Mit dem 103. Länderspiel zog Marko Arnautovic mit Andi Herzog als Rekord-Spieler bei den ÖFB-Herren gleich. In den 90 Minuten im Stade de France konnte Österreich aber so gut wie nie eigene Initiative ergreifen. Zu gut war das Team aus Frankreich, welches das ÖFB-Team mit genau jenen Mitteln besiegte, die sonst die Rangnick-Spielidee ausmachen: Hohes, aggressives Anlaufen, die Luft nehmen, Ballgewinne im Angriffsdrittel provozieren. Nur weil Frankreich zahlreiche Top-Chancen liegen ließ, dauerte es eine Stunde bis zur Entscheidung.
Ralf Rangnick ließ sein Team im gewohnten 4-2-2-2 spielen. Vorne mit Onisiwo neben Jubilar Arnautovic; Sabitzer und Weimann auf den offensiven Außen, Schlager und Seiwald im Zentrum. Im Tor erhielt Neo-Frankreich-Legionär Patrick Pentz den Zuschlag. Frankreich ging vom lange gewohnten 4-4-1-1 ab, Didier Deschamps ging mit einem 3-4-1-2 ins Spiel: Ohne die Hernandez-Brüder und Pavard, ohne die verletzten Kanté und Pogba.
Benoît Badiashile und Youssouf Fofana von Monaco kamen in der Abwehr bzw. in der Mittelfeld-Zentrale zum Team-Debüt. Der Einsatz von Jonathan Clauss auf der rechten Seite wirkt ein wenig befremdlich, wenn man ihn noch als Zweitliga-Spieler von Arminia Bielefeld (18/19 und 19/20) in Erinnerung hat. Jules Koundé verletzte sich nach 20 Minuten, für ihn kam William Saliba.
Frankreich läuft hoch an
In der Frühphase des Spiels zeigten Griezmann, Mbappé und Giroud, unterstüzt von Clauss und Mendy, ein sehr hohes und sehr aggressives Angriffspressing. Damit fiel es Österreich unheimlich schwer, schon alleine sinnvoll den ersten Pass zu spielen. Im Gegenzug kam Frankreich durch hohe Ballgewinne immer wieder zu guten Einschussmöglichkeiten.
Österreich verteidigte, indem die Mittelfeldkette vor dem Strafraum die Querläufe der ballführenden Franzosen mannorientiert mitging. Das Tempo der Offensive der Hausherren – vor allem jene von Mbappé – stellte die ÖFB-Defensive vor große Probleme. Dass es nach 20 Minuten nicht schon längst eine klare Führung für Frankreich gab, war für Österreich schmeichelhaft und zu großen Teilen auch Patrick Pentz zu verdanken.
Festrennen im Halbraum
Nach etwa 20 bis 25 Minuten erlaubte Frankreich den Gästen etwas längere Ballbesitzphasen in der österreichischen Hälfte. Auffällig war, dass Griezmann (eigentlich als Zehner im 3-4-1-2 aufgestellt) sich in diesen Situationen auf die rechte Halbposition zurückzog und sich ein 5-3-2 bildete.
Die Folge war, dass Österreich immer wieder versuchte, über die Außen an Mbappé und Giroud vorbei aufzubauen. Im Raum zwischen Achter (Griezmann bzw. Fofana) und Wing-Back (Clauss und Mendy) tat sich aber stets eine Wand auf und es folgte der risikoarme Pass nach hinten, um den Ballbesitz zu sichern und Alaba einen neuen Weg suchen zu lassen.
Österreich kopflos, Frankreich flink
Im Angriffsdrittel ging den erstmals in den neu designten Puma-Leiberln angetretenen Österreichern der gemeinschaftliche Plan ab, an dem sich alle orientierten. In den wenigen Situationen, in denen man den Zehnerraum erreichen konnte, lief man sich schnell an der französischen Defensive fest. Abschlüsse innerhalb des Sechzehners gab es keine.
Andererseits nützten die Franzosen es mit ihrem Tempo aus, dass sich die Gäste immer mehr nach vorne orientierten. Alaba und Lienhart verteidigten, so gut es ging, mit ihrer Routine und ihrem Stellungsspiel weg. Aber die Franzosen schafften es einige Male, ihr hohe Geschwindigkeit in Szene zu setzen. So fiel zehn Minuten nach Beginn der zweiten Halbzeit auch das überfällige 1:0 durch Mbappé, so musste kurz darauf Alaba Giroud im eigenen Strafraum wegchecken, so wurde es auch in der 60. Minute wieder brenzlig.
Systemumstellung nach 0:2
Wenig später verlor Lienhart nach einer Flanke das Kopfballduell gegen Giroud zum 0:2, womit das Spiel in der 65. Minute endgültig entschieden war und Rangnick das System änderte. Mit der Einwechslung von Schmid für Sabitzer (und davor Baumgartner für Onisiwo) stellte sich Österreich ab der 70. Minute in einem 4-1-4-1 auf, wobei Seiwald den Sechser hinter Schlager und Schmid gab, Ljubicic (war zuvor für Weimann gekommen) und Baumgartner auf den Außen und Gregoritsch ganz vorne.
Tatsächlich schien Österreich sich nun etwas befreien zu können. Wir können über mehr Präsenz im Zentrum reden und über eine bessere Tiefenstaffelung nach Ballverlusten, Tatsache ist aber auch: Frankreich hat in der Schlussviertelstunde deutlich die Intensität zurückgeschraubt und österreichische Ballbesitzphasen auch über die Mittellinie hinaus zugelassen. Im Angriffsdrittel kam beim ÖFB-Team aber weiterhin vieles über die Kopf-durch-die-Wand-Basis nicht hinaus.
Ein 0:3 aus einem Konter wirkte immer näher als ein 1:2 für Österreich.
Fazit: Frankreich war einfach zu gut
Am Ende muss man bei allen internen Querelen beim amtierenden Weltmeister einfach zugestehen, dass das eine wirklich sehr gute Mannschaft ist, die es in sehr vielen Bereichen einfach sehr gut gemacht hat. Das Angriffspressing nagelte Österreich hinten fest, auch das Verteidigen im 5-3-Block funktionierte, man hatte das Tempo für die Gegenstöße in die Räume. Lediglich die Chancenverwertung muss man bemängeln.
Österreich fand nie ein funktionierendes Mittel. Man kam nie dazu, das eigene Pressing über mehr als ein paar einzelne Szenen hinaus zu etablieren, im Aufbauspiel fehlten Ideen und Bewegung und im Angriffsdrittel bekam man die eigenen Stürmer praktisch nie eingesetzt und wenn, war es eher ein hektisches Nach-Ideen-Suchen als ein planvolles Miteinander gegen die französische Dreierkette.
Nach dem 3:0 in Kroatien war dies zusammen mit dem 0:2 in Kopenhagen das zweite Auswärtsspiel in dieser Nations League, bei dem Österreich in Wahrheit keine Chance hatte. In Dänemark konnte man das auf den dichten Spielplan nach der langen Saison schieben und im Stade de France auf einen übermächtigen Gegner. Das letzte Match, daheim gegen Kroatien, ist keineswegs eine leichte Aufgabe: Die Kroaten führen die Gruppe nach deren 2:1 gegen Dänemark im Parallelspiel an.
Österreich muss auf jeden Fall gewinnen, um noch eine Chance auf den Klassenerhalt in der A-Gruppe zu haben (und selbst dann dürfte Frankreich in Dänemark maximal remisieren). Wie erstrebenswert ein Klassenerhalt im Hinblick auf die WM-Qualifikation für 2026 wäre, ist dabei eine ganz andere Geschichte.