Österreich kämpft sich in Montenegro zweimal nach einem Rückstand zurück und gewinnt am Ende sogar – und das in einem Spiel, das man eigentlich gar nicht mehr gewinnen musste, für die EM-Qualifikation. Das ÖFB-Team zeigte in Montenegro keine herausragenden spielerischen Qualitäten, aber bemerkenswerte mentale Qualitäten. Was eigentlich umso wichtiger ist.
Eine recht spannende Variante war es, die Marcel Koller da auf den Gegner zuschnitt. Zlatko Junuzovic nämlich agierte nicht als Zehner in einem 4-2-3-1, sondern viel eher halbrechts in einem 4-1-4-1, Alaba besetzte dafür die halblinke Position bzw. zuweilen den Zehner, wenn Junuzovic noch weiter aufrückte.
Becirajs Faulheit nützen
Die Absicht dahinter wurde schnell klar: Koller wusste, dass der im linken Mittelfeld bei Montenegro aufgestellte Fatos Beciraj eigentlich ein Stürmer ist, der keine allzu große Lust auf Defensivarbeit hat. Das heißt: Im 4-4-1-1 der Gastgeber war die linke Abwehrseite defensiv nur mit einem Spieler besetzt, nämlich LV Tomasevic.
Nun lief Junuzovic sehr oft in den Rücken von Beciraj und kreuzte mit dem aufrückenden Klein, bzw. spielte schnelle Bälle in diese Richtung. Während Beciraj lässig auf halbem Weg zurück stehenblieb oder gemächlich vor sich in trottete, während Österreich das Tempo anzog, liefen Tomasevic die Leute nur so um die Ohren.
Allerdings fehlte in weiterer Folge die Konzentration und die letzte Präzision in Richtung Strafraum, sodass diese drückende Überlegenheit auf dieser Seite ohne Zählbares blieb.
Flexible Staffelung
Durch die flexible Staffelung zwischen 4-1-4-1 und 4-1-3-2 konnte sich Österreich im Mittelfeld immer so stellen, dass gegen die beiden Viererketten der Montenegriner jeweils die passende Pressingformation erstellt werden konnte. Vor allem aber wenn die fünf Offensiven sich anschickten, die Abwehrkette von Montenegro anzulaufen, reagierte diese sehr oft mit Panik. Allerdings verpasste es Österreich auch in diesen Situationen, mit der nötigen Geradlinigkeit diese Schwächen zu nützen.
Die Gastgeber liefen der Musik in der ersten halben Stunde des Spiels ähnlich hinterher wie letztes Jahr über weite Strecken des Hinspiels. Sie praktizierten auch oft einen Fata-Morgana-Spielaufbau. Soll heißen: Nicht selten gingen Pässe zu imaginären Mitspielern, in eine Richtung, in der Kollegen nicht einmal in der Nähe waren.
Übermut und offene Löcher
Das änderte sich nach rund einer halben Stunde. Österreich wurde zunehmend übermütig, Baumgartlinger ging immer mehr nach vorne mit, aber die Abwehrreihe rückte nicht entsprechend nach – das mag daran gelegen haben, dass Prödl so ein wenig das nötige Tempo für eine hohe Linie fehlt.
Jedenfalls stieß Montenegro nun vermehrt in diesen entstehenden Raum. Das war so beim Tor zum 1:0, das zu diesem Zeitpunkt noch etwas aus heiterem Himmel fiel. Österreich reagierte – mittlerweile eher ungewohnt – mit Hektik und Schlampigkeit. Die präzise Marschroute der ersten halben Stunde wurde verlassen.
Konztentrierter im Zentrum
Dieser Umstand war ganz offensichtlich in der Kabine zur Sprache gekommen, denn zu Beginn der zweiten Hälfte wurde der Raum im defensiven Mittelfeld deutlich konzentrierter bedacht als davor. Vor allem Aleksandar Dragovic rückte aus der Innenverteidiger gerne nach vorne, um Baumgarlinger zu unterstützen, auch Junuzovic ließ sich nun öfter in diesen Raum fallen.
So konnten in diesem Bereich auch mehr Bälle erobert werden und das bei Österreich bekannt schnelle Umschaltspiel entfacht werden. Dies, kombiniert mit dem weiterhin nicht gerade eifrig auf Defensive umschaltenden Beciraj, fürte innerhalb von ein paar Minuten zum österreichischen Ausgleich.
Brnovic stellt um
Montenegros Teamchef stellte in der Folge um, indem er Mandic statt der hängenden Spitze Mugosa brachte. De Neue ging auf die linke Seite von Beciraj, der bullige gelernte Stürmer von Dinamo Minsk dafür spielte nun direkt hinter Vucinic in der Offensivzentrale. Österreich brauchte etwas, um sich auf die veränderte Lage einzustellen. Zu lange, keine drei Minuten nach der Umstellung hatte Beciraj schon zum 2:1 getroffen.
Was aber nichts daran änderte, dass Österreich die höhere Qualität hatte und auch nicht dafür sorgte, dass Österreich nun auseinander fiel. Im Gegenteil – vor allem Arnautovic übernahm nun richtig Verantwortung. Wie in Minute 74, als er am eigenen Strafraum einen Einwurf von Montenegro abfing und damit höchst selbst den Konter über 70 Meter anzog.
Das 2:2 war nicht genug
Oder in der 81. Minute, als der drei Doppelpässe spielte, eher er quer vor dem Strafraum nach rechts zog, schoss, und zum 2:2 traf. Österreich war aber auch deshalb immer noch so gut im Spiel, weil Montenegro mit der Führung im Rücken und den beiden Bullen Beciraj und Vucinic vorne immer mehr auf lange Bälle setzte, die aber (mit einer Ausnahme, da wurde es eh gefährlich) allesamt bei Österreich landete.
Koller hatte sich alle drei Wechsel aufgehoben und unmittelbar nach dem 2:2 brachte er mit Sabitzer und Jantscher zwei frische Kräfte, um im Mittelfeld weiter nachsetzen zu können und Okotie als frischen Stürmer. Das Signal war klar: Draufgehen, die Montenegriner weiter nerven, nicht mit dem 2:2 zufrieden geben.
Okotie hätte beinahe mit seiner ersten Aktion schon das 3:2 erzielt und die Gastgeber warfen in der Folge tatsächlich die Nerven weg. Sinnbildlich dafür war natürlich Mirko Vucinic, der nach einem Gurkel an ihm völlig austickte und den Referee so lange beschimpfte, bis dieser Vucinic die rote Karte zeigte.
Montenegro wollte in den fünf Minuten Nachspielzeit nur noch das 2:2 über die Zeit retten, aber nicht einmal das gelang – weil Marcel Sabitzer noch zum späten, aber verdienten 3:2 traf.
Fazit: Nicht geglänzt, aber stark gearbeitet und Siegeswillen gezeigt
Mal klappte das Überladen der rechten Seite gut, mal das Anpressen der Spieleröffnung, mal das schnelle Umschalten im Mittelfeld – aber irgendwie nie so recht gleichzeitig. Österreich durchlief viele Phasen, hatte das Spiel dabei auch nicht immer unter Kontrolle (vor allem zwischen der 30. und 45. Minute, aber auch in der Phase zwischen 55. und 65. Minute entglitt das Spiel ein wenig).
Aber obwohl nie alles flutschte, ließ man dem Gegner dennoch nie das Gefühl, dass man gebrochen wäre (anders als etwa die Schweden vor einem Monat). Es gelang immer wieder, neue Konzentration zu fassen, den Gegner laufend neu zu beurteilen und auf veränderte Gegebenheiten zu reagieren.
Und man gab sich nicht zufrieden, als man zehn Minuten vor Schluss den Ausgleich erkämpft hatte. All das sind Qualitäten, die man nicht hoch genug einschätzen kann – vor allem vor dem Hintergrund, dass sie so zutiefst unösterreichisch sind.
So spielt dieser Sieg für die Qualifikation an sich keine Rolle. Für die Köpfe aber eine gewaltige.