Es ist tatsächlich noch einmal spannend geworden, im Rückspiel des Pokal-Viertelfinales zwischen Real Madrid und Barcelona! Weil die Madrilenen diesmal ihr Pressing nicht nach zehn Minuten einstellten, sondern die Katalanen über einen längeren Zeitraum damit piesackten. Ganz gereicht hat es dann aber doch nicht.
Mit der 1:2-Niederlage aus dem Hinspiel im Rücken wusste Real-Coach José Mourinho: Einfach mit abwarten und Druck absorbieren wird es nicht funktionieren, die Begegnung doch noch zu drehen. Und so trat Real auch deutlich aktiver auf als noch im Bernabéu – mit jenem Pressing, das man zwar schon zuvor in Spielen gegen Barcelona immer wieder praktiziert hatte, aber diesmal war nicht, wie sonst üblich, nach zehn Minuten damit Schluss.
Druck auf das Mittelfeld und schnelles Umschalten
In einer rund 25 Meter breiten Zone zwischen Mittellinie und eigenem Tor ging Real die Gegenspieler gnadenlos an, ließ Barcelona praktisch keine Zeit am Ball und schaffte es auch mit kleinen Foul, gar nicht erst Spielfluss bei den Katalanen aufkommen zu lassen. Barcelona hatte sichtlich damit zu kämpfen, das gewohnte Ballbesitz-Spiel mit den vielen kurzen Pässen aufzuziehen und im Grunde gelang es auch nicht, sich dauerhaft mit ihrem üblichen Stil in die Nähe des Real-Strafraums zu kommen.
Vor allem Lass Diarra und Xabi Alonso sorgten für Unbehagen bei den Gastgebern, aber auch der in der Mitte als Zehner postierte Kaká zeigte eine sehr ansprechende Leistung vor allem wenn es darum ging, nach Ballgewinn schnell umzuschalten. Hatten die Königlichen die Kugel einmal erobert, ging das Umschalten von Defensive auf Offensive überfallsartig schnell, Kaká trug den Ball oft nach vorne, Cristiano Ronaldo schaffte es auch immer wieder, in den Rücken von Dani Alves zu kommen. Real kam so zu einem deutlichen Chancenplus.
Barça aus der Wohlfühlzone genommen…
Barcelona wurde durch den Gegendruck im Mittelfeld dazu gezwungen, deutlich mehr lange Bälle vor allem auf Alexis Sánchez und Dani Alves zu spielen, als Xavi und Co. lieb sein konnte. Nicht nur, weil es das Tempo aus dem eigenen Spiel nahm, sondern vor allem, weil natürlich die Passgenauigkeit darunter litt und es Real so möglich war, relativ billig in Ballbesitz zu kommen und schnelle Gegenstöße zu lancieren.
Die Katalanen wurden also recht deutlich aus der eigenen Wohlfühlzone genommen, ließen sich aber weder davon nachhaltig aus der Ruhe bringen, noch vom verletzungsbedingten Ausscheiden von Iniesta nach etwa einer halben Stunde. Für ihn kam Pedro neu ins Spiel und orientierte sich auf die linke Offensivseite; Fàbregas rückte dafür etwas weiter zurück.
…und trotzdem zur Pause 2:0 in Front
Denn obwohl es durchaus einiges an Glück brauchte, sich kein Gegentor zu fangen, ging Barcelona dennoch mit einer 2:0-Führung in die Halbzeit. Weil sich erst bei einem schnellen Gegenstoß Real-Rechtsverteidiger Arbeloa in die Mitte ziehen ließ und sich in seinem Rücken Pedro davonschleichen konnte, und kurz darauf nach einem Freistoß (vor dem Lass Diarra großes Glück hatte, nicht mit Gelb-Rot vom Platz zu fliegen), als Dani Alves von der Strafraumgrenze draufhielt und die Kugel genau ins Kreuzeck passte.
Sehr bitter natürlich für Real, denn bis auf die Coolness vor dem Barcelona-Tor hatten die Madrilenen bis dahin eigentlich alles richtig gemacht. Mit dem vermeintlich besiegelten Aus dank eines Gesamtscores von 1:4 und dem Wissen, in einer Halbzeit drei Tore auswärts in Barcelona erzielen zu müssen, kamen die Königlichen dann auch zunächst etwas schaumgebremst wieder aus der Kabine heraus.
Risiko Diarra
Nicht nur das immer souveräner werdende Spiel von Barcelona, in dem das Pressing immer besser und die Ballsicherheit immer höher wurde, mussten José Mourinho zu Beginn dieser zweiten Hälfte Sorgen bereiten, sondern auch Lass Diarra. Dieser war in höchstem Maße gelb-rot-gefährdet und konnte daher seine Aufgaben – also Gegner angehen, gerne auch mal ein Foul in Kauf nehmen – nicht mehr im gewünschten Maße ausüben.
Darum brachte Mourinho kurz nach dem Seitenwechsel auch Granero für den Franzosen. Das Problem dabei: Granero fehlt die Robustheit und die Zweikampfstärke von Diarra; er ist mehr ein Ballverteiler, weniger ein Balleroberer. Ohne den ungemütlichen Diarra fiel es Barcelona aber wiederum immer leichter, sich durch das Mittelfeld durchzukombinieren.
Real ist noch nicht tot
Ohne den zweiten Ballgewinner hinter sich wirkte auch Kaká immer verlorener, weshalb er nach rund einer Stunde Callejón weichen musste, gleichzeitig kam Benzema für Higuain. Dass in dieser Mannschaft von Real aber nach der Unruhe der vergangenen Woche noch leben steckt, wurde zwanzig Minuten vor Schluss sichtbar: Erst erkannte Özil den ungeschickten Laufweg von Abidal und steckte dem richtig gestarteten Cristiano Ronaldo den Ball zu; dieser schoss zum 1:2 ein.
Und kurz darauf köpfelte Callejón einen zu kurz gespielten öffenden Pass aus der Barça-Verteidigung direkt zu Benzema, dieser verwertete zum Ausgleich. Das Match war wieder offen und für kurze Zeit konnte auch Mesut Özil, der auf der linken Seite – trotz der recht aktiven Rolle von Arbeloa hinter ihm – eine recht anonyme Leistung ablieferte, ein wenig glänzen.
Risiko-Wechsel bringt Ruhe
Pep Guardiola reagierte auf den deutlich aufflammenden Druck von Real, indem er Mascherano (statt Sánchez) brachte und in die Innenverteidigung stellte, dafür wanderte Puyol auf die rechte Seite. Auf der einen Seite war das natürlich ein gewisses Risiko, weil Puyol der deutlich bessere Innenverteidiger gegenüber Mascherano ist. Andererseits aber brachte genau dieser Wechsel die entscheidende Beruhigung.
Weil Puyol sich nun um Ronaldo kümmerte und diesen ziemlich kaltstellte, konnte Dani Alves ohne große Sorgen haben zu müssen nach vorne marschieren. So sorgte diese Umstellung dafür, dass Real nicht mehr wirklich zur Entfaltung kam und sich gegen Ende des Spiels wieder einmal mehr mit dem Schiedsrichter beschäftigte als mit dem Gegner. Ausgerechnet Sergio Ramos, der als Rädelsführer der kolportierten Revolte gegen Mourinho gehandelt worden war, musste nach einem Ellbogen-Check gegen Busquets auch noch mit Gelb-Rot das Feld räumen.
Fazit: So nah dran war Real schon lange nicht mehr
Es war schon in den letzten Clásicos ersichtlich: Wenn Real ein Pressing aufzieht und Barcelona keine Zeit am Ball und zur Spielgestaltung lässt, haben die Katalanen Probleme. Der Unterschied in diesem Spiel gegenüber den letzten Versuchen: Es war nicht nach zehn Minuten Schluss damit, sondern wurde über einen längeren Zeitraum aufrecht erhalten. So hatte Real vor allem vor der Pause die klar besseren Chancen und hielt Barcelona über die gesamte Spielzeit bei einem rekordverdächtig niedrigen Ballbesitz-Wert von 60 Prozent.
So nahe dran, den großen Gegner zu biegen, waren die Madrilenen also schon lange nicht mehr. Was ihnen durchaus Hoffnung für die Liga geben, kann, denn es ist davon auszugehen, dass Real die Meisterschaft kaum zu nehmen sein wird, wenn es im Liga-Match bei Barcelona auch keine Niederlage gibt. Wenn es Real so anstellt wie in diesem Spiel, ist das mehr als nur realistisch. Womit man aus Sicht von Real zumindest einen positiven Aspekt aus dem Cup-Aus ziehen kann.
(phe)