womöglich hat das Deschamps das Leben sogar erleichtert, weil Dembélé bei PSG just auf jener Position glänzt, wo im Team eigentlich Kylian Mbappé gesetzt ist, ganz vorne nämlich. Ansonsten ist alles wie immer: Frankreich hat ein schier unerschöpfliches Reservoir an Top-Spielern und natürlich wird man auf den dritten WM-Titel nach 1998 und 2018 losgehen.

Platz 1 (+1): Spanien

Qualifiziert. Mit relativ deutlichem Abstand führt der Europameister das kontinentale Elo-Rating an, auch weltweit ist Spanien auf Platz eins und fährt selbstverständlich als erster Anwärter auf den WM-Titel nach Nordamerika. Auch ohne Rodri funktioniert das Team längst wie aus einem Guss, das Arsenal-Duo Zubimendi und Merino im Zentrum harmoniert, da werden die langfristigen Knieverletzungen von Gavi sowie die temporären Ausfälle von Yamal und Williams verschmerzbar – es stehen ja noch genug andere zur Verfügung, die zumindest mit der Türkei, Georgien und Bulgarien locker fertig werden. Will Spanien nach dem Europa- auch wieder den Weltmeistertitel holen, wie schon 2008 und 2010, wäre es aber schon hilfreich, wenn möglichst alle fit wären.

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Über Philipp Eitzinger

Journalist, Statistik-Experte und Taktik-Junkie. Kein Fan eines bestimmten heimischen Bundesliga-Vereins, sondern von guter Arbeit. Und voller Hoffnung, dass irgendwann doch noch alles gut wird.