Eigentlich ist dieser 2:1-Sieg für die Bayern ja ein ziemliches Null-Ergebnis. Die Chancen auf das Finale sind weiterhin ziemlich gleich verteilt. Aber festzuhalten gilt: Die Münchner zeigen sich von der verlorenen Meisterschaft gut erholt und fügen den unter den Erwartung bleibenden Madrilenen eine späte, aber zweifellos verdiente Niederlage zu
Nein, gefallen hat Real Madrid das Halbfinal-Los nicht. Die Bayern, die „Bestia Negra“, sind im Lager der Königlichen berüchtigt. Klar hält man sich selbst für klar besser, und was die individuelle Klasse der Spieler angeht, auch mit einigem Recht. Aber die gut organisierte, athletische und vor allem psychisch stabile Anlage deutscher Teams im Allgemeinen und der Bayern im Speziellen liegen Real einfach nicht. Das wurde auch in diesem Spiel deutlich.
Schlüsselfigur bei den Bayern: Toni Kroos
Der auffälligste Spieler bei den Bayern war eindeutig Toni Kroos. Nicht nur, wegen seines unglaublichen Laufpensums, sondern auch wegen seiner Rolle innerhalb des Systems: Anders als zuletzt etwa in Dortmund, wo die Bayern mehr oder weniger in einem 4-2-4 aufgetreten waren, positionierte sich Kroos (nominell als Zehner im 4-2-3-1) oftmals extrem tief. Das mag auch daran gelegen haben, dass ihm Sami Khedira wie ein Schatten verfolgte, sobald Kroos die Mittellinie überquert hatten, wirkte sich aber sehr positiv auf das Spiel der Bayern aus.
Zumindest ab dem Zeitpunkt, ab dem sich Kroos vermehrt durch tiefere Positionierung der Umklammerung von Khedira entzog. Bis dahin – also in der ersten Viertelstunde – hatte Real die Offensivkräfte der Bayern gut im Griff. Robben war isoliert, weil Lahm gegen Cristiano Ronaldo sehr vorsichtig im Spiel nach vorne war. Ribéry (und auch Alaba) wurden konsequent in Unterzahl-Situationen verwickelt – Arbeloa, der gut nach hinten arbeitende Di María und oft auch Khedira oder sogar Özil verwickelten das Bayern-Duo auf links in viele Zweikämpfe.
Über weite Strecken des Spiels zeigte Toni Kroos aber, was für ein hervorragender und vielseitiger Mittelfeldspieler er ist. Weil er neben der nominellen Rolle als Zehner auch viele offensive Aufgaben von Achter Schweinsteiger übernahm – dieser ist nach seiner langen Verletzungspause sichtlich noch einiges von seiner Topform entfernt – agierte er mehr aus der Tiefe heraus und vermochte so, die Bälle auf für Real ziemlich unberechenbare Weise zu verteilen. Zudem war er sich für keinen Zweikampf zu schade und half aus, wo es nötig war.
Von einer Verlegenheit in die nächste
Die Rolle und die starke Leistung von Kroos brachte Real im Zentrum in eine gewisse Verlegenheit. Khedira wollte sich nicht zu weit aus seiner Position ziehen lassen und Özil war in der Rückwärtsbewegung nicht allzu konsequent. So tauschten Özil und Di María halb durch die erste Hälfte ihre Plätze. Das brachte Real aber nur von einer Verlegenheit in eine andere – denn nun hatte Alaba deutlich mehr Freiheiten nach vorne und damit kam auch Ribéry besser in die Partie.
Die Hausherren erarbeiteten sich so ein deutliches Übergewicht nicht nur im Zentrum, sondern nun auch auf den Flanken, wodurch die 1:0-Führung (wiewohl Luiz Gustavo dabei alles andere als passiv im Abseits stand) vollauf verdient war. Zu sagen, die Madrilenen machten einen hilflosen Eindruck, wäre maßlos übertrieben. Aber eine gewisse Zerstreutheit müssen sich die Gäste schon nachsagen lassen.
Spieleröffnung klappt nicht nach Wunsch
Was aber auch daran lag, dass es die Bayern ganz gut verstanden, die Spieleröffnung von Real merklich zu stören. Hatten die Innenverteidiger Pepe und Ramos den Ball, war es ganz deutlich nicht Mario Gomez‘ Aufgabe, auf diese beiden zu pressen, sondern dafür zu sorgen, dass Xabi Alonso als Anspielstation aus der Gleichung genommen wird. Wenn schon keine echte Torgefahr von Gomez ausging, diese defensive Aufgabe löste er ganz ordentlich.
So brachte vor allem Sergio Ramos, der für die Spieleröffnung aus der Verteidigung verantwortlich war, recht wenig Pässe auf Xabi Alonso an und hatte so nur noch zwei Möglichkeiten: Raus auf Coentrão, der allerdings keine gute Leistung zeigte, oder langen Hafer nach vorne – diese Pässe kamen zumeist nicht an.
Was Real im Spiel nach vorne deutlich den Drive nahm. Cristiano Ronaldo war bei Philipp Lahm und Luiz Gustavo in guten Händen und nahm im Grunde nur bei Standard-Situationen am Spiel teil. Da half es auch nichts, dass Benzema extrem viel auf die Seiten auswich und dabei vor allem Badstuber ordentlich aus der Position zog, hier passten Boateng und der umsichtige David Alaba gut auf. So entstanden kaum defensive Löcher und die Bayern brachten das hochverdiente 1:0 auch in die Pause.
Ausgleich erzwingt Änderung
Zum Start der zweiten Hälfte war Özil wieder im Zentrum und nützte einige Minuten nach Wiederbeginn einen kollektiven Tiefschlaf in der Bayern-Defensive und einen geschickten Quer-Pass von Cristiano Ronaldo (dessen einzige wirklich produktive Aktion im ganzen Spiel) zum völlig gegen den Spielverlauf fallenden 1:1-Ausgleich.
Womit für Heynckes zwei Faktoren zusammen kamen, wegen denen er nach einer Stunde wechselte: Zum einen war Schweinsteiger einfach nicht besonders gut und auch noch nicht fit für mehr als 60 Minuten auf diesem Niveau, zum anderen musste er nun ohnehin eine weitere Option für vorne bringen. Also ging Schweinsteiger raus, Thomas Müller kam hinein. Das hieß, dass Kroos nun vollends Achter und Zehner gleichzeitig war, schließlich orientierte sich Müller auf der Zehn deutlich höher als das Kroos zuvor gemacht hatte.
Die Bayern blieben auch weiterhin die bessere Mannschaft, allerdings ließ die Genauigkeit immer mehr nach. Diesen Effekt verstärkte Mourinho, indem er Di María wieder ins Zentrum stellte, um dort für Stabilität zu sorgen und es Khedira zu ermöglichen, Kroos wieder aktiver nachzustellen. Für Özil kam mit Marcelo die defensivere Variante für die linke Seite, Cristiano Ronaldo wurde damit von Lahm erlöst. Dass im der rotzfreche David Alaba aber so fleißig um die Ohren rennt, dass er gemeinsam mit Ribéry Arbeloa mit Arbeit eindeckte und Ronaldo damit erst recht isoliert blieb, damit rechnete er aber wohl nicht.
So lief das Spiel einem 1:1 entgegen, mit dem Real aufgrund des Auswärtstores deutlich besser hätte leben können als die Bayern. Doch kurz vor Schluss brachte einer der zahllosen Vorstöße von Lahm noch einen Querpass vor das Tor, wo Mario Gomez verwertete – das 2:1, der alles in allem fraglos verdiente Siegtreffer für die Bayern.
Fazit: Geschickte Taktik im Mittelfeld beschert Bayern verdienten Sieg
Es wäre etwas hart zu sagen, dass Real nach einer CL-Saison, in der man es nur mit (übertrieben gesagt) Fallobst zu tun hatte, beim ersten echten Gegner sofort eine auf den Deckel bekommen haben. Aber Tatsache ist: Erstmals in dieser Europacup-Saison waren die Madrilenen wirklich gefordert, und sie wären, wenn es dabei geblieben wäre, mit einem schmeichelhaften Remis ins Rückspiel gegangen. Von einem dominanten Auftreten war Real weit entfernt.
Der Schlüssel bei den Bayern war, dass Toni Kroos die sehr fordernde Rolle, die er hatte, glänzend erfüllte. Seine Laufbereitschaft, die Spielübersicht und die zumeist recht genauen Pässe sorgten zwar nicht für übertriebene Torgefahr. Aber sehr wohl dafür, dass die Bayern im Zentrum das Kommando hatten. Zudem wurde Xabi Alonso recht gut kaltgestellt, wodurch Real auf die Flügel gezwungen wurde und dort die individuellen Duelle oftmals verloren wurden.
Das Auswärtstor und die Tatsache, dass das Rückspiel nun in Madrid steigt, sprechen hingegen für Real. Weshalb man zwar von einem verdienten Bayern-Sieg sprechen kann. Aber schlauer, was den Namen des Finalisten aus diesem Duell angeht, ist man mit diesem Spiel nicht geworden.
(phe)