Abenteuer Kolumbien: Österreich bei der U-20-WM

Der Zug, der Zug, der Zug hat keine Bremsen? Naja, irgendwann ist man nach einigen Party-Polonaisen durch die Katakomben mit dem Mallorca-Hit aus der Boombox doch auf eine Truppe geprallt, die besser war. Nicht nur ein bisschen, die U-20-Mädels waren in ihrem WM-Achtelfinale gegen den späteren Weltmeister Nordkorea schon einigermaßen mittellos, vor allem in Unterzahl und Rückstand. Nur: Wir reden hier von einem WM-Achtelfinale. Noch nie hatte ein österreichisches Frauen-Team überhaupt bei einer WM spielen können.

Als U-17 haben sie ihre komplette EM samt Qualifikation an Corona verloren. Als U-19 dann: Siege gegen England, Deutschland, Italien, den späteren WM-Halbfinalisten Niederlande. Und als U-20 gab es das 6:0 im Playoff gegen Island sowie Erfolge gegen Ghana und Neuseeland bei der WM selbst.

They’ve come a long way. Wie viele von ihnen den nächsten Schritt schaffen werden?

Rückblende

8. Oktober 2020, ein Donnerstag: Österreichs Männer gewinnen einen Test gegen Griechenland 2:1, die Corona-Kommission erhöht die Zahl der auf der Corona-Ampel auf orange gestellten Bezirke auf 33 – und die 2004er, der neue U-17-Jahrgang der ÖFB-Frauen, absolvieren ihr erstes Spiel. Ein Test in Au in der Schweiz, kaum mehr als einen Kilometer von Lustenau entfernt gleich hinter der Grenze, 1:2 verloren. Coronabedingt sollte es das einzige offizielle Match dieses Teams bleiben.

12. September 2024, wieder ein Donnerstag: Österreich rüstet sich in der Aussicht auf anhaltenden Starkregen für das zu befürchtende Hochwasser, Formel-1-Designer Adrian Newey macht seinen Wechsel zu Aston Martin offiziell. Und die 2004er, mittlerweile der U-20-Jahrgang der ÖFB-Frauen, spielen nicht in der Vorarlberger Nachbarschaft, sondern am anderen Ende der Welt, in Kolumbien. Es ist das WM-Achtelfinale, es geht gegen Nordkorea verloren.

Wobei, was heißt „2004er“? Nur neun der 21 Spielerinnen im Kader sind tatsächlich im Jahr 2004 geboren. Bei sieben von ihnen steht 2005 auf der Geburtsurkunde, bei vier 2006 und bei Greta Spinn sogar 2007. Als die Burschen damals in Kanada ins WM-Halbfinale gekommen sind, lag die fünf Monate alte Greta in einem Bettchen in Steinach am Brenner und hatte noch keine Ahnung davon, was ein Fußball überhaupt ist. „Wir können nicht mit Spielerinnen aus einem Geburtsjahrgang ein ganzes, auf diesem Niveau konkurrenzfähiges Team aufstellen. Dafür fehlt einfach die Breite“, erklärt Teamchef Markus Hackl – Irene Fuhrmanns Co-Trainer hat das Team im Sommer kurzfristig übernommen.

2:1 gegen Ghana

Die Höhenlage war ein Thema, der Jet-Lag auch, ebenso wie das für Verdauungsprobleme sorgende kolumbianische Wasser – dagegen konnte auch der mitgebrachte Koch Roland Trappmeier nichts ausrichten. Es gab ein 1:0 in einem Test gegen Venezuela, ebenfalls WM-Teilnehmer, danach war man ob der 2.500 Meter Seehöhe schon einigermaßen kaputt. „Es war wichtig, eine ganze Woche vor dem ersten Spiel vor Ort zu sein, um uns zu akklimatisieren“, so Hackl, „aber es ist klar: Da kannst nicht 90 Minuten lang marschieren. Du musst dir im Spiel deine Ruhepausen nehmen.“

Auftaktgegner war Ghana, unterfordert qualifiziert gegen Guinea-Bissau, Eswatini und Senegal und dem ÖFB stand kaum brauchbares Video-Material zur Verfügung, um wirklich zu wissen, was auf einen zukommt. Auf dem Feld in Bogotá stand dann zunächst ein Gegner, der Abstand hielt, Räume hergab und vom gut strukturierten Angriffs- und Gegenpressing der jungen Österreicherinnen komplett überfordert war. Nach einer halben Stunde führte Österreich 1:0 durch Hannah Fankhauser, es hätte auch schon 3:0 stehen können.

Dann verstand Ghana, dass man Österreich einschüchtern kann, wenn man körperlich reingeht, und das tat Ghana dann auch – durchaus fies zuweilen. Die ÖFB-Juniorinnen stellten Versuche, hinten rauszuspielen, komplett ein, bekamen aber keine Ruhe und keine Kontrolle mehr in das Spiel, Mariella El Sherif musste mehrmals eingreifen. Nach 70 Minuten verwertete Nicole Ojukwu einen Elfmeter zum 2:0, es blieb aber eine Zitterei. Von Zehnerin Stella Nyamekye angetrieben, drängte Ghana, kam in der Nachspielzeit noch zum Anschlusstreffer, aber Österreich brachte den knappen Sieg drüber.

Ghanas Trainer Yusif Barsigi stöhnte danach, man habe die erste halbe Stunde verschlafen und dann die Chancen für einen verdienten Punkt nicht genützt, und man kann ihm nicht widersprechen. In Österreich war dafür die Erleichterung groß, weil man wusste: Jetzt kann mit dem erklärten Ziel Achtelfinale eigentlich nicht mehr viel schief gehen.

Wie ein Vereinsteam

Schon unter Hackls Vorgänger Hannes Spilka, der im Juli nach offenkundig gravierenden internen Vorkommnissen vom Posten entfernt worden war, war die Spielweise des Teams sehr österreichisch gewesen. Das heißt: Scharfes Angriffspressing, durchdachte Struktur hinter der ersten Welle, über Jahre hinweg eingedrillt. Wie Rangnicks Herren bei der EM spielen auch die ÖFB-Juniorinnen praktisch wie ein Vereinsteam, weil man in der Akademie in St. Pölten über Jahre hinweg täglich miteinander trainiert.

Im allerersten Testspiel als U-19 hat dieses Team auswärts in England gewonnen. Zugegeben, von diesem englischen Jahrgang haben es seither nur drei zu regelmäßigen WSL-Einsätzen gebracht (Man-City-Torhüterin Keating, Liverpool-Talent Parry und Layzell, die mit Bristol abgestiegen ist) und von den dreien war nur Layzell hier mit dabei, es entpuppte sich also nicht gerade als Super-Jahrgang und die jungen Lionesses scheiterten dann in der EM-Quali auch deutlich gegen Spanien. Aber ein Sieg in England ist ein Sieg in England.

Das Überstehen der ersten Quali-Phase ist für Österreich stets eine Formsache, in der Eliterunde braucht es für das EM-Ticket aber den Gruppensieg. Nach lockeren Siegen gegen Bosnien und Griechenland brauchte es gegen Italien, Gruppenkopf und Gastgeber des Mini-Turniers, zumindest einen Punkt. Nach knapp einer Stunde rammte Ojukwu einen 35-Meter-Schuss zum 1:0 ins Tor, in der 80. Minute machte Aistleitner den Deckel drauf, Italien schaffte nur noch den Anschlusstreffer – genau wie Ghana beim WM-Auftakt anderthalb Jahre später.

3:1 gegen Neuseeland

Die Ferns hatten ihr Auftaktspiel gegen Japan mit 0:7 verloren und auch gegen das aggressive Anlaufen von Österreich war Neuseeland zunächst überfordert. Es gelang Österreich zwar nicht, nach den hohen Ballgewinnen direkt zu gefährlichen Abschlüssen zu kommen, aber auch die im Angriffsdrittel provozierten Freistöße reichten völlig aus. Vienna-Verteidigerin Sarah Gutmann hielt zweimal den Kopf hin und nach einer Viertelstunde stand es 2:0 für Österreich.

Wenn es leicht geht und der Gegner es erlaubt, wird schon versucht, auch kontrolliert von hinten heraus zu spielen. Zumeist war aber der lange Ball von der Innenverteidigung auf die Mittelfeld-Außen zu sehen, um die Kugel entweder selbst festzumachen oder auf den zweiten Ball zu pressen. Das ähnelte sehr der Spielweise, mit der Japan bei der WM 2011 viele Gegner vor große Schwierigkeiten stellte und letztlich Weltmeister wurde. Minus natürlich der Stärke im Passspiel.

Neuseeland stellte dann wie Ghana vermehrt den Körper rein, Österreich reagierte mit noch mehr langen Bällen und Zweikämpfen. Schön war das Spiel nicht und Neuseeland bekam kurz vor der Halbzeit sogar per Elfmeter die Chance, das Spiel wieder aufzumachen, aber El Sherif parierte gegen Pijnenberg. Halb durch die zweite Halbzeit bekamen die ÖFB-Juniorinnen einen Konter mal schön strukturiert durch das Zentrum nach vorne gespielt, schon schlug es ein, 3:0 durch Mädl. Der Ehrentreffer durch Milly Clegg, die schon bei Olympia als Joker bei Neuseelands A-Team dabei gewesen ist, war nur noch Ergebniskosmetik.

Herausspielen? Eher vermeiden

Eine auffällige Eigenheit war eben, dass es möglichst vermieden wurde, aus der Abwehr heraus zu spielen. Rukavina und Ojukwu im Mittelfeld-Zentrum waren primär Abfangjäger vor der Abwehr, weniger kreative Elemente, obwohl zumindest Ojukwu das durchaus könnte. Warum? Das Zauberwort heißt Risikominimierung. Grundsätzlich hat man auch unter Spilka schon eher auf Angriffspressing gesetzt als auf kontrollierten Aufbau, dennoch war dieser schon mehr als in Spurenelementen zu sehen gewesen. Doch dann kam der Auftakt zur U-19-EM vor einem Jahr.

Schon in der ersten Quali-Phase im Herbst 2022 war man auf Deutschland getroffen, ging dort nach einer halben Minute in Führung und konnte sich dann aufs Halten verlegen, 2:1 gewinnen. Bei der EM in Belgien aber lief man nach starken ersten 20 Minuten erst ins 0:1 und dann, kaum eine Minute später, landete ein Aufbaupass von Lainie Fuchs genau bei der Gegenspielerin, zack, 0:2. Kurz darauf eine ähnliche Situation, beinahe das 0:3 – die Österreicherinnen waren mental durch, bis zur Halbzeit hatten sie vier Gegentore gefangen, am Ende hieß es 0:6.

„Die Devise war, sehr einfach zu spielen, um zu verhindern, dass wir uns mit Fehlpässen im Verteidigungsdrittel selbst in Schwierigkeiten bringen“, erklärt Hackl.

0:2 gegen Japan

Vor dem letzten Gruppenspiel ging es sowohl für Japan als auch für Österreich, die eben beide ihre ersten zwei Spiele gewonnen hatten und damit schon fix im Achtelfinale waren, nur noch um die Platzierung. Beide Trainer wechselten ihre Teams kräftig durch, Michihisa Kano hatte nur fünf Stammkräfte aus den ersten beiden Spielen auf dem Feld, Markus Hackl tauschte auch viermal.

„Ich habe in diesem Altersbereich selten ein Team gesehen, dass dermaßen ballsicher ist“, war Hackl von Japan beeindruckt. Japan ging es ohne den letzten Punch an, erlaubte Österreich in den ersten 20 Minuten sogar eine ausgeglichene Ballbesitz-Bilanz, aber Japan war natürlich mit der Kugel wesentlich produktiver und zielgerichteter als Österreich. Wann immer die Japanerinnen das Tempo anzogen und ein paar schnelle Pässe aneinander reihten, brannte es. Mariella El Sherif musste einige Male in höchster Not eingreifen, am Ende gewann Japan mit 2:0. „Man verliert nie gerne“, brummte Isabell Schneiderbauer danach, die aber auch betonte, wie wendig die Gegenspielerinnen waren.

Japan ließ Erfolge gegen Nigeria, Titelverteidiger Spanien und das letzte verbliebene europäische Team aus den Niederlanden folgen, erreichte Finale. Hackl sagt klar: „Japan ist fußballerisch das mit Abstand beste Team bei diesem Turnier!“

Die Sache mit der Challenge beim VAR

Bei Diskussionen um den VAR wird immer wieder der Vorschlag ins Feld geführt, man sollte doch den Trainern die Möglichkeit geben, eine Entscheidung zu challengen – ähnlich wie wenn ein NFL-Trainer den Referees das rote Tuch vor die Füße wirft. Bei dieser U-20-WM der Frauen wurde das tatsächlich probiert: Jeder Teamchef hatte zweimal im Match die Möglichkeit, eine Entscheidung überprüfen zu lassen. Der Elfmeter, der Österreich gegen Ghana das 2:0 ermöglicht hat, ist über genau so eine Intervention von Markus Hackl erst zugesprochen worden.

„Ich find’s grundsätzlich eine gute Idee“, bilanziert Hackl, der auch mit der einen oder anderen Challenge abgeblitzt ist, das gehört dazu. Er schränkt aber ein: „Die Kommunikation muss besser werden!“ Zum einen für TV-Zuseher, denn sehr oft – wenn es sich nicht um eine klare Sache handelt – hat man nicht wirklich eine Ahnung, was gerade passiert.

Dummerweise schien das zum anderen auch auf Referees und Trainer zuzutreffen, bei einigen Schiedsrichterinnen fehlte es zudem einfach am fließenden Englisch – ein Armutszeugnis eigentlich, auf diesem Niveau. So wollte Hackl im Achtelfinale beim 1:3 überprüfen lassen, ob beim nordkoreanischen Freistoß alles korrekt war („Aus unserer Sicht stand die Koreanerin, die beim Freistoß angespielt wurde, direkt bei unserer Mauer, sie hätte aber einen Meter Abstand haben müssen – für uns war das Tor irregulär!“).

Die chilenische Unparteiische bzw. ihre Assistentin haben aber nicht verstanden, was Hackl ihnen sagen will, und überprüften nur auf Abseits. Das war es nicht, das hat aber auch keiner behauptet.

2:5 gegen Nordkorea

Der nordkoreanische Trainer Ri Song-Ho wollte derweil das zwischenzeitliche österreichische Tor zum 1:1 überprüfen lassen, das nach einem Freistoß gefallen war. Minutenlang diskutierte er via seiner Dolmetscherin mit der vierten Offiziellen. Warum, blieb für den TV-Zuseher auch hier im Dunklen. Hackl klärt auf: „Er wollte das Foul zum Freistoß überprüfen lassen, nachdem wir das Tor gemacht haben.“ Erstens war das aber natürlich zu spät und zweitens ist ein Freistoß schon mal grundsätzlich nicht überprüfbar, selbst wenn man rechtzeitig reklamiert hätte.

Beide Szenen waren aber eher Randnotizen, weil Nordkorea einfach zu gut war. Einmal kurz die Hüfte gedreht, schon lief das österreichische Pressing ins Leere. Schnell im Kopf, schnell in den Beinen, perfekt aufeinander eingestellt – so wie Nordkorea in besten Zeiten halt spielt, und traditionell ist Nordkorea eine absolut nennenswerte Frauenfußball-Nation. Gleich nach drei Minuten ließ sich Österreich von einem kurz abgespielten Eckball überrumpeln, es gelang rasch der Ausgleich, dann beging Nicole Ojukwu eine Dummheit.

Nach einem taktischen Foul – das sie nehmen hatte müssen – wollte sie in Richtung Ball laufen, die Schiedsrichterin stand im Weg, Ojukwu schubste sie ein wenig zur Seite. Dione Rissios war davon nicht begeistert, pfiff energisch und hielt Ojukwu ihre zweite gelbe Karte unter die Nase. Durch den neu zu organisierenden Sechserraum bereitete Nordkorea wenig später das 2:1 vor, nach dem Seitenwechsel folgte das 3:1 aus jenem kurz abgespielten Freistoß, den Hackl vergeblich an den VAR schicken wollte.

Eine koreanische Verteidigerin verlängerte wenig später einen eigentlich harmlosen 45-Meter-Freistoß ins eigene Tor, aber dennoch: In Unterzahl und mit Rückstand war für ein österreichisches Team, das schon zuvor nur mit größter Mühe irgendwie drangeblieben war, nichts mehr zu machen. Ein Solo von Chae Un-Young sorgte für das 4:2, ehe sich Gutmann in der Nachspielzeit von der eingewechselten Park Mi-Ryong düpieren ließ.

Nach dem 5:2 gegen Österreich gewann Nordkorea noch 1:0 gegen Brasilien und dann im Halbfinale auch 1:0 gegen das US-Team und im Endspiel 1:0 gegene mit Japan. Österreich hat zwei Spiele bei dieser WM verloren. Genau gegen die beiden Finalisten.

Wer ist Österreich?

Es ist die erste WM-Teilnahme auf jeglicher Ebene für ein österreichisches Frauen-Team überhaupt gewesen. Ja, man hat „nur“ auf dem Umweg Playoff, mit dem 6:0 gegen Island, das Ticket gelöst und die Chance hat sich auch nur deshalb ergeben, weil die FIFA das Turnier vor zehn Monaten kurzfristig von 16 auf 24 Teilnehmer erweitert und sich damit ein fünfter Startplatz für Europa ergeben hat. Nur, eben: Fünf. Das war ein verdammt enger Flaschenhals und Frauenfußball-Großmächte wie Schweden oder England, aber auch Dänemark haben es eben nicht geschafft.

Die andere Seite ist natürlich: Wenn man schon einen der wenigen europäischen Startplätze hat, ist ein Einzug ins Achtelfinale natürlich Pflicht. Das hat Österreich souverän geschafft. Und wer sind diese österreichischen Spielerinnen nun?

Torhüterin Mariella El Sherif aus Hartberg, im Sommer von Sturm Graz zum deutschen Aufsteiger Jena gewechselt, ist extrem sprungstark, ist sehr gut mit dem Ball am Fuß und hat starke Reflexe, ist aber für eine Torhüterin ziemlich klein. Nicole Ojukwu, einst von Nina Burger zur Vienna geholt, hat im Mittelfeld-Zentrum ein unglaubliches Gespür für die Situation, kann ein Spiel lesen, räumt defensiv viel auf, kann gut anpressen und ihre Standards sind gefürchtet. Sie ist aber nicht besonders schnell und sie wird in Freiburg nun ein wenig an körperlicher Robustheit zulegen müssen. Valentina Mädl, schlacksige Stürmerin aus Mönchhof, kommt beim SKN St. Pölten eher von der Seite, viel Talent, aber zuletzt auch einige Verletzungen. Die drei sind mal die ersten Kandidaten auf einen A-Einsatz in nicht allzu ferner Zukunft.

Maggy Rukavina führt im Zentrum die wichtigen Zweikämpfe und gibt den Ball unspektakulär ab, ein wenig wie früher Julian Baumgartlinger. Chiara D’Angelo, in Abwesenheit von Lainie Fuchs Kapitänin, hat sich ein Jahr in Hoffenheim versucht, es hat nicht funktioniert, ist nun zum SKN gegangen. Sie hat trotz gesundheitlicher Probleme im Vorfeld ein gutes Turnier gemacht und hat ein paar Tage nach der Rückkehr beim 3:0 im Europacup-Playoff für den SKN gegen Mura Murska Sobota eine Stunde gespielt; ihre jüngere Schwester Theresa ist im neuen U-19-Jahrgang dran. Die Schwestern Laura und Greta Spinn sind nun beide beim Red-Bull-Kooperationsklub Bergheim, gerade bei Greta muss man die Entwicklung noch abwarten.

Tatjana Weiß, eher Typ Kante, hat die Leitung in der Abwehr von Fuchs übernommen. Jovana Cavic hat ein gutes Gespür für das Rausrücken, aber wohl ein bisschen zu wenig Körper. Isabell Schneiderbauer spielt, wenn es was Abzuräumen gibt und Sarah Gutmann hat sich mit einer ansprechenden Saison bei Vizemeister Vienna noch einen Platz im Zug ohne Bremsen gesichert. So ehrlich muss man aber sein, die Abwehr und der erste Pass gehören auf diesem Level nicht zu den Prunkstücken dieses Teams.

Eines Teams, dem auch einige gefehlt haben, die in den letzten zwei Jahren eine große Rolle gespielt haben. Die Wienerin Lainie Fuchs natürlich, Kapitänin und Abwehrchefin, die sich nach ihrer Rückkehr aus der US-College-Liga im Winter das Kreuzband gerissen hat. Stürmerin Isabel Aistleitner aus Marchtrenk, die normalerweise immer zentral vorne gespielt hat, auch verletzt. Wie Linda Natter aus Mellau, riesiges Jahr 2023 für Altach an der Seite von Eileen Campbell gespielt, dann auch Kreuzbandriss. Amelie Roduner, Pressingmaschine aus dem Montafon, deren unermüdliches Anlaufen gegen Holland bei der U-19-EM einen großen Beitrag zum 1:0-Sieg geleistet hat – auch sie hat weite Teile der letzten Saison in der 2. Mannschaft von Bayern München verletzungsbedingt verpasst.

Wie weit sind die Spielerinnen?

Als Dominik Thalhammer 2011 übernahm, waren Schnaderbeck und Wenninger 20 Jahre alt, Makas war 19, Feiersinger, Zadrazil und Puntigam waren 18, Hanshaw (damals noch Aschauer) und Kirchberger erst 17 – Nina Burger, die älteste der Generation, die zusammen wachsen sollte, war 24 Jahre alt. Die Truppe, die damals Dänemark besiegte und bis ins EM-Playoff gegen Russland kam, war also im Grunde eine frisierte U-20, die halt auf „echte“, sprich ältere, Nationalteams losgelassen worden ist. Die paar, die so im Alter von Burger waren – Marlies Hanschitz, Susi Höller, Marion Gröbner – waren ab 2013 nicht mehr dabei.

Die aktuelle U-20 wird seit fünf Jahren in der Akademie körperlich und taktisch auf den Fußball der Großen vorbereitet. Es ist natürlich ein Äpfel-Birnen-Vergleich, weil die ganze Frauenfußball-Welt in den letzten 15 Jahren dramatische Entwicklungsschritte genommen hat, aber: Ist diese Truppe also nicht eigentlich schon weiter als es die Aufbau-Generation Anfang der 10er-Jahre mit dem gleichen Alter war?

Das muss man differenziert beurteilen, sagt Viktoria Schnaderbeck: „Wir sind damals früh, mit 16 oder 17 Jahren, ins Ausland gegangen, haben große Veränderungen auf uns genommen und in ganz jungen Jahren schon deutsche Bundesliga gespielt. Gerade was die persönliche Reife angeht, war das sicher eine ganz andere Liga als jetzt.“ Die Etablierung der 2011 gestarteten ÖFB-Akademie war ein Meilenstein, der für die damals jungen Mädchen zu spät kam.

Denn die andere Seite ist: „Die Mädels jetzt haben Akademie, dadurch schon ganz jung einen anderen Bezug zu Taktik und Fitness, haben Athletiktrainer, viel bessere trainingswissenschaftliche Gegebenheiten. Das mussten wir uns damals nach bestem Wissen und Gewissen selbst erarbeiten“, so Schnaderbeck, die sich erinnert: „Vor 2011 mit Ernst Weber, da war sportlich und von den Bedingungen, von der Professionalität, eine andere Liga wie danach bei Thalhammer. Der hat 2011 erstmal anfangen müssen: Was heißt kompakt sein, im Verbund arbeiten, defensiv stabil sein. Da ist sicher vom taktischen Wissen, physischen Wissen, trainingswissenschaftlichen Gegebenheiten, jetzt viel mehr da als damals, als wir in dem Alter waren.“

Nicht viel liegen gelassen

Andere Teams sehen solche Turniere auch als Bühne für die zwei, drei echten Kandidaten auf eine große Karriere – etwa Ally Sentnor bei den USA, die schon ihre zweite U-20-WM gespielt hat, Priscila bei Brasilien, oder Olivia Smith bei Kanada. Bei der letzten WM vor zwei Jahren glänzten Salma Paralluelo und Olivia Moultrie, 2018 Aitana Bonmatí und Georgia Stanway und Hinata Miyazawa. Dieses österreichische Team ist hingegen tatsächlich ein Team, es ist mehr als die Summe seiner Einzelteile.

Das ist gut, weil so möglich war, Defizite in der individuellen Qualität durch taktische Geschlossenheit auszugleichen. Das heißt aber andererseits, dass eben jene individuelle Qualität, die für den nächsten, entscheidenden Schritt in den Erwachsenenfußball benötigt wird, womöglich fehlt. Von den 2007er-Burschen, die in Kanada ins Halbfinale gekommen sind, haben ungewöhnlich viele den Durchbruch geschafft: Prödl und Harnik, Junuzovic und Kavlak vor allem aber auch Suttner und Okotie, Hoffer, Madl und Lukse haben A-Einsätze vorzuweisen.

Ob auch bei den 2024er-Mädels neun künftige A-Nationalspielerinnen dabei sind? Machen wir mal ein Fragezeichen dahinter. Fix ist dafür, dass der ÖFB mit diesem Jahrgang das Maximum herausgeholt hat. Von den 14 Pflichtspielen war nur ein einziges dabei, wo man ein potenziell mögliches bessere Resultat liegen gelassen hat – das war das 3:3 bei der EM im letzten Gruppenspiel gegen Belgien. Und selbst da hätte ein Sieg nicht mehr zum Halbfinal-Einzug gereicht, weil das Parallelspiel ein für Österreich ungünstiges Ergebnis gebracht hat. Allenfalls noch das 1:1 in der Qualifikation gegen die Ukraine, das änderte aber nichts am Gruppensieg.

Einige Testspiele gingen resultatsmäßig daneben (gegen Dänemark, Portugal, Finnland, zweimal gegen Brasilien, dazu nur 0:0 gegen Marokko), aber wenn es in Pflichtspielen wichtig war, war das Team da. „Das 0:6 wird schon morgen beim Frühstück abgehakt sein“, war Spilka nach dem Debakel zum EM-Auftakt überzeugt. Er sollte recht behalten: Es folgte das 1:0 gegen die Niederlande, Tor von Mädl nach Eckball, bei dem natürlich auch Glück dabei war. Und natürlich war die Truppe bei der 6:0-Verprügelung von Island, dem anderen EM-Gruppendritten, im Entscheidungsspiel um die WM-Teilnahme sowas von bereit.

Und jetzt?

Die 2004 geborenen Spielerinnen müssen sich jetzt im Erwachsenenfußball etablieren. El Sherif ist schon nach Deutschland gegangen, D’Angelo ist wieder zurück gekommen. Bei Weiß und Holl (Neulengbach) Schneiderbauer, Cavic und Seidl (alle Vienna) könnte das ein zu großer Schritt sein, ihre Klubkolleginnen Natter (eine 2005er) und Fuchs sowie die von der Vienna zum SKN gewechselte Aistleitner müssen erstmal ihre Knie auskurieren. Wirnsberger ist seit längerem Stammkraft bei Sturm Graz, Keutz ist das noch nicht.

Für die 2005 geborenen Spielerinnen geht es darum, sich jetzt für einen Wechsel ins Ausland zu positionieren. Mädl (St. Pölten) wird das, Verletzungsfreiheit vorausgesetzt, hinbekommen. Rukavina ist im Vienna-Zentrum Nachfolgerin der nach Deutschland transferierten Ojukwu, das könnte gut passen. Die Torhüterinnen Rusek (Neulengbach) und Schönwetter (Back-up bei der Vienna) haben vermutlich weniger Chancen, ins Ausland zu kommen, als die gleichaltrige Austria-Keeperin Larissa Haidner, der ihr Handgelenk ein Jahr gekostet hat. Purtscher kämpft um regelmäßige Einsätze bei Altach, Laura Spinn ist quasi der Premium-Zugang von Bergheim mit Blick auf eine Red-Bull-Zukunft. Sie haben die U-19-EM in diesem Jahr durch einen unnötigen Selbstfaller gegen Irland in der Qualifikation versenkt.

Die 2006er können ihre WM-Erfahrungen in den neuen U-19-Jahrgang mitnehmen. Fankhauser (Vienna) ist praktisch aus dem Nichts zur WM-Stammkraft geworden, ebenso Gutmann (ebenfalls Vienna). Sisic geht in der Rasselbande von Kleinmünchen/Blau-Weiß Linz schon als Routinier durch und Ziletkina, die im letzten Jahr ihren Körper ordentlich aufmagaziniert hat, wird im Austria-Angriff ihre Chancen bekommen.

Und Greta Spinn, die letzte Saison noch U-17 gespielt hat, darf man durchaus als Indikator betrachten, was bei Red Bull passiert. Sie ist wie ihre Altersgenossinnen Valentina Illinger (die auch schon im WM-Großkader war und den Cut knapp nicht geschafft hat, Stürmerin im Team und Linksverteidigerin beim Verein) und Tina Krassnig diese Saison neu beim Salzburger Klub. „Und man erkennt in Bergheim auch schon deutlich die taktische Handschrift von Red Bull, mehr als noch letzte Saison“, bestätigt Hackl.

Der 2006er-Jahrgang gilt von der Breite her als ziemlich dünn. Wie sieht es mit den kommenden aus, Trainer? „Der 2007er ist nicht viel stärker“, sagt Hackl, der nun permanent die U-19-Teams trainieren wird, „aber der 2008er schon, von der Quantität der vielversprechenden Spielerinnen.“ Das kann durchaus schon der Einfluss von Red Bull sein.

Anmerkung: In der ersten Version dieses Artikels stand Nordkorea als „Finalist“. Nach dem Endspiel und dem 1:0-Sieg Nordkoreas gegen Japan wurden die entsprechenden Stellen gemäß des Ausgangs des Finales adaptiert

Über Philipp Eitzinger

Journalist, Statistik-Experte und Taktik-Junkie. Kein Fan eines bestimmten heimischen Bundesliga-Vereins, sondern von guter Arbeit. Und voller Hoffnung, dass irgendwann doch noch alles gut wird.