Staubtrocken und konsequent: Österreich zerlegt Schweden 4:1

Es ist vollbracht: Mit einer vor allem gegen den Ball herausragenden Leistung gewinnt Österreich 4:1 in Schweden und löst damit erstmals seit 18 Jahren wieder auf sportlichem Weg das Ticket zu einem Großereignis. Das hat das Team von Marcel Koller einem erschreckend einfallslosen Gegner und einer wachen und sehr aufmerksamen eigenen Vorstellung zu verdanken.

Schweden - Österreich 1:4 (0:2)
Schweden – Österreich 1:4 (0:2)

Schwedens Förbundskapten Erik Hamrén machte seine Formation schon viele Stunden vor dem Anpfiff öffentlich und die Positionierung von Offensiv-Flügelmann Seb Larsson als Rechtsvertediger ließ keinen anderen Schluss zu, als dass Schweden versuchen würde, über die Flügel zum Erfolg zu kommen – und auf dieser Seite die Kreise von Arnautovic und Fuchs einzudämmen.

Nach außen verteidigt…

Das Rezept von Österreich dagegen war ebenfalls auf die Außenbahnen ausgereichtet – allerdings im defensiven Sinne. Vor allem bei Larsson war auffällig, dass sobald er von IV Granqvist den Ball quer zugespielt bekam, zwei Österreicher voll auf Larsson liefen. Das zwang ihn dazu, den Ball schnell wieder los zu werden. Auch dadurch kam der im Hinspiel noch so starke Erkan Zengin vor ihm überhaupt nicht ins Spiel.

Das dämliche Elfer-Foul von Kim Källström, dass schon wieder zu einem frühen Rückstand der Schweden führte, tat natürlich das Übrige, dass sich Österreich mit dem 1:0 im Rücken voll auf die Strategie gegen den Ball konzentrieren konnte.

…und zwar konsequent

Das hieß: Man überließ den Schweden durchaus den Ball, aber sobald es einen Querpass gab, wurde der Ballweg und der Passempfänger in Richtung außen gedrängt. Nicht selten verschob Österreich schon konsequent nach außen, da war der schwedische Pass kaum gespielt. Kurzum: Der Schwede, der einen Horizontalpass bekommen sollte oder daran dachte, mit dem Ball in Richtung Außenlinie zu dribbeln, hatte schon verloren.

Die Folge davon war, dass Schweden von immer weiter hinten die langen Bälle auspackte, weil es anders nicht gelang, die Kugel irgendwie in die Nähe der Sturmspitzen Ibrahimovic und Berg zu bringen. Aus dem Spiel heraus wurde Schweden praktisch nie gefährlich, es mussten schon zwei Freistöße herhalten, um ernsthafte Torschüsse anzubringen.

Baumgartlinger deluxe

Im Mittelfeld-Zentrum war neben Ballverteiler David Alaba, der sich wesentlich tiefer als gegen Moldawien positionierte, vor allem Julian Baumgartlinger in überragender Form. Sein Blick für die Situation und für die unspektakuläre Lösung von potenziell kritischen Situationen entschäfte einige schwedische Umschaltgelegenheiten schon im Ansatz.

Paradebeispiel war eine Szene nach rund einer halben Stunde, als Österreich im Vorwärtsgang den Ball verlor und ein großer Raum zwischen den Reihen entstand, aber Baumgartlinger drängte den schwedischen Spieler so geschickt ab, dass er nicht nur die kritische Situation entschärfte, sondern gleichzeitig dem Rest des Teams die Zeit gab, sich zu formieren, sollte der Schwede doch an ihm vorbei kommen.

Wach und aufmerksam

Wie überhaupt sich das österreichische Team durch eine extreme geistige Wachheit auszeichnete. Es gelang praktisch immer, die Laufwege und die Positionierungen so zu gestalten, dass es einen potenziellen Not-Anspielpartner gab oder zumindest einen Mitspieler in der Nähe, der zur Not sofort zur Stelle war.

So musste Österreich oft nicht einmal in Gegenpressing-Modus schalten, weil der Ball im Grunde schon wieder gewonnen war, noch ehe er richtig verloren war. Dadurch wurden die Schweden zunehmend mürbe und auch hektisch. Das 2:0 durch Harnik kurz vor der Pause war der Blattschuss: Alleine in den fünf Minuten vor der Halbzeit ergaben sich durch das entstehende schwedische Chaos drei weitere hochkarätige Möglichkeiten für Österreich.

Hamréns Panikreaktion

Hatte Hamrén vor zwei Jahren im entscheidenden Spiel gegen Österreich mit geschickten Adaptierungen zur Halbzeit noch das Match zum kippen gebracht, fiel ihm diesmal zunächst überhaupt nichts ein. Nach einer Stunde dann folgte ein Wechsel, den man nur als Panikreaktion interpretieren kann: Für den unsichtbaren RM Zengin kam Thelin, ein Stürmer.

Ab 62. Minute
Ab 62. Minute

Nun agierte Ibrahimovic hinter den Spitzen Thelin und Berg, Forsberg (der sehr hoch stand und zuweilen als dritter Stürmer unterwegs war) weiter auf der linken Seite mit dem zunehemend frustrierter Olsson; dafür tat sich vor Seb Larsson ein riesiges Loch auf.

Die linke Seite von Österreich war, wie gewohnt, die Produktivere und nun stand der arme Larsson alleine gegen Fuchs und Arnautovic. Schweden versuchte nun noch mehr, die linke Angriffsseite mit Olsson und Forsberg zu forcieren, das eklatante Ungleichgewicht in der Formation bewirkte aber eine wachsende Instabilität innerhalb der schwedischen Formation.

Mit anderen Worten: Österreich fand nun genüsslich Platz, sich in Kontersituationen über das Spielfeld zu kombinieren und hätte eigentlich schon viel früher den Sack zumachen müssen als „erst“ in der 76. Minute, als Marc Janko das schon längst überfällige 3:0 markierte.

Das vierte Tor durch Harnik war dann nur noch die Draufgabe und Ibrahimovic‘ Ehrentreffer in der Nachspielzeit nur noch von statistischem Wert. Schweden war geschlagen und ergab sich in das Schicksal, von einer extrem abgebrühten Mannschaft klassisch ausgeknockt worden zu sein.

Fazit: Abgezockt und staubtrocken

Eine solche  absolute Stabilität, eine solche Abgezocktheit, ein solches Vertrauen in die eigenen Stärken und den eigenen Matchplan, ohne dabei auch bei klarer Führung schlampig zu werden, ist zutiefst un-österreichisch und gerade deshalb so bemerkenswert. Selbst in Situationen, in denen Schweden doch einmal gefährlich wurde, gab es keine echte Panik – im Zweifel wurde der Ball halt doch einmal rausgebrochen.

Die Maßnahme, das schwedische Spiel so konsequent nach außen zu verteidigen griff bei Trekronor-Team voll, es gab auch nie so etwas wie einen wirklichen Alternativ-Plan. Nur eine Panik-Reaktion von Hamrén, die von seiner Mannschaft auch ebenso panisch und wenig durchdacht ausgeführt wurde.

So gesehen war dieses Spiel, der (bisherige) Höhepunkt dieser Spieler-Generation, ein Spiegelbild der ganzen Qualifikation. Wie passend, dass genau damit der Gruppensieg und damit das EM-Ticket fixiert werden konne.

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Über Philipp Eitzinger

Journalist, Statistik-Experte und Taktik-Junkie. Kein Fan eines bestimmten heimischen Bundesliga-Vereins, sondern von guter Arbeit. Und voller Hoffnung, dass irgendwann doch noch alles gut wird.