Vor 11.500 Zusehern bekamen es die wegen der Football-WM aus ihrer Heimstätte verbannten Blackies mit dem ungarischen Meister Videoton Szekesfehervar zu tun. Die von Paulo Sousa betreuten Magyaren erwiesen sich als die erwartet harte Nuss. Die Grazer konnten sie zwar knacken, präsentierten sich dabei aber noch längst nicht europareif.
Die Ungarn machten es den an den Wörthersee verlegten Hausherren nicht leicht. Tief stehen, früh stören, schnell nach vorne – Videoton präsentierte sich als unguter Gegner, während das Grazer Spiel flickwerkhaft und holprig anlief. Insbesondere die Abwehrkette mit Pürcher, Burgstaller, Feldhofer und Standfest zeigte bald Unsicherheiten und der Abgang von Schildenfeld erste ungute Wirkung. Nach einem Einwurf bediente Vasiljevic Alves mit einem mustergültigen Pass, der brachte den Ball an Standfest vorbei halbhoch in den Sechzehner, wo der einrückende Pürcher einen Schritt langsamer als Attila Polonkai war. Dessen direkte Abnahme geriet unter Bedrängnis jedoch zu schwach und unplatziert. Diese Situation hätte auch weitaus brenzliger werden können: Wo Pürcher aushalf, hätte eigentlich Burgstaller sein müssen – wenige Meter weiter war in Folge ein weiterer Videoton-Spieler im Strafraum komplett unbedrängt. Pürcher hatte sich also früh für einen der zwei Gegner entscheiden müssen, eine etwas längere Flanke von Alves hätte verheerende Folgen haben können.
Rückschlag für Bukva, Einstand für Wolf
Wenn bei Sturm überhaupt etwas gut nach vorne lief, so ging es über die Außenbahnen. Das waren Pürcher und Bukva zum Einen, sowie Standfest, Hölzl und Muratovic zum Anderen. Jedoch ging dies zu Lasten des inneren Mittelfelds, wo sich die Ungarn bis zur Halbzeit oft an einer 3-gegen-2 Mehrheit und viel Raum erfreuen durften. Denn Szabics war bis zur Pause vom restlichen Spielgeschehen relativ abgeschnitten und Muratovic ging die Luft aus, je näher der Halbzeitpfiff rückte.
Als Bukva sich nach 37 Minuten ohne Einfluss des Gegners verletzte, war das Spiel bereits auf Messers Schneide, und Szekesfehervar das dominierende Team. Patrick Wolf kam für den Angeschlagenen aufs Feld, und tauschte mit Hölzl die Seite (Wolf auf Rechts, Hölz ab dann auf Links). Der ehemalige Magna-Kicker brachte überraschend viel neuen Schwung in die Partie, auch weil er den ächzenden Oldie Muratovic entlasten konnte. Foda korrigierte nun auch das Mißverhältnis im Zentrum, in dem er Imre Szabics nun aus dem Mittelfeld starten ließ. Die personelle Verstärkung und die damit einhergehende, höhere Dichte störte den Spielaufbau von Sousas Truppe und führte zu häufigeren Ballverlusten in der Vorwärtsbewegung. Dass das Sturm-Team in seiner jetzigen Form aber weder komplett noch besonders eingespielt ist, demonstrierten die wenigen, guten Kontergelegenheiten der Partie, welche allesamt verstümpert wurden.
Foda tüftelt weiter
Mit einer weiteren Neuerung versuche Foda das Spiel der Blackies nach der Halbzeit aufzuwerten: Die Abwehrreihe rückte – ungeachtet ihrer Probleme – stärker auf und sollte so wohl zu einem flüssigeren Aufbauspiel beitragen. Gleichzeitig zog man in der Offensivbewegung das Spiel im Mittelfeld mehr in die Breite und verlagerte den Ball deutlich öfter von der einen auf die andere Seite. So erzwang man mehr Raumöffnungen, riskierte aber auch mehr Platz für den Gegner bei Ballverlust (gut zu sehen vor der Chance von Gosztonyi nach 56 Minuten). Videoton war zwar immer noch feldüberlegen, konnte aber vor dem Tor besser in Schach gehalten werden. Die Hausherren hingegen arbeiteten sich nun besser vor den Sechzehner vor, bissen sich dann aber an der disziplinierten Defensive immer noch die Zähne aus.
Besser wurde das mit der Einwechslung von Kienast für den ausgepowerten Muratovic. Dieser orientierte sich meist halblinks, und verstärkte damit die Achse Pürcher-Hölzl. Mit seinem Vorstoß auf Aussen und den Rückpass auf Pürcher – der so genug Platz für die Flanke hatte, da sich die äußere Defensive auf den Stürmer konzentrierte – leitete er den Führungstreffer von Sturm nach 68 Minuten ein. Pürcher zirkelte den Ball auf Imre Szabics, der den Ball wenige Meter vor dem Tor geschickt an zwei konfus reagierenden Verteidigern vorbeischummeln konnte und den Ball dann auch noch au spitzem Winkel vorbei an Goalie Tujvel ins lange Eck würgte. Wenige Momente darauf hätte Feldhofer nach langer Weber-Flanke hinter die zu spät herausgeeilte Abwehrreihe auf 2: erhöhen müssen. Allein, er war vom Erfolg des Zuspiels mindestens genauso überrascht wie der Rest des Stadions und produzierte in seiner Hektik lediglich einen harmlosen Roller. Jedoch: Sturm übernahm mehr Initiative.
Sousa wagt den Umbau nicht
Walter Fernandez wurde nun von Sousa zur Belebung des rechten Mittelfelds aufs Grün geschickt. Die Flankenläufer agierten nun häufig schon auf Außenstürmer-Position. Jedoch verpufften diese dort, da Hölzl und Pürcher als auch Standfest ihren Job defensiv gut erledigten. Das Forechecking der sich müde laufenden Ungarn federte Sturm mit vermehrten Rückpässen auf Goalie Gratzei ab, dessen Abschläge jedoch den Nachteil so manchen Ballverlusts mit sich brachte. Ersterem Umstand musste Polonkai schließlich Tribut zollen, 8 Minuten vor Ende der regulären Spielzeit wurde er durch Nagy ersetzt (Bei Sturm kam Sandro Foda für Matthias Koch). Nachdem Sousa erkannt hatte, dass über die Außenbahnen wenig zu holen war, stellte er die Offensive auf lange Bälle in die Mitte um. Was sich als gefährlicher, aber letztlich nicht gefährlich genug erwies. Sturm stand nun tiefer, S. Foda und Weber saugten vor der Abwehr Staub.
Das 2:0 offenbarte schließlich, dass die Gäste aus Fehervar mittlerweile müde geworden waren. Feldhofer leitete einen schönen Doppelpass zwischen Hölzl und Foda ein, Ersterer setzte sich auf der linken Seite mühelos gegen brachi durch und bediente Kienast in der Mitte, der Horvath enteilt war. Zum Unglück des Videoton-Goalies brachte dieser den Ball ausgerechnet durch seine Beine in die Maschen – und sicherte Sturm damit ein beruhigendes 2:0-Polster für das Rückspiel in zwei Wochen.
Fazit:
Sturm hat das anvisierte Soll erreicht und sich eine gute Ausgangsposition geschaffen. Dazu reichten 20 Spielminuten, in denen der österreichische Meister zumindest teilweise zeigen konnte, was möglich ist. Über 90 Minuten wetzte Trainer Franco Foda die im Spiel aufgetauchten, taktischen Scharten Stück für Stück aus, und wirkte damit der vor allem in der ersten Hälfte spürbaren Unsicherheit entgegen. In der Offensive besorgten eine Individualaktion nebst Gastgeschenk und ein flotter Angriff gegen eine erschöpfte Abwehrreihe das Wesentliche.
Paulo Sousa hingegen brachte bis auf seinen großen Namen nicht viel auf die Trainerbank mit: Videoton spielte von Beginn bis Ende taktisch kaum verändert, selbst nachdem Sturm Graz nach über einer Stunde endgültig in die Partie gefunden hatte. Videoton hätte in Klagenfurt als Sieger vom Platz gehen können und steht statt dessen mit anderthalb Beinen vor dem Europa-Aus. Die Blackies werden den Aufstieg vermutlich schaffen, brauchen aber eine gewaltige Steigerung, um wenigstens bis in die rettende vierte CL-Qualirunde vorzustoßen.
(gpi)
PS: Frage an die Insider – wann und wie kam es eigentlich zur Versöhnung zwischen Haris Bukva und Franco Foda?