3:0 und 2:1 über Slowenien, aber zufrieden ist niemand

„Schee hostas eineg’schoben!“ Was auffällig war, als Manuela Zinsberger mit einem gewohnt lautstarken Zwischenruf die nebenan zu ihren beiden Elfmeter-Toren interviewte Sarah Puntigam sichtlich aus dem Redefluss riss? Es fiel auf, dass es überhaupt auffiel. Österreichs Frauen haben nach dem 3:0 in Koper ein 2:1 in Ried nachgelegt, Slowenien in der ersten der beiden EM-Playoff-Runden pflichtgemäß eliminiert. Mehr aber auch nicht. Es gab keinerlei feixende Jubelstimmung.

Auch nicht erleichtertes Aufatmen. Mehr ein professionelles Registrieren von Pflichtsiegen in Spielen, die beim Zusehen echt keinen Spaß gemacht haben und auch den Spielerinnen selbst nur bedingt Freude an ihrem Tun bereitet hat. „Wir haben uns das Leben auch selber schwer gemacht“, sprach Jubilarin Sarah Puntigam nach ihrem 150. Länderspiel die vielen Unsauberkeiten im Passspiel an. „Es ist schon eine Aufgabe, in solchen Spielen mental fokussiert zu bleiben“, bestätigte Marie Höbinger.

Martin Lang legte sich im Gespräch mit den Beteiligten voll ins Zeug, um in den O-Tönen für Ö3 positive Stimmung vermittelt zu bekommen – mehr als ein „Ja, aber“ bekam er einfach nicht zurück. „Ja, aber war auch Pflichtaufgabe“, sprach Sarah Zadrazil. „Ja, aber wir hätten noch mehr machen können und wenn wir gegen Polen nicht hundert Prozent da sind, werden die uns bestrafen“, kündigte Marie Höbinger an. Und Irene Fuhrmann war sogar ziemlich offensiv unzufrieden. „Ja, aber die vielen Ballverluste kann ich mir im Moment nicht erklären und das müssen wir definitiv besser machen, wenn wir gegen Polen bestehen wollen“, und ihr finsterer Blick untermauerte die Aussage der Teamchefin.

An selber Stelle, in Ried, redete man sich im Mai mantra-artig stark, nachdem es mit einer eher dünnen Leistung ein sogar etwas schmeichelhaftes 1:1 gegen Island gegeben hatte. Wir kriegen das schon hin auswärts in Island in ein paar Tagen, unter Druck sind wir gut, passt schon. Davon war diesmal überhaupt nichts zu spüren, die Erinnerung an den Reinfall von Reykjavík und die leeren Worthülsen von damals war lehrreich.

Das 3:0 im Hinspiel in Koper

„Wir erwarten Slowenien sehr aggressiv und mit viel Willen“, gab Marie Höbinger schon vor dem Hinspiel zu Protokoll und das war im ausgesprochen spärlich besetzten Stadion von Koper dann auch tatsächlich so. Allerdings in den Details nicht ganz in der Art und Weise, wie man das kommen gesehen hat. Die Österreicherinnen wurden eins-auf-eins angelaufen. „Da haben wir uns zu lange nicht angepasst“, war Sarah Puntigam danach selbstkritisch.

Im slowenischen 4-4-2 wurden damit nämlich zwar die Wege ins Zentrum für Österreich aufgemacht, diese Räume wurden aber kaum bespielt – und wenn, verdichteten dort Čonč und Korošec sehr rasch. „Das hätten Sarah und ich mehr mit spielerischen Mitteln lösen können, als wir es getan haben“, reflektierte Sarah Zadrazil ihre Rolle und die von Sarah Puntigam.

Österreich brachte die Positionierungen in der Absicherung nicht korrekt hin, Slowenien verzeichnete zahlreiche Ballgewinne. Nur wenn Österreich das Passtempo und die Passgenauigkeit über mehrere Stationen hinweg hochhalten konnte, zwang man Slowenien zum nachlaufen. Das gelang aber zu selten.

Wie überhaupt zu den vielen durch das slowenische Pressing erzwungenen Ballverlusten noch einige unerzwungene dazukamen, die durch die generelle Gemengelage im Spiel dann noch mehr auffielen. Da spielte mal Georgieva fast an der Mittellinie einen Fünf-Peter-Pass in slowenische Beine. Abschläge von Zinsberger kamen nicht oft gewinnbringend an und die zweiten Bälle waren zumeist Beute der Sloweninnen. Barbara Dunst auf der linken Seite, gewohnt umtriebig, aber bei ihr wechseln sich starke Tage internationaler Klasse auch mal mit solchen ab, wo die Entscheidungen am Ball nicht zur Situation passen und einfach nichts gelingen will. Das war so einer.

Nach einer Stunde geht’s dann schnell

Und dann macht sie in der 69. Minute doch das 1:0, die Baba, und es war ihr letzter Ballkontakt. Österreich hatte sich am Riemen gerissen, die Fehlpässe eingedämmt und Slowenien mehr rausgelockt und hatte erkannt, wie man das Zentrum bespielen muss. „Die Kadertiefe ist oft ein Thema gegen uns, wenn wir gegen stärkere Teams spielen“, hatte Fuhrmann schon im Vorfeld gesagt, „das sollte jetzt umgekehrt gegen Slowenien für uns sprechen“. Und das tat es.

Slowenien hat die personellen Möglichkeiten, eine patente erste Elf aufzubieten, aber wenn nach einer Stunde die Kräfte schwinden, gibt es keine gleichwertigen Alternativen, die von der Bank kommen können. Man hatte sich müdegelaufen, räumte Österreich zunehmend mehr Platz ein und das nützten die ÖFB-Frauen. Nach Dunsts 1:0 fielen innerhalb von ein paar Minuten das 2:0 (Elfmeter von Puntigam) und das 3:0, bei dem man via Campbell hinter die bis zur Mittellinie aufgerückte slowenische Kette lief und Purtscheller nur noch den Fuß hinhalten musste.

Nur das Resultat machte glücklich

Happy war man nur mit dem Ergebnis von 3:0. „Klar ist, dass es zu viele unerzwungene Fehler im Spiel mit dem Ball gab, durch die wir uns in die Bredouille gebracht haben und so einen aggressiven Gegner noch stärker gemacht haben“, brummte Irene Fuhrmann, „ich gehe davon aus, dass die mentale Komponente eine Rolle gespielt hat, weil wir uns auch selbst als Favoriten gesehen haben und da muss man dann auch liefern. In unserer Struktur gegen den Ball waren wir nicht schnell genug, nicht sauber genug und diese letzten Prozentpunkte von der Intensität her haben wir vermissen lassen.“

Einerseits. Andererseits waren auch andere als klare Favoriten eingeschätzte Teams in den Hinspielen dieser ersten Playoff-Runde nicht gut – Belgien spielte nur 0:0 in Griechenland, Finnland kam gegen Montenegro zu einem mageren 1:0. Wales, direkter Wiederaufsteiger in die A-Gruppe der Nations League, verlor sogar bei der Slowakei, die beinahe in die C-Gruppe abgestiegen wäre. „Und wenn ich das sehe, denk ich mir schon, Irene, da geht’s nur ums Ergebnis. Aber wir haben halt schon den Anspruch auch schönen Fußball zu spielen.“

Übrigens: Sie alle kamen noch weiter, Belgien und Finnland fuhren danach 5:0-Heimsiege ein, Wales brauchte gegen die Slowakei allerdings die Verlängerung.

Das 2:1 im Rückspiel in Ried

Mit einer personellen Änderung (Billa statt Campbell, die im Training Kreislaufprobleme hatte) ging Österreich ins Rückspiel, aber mit deutlich mehr inhaltlichen Änderungen. Zum einen wurde von Beginn an darauf geachtet, das Tempo hoch zu halten, mit frühen Vertikalpässen das slowenischen Pressing ins Leere laufen zu lassen und in die Schnittstellen der rasch hoch aufrückenden slowenischen Abwehr zu kommen. In den ersten zehn Minuten kam Österreich so zwei-, dreimal in den Rücken der Kette und hätte eigentlich zwingend in Führung gehen müssen.

Dazu wurden aus dem 4-4-1-1 gegen die slowenische Eröffnung ein 4-3-1-2 mit Zadrazil, die ganz weit hoch schob. Damit lähmte man Slowenien: Die beiden Sechser im 4-4-2 waren im Deckungsschatten und die Außenverteidigerinnen schoben so hoch, dass sie sich selbst aus dem Spiel nahmen. „Das haben wir so gemacht, weil Sarah [Puntigam] und ich im Zentrum heute komplett zugedeckt waren“, erklärte Sarah Zadrazil die Maßnahme, „und so konnten wir gut einige Male hinter die Kette kommen“. War also in der Form gar nicht explizit geplant? Zum Teil, so die Bayern-Legionärin: „Bei langem Ball wollen wir eine Staffelung haben, damit wir gut für die zweiten Bälle positioniert sind. Dann hat es sich einfach oft ergeben, dass ich durchlaufe, weil eben Slowenien sehr hoch gestanden ist.“

Schnell vermittelte Slowenien den Eindruck, ein nach dem Hinspiel gebrochenes Team zu sein, dass dieses Rückspiel halt über sich ergehen lässt. Vor lauter hinterherlaufen kam man nicht zum Anlaufen der österreichischen Ballführenden. Nach einer Viertelstunde aber schaltete Österreich mehrere Gänge zurück. Zadrazil: „Ich find’s okay, dass man sagt: Jetzt auch mal ein bissi mehr Kontrolle und nicht nur lange Bälle, weil und das einfach mehr Spielkontrolle gibt.“

Zadrazil zog sich also weiter zurück, bei Ballgewinnen wurde eher gesichert als umgeschaltet, vor allem nachdem Slowenien doch ein paarmal effektvoll scharf hoch angelaufen war. Aus der Partie entwich jegliches Tempo, nachdem auch Lana Golob zweimal länger behandelt und dann auch ausgewechselt werden musste. „Diese vielen Unterbrechungen haben uns sicher ein wenig aus dem Rhythmus gebracht“, meinte Kapitänin Sarah Puntigam nach ihrem 150. Länderspiel.

Die unbedrängten Fehlpässe wurden in diese Phase nicht nur mehr, sondern überstiegen gefühlt die Quote aus dem Hinspiel noch. Es wurde ein ziemlich fahriger Kick, der niemanden der immerhin 2.600 Zuseher in irgend einer Weise unterhielt oder gar von den Sitzen riss. Zwischen der 17. Minute und dem Ende der ersten Halbzeit gab es keinen nennenswerten österreichischen Torschuss, Slowenien wirkte gefährlicher.

Billa mit Problemen, Vorteile in Hälfte zwei

Neben vielen anderen Aspekten hat Österreich hier auch Eileen Campbell gefehlt. Es tat schon fast weh, Nici Billa zuzusehen, wie eine Halbzeit lang das Spiel an ihr vorbeizieht. Es ist über ein Jahr her, dass sie zuletzt von Beginn an in einem Pflichtspiel am Feld war und zwei Jahre, dass sie zuletzt im Nationalteam getroffen hat und sie wirkte wie ein Fremdkörper. Die Laufwege passten nicht, ihre Passrouten passten nicht, sie war kaum involviert. Als sich Golob und Meršnik gegenseitig behinderten und Billa frei durch war, passte der Winkel nicht, der Angriff versandete. Für die zweite Halbzeit wurde Billa ausgewechselt.

„Wir brauchen alle“, ließ Sarah Puntigam, ganz Kapitänin, aber nichts über ihre Teamkollegin kommen, die auch nach ihrem Wechsel von Hoffenheim nach Köln nicht wirklich in Schwung gekommen ist, „es ist unsere Aufgabe als Team, auch diejenigen zu unterstützen, bei denen es vielleicht nicht so gut läuft.“

Für die zweite Halbzeit jedenfalls spielte Viktoria Pinther statt ihr und Julia Hickelsberger am Flügel statt Dunst, Österreich hielt hinten vermehrt den Ball, lockte Slowenien heraus und brachte dann den langen Ball in Richtung der schnellen Außenspielerinnen Hickelsberger und Purtscheller; im Zentrum werden Pressing-Situationen vermehrt mit Dribblings aufgelöst. Österreich bekam damit wieder vermehrt Zugriff, nach einer Stunde rempelte SKN-Routinier Mateja Zver im Strafraum die flinke Lilli Purtscheller um, Elfmeter, Puntigam zum 1:0. Zwölf Minuten später räumte die auf der Linie starke, aber bei Flanken arg unsichere Torhüterin Meršnik komplett sinnlos Hickelsberger ab, wieder Elfmeter, wieder Puntigam zum 2:0.

Slowenien hatte längst nicht mehr die körperlichen Mittel, um dagegen zu halten, die spielerischen sowieso nicht, Konter wurden schlecht ausgespielt. Ein Elfmeter in der Nachspielzeit (war’s wirklich einer? Naja.) ermöglichte Frankfurt-Legionärin Prašnikar noch den Ehrentreffer. Im Grunde – wurscht. Trainer Kolman, der verletzungsbedingt auf Italien-Legionärinnen Eržen und Kramžar verzichten musste, gab sich dennoch zufrieden und sah die beiden Matches als „Beweis, dass wir zumindest über weite Phasen in einem Spiel mit echt guten Teams mithalten können.“ Ja, eh. Bis nach einer Stunde halt gewechselt werden muss.

Die Jubilarin und ihre frustrierende Saison

Als erste Österreicherin erreichte Sarah Puntigam in Ried die Marke von 150 Länderspiel-Einsätzen. „Ich freue mich jedes Mal, wenn ich zum Team reise, aber auch, wenn ich bei meinem Klub in Houston bin“, strahlt die Steirerin – menschlich passt es da wie dort. Sportlich war 2024 aber nicht herausragend. In der harzigen EM-Quali im Frühjahr war auch sie nicht immer in Top-Form und die demnächst beendete Saison bei Houston Dash war ein Desaster, der Playoff-Zug war für Houston schon früh abgefahren und entsprechend ist man mit einem Zuschauer-Schnitt von 6.000 auch in dieser Wertung Liga-Schlusslicht.

Ein Spiel vor Ende der Regular Season ist Houston Letzter, vor allem Spielgestaltung und Torabschluss waren die Schwachpunkte, dazu kam jede Menge Unruhe im Umfeld. Der im Winter installierte Trainer Fran Alonso geriet früh in die sportliche Kritik, Ende Juni fuhr er mal „aus gesundheitlichen Gründen“, wie es hieß, nicht zu einem Auswärtsspiel mit. Er kam nie wieder, was genau los war, erfuhren auch die Spielerinnen nie. Zwei Tage vor Ende der Transferzeit wurde dann noch Managerin Alex Singer entlassen. „Ein ganz unglücklicher Zeitpunkt“, stöhnt Puntigam.

Erst vor vier Wochen wurde die Trennung von Alonso offiziell, das Jahr für Houston war ein chaotischer Clusterfuck. Im April gab es einige vielversprechende Neuverpflichtungen, die in der Unruhe kaum Impact hatten. „Ich und einige andere Stammkräfte haben uns aber zum Verein committed, unsere Verträge verlängert“, so Puntigam, deren neues Arbeitspapier bis Ende 2026 läuft. „So lange bin ich also auf jeden Fall noch aktiv. Und ein halbes Jahr später wäre eine WM“, äugt die kürzlich 32 Jahre alt gewordene Kapitänin auf die Endrunde in Brasilien.

Als sie beim Algarve Cup 2009 erstmals für Österreich spielte, bei einem 2:1 über Wales, war die Frauenfußball-Welt noch eine ganz andere. Punti war damals mit einem ganzen Schwung weiterer junger Spielerinnen – Kristler, Entner, Rappold und Walzl – erstmals dabei und hatte als 16-Jährige schon mit eineinhalb Jahren Bundesliga in den Beinen. Die Partien an der Algarve waren die ersten Testspiele überhaupt nach über sechs Jahren, in dieser Zeit hatte das Team ausschließlich EM- und WM-Qualispiele ausgetragen, also vier bis fünf Spiele im Jahr.

15 Jahre, 150 Länderspiele, ein EM-Semifinale und ein EM-Viertelfinale später, nach Stationen in der Schweiz (Kriens), Deutschland (Bayern, Freiburg, Köln) und Frankreich (Montpellier), lebt Puntigam – seit 2022 mit ihrer Genessee verheiratet – in einer Frauenfußball-Welt, die sich dramatisch verändert hat. Professioneller, athletischer, schneller. Leistungssportlerin eben, sieben Mal im Jahr von Texas nach Österreich und wieder zurück. Und doch: Volle Bodenhaftung.

Wer erlebt hat, wie es damals war, bleibt davon geprägt.

Kader Österreich beim Algarve Cup 2009: Tor: Anna-Carina Kristler (20 Jahre, FC St. Veit, 0 Länderspiele/0 Tore), Birgit Leitner (27, Bayern/GER, 22/0), Jasmin Pfeiler (24, Neulengbach, 0/0). Abwehr: Kathrin Entner (20, Neulengbach, 0/0), Susanna Gahleitner (24, Ardagger, 8/0), Marlies Hanschitz (22, Innsbruck, 12/2), Susi Höller (19, Sindelfingen/GER 2, 3/0), Kathrin Höllmüller (22, Ardagger, 6/0), Mariella Rappold (21, LUV Graz, 0/0), Carina Wenninger (18, Bayern II/GER 3, 6/0). Mittelteld: Doris Adamovics (22, Innsbruck, 2/0), Nina Aigner (28, Bayern, 34/6), Isabella Berger (19, Landhaus, 4/0), Sarah Puntigam (16, LUV Graz, 0/0), Viktoria Schnaderbeck (18, Bayern II/GER 3, 3/0), Lisi Tieber (18, Landhaus, 3/1). Angriff: Nina Burger (21, Neulengbach, 15/8), Marion Gröbner (23, Landhaus, 12/0), Katrin Walzl (21, Landhaus, 0/0). Teamchef Ernst Weber (60).

Über Philipp Eitzinger

Journalist, Statistik-Experte und Taktik-Junkie. Kein Fan eines bestimmten heimischen Bundesliga-Vereins, sondern von guter Arbeit. Und voller Hoffnung, dass irgendwann doch noch alles gut wird.