Vier Tore erzielt – das geht. Fünf Tore geschluckt – das ist zu viel. Österreichs Meister St. Pölten verlor ein von haarsträubender Defensiv-Arbeit beider Teams geprägtes Erstrunden-Hinspiel in der Frauen-Champions-League gegen den italienischen Champion Verona mit 4:5. Dabei wurde vor allem deutlich, dass St. Pölten auf nationaler Ebene die Herausforderung fehlt.
Angegeben war’s als 4-4-2, in der Praxis war’s aber etwas deutlich spannenderes, was Frauen-Meister spielte. Trainer Hannes Spilka ließ neben den nominellen Innenverteidigern Babicky und Biróová auch die als RV nominierte Marina Georgieva hinten bleiben. Damit entstand eine oft astreine Dreierkette.
Im Grunde ein 3-4-3
So agierten Pöltl (nominell LV) und Dunst (RM) jeweils viel eher als Wing-Backs und über weite Strecken der ersten Hälfte stand St. Pölten damit in einem recht klaren 3-4-3. Das hatte einige äußerst positive Effekte, vor allem im Spiel gegen Melania Gabbiadini. Die Schwester von Napoli-Stürmer Manolo ist die klar beste Spielerin ihrer Truppe, kam auf sich alleine gestellt gegen drei St. Pöltnerinnen (Georgieva, Dunst und Zver) überhaupt nicht zur Geltung.
Und nach vorne konnte man durch die hohe Positionierung der Wing-Backs und den Außenstürmerinnen die sehr passiv agierenden italienischen AV massiv unter Druck setzen. Der letzte Pass in den Strafraum kam zwar nicht, aber man hatte Verona gut im Griff. Bis man nach 20 Minuten zwei Geschenke in der Abwehr verteilte, durch einen Lupfer aus 15 Metern und einem Kopfball nach Freistoß 0:2 in Rückstand geriet.
Anfällige Italienerinnen
Das Team aus Italien kam in einem recht biederen 4-4-2 daher, und dass die Meisterschaft dort noch nicht begonnen hat, merkte man vor allem in der Abwehrarbeit. In der Abwehr spielen zwar Teamkickerinnen wie Cecilia Salvai und Federica di Criscio, aber das Defensivverhalten war erstaunlich dilettantisch. Die Abstimmung zwischen Innen- und Außenverteidierinnen passte selten, das zentrale Mittelfeld half auch nicht wirklich mit.
Dazu kam, dass Verona hinten mitunter ziemlich schlafmützig agierte. Es dauerte keine zehn Minuten, da hatte St. Pölten ausgeglichen, und wenige Minuten später führte der österreichische Meister gar mit 3:2. Frappant war vor allem die potenzielle Anfälligkeit bei Tempo. Nur: Seit Lisa Makas (nun Freiburg) und Nici Billa (nun Hoffenheim) nicht mehr da sind, gibt’s diese Tempo nicht mehr.
Zver mit nicht immer sinnvollen Wechseln
Man merkte aber auch St. Pölten an, dass man das Verteidigen nicht gewöhnt ist. Kein Wunder: In der Liga muss man es schlicht nicht, weil man um zwei Klassen besser ist als jeder andere Klub, seit bei Neulengbach der Geldhahn zu ist. Vor allem mit Flanken hatte Verona seine Freude: Nach dem 2:0 fiel kurz vor der Pause auch das 3:3 nach einer Hereingabe von der rechten Angriffsseite: Wieder ließ Pöltl die Flanke zu, wieder machte Babicky keine gute Figur.
Pöltl hatte aber auch eine recht undankbare Aufgabe, weil sie wenig Hilfe hatte – vor allem, wenn Rechtsaußen Zver auf die linke Seite hinüber wanderte. Dann nämlich rückte RV Dunst weiter vor und wurde tatsächlich ein RM in einem (annähernden) 4-4-2. War dies der Fall, konnte man auch Verona nicht mehr bedrängen. Da nützten die Gäste im gleichen System ihre individuellen Vorteile.
Im 3-4-3 aber, mit Zver rechts, war diese rechte Seite sehr stark und praktisch alles ging über diese Außenbahn.
Verona adaptiert
St.-Pölten-Coach Spilka brachte für die zweite Hälfte dann Matysova statt Babicky, und mit der langen Slowakin kam deutlich Stabilität ins Zentrum. Bei Verona gab es auch einige Adaptierungen, und zwar in Folge eine verletzungsbedingen Tausches (Larsen musste raus). Die offensiven Außenbahnen wurden nun deutlich höher besetzt und die offensichtlichen Schwächen was körperliche Robustheit (Pöltl) bzw. Tempo (Georgieva) der St.-Pölten-AV anzubohren.
Daher rückte bei St. Pölten auch zunehmend der ganze Teamverband weiter nach hinten. Folge: Wenn man den Ball eroberte, dauerte es zu lange, bis man halbwegs Leute vor dem Ball hatte. Einige Möglichkeiten auf Konter wurden damit quasi schon von selbst im Keim erstickt. Und einmal kam Verona doch durch, es war das 4:3.
Riesenloch
Nur: Eine stabilere Figur machte die Verona-Abwehr weiterhin nicht, vor allem gedanklich war man recht langsam unterwegs. Das bohrte St. Pölten zu wenig an, nur Viktoria Pinther (kurz zuvor für Sipos eingewechselt) nützte eine weitere extra schlechte Abwehraktion der Italienerinnen zum 4:4.
Was in dieser Phase, halb durch die zweite Hälfte, zunehmend passierte, war ein zu großes Auseinanderreißen von Abwehr und Angriff. Das war sicher auch der immer mehr fehlenden Kraft zuzuschreiben – so ein Tempo muss St. Pölten in der Liga einfach nie gehen – ist aber sehr wohl eine grobe mannschaftstaktische Schwäche, die Verona in die Hände spielte.
So hatten die Gäste nämlich viel Platz, in dem sie Tempo aufnehmen und schön vertikal auf die Abwehr zulaufen konnten. Einmal konnte Matysova nur noch per Foul eingreifen, es gab Elfmeter, das 5:4 für Verona. Der Schlusspunkt.
Fazit: Nationale Unterforderung spürbar
Dass es in Österreich keinen auch nur annähernd gleichwertigen Gegner für St. Pölten gibt, wurde recht deutlich. Die Defensive war nicht schnell genug und verlor zu leicht die Übersicht, weil sie sonst nie gefordert wird. Das höhere Tempo, das Verona gegenüber der heimischen Konkurrenz gehen kann, konnte man 75 Minuten mitgehen, dann war’s aber vorbei.
Mit dem Team vom letzten Jahr hätte St. Pölten vermutlich (recht deutlich) gewonnen, und angesichts der unglaublichen Schwächen, die auch Verona offenbart hat, bedeutet auch das 4:5 nicht zwingend, dass schon vor dem Rückspiel alles vorbei ist. Eine solche Defensivleistung kann man sich aber nicht mehr erlauben.