Fünf Meter weiter rechts oder links, fünf Meter weiter hinten oder vorne – es waren zwei ganz subtile Umstellungen, die Marcel Koller beim Testspiel gegen Finnland während der Partie vorgenommen hatte, die Österreich dazu verhalfen, Vorteile in der individuellen Klasse auch auf das Feld zu bringen. Das hatte in der ersten Hälfte nämlich noch nicht so richtig geklappt.
Der erste Sieg unter Marcel Koller, dabei drei Tore erzielt – Janko wurde vom finnischen Goalie zum 1:0 angeschossen, Harnik verwertete ein starkes Zuspiel von Baumgartlinger zum 2:0, Ivanschitz traf aus einem (etwas schmeichelhaften) Elfmeter zum 3:0 – und bis zum Stellungsfehler vom eingewechselten Ortlechner kurz vor Schluss, der zum 3:1-Endstand führte, hinten dicht gehalten.
Das ist ein schönes Erfolgserlebnis, aber letztlich war es halt doch ein Testspiel, und in einem solchen ist das genaue Resultat weitgehend irrelevant – vor allem, wenn es das zweite einer gänzlich neuen Ära ist. Wichtiger sind da die Details. Und da stach eines heraus: Zwei sehr subtile Umstellungen, eine rechts und eine im Zentrum, die zeigen, was für einen Unterschied ein paar Meter im Stellungsspiel machen.
Das Zentrum und die rechte Seite – 1. Halbzeit
In den ersten 45 Minuten das das Schema der Österreicher so aus wie auf der Grafik oben: Arnautovic, der im nominellen 4-2-3-1 als Zehner agierte, war zumeist annähernd auf einer Höhe mit Marc Janko und damit eher im Rücken der finnischen Dreierkette im defensiven Mittelfeld. Das hieß, dass er von den Zuspielen aus dem defensiven Zentrum eher abgeschnitten war. Zudem orientierte er sich tendenziell auf die linke Seite mit Ivanschitz, weil das jene war, über die das österreichische Spiel zumeist lief.
Während die rechte Seite große Probleme hatte, ins Spiel einzugreifen. Harnik hielt die Außenbahn recht konsequent und versuchte, außen an den drei Finnen im Zentrum vorbeizugehen. Das Trio mit Eremenko, Sparv und Hetemaj verschob aber recht geschickt und machte so vor allem die rechte österreichische Flanke ziemlich zu. Das ging, weil sie durch die Mitte (wegen des hoch stehenden Arnautovic) wenig zu befürchten hatte.
Außerdem schien Garics durch das Positionsspiel von Kasper Hämäläinen schwer verunsichert. Der linke Offensivmann im finnischen 4-3-2-1-Tannenbaum stand nämlich relativ weit innen und zog so auch Garics etwas aus der Position. Der Bologna-Legionär musste bei seinem Comeback nach über zwei Jahren aber auf Hämäläinen aufpassen, weil dieser als Verbindungsspieler bei finnischen Kontern immer wieder gesucht wurde. Nach vorne traute sich Garics praktisch gar nichts zu.
Das Zentrum und die rechte Seite – 2. Halbzeit
An diesen beiden Problemfeldern nahm Koller dann subtile, aber wirksame Veränderungen vor – jeweils im Bereich von etwa fünf Metern. Martin Harnik rückte um diese Distanz ins Zentrum – was einen Rattenschwanz von Effekten hatte. Zum einen war der linke Mann im finnischen Defensiv-Trio (nun Sparv, der mit Eremenko Positionen getauscht hatte) mit Harnik gebunden und konnte nicht mehr nach außen verschieben.
Das gab Garics Platz und Gelegenheit, sich nun auch offensiv um seine Außenbahn zu kümmern. Was notwendig war, schließlich gehörte die nun praktisch ausschließlich ihm. Die Hemmungen wegen der Bewachung seines finnischen Gegenspielers musste er ablegen und das tat er auch. War vor der Pause die linke Seite die klar dominante, gab es nun auch eine rechte Flanke.
Die zweite Änderung war die Einwechslung von Zlatko Junuzovic für den eher blassen Arnautovic. Der Neo-Bremer stellte sich eben jene erwähnten fünf Meter weiter hinten auf als sein Werder-Kollege vor ihm, was ihn für den immer aktiver werdenden Alaba und den immer sicherer werdenden Baumgartlinger zu einer gern gesehenen Anspielstation machte.
Womit nun auch das Zentrum immer mehr funktionierte und die Österreicher, die individuell ganz klar über die Finnen zu stellen sind, ihre Überlegenheit auch ausspielen konnten, den zuvor ausgeglichenen Ballbesitz nach oben trieben, den Finnen immer weniger Möglichkeit zur Entlastung gaben und letztlich den Sieg sicherten.
Wo war das Pressing?
Was aber nicht heißt, dass das ÖFB-Team eine Klasse-Leistung abgeliefert hat. Ganz und gar nicht – vor allem in der ersten Halbzeit passte da relativ wenig. Von einem konsequenten und hohen Pressing etwa, wie es in Absichtserklärungen angekündigt worden war, blieben die Finnen zum Beispiel komplett verschont. Anstatt den Gegner wirklich unter Druck zu setzen, wenn sich vor allem Moisander, Pasanen und Sparv sich die Kugel zuschoben, wurde nur langsam in die vage Richtung des Ballführenden getrabt. So konnten die Finnen von hinten heraus unbedrängt mögliche Empfänger für lange Bälle suchen.
Die Spielanlage der Mannschaft aus Finnland war weder besonders einfallsreich noch wirklich spektakulär, setzte auf Overcrowding im Zentrum – und damit fast zwangsläufig auf lange Bälle, weil die Breite im Spiel fast nur über die nicht besonders abenteuerlustigen Außenverteidiger kam. Dennoch war der gerade vor der Pause ungemein flinke, antrittsschnelle und selbstbewusste Teemu Pukki ein ständiger Gefahrenherd.
Viel Laufarbeit, aber wenig Impulse aus der Zentrale
Auffallend war auch die extreme Laufarbeit vor allem von David Alaba. Die Spielpraxis bei den Bayern tut dem 19-Jährigen sichtlich gut, er strotzt vor Selbstbewusstsein und muss eine absolute Pferdelunge haben, anders ist es nicht machbar, dass er bis tief in die zweite Hälfte (im Grunde bis zu seiner Auswechslung kurz vor Schluss) so gut wie überall am Platz zu finden war. Er trug den Ball selbst nach vorne, wenn er keine leichte Anspielstation fand. Er holte sich die Bälle tief, versuchte sich ständig anzubieten. Darunter litt aber ein wenig die Klarheit in seinen Aktionen. Man hat das Gefühl, er will überall zu jedem Zeitpunkt helfen und Verantwortung übernehmen, das wird ihm aber wohl etwas zu viel.
Julian Baumgartlinger machte neben ihm vor allem in der ersten Halbzeit einen etwas gehemmten Eindruck. Zum einen natürlich aufgrund des Wirbelwinds Alaba neben ihm, aber auch, weil ihm eben lange Zeit, wie erwähnt, die Optionen fehlten: Garics machte zu wenig nach vorne, Harnik und Arnautovic waren abgeschnitten. So blieben ihm anstatt der kurzen, intelligenten Pässe, die er so gut kann, lange nur etwas längere Anspiele, die zwangsläufig ein wenig das Tempo aus dem Spiel nahmen. Auch hier zahlten sich die subtilen Umstellungen in der zweiten Halbzeit aus, da ging die Leistungskurve des Mainz-Legionärs nach oben.
Die linke Seite: Bemüht, aber harmlos
Christian Fuchs war angeschlagen, konnte nicht dabei sein – so feierte Markus Suttner, zweifellos der beste Linksverteidiger der österreichischen Liga, sein ohnehin längst überfälliges Nationalteam-Debüt. Der Austrianer zeigte sich bemüht, aber es wurde auch deutlich, dass ihm vor allem offensiv die internationale Erfahrung eines Christian Fuchs fehlt. Suttner brachte nicht den Schub nach vorne, den man vom Schalker gewohnt ist, und spielte auch defensiv immer eher die Sicherheits-Variante als die Risiko-Karte.
Das hieß auch, dass Andreas Ivanschitz sich öfter die Bälle hinten holen musste und damit natürlich in der Arbeit nach vorne limitiert war. Immerhin: Er ließ Suttner nicht hängen, sondern half ihm, so weit ihm das möglich war. Er kam aber selten zur Grundlinie durch, seine Anspiele nach vorne waren ungenau und die Impulse blieben so natürlich ein wenig aus.
Die Abwehr: Zumeist sattelfelst
Das langjährige Sorgenkind des ÖFB-Teams machte diesmal auch ohne Emanuel Pogatetz, Sebastian Prödl und Christian Fuchs (allesamt nicht fit) eine recht guten Eindruck. Aleksandar Dragovic strotzt nach dem Sieg von Basel gegen die Bayern nur so vor Selbstvertrauen und bekam nach einigen Anfangsschwierigkeiten gemeinsam mit Schiemer den wuseligen Pukki immer besser in den Griff. Ab etwa der 20. Minute war der Blondschopf kaum noch ein Thema.
Umso weniger, als er nach einer Stunde auf die halbrechte Angriffsposition ging und Leuchtturm Njazi Kuqi ganz vorne agierte. Torhüter Robert Almer musste nur 48 Stunden seit seinem letzten Liga-Spiel für Düsseldorf nur zwei-, dreimal eingreifen und hatte kaum Probleme. Erst ganz in der Schlussphase, nachdem Ortlechner für Schiemer gekommen war, gab es noch einen gefährlichen Eckball und letztlich noch das finnische Ehrentor, nachdem Ortlechner den kurz zuvor eingewechselten Furuholm entwischen hatte lassen.
Fazit: Zähes Spiel, gute Umstellungen, verdienter Sieg
Augenschmaus war das Heim-Debüt von Marcel Koller ganz sicher keiner, der Unterhaltungswert hielt sich in Grenzen. Aber nach Jahren mit diversen durch abstruse Wechsel vergeigten Spielen wie dem 4:4 in Belgien (als mit Kavlak der beste Mann am Feld nach einer Stunde runtermusste), bzw. solchen, die durch seltsame Umstellungen komplett kaputt gemacht wurden (wie dem Dusel-2:0 gegen Kasachstan damals) ist es eine Wohltat zu sehen, dass es nun auch beim ÖFB-Team intelligente und nuancierte Umstellungen gibt, die sich tatsächlich auf Problemfelder im laufenden Spiel beziehen und diese auch tatsächlich beheben.
Es wurde aber auch offensichtlich, was noch fehlt. Das mit dem Pressing etwa klappte noch gar nicht. Offensiv ist ein Spieler wie Christian Fuchs nicht zu ersetzen. David Alaba will zu viel auf einmal. Gyuri Garics wird wohl noch ein paar Spiele brauchen, um erstens nach seinem Kreuzbandriss wieder voll da zu sein (die wird er in Bologna sicher kriegen) und auch, um nach zwei Jahren ohne ÖFB-Team wieder in die Mannschaft zu finden.
Man kann dieses 3:1 gegen Finnland als Schritt in die richtige Richtung werten. Wenn auch nur einen kleinen.
(phe)