Wer ein Spiel nicht gewinnen will, wird es auch nicht gewinnen. Das zeigte Paraguay in diesem Halbfinale gegen Venezuela. Wer in einem Turnier fünf Partien spielt und keine einzige davon gewinnt, kann trotzdem ins Endspiel kommen. Auch das zeigte das erschreckend passive Team aus Paraguay…
Eine starke halbe Stunde gegen Ecuador, dann im zweiten Gruppenspiel eine ordentliche Leistung gegen Brasilien – dann war’s vorbei mit der Herrlichkeit bei Paraguay. Ohne vollen Erfolg, ohne jedes Tempo und ohne echten Siegeswillen, aber mit Glück im Elfmeterschießen (weil sich die Seleção einfach noch doofer anstellte) kam Paraguay dennoch ins Semifinale. Wo es gegen das neben Peru zweite Sensationsteam ging: Venezuela! Die Mannschaft des jungen Teamchefs César Farías hatte zwar im Viertelfinale gegen Chile keine Chance, war aber eiskalt bei Standards. Hatte im Halbfinale nichts zu verlieren. Und die gute Erinnerung, im Gruppenspiel gegen Paraguay durch zwei späte Tore noch ein 3:3 geholt zu haben.
Mühsames Spiel
Es entwickelte sich von Beginn an eine eher zähe Partie. Paraguay flutete die Mittelfeldzentrale, indem sich die beiden Außen, Barreto und Santana, sehr weit nach innen orientierten und die komplette Mannschaft extrem mit dem Ball mit verschob. So wurde das Spiel für Venezuela so schmal wie möglich gemacht. Im eigenen Spiel nach vorne wurde durch aufrückende Außenverteidiger – vor allem Marcos Cáceres auf der rechten Seite – versucht, das auszugleichen.
Außerdem wich vorne Nelson Valdez auf die rechte Seite aus und war immer wieder ein direkter Anspielpartner von Cáceres. In diesen Fällen fehlte dann allerdings die Unterstützung, Valdez konnte kaum Flankenbälle zu Barrios in die Mitte bringen. Die weit innen platzierten Barreto und Santana wurde hauptsächlich von den beiden venezolanischen Sechsern bewacht (Di Giorgi ersetzte hier den gesperrten Rincón), die Außen im Mittelfeld oder gar die Außenverteidiger ließen sich nicht nach innen ziehen.
Wenig Platz, wenig Chancen
Was zur Folge hatte, dass das paraguayanische Spiel stockte: Weil sich die gegnerischen Außen eben nicht aus der Position ziehen ließen, aber mit Rondón und Alejandro Moreno auch die beiden Stürmer nach hinten arbeiteten, entstand nirgendwo ein Platz, den Paraguay ausnützen hätte können. Und zu allem Überfluss rückten auch immer wieder einige Venezolaner so weit vor, dass Paraguay schon in der Spieleröffnung kaum Platz blieb.
Dennoch: Defensiv stand Paraguay recht sicher. Riveros und Ortigoza zeigten zwar wenig Wirkung nach vorne, in der Rückwärtsbewegung waren Rondón und Moreno aber gut aufgehoben. Das extreme Verschieben von Paraguay brachte zwar nach vorne nichts, hatte nach hinten aber den Effekt, dass auch Venezuela kaum Raum zur Spielgestaltung blieb. Wodurch sich Chancen praktisch nur aus Standardsituationen ergaben. Ein Kopfballtor von Vizcarrondo wurde wegen Abseits zur Recht nicht anerkannt, bei der einzigen wirklich herausgespielten Chance der ersten Hälfte wurde das Torgestänge getestet (42.).
Schlafwagenfußball
Hatte man schon in der ersten Halbzeit kaum einmal das Gefühl, dass eine Mannschaft wirklich bereit wäre, die Initiative zu übernehemen, stand in der zweiten dann schon „0:0“ in ganz großen Buchstaben über dem Spiel. Das Tempo war nun endgültig entwichen, die Partie spielte sich beinahe in Zeitlupe ab. Das Verhindern eines möglicherweise entscheidenden Fehlers stand an erster Stelle.
Da half auch die Einwechslung von Marcelo Estigarribia auf Seiten von Paraguay nichts. Der Flügelspieler von Newell’s Old Boys war in seinen ersten beiden Einsätzen bei dieser Copa ein ständiger, quirliger Unruheherd, aber in diesem Halbfinale fügte er sich nahtlos in das unglaublich langsam geführte Spiel beider Mannschaften ein. So war die Verlängerung nach 90 torlosen Minuten die logische Konsequenz.
Venezuela klar am Drücker…
Dort allerdings drückte Venezuela merklich auf’s Gas. Farías hatte schon kurz zuvor mit Maldonado einen gelernten Stürmer statt César González auf der rechten Seite gebracht. Das zeigte Wirkung: Während die Paraguayer schon alleine von der Seitenlinie kein gutes Beispiel mitbekamen – sowohl Teamchef Gerardo Martino als auch sein Assistent Jorge Pautasso wurden auf die Tribüne verbannt – machte Venezuela einen deutlich stabileren Eindruck und traf innerhalb weniger Minuten zwei weitere Male den Pfosten. Erst nach einem abgefälschten Maldonado-Schuss, dann nach einer Ecke.
Venezuela hatte das Spiel in der Verlängerung unter Kontrolle, und das verstärkte sich, als Paraguay auch auf dem Platz die Nerven wegwarf – Jonathan Santana flog mit seiner zweiten Verwarnung vom Feld und es dauerte ewig, bis sich das dezimierte Team darauf einstellen konnte. Denn die Seite von Santana blieb erst verwaist und wurde dann nur halbherzig von Ortigoza verteidigt, was der venezolansiche Linksverteidiger Cichero zu konsequenten Vorstößen nützte, die (endlich) mit Tempo vorgetragen wurden und fast immer für Gefahr sorgten.
…aber Paraguay findet rechtzeitig die Nerven wieder
Es dauerte eine knappe Viertelstunde, ehe die nun von Kondi-Trainer Elvio Paolorosso als Chef auf der Bank geleiteten Paraguayer reagierten und Estigarribia die Seite wechselte, um Cichero einzubremsen. In dieser Phase hielten nur zwei Paraguayer ihre ansonten ziemlich zerfallende Mannschaft (Darío Veron hatte Glück, nach einem unsportlichen Rempler nur Gelb zu sehen) im Spiel: Torhüter Justo Villar, der einige Chancen stark zunichte machte, und Innenverteidiger Paulo da Silva.
So hatte Venezuela im Grunde erst großes Pech, den hochverdienten Sieg nicht einzufahren. Und dann kam auch noch dazu, dass für das Elfmeterschießen der zerbröselnde Gegner wieder zu sich fand – denn kein einziger der Strafstöße von Paraguay im Shoot-Out waren in irgend einer Weise haltbar, alle fünf Spieler knallten ihre Elfer am chancenlosen Renny Vega vorbei ins Tor – mit einer Überzeugung, die man in den 120 Minuten davor nicht im Ansatz erkennen konnte.
Da reichte es aus, dass zwischen all den auch von Venezuela bombensicher verwandelten Versuche ein einziger Spieler der Vinotinto ausließ – Franklin Lucena war der Unglücksrabe, dessen schwach geschossener Elfer sichere Beute von Justo Villar wurde. Die Entscheidung.
Fazit: Ein Treppenwitz der Fußballgeschichte
Es hat in der Fußballgeschichte wohl noch nie einen Finalisten gegeben, der dermaßen unverdient in ein Endspiel gekommen ist. Paraguay spielte anderthalb gute Partien (gegen Ecuador und das Gruppenspiel gegen Brasilien), lieferte danach eine solide (VF gegen Brasilien) und zwei absolut unterirdische Leistungen (die beiden gegen Venezuela). Paraguay hat im ganzen Turnier kein einziges Spiel gewonnen, hatte das schon im Viertelfinale auch eigentlich nicht vor und auch in diesem Semifinale konnte das Team bis auf knallharte Elfmeter rein gar nichts zeigen, was eine Finalteilnahme auch nur im Entferntesten rechtfertigen würde.
Da kann einem das Team aus Venezuela schon fast leid tun. Ja, auch sie haben 90 Minuten lang nur versucht, das Tempo nicht allzu hoch werden zu lassen und fehler zu vermeiden. Aber in der Verlängerung drehte die Vinotinto mächtig auf, traf insgesamt dreimal Aluminium und hatte noch weitere sehr gute Chancen.
Wenn schon ein Team aus diesem lange Zeit extrem drögen Spiel das Finale verdient gehabt hätte, dann nur Venezuela. Dass Paraguay ohne einen einzigen Sieg – und, noch schlimmer: sogar ohne den Willen, ein Spiel gewinnen zu wollen – ins Endspiel kommt ist nichts anderes als ein trauriger Treppenwitz der Fußballgeschichte.
(phe)