Abgemeldete Flügel lassen Sturms Traum von der Champions League platzen

Aus der Traum von der Champions League – mit einem 0:2 daheim gegen BATE Borisov scheitert Sturm kurz vor dem Ziel. Verdient, denn den offensiv recht biederen Weißrussen gelang es hervorragend, die wichtigsten Positionen der Grazer zu neutralisieren. Und zwar die Flügel.

Sturm Graz - BATE Borisov 0:2

Ohne den verletzten Roman Kienast vorne und mit dem 1:1 mit Auswärtstor im Rücken war Sturm von Beginn an versucht, das Tempo aus dem Spiel rauszunehmen. Hatten die Weißrussen den Ball verloren, ging es bei den Grazern nicht sofort schnell nach vorne, sondern es wurde eher der Rückwärtsgang eingelegt, der Ballbesitz gesichert und gewartet.

So war das Team aus Borisov jenes mit mehr Ballbesitz. Trainer Viktor Goncharenko konnte im Vergleich zum Hinspiel wieder auf seinen brasilianischen Zehner Renan Bressan zurückgreifen – er stellte ihn im 4-2-3-1 zentral hinter Spitze Rodionov auf. Die wichtigere Änderung bei den Weißrussen betraf jedoch das defensive Mittelfeld: Hatte Goncharenko die Zentrale im Hinspiel noch komplett aufgegeben, stand Olekhnovich diesmal deutlich höher und mit Alexander Volodko hatte er einen Partner, der ihn mehr unterstützte als das Baga (diesmal als Rechtsverteidiger aufgestellt) tun hatte können.

BATE bekommt das Spiel nicht aufgebaut

Das Problem im Spielaufbau bei BATE war, dass Olekhnovich zwischen Szabics und Bukva eingeklemmt und so kaum einmal gefahrlos von seinen Innenverteidigern anspielbar war. Auf der rechten Seite stand Kontsevoi sehr hoch und so hatte es Baga schwer, ihn zu unterstützen; selbiges galt für Renan Bressan im Zentrum.

Manuel Weber stand höher als Säumel und schaltete sich eher einmal ins Pressing ein. Sturm zeigte das nicht allzu aggressiv, aber es wurde sehr wohl versucht, den Weißrussen schon in deren Hälfte die Zeit am Ball zu nehmen. Sturm machte zwar selbst relativ wenig nach vorne – wenn, dann war immer Szabics im Aufbau beteiligt – man hatte hinten aber nur selten den Eindruck, dass man Angst haben müsste.

…geht aber dennoch in Front

Was man Manuel Weber indes vorwerfen kann, ist die Tatsache, dass er, je tiefer er stand, umso weniger die Gegenspieler anging – es steht zu vermuten, dass auch Franco Foda diesen Umstand moniert hat, als er lautstark nach „Manuel!“ rief, dabei heftig gestikulierte und gefühlt kurz vorm Herzinfarkt war. Der Trainer muss geahnt haben, was kommt: Denn der aufgerückte Achter von BATE, Volodko, kam aus 20 Metern völlig unbedrängt zum Schuss und erzielte etwas aus heiterem Himmel das 1:0 für Borisov.

Was zur Folge hatte, dass sich nun die Weißrussen etwas zurücklehnten und Sturm kommen ließen. Doch ohne den sehr fleißigen Kienast fehlte es Szabics vorne an der Unterstützung – Bukva bemühte sich zwar, es gelang ihm aber nicht allzu viel – und auf den Flanken kamen Wolf und Hölzl kaum einmal zum Zug. Sturm bekam so weiterhin keinen Zugriff auf den weißrussischen Strafraum.

Abgemeldete Flügel werden zum Problem

Foda ersetzte für die zweite Hälfte den glücklosen Bukva durch Mario Haas, aber es war eine andere Abteilung, die im Rückstand zum Problemfeld wurde: Die Flügel. Sturm ist mit seinem 4-4-2 mit flacher Viererkette  ein Team, das sehr von den Flügelspielern abhängig ist, und diese wurden von BATE gut unter Kontrolle gehalten. Das war noch nicht das große Problem, als Sturm beim Stand von 0:0 noch reagieren konnte. Wurde aber eines, als die Grazer nach dem Rückstand selbst das Heft in die Hand nehmen mussten.

Denn weder Wolf noch Hölzl konnten Akzente setzen. Es gelang überhaupt nicht, mal zur Grundlinie durchzugehen, die BATE-Viererkette auseinander zu ziehen und die Fähigkeit von Haas, anders als Bukva vor ihm Bälle etwas länger zu halten, auch auszunützen – zumal es Haas selbst war, der noch die meisten Flanken versuchte in den Strafraum zu schlagen. Angriffe, die über die Mitte aufgezogen wurden, zerschellten an Volodko und Olekhnovich.

Nach 2:0 macht BATE dicht

Auch Florian Kainz, nach einer Stunde für Wolf ins Spiel gekommen, konnte sich nicht wirklich durchsetzen; die Außenverteidiger von Sturm waren ebenso keine große Hilfe. So war klar: Wenn BATE noch ein zweites Tor schafft, ist alles vorbei. Und genau dieses Tor fiel in der 70. Minute. Wie das Weitschuss-0:1 war auch das aus einem Freistoß entstandene 0:2 nicht wirklich herausgespielt. Pech hatte damit aber dennoch nichts zu tun: Wer es in einem Heimspiel nicht schafft, Druck auszuüben, darf sich über einen Rückstand nicht beschweren.

Goncharenko ließ daraufhin seine Außenspieler weiter zurückfallen, zog Volodko nach vor und ließ in einem defensiven 4-1-4-1 die Partie fertig spielen, zudem nahm er Sturmspitze Rodionov raus und stellte mit Bordachev einen Außenverteidiger ins linke Mittelfeld, er kümmerte sich nun um Kainz.

Die Reaktion von Foda war, dass er mit Hölzl auch seinen zweiten Flügelspieler aus der Startformation aus dem Spiel nahm und mit Muratovic einen Spieler brachte, der als Link in der Zentrale das nicht zielführende Flügelspiel umgehen sollte; Mario Haas wich dafür auf die linke Seite aus. Inwieweit für die Schlussoffensive von Sturm, in dem plötzlich durchaus Flügelspiel bis zur Grundlinie erkennbar war, mit diesen Umstellungen zu tun hatten oder mit dem Gegner, der wusste, dass er gewonnen hatte, lässt sich nicht wirklich beantworten.

Fazit: BATE schaltete die Stärken von Sturm gut aus

Natürlich fiel der Führungstreffer für die Weißrussen etwas glücklich und bis dahin hatte Sturm das Geschehen zumindest defensiv ganz gut im Griff gehabt. Dann aber fehlte der Plan B – denn das Flügelspiel hatte schon beim Stand von 0:0 nicht zufriedenstellend funktioniert und nach dem Rückstand konnte dieser Umstand, als es notwendig gewesen wäre, nicht umkehren.

So konnte es BATE verschmerzen, dass auch ihre Passquote – wie jene von Sturm – alles andere als berauschend war und aus dem Spiel heraus wenig nach vorne ging. Es war genug, die Flügel der Grazer zu stutzen, um die Zeit einigermaßen komfortabel zu kontrollieren, und mit dem 2:0 war natürlich alles entschieden.

Nun ist BATE natürlich beileibe kein prickeldes Team (nicht nur vom Namen, auch sportlich), aber ein funktionierendes Defensiv-Konzept reichte gegen Sturm aus. Natürlich wäre es schön gewesen, die Blackies in der Champions League zu sehen – wenn es allerdings dem Meister aus Weißrussland mit recht simplen Mitteln gelang, den Grazern ihr Offensivspiel zu nehmen, hätte sich das Problem in der Champions League nur noch potenziert. So gesehen ist Sturm in der Europa League wohl eh besser aufgehoben.

Schade ist das Scheitern schon. Weltuntergang ist es aber keiner.

(phe)

Über Philipp Eitzinger

Journalist, Statistik-Experte und Taktik-Junkie. Kein Fan eines bestimmten heimischen Bundesliga-Vereins, sondern von guter Arbeit. Und voller Hoffnung, dass irgendwann doch noch alles gut wird.