Gute Leistung gegen Wales: Österreich holt 2:2

Die Stimmung in Österreich vor dem Spiel war angespannt bis sorgenvoll – die Stimmung nach dem 2:2 gegen Wales darf durchaus in Richtung Optimismus gehen. Mit einer sehr vorzeigbaren Vorstellung gegen den EM-Halbfinalisten bleibt das ÖFB-Team voll im Rennen um einen Platz bei der WM in Russland. Frei von Schwachpunkten war die Leistung aber auch nicht.

Österreich - Wales 2:2 (1:2)
Österreich – Wales 2:2 (1:2)

Kleiner Rückgriff auf das EM-Halbfinale der Waliser: Wie hat es Portugal geschafft, Wales zu kontrollieren und letztlich relativ sicher 2:0 zu besiegen? Zum einen fehlte auch damals Aaron Ramsey – und zum anderen kesselten die Portugiesen Joe Allen ein. Dieser konnte somit nicht aus dem Zentrum heraus das Spiel diktieren.

Allen als österreichischer Fokuspunkt

Österreich ging es grundsätzlich recht ähnlich an. Man ließ die walisische Dreierkette hinten unbehelligt, auch die kampfkräftigen Ledley und King im Mittelfeld wurden nur situativ angegangen – aber sobald der Ball bei Joe Allen war, wurde der Mann von Stoke City von zumindest zwei Österreichern aggressiv angepresst.

Die erhoffte Wirkung blieb nicht aus: Ohne den verletzten Ramsey und ohne den quasi aus dem Spiel gepressten Allen sahen die Waliser seltsam unrund, fast schon aus den Fugen gedrängt aus. Spielerisch gab es für den EM-Halbfinalisten keinen Weg in den österreichischen Strafraum. Plakativster Effekt des Allen-Fokus war das Tor zum 2:2: Allen musste unter Druck einen Not-Rückpass spielen, dieser fiel unpräzise aus, Arnautovic nahm den Ball auf und traf.

Natürlich: Wie in unserem Podcast angekündigt, sah man Wales schon früh an, dass man mit einem Remis ganz gut leben könnte. Risikovermeidung wurde groß geschrieben, Überraschendes gab es nicht zu sehen. Sprich: Wenn aus dem Spiel nichts geht, dann steht man halt hinten sicher und schaut, was sich aus Standards ergibt.

In der 20. Minute etwa deutete Abwehrchef Ashley Williams nach einem Ballgewinn seinen Nebenleuten: Ruhig, ruhig, nicht sofort schnell umschalten, Ball sichern ist wichtiger.

Wimmer auf der linken Seite…

Bei den Namen Dragovic, Hinteregger und Wimmer in der Startformation hätte man mit einer Dreierkette auch bei Österreich rechnen können – aber Kevin Wimmer spielte tatsächlich als Linksverteidiger. Was genau das sollte, wurde in den 90 Minuten nicht ganz klar. Er stand zunächst recht hoch, Alaba kippte in den LV-Raum ab, aber Wimmer war auch nach vorne passiv. Es dauerte 17 Minuten, ehe er Arnautovic das erste Mal hinterlief.

Defensiv brannte auf seiner Seite überhaupt nichts an, aber das Flügelspiel über Chris Gunter ist nun auch nicht gerade die Paradedisziplin von Wales. Wimmer beschränkte sich auf Pässe der Marke „Lieber nichts kaputt machen“, ein echter Faktor im Aufbau war er nicht. Und aus den Gesten von Arnautovic war schon hie und da herauszulesen, dass er sich einen echten Linksverteidiger hinter sich gewünscht hätte.

In jedem Fall aber hielt Wimmer Arnautovic den defensiven Rücken gegen Gunter frei – so konnte sich Arnautovic vermehrt auf seine offensiven Aufgaben konzentrieren. Und diese erledigte er ja exzellent.

…und die entstehende österreischische Asymmetrie

So war Arnautovic links oft weitgehend auf sich alleine gestellt, während Florian Klein rechts fleißig in der gegnerischen Hälfte herum turnte, immer wieder einiges an Raum vorfand und diesen auch durchaus nützte. So agierte Österreich asymmetrisch: Rechtsverteidiger Klein hoch und aktiv, Linksverteidiger Wimmer tiefer und passiv.

Diese Überladungen der rechten Seite sind beim traditionell linkslastigen Spiel des ÖFB-Teams ungewohnt und merkbar hatten auch die Waliser nicht ganz damit gerechnet. Dass aus dieser Ausrichtung, mit der so nicht zu rechnen war, nicht mehr heraus sprang, liegt auch an der eher anonymen Vorstellung von Marcel Sabitzer. Bei ihm gilt weiterhin: Stark und auffällig beim Klub, mäßig und sehr unauffällig im Nationalteam.

Alaba und Baumgartlinger unbehelligt…

In den letzten Spielen wurde es sehr deutlich: Österreich hasst es, wenn die Mittelfeld-Zentrale mit Alaba und Baumgartlinger in Manndeckung genommen wird. Es wäre keine Überraschung gewesen, wenn der walisische Teamchef Chris Coleman, einer der flexibelsten seiner Zunft, sein gutklassiges Mittelfeld auch auf Mannorientierungen ansetzt – das passierte aber überhaupt nicht.

Im Gegenteil: Alaba und Baumgartlinger konnten das österreichische Spiel weitgehend unbehelligt von Gegenspielern lenken und dirigieren, so gut wie jeder Angriff hatte bei den beiden ihren Ausgang, so gut wie immer wanderte der Ball problemlos zu den beiden zurück, wenn man sich vorne festgespielt hatte. Baumgartlinger holte sich viele zweite Bälle und war besonders stark in Gegenpressing-Situationen; Alaba forderte den Ball, war überall zu finden, es wirkte aber nie krampfhaft oder übertrieben egobezogen.

Beide zeigten eine sehr brauchbare Leistung; Alaba legte den wichtigen, schnellen Ausgleich zum 1:1 auf.

…aber nicht immer mit Abspieloptionen

Aus der Ruhe, die das zentrale österreichische Duo genoss, hätte aber durchaus noch mehr resultieren können. In diversen Aufbauaktionen, vor allem in der ersten Hälfte, wurde aber der Abstand zwischen den beiden und der Offensivreihe aber wieder zu groß. Die beiden sahen sich zu weiten Vertikalpässen genötigt – ganz ähnlich wie im Auftaktspiel der WM-Quali in Georgien.

Dort arbeitete man sich so noch einige Chancen heraus, gegen die gutklassige walisische Fünfer-Abwehr (die es gegen den Ball war) ging das praktisch gar nicht. Das Resultat war relativ viel Ballbesitz für Österreich (an die 60% in Phasen der ersten Hälfte, am Ende waren es 54%), nie die Sorge um Gefahr für das eigene Tor, aber auch wenige wirklich zwingende eigene Torchancen.

Das große Negative: Standardsituationen

Und obwohl sie über weite Strecken des Spiels sehr wenig Gefahr ausstrahlten, ging Wales zweimal praktisch aus dem Nichts in Führung. Erst ließ man Allen einmal unbewacht und er traf per Weitschuss, dann war Österreich wieder einmal (wie schon gegen Island bei der EM) nach einem gegnerischen Einwurf nicht in der Lage, den Ball zu klären.

Wie überhaupt Standards der ganz große Schwachpunkt des ÖFB-Teams waren, sowohl offensiv als auch defensiv. Eigene Freistöße und Eckbälle wurden zum überwiegenden Teil stets gleich, vorhersehbar und phantasielos ausgeführt. Wales kam aus solchen Situationen praktisch nie in Bedrängnis.

Andererseits aber war Wales zwar aus dem Spiel völlig harmlos, aber jedesmal brandgefährlich, wenn man viele Leute im österreichischen Strafraum hatte – also bei Standards, bei Eckbällen (die sich vor allem in der Schlussphase häuften) und bei den langen Einwürfen von Gareth Bale. Souverän löste Österreich diese Situationen nur selten, und einmal – beim Tor zum 2:1 für Wales – gar nicht.

Fazit: Ordentliche Leistung mit Schwachstellen

Es war alles in allem die beste Leistung, die das ÖFB-Team im Kalenderjahr 2016 abgeliefert hat – gemeinsam mit der ersten Hälfte gegen Albanien, vermutlich, und der zweiten Hälfte bei der EM gegen Island. Man kontrollierte das Zentrum und damit das Spiel, und vor allem: Mental war Österreich auf der Höhe.

Zweimal gegen den Spielverlauf in Rückstand geraten und zweimal recht schnell wieder ausgeglichen: Das spricht absolut für das Team, zumal der Druck sicherlich deutlich höher war, als man das öffentlich zugeben wollte. Nach der harzigen Vorbereitung, der verkorksten EM und dem Zitter-Auftakt in Georgien stand nicht weniger als die Perspektive der kommenden 12 Monate auf dem Spiel.

Außerdem spielte Österreich ohne einen Linksverteidiger, der diese Bezeichnung wirklich verdient, und weitgehend auch ohne einen Rechtsaußen – Wimmer war, so brav er es machte, völlig out of position und Sabitzer eben kein wirklicher Gewinn für das Team. Auch Janko war merklich nicht auf hundert Prozent und Almer – der schon ganz am Anfang sensationell nach einem Standard gegen Bale parierte – musste sogar ausgewechselt werden.

Natürlich: Eine Niederlage in Belgrad, und die ganze schöne Hochstimmung nach dieser sehr vorzeigbaren Vorstellung ist dahin. Aber das 2:2 gegen Wales darf durchaus als Erfolg gewertet werden, der das angeknackste Selstverständnis des ÖFB-Teams wieder stabilisiert. Damit kann man auch in Serbien etwas holen.

gruppe-d

Ankündigung: Zum Spiel am Sonntag gegen Serbien wird es bei uns einen Liveticker geben. Als Vorschau legen wir euch unseren aktuellen Podcast ans Herz.

Über Philipp Eitzinger

Journalist, Statistik-Experte und Taktik-Junkie. Kein Fan eines bestimmten heimischen Bundesliga-Vereins, sondern von guter Arbeit. Und voller Hoffnung, dass irgendwann doch noch alles gut wird.