Deutschland – Österreich: Vorschau auf den unwahrscheinlichen ÖFB-Pflichtsieg

Kürzlich habe ich an einem Konferenz-Podcast mit den beiden deutschen Journalisten Raphael Honigstein und Christoph Ruf teilgenommen. Im von Andreas Renner und Markus Krawinkel moderierten Gespräch war ich im Vorfeld des heutigen Länderspiels als Quoten-Österreicher geladen. Die deutschen Journalistenkollegen waren äußerst höflich und haben es nicht so direkt gesagt, aber im Gespräch war durchaus ein mangelndes Interesse am Spiel zu spüren. In Deutschland nimmt man diese Begegnung so nebenbei mit, sieht es als eine Art verschärftes Testspiel in dem alles andere als ein Sieg eine Sensation wäre. Der nur knapp errungene Sieg vom Hinspiel (hier die Analysen von mir und Philipp) hat dort in der Öffentlichkeit also wenig Eindruck hinterlassen. In Österreich gilt er ja als Grund, wieso immer noch Dietmar Constantini am Trainerstuhl sitzt.

Weil wir jüngst auch vom ZDF um eine Analyse gebeten wurden (die dann leider durch Tonprobleme im Mülleimer landete), haben wir uns die Partie noch einmal angesehen und mit dem zeitlichen und emotionalen Abstand zu diesem Abend erkennen müssen: Das Gedächtnis ließ dieses Spiel ziemlich gut wegkommen, aber mehr als sehr ordentlich war das gar nicht.

Österreich - Deutschland: Die Formationen des Hinspiels

Deutschland trat damals im Happel-Stadion wie nebenstehend gezeichnet auf. Die Mannschaft war einigermaßen dezimiert im bekannten 4-2-3-1 aufgelaufen und wurde dort von einem hochmotivierten und talentierten ÖFB-Team (mit seinerseits einigen Ausfällen) an den Rand eines Punkteverlustes getrieben. Aber eben nicht darüber hinaus.

Jogi Löw spielte damals bei der Pressekonferenz nach dem Spiel alles eher runter und machte die Müdigkeit seiner Spieler für die Probleme verantwortlich. Er wollte aber schon damals eigentlich mit zwei Stürmern agieren um die ÖFB-Innenverteidigung unter Druck zu setzen. Die passenden Leute waren allerdings nicht fit – und sind es auch diesmal nicht.

Deutschland

Erwartete Aufstellung von Deutschland im Heimspiel gegen Österreich
Trotzdem wird Deutschland sowohl personell als auch taktisch anders aussehen als in Wien. Auf Schalke ist damit zu rechnen, dass die Formation näher an dem 4-1-4-1 ist, das vor etwa einem Monat gegen Brasilien für mediale Jubelmeldungen gesorgt hat.

Jogi Löw hat im Prinzip bereits schon im Vorfeld alle personellen Dinge geklärt, nur ob Lukas Podolski oder Andre Schürrle starten werden, ist noch nicht ganz klar. Ansonsten ist heute mit der nebenstehenden Aufstellung zu rechnen. Lahm wird diesmal über die linke Seite kommen und dort Druck über die Flanken machen. Von Podolski kann man sich einige Läufe in zentralere Schussposition erwarten (Schürrle würde sich wohl vertikaler bewegen). Auf der rechten Seite ist mit Höwedes eher die defensivere Verteidigervariante gewählt worden. Dort wird vorne wohl Müller der Mann für die Flanken sein. Die Innenverteidigung wird wohl komplett umgekrempelt, bietet aber wenig Angriffspunkte. Davor darf Schweinsteiger wieder einmal ran als Ballverteiler. Kroos dürfte weiter aufrücken als im Hinspiel um in der kritischen Zone für die gefährlichen Pässe zu sorgen, Özil neben ihm seine gewohnte Brillianz ausleben und mit Tempodribblings auf die Abwehr losgehn. Vorne wartet mit Klose ein beweglicherer Stürmer.

Österreich

Variante 1: Österreich im 4-2-3-1 gegen Deutschland
Bei Österreich hört man auch von zahlreichen Umstellungen, es fällt aber noch schwerer sich ein wirkliches Bild von Constantinis Absichten zu machen. Auch deshalb, weil man die Pressekonferenzen der Deutschen im Web verfolgen kann, die der Österreicher aber nur aus Medienberichten deuten muss. Fuchs, Pogatetz, Schiemer und Klein wären (weil Scharner leider gesperrt ist und Klein bei Constantini gesetzt scheint) noch keine größere Überraschung. Fuchs wird versuchen müssen, den Spagat zwischen der Bewachungs Müllers und eigenen Antritten zu schaffen. Klein muss Acht geben, dass er sich von Podolski nicht zu weit in die Mitte ziehen lässt, weil dann die Flanke für Lahm offen wäre.

Dass Alaba neben Baumgartlinger ins Zentrum rückt, scheint zwar neu aber auch eine gemachte Sache zu sein. Das bringt (endlich) zwei defensiv UND offensiv fähige Leute in diese Stellung. Dass sich diese Variante gerade gegen die heftige deutsche Offensive erstmals richtig behaupten muss (die Umstellung in der zweiten Testspielhälfte gegen die Slowakei fand unter gänzlich anderen Voraussetzungen statt), ist natürlich bedauerlich. Özil und Klose werden wegen ihrer Beweglichkeit Kollektivaufgabe sein und verlangen eine gut eingespielte Defensivzentrale.

Variante 2: Österreich im 4-4-1-1 gegen Deutschland
Der Rest ist personell unklarer. Über eine Seite dürfte Neo-Hannoveraner Royer kommen – ob der Rechtsfuß links oder rechts powern darf, bleibt abzuwarten. Es hängt wohl davon ab, wer auf der anderen Seite stehen wird. Kommt der pardonierte Arnautovic über links, würde das System zum konterstarken 4-2-3-1, in dem Fuchs sich offensiv zurückhalten könnte, Alabas Balleroberungen und vertikale Pässe aber umso wichtiger wären?

Oder wählt Constantini wie im Hinspiel Dag auf der rechten Seite und lässt den Türkei-Legionär zur Unterstützung gegen Podolski und Lahm eher absichern (was eher ein 4-4-1-1 darstellen würde das sehr stark von Harnik und dem Stürmer abhängig wäre – beide werden gut bewacht sein)? Auch Arnautovic und Dag scheinen an den Seiten als asymmetrischer Mix denkbar. Harnik dürfte wieder vor der Zentrale als Mann für alle Fälle agieren und das Spiel zu prägen versuchen. In der Spitze gibt es dann wieder zwei Varianten: Sowohl Hoffer als auch Arnautovic bringen das gegen sicherlich höher stehende Deutsche erwünschte Tempo mit.

Andere Varianten sind unwahrscheinlich und gefährlich

Hausaufgaben-nicht-gemacht-Variante: Österreich im 4-4-2 gegen Deutschland
Mancherorts wird überhaupt ein flaches 4-4-2 kolportiert mit Arnautovic und Hoffer vorne, Royer und Harnik an der Seite. Das wäre eine Blendervariante die Mut vortäuschen würde. Sie würde erhebliche Schwierigkeiten im Mittelfeld garantieren, hätte Schweinsteiger dann wegen der nicht besonders bekannten Deckungsqualitäten der beiden Stürmer doch Narrenfreiheit, um aus der Tiefe genüsslich die ÖFB-Defensive zu zerpflücken. Ein zurückfallender Kroos könnte sich zudem entweder jeder Bewachung entreißen oder einen Mittelfeldspieler aus der Formation ziehen, um die Defensivorganisation der Österreicher zu zerstören. Gerade dieses Loch gilt es zu vermeiden. Würde Österreich heute mit diesem 4-4-2 antreten, müsste man zudem nach der Logik fragen, nur drei echte Stürmer in den Kader aufzunehmen. Nein. An einem zentralen Offensivspieler und einer Solospitze führt für Constantini meiner Ansicht nach kein erfolgversprechender Weg vorbei.

Personell ein eher unwahrscheinlicher Starter ist Junuzovic, dessen gestalterische Fähigkeiten auf der rechten Seite diesmal nicht gebraucht werden (und von Lahm stark geprüft würden), in der Mitte hingegen ein selbstsicheres Spiel der Mannschaft benötigen würden, das nicht zu erwarten ist. Würde Janko spielen, dürfte man dem ÖFB zumindest zu einem gekonnten Kasperltheater über die letzten Tage gratulieren. Dass Dag in der Verteidigung aufläuft, wäre eine Variante die schon länger nicht mehr zu sehen war.

Hoffen auf die stabile Abwehr

Dass der ÖFB mit einer oft unnötig verjuxten EM-Qualifikation nun im schwersten aller Spiele einen Pflichtsieg feiern muss, sagt bereits viel aus. Selbst mit einem sehr guten Spiel, kann man bei Deutschland zu Gast immer noch ordentlich unter die Räder kommen. Die Deutschen werden die Qualifikation zumachen wollen. Österreich wird wohl eine heftige Anfangsphase überstehen müssen. Deutschland muss nicht alles riskieren, wird aber möglicherweise wenig Grund sehen, sich allzu sehr zurück zu halten. Das ist auch die scheinbar paradoxe Chance für Österreich: Kontern kann man. Etwas anderes als ein stark konterlastiges Spiel wurde von Österreich in den vergangenen Jahren hingegen nicht erfolgreich etabliert. Die Mannschaft kennt die heutigen Gegenspieler und wird um ihr Leben laufen.

Es könnte ein knappes Spiel werden, aber wenn Deutschland die Führung gelingt, dürfte für Österreich die Sache gegessen sein. Wenn die Constantini-Elf dann noch den für die Qualifikation nötigen Sieg anstrebt, muss man auch mit einer hohen Niederlage rechnen. Wenn man einige Spezialfälle außer Acht lässt, wäre eine knappe Niederlage vielleicht das enttäuschendste Ergebnis aus österreichischer Sicht. (tsc)

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