Breite durch aufrückende Außenverteidiger, Kompaktheit im Zentrum durch mehr Initiative aus dem defensiven Mittelfeld – genau das hat Brasilien in den ersten beiden Spielen gefehlt. Und genau das war gegen Ecuador zu sehen, weshab es auch einen klaren Sieg gab. Nur hinten offenbarten sich noch Schwächen.
Zweimal war das Spiel der Brasilianer nicht wirklich überzeugend. Vor allem über die Flanken war viel zu wenig gekommen! Darum ließ Mano Menezes für das dritte Gruppenspiel gegen Ecuador Dani Alves auf der Bank und ließ stattdessen Maicon als Rechtsverteidiger auflaufen. Mit positivem Effekt.
Doch auch wenn das die einzige nennenswerte personelle Änderung war (Robinho kehrte noch für Jádson in die Startelf zurück, der Vollständigkeit halber), präsientierte sich die Seleção deutlich kompakter und sicherer. Das lag an mehreren Faktoren. Neben dem fleißigen Maicon rückte nämlich nun auch Ramires praktisch permanent in die Offensivreihe auf – zuletzt hatte er das nur sporadisch gemacht, was ein Riesenloch hatte entstehen lassen.
Klare Leistungssteigerung bei Brasilien
Außedem hielten Neymar und Robinho, die wieder nach Herzenslust rochierten, ihre Flanken besser und starteten Läufe nach innen, wenn hinter ihnen die Außenverteidiger aufgerückt waren. Zudem stand nun auch Lucas Leiva deutlich höher. Die Folge war, dass Brasilien ein recht dominantes und vor allem ballbesitzorientiertes Spiel in der gegnerischen Hälfte aufziehen konnte. Die Breite war nun ebenso vorhanden wie die Kompaktheit im Zentrum, auch Pato bewegte sich vorne sehr viel.
So blieb Ecuador kaum etwas anderes übrig, als mit ihren zwei Viererketten tief zu stehen und zu versuchen, die Brasilianer wenigstens nicht zum Torabschluss kommen zu lassen. Wenn es zur Entlastung kam, dann aber wiederum nicht durch Christian Noboa im Zentrum – etwas enttäuschend, schließlich ist er beim russischen Meister von zwei der letzten drei Jahre das Um und Auf im Mittelfeld – sondern über die Seiten. Dann nämlich, wenn sich Arroyo und Benítez im Rücken der aufgerückten Außenverteidiger aufmachten. Versuche durch das Zentrum endete spätestens bei Lucas Leiva.
Tor über die Flanke, Tor aus einem Goalie-Fehler
Kein Wunder, dass das längst verdiente brasiliansiche Führungstor nach einer halben Stunde von einem der aufgerückten AV vorbereitet wurde: André Santos schlug eine Flanke ins Zentrum, wo Pato den Ball zum 1:0 über die Linie spitzelte. Das Spiel schien damit auf Schiene.
Schien, denn die ganze Dominanz hilft der Seleção recht wenig, wenn es hinten individuelle Fehler gibt. So rutschte Torhüter Júlio César ein an sich harmloses Schüsschen von Caicedo aus 20 Metern Entfernung unter dem Körper durch und schon stand es wie aus heiterem Himmel 1:1.
Nachlässig verteidigt
Was die Brasilianer aber nicht wirklich aus der Fassung brachte, wie sich gleich nach Wiederanpfiff zeigen sollte. Wenn man das Spiel breit macht, entstehen zwangsläufig Lücken in der gegnerischen Verteidigung – das 2:1 durch Neymar war aber eher auf nachlässiges Verteidigen zurück zu führen. Zwei Ecuadorianer machen die Gasse auf, der komplett durchs Zentrum eingeletete Angriff wurde eiskalt zum 2:1 abgeschossen.
Brasilien wieder auf Kurs? Naja – auch die Seleção machte hinten Fehler. Wenige Minuten nach der Führung verschlief Ganso einen Klärungsversuch von Maicon, erneut kam Caicedo zum Schuss von der Strafraumgrenze, und der weder von Thiago Silva noch von André Santos wirklich bedrängte Stürmer schoss zum 2:2 ein.
Nach drittem Tor einen Gang zurück
Und wieder waren die Brasilianer nicht geschockt, blieben um Vorwärtsgang und wurden belohnt: Nur zwei Minuten nach dem Ausgleich patzte auch Ecuador-Keeper Eligaza, indem er einen Weitschuss von Neymar direkt vor die Füße von Pato abprallen ließ – das 3:2, die erneute brasilianische Führung.
Nun schaltete die Seleção in dem bis dahin mit hohem Tempo und hoher Intensität geführten Partie doch einen Gang zurück, ließen die Ecuadorianer ein wenig kommen und nützten die Räume, die sich somit boten, kosequent für schnelle Konter. So hatte Ecuador zwar nun mehr vom Ball, aber Brasilien strahlte dennoch mehr Torgefahr aus. Bis durch einen der vielen energiegeladenen Flankenläufe von Maicon zur Entscheidung kam: Neymar musste die tolle Vorarbeit nur noch verwandeln. Das 4:2 war zwanzig Minuten vor Schluss die Entscheidung.
Fazit: Brasilien findet in die Spur
Nach einem schlechten Spiel (gegen Venezuela) und einem mäßigen (gegen Paraguay) war in dieser Partie nun die erste wirklich starke Leistung der Brasilianer zu sehen. Endlich wurde das Loch im Zentrum geschlossen, endlich gab es echtes Flügelspiel, und schon rollt die Geschichte. Logischerweise wurden zwei der Treffer von den diesmal eben konsequent aufrückenden Außenverteidiger vorbereitet, allzu viele Chancen benötigte man nicht für die Tore.
Nur eine latente Schwammigkeit in der Defensive kann Mano Menezes durchaus Kopfschmerzen bereiten. Die Fehler von Júlio César häufen sich in der letzten Zeit markant und in der Rückwärtsbewegung arbeiten nicht immer alle mit der nötigen Ernsthaftigkeit. Das sollte im Viertelfinale gegen die rasant nachlassende Mannschaft aus Paraguay noch kein Problem sein. Aber in einem möglichen Semfinale gegen Chile…
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Geheimtipp Paraguay? So nicht! Gegen Venezuela zeigte die Albiroja eine schreckliche Leistung und strahlte null Torgefahr aus. Drei Standards mussten es richten, und dann wurde aus einem 3:1 in der Nachspielzeit sogar noch ein 3:3. Mit dem Venezuela sicher besser leben kann.
Die Bürde des Nicht-Verlieren-Dürfens, obwohl man weder gegen Ecuador noch gegen Brasilien verloren hatte, lag schwer auf Paraguay. Ebenso wie die Tatsache, dass Edgar Barreto für die rechte Seite immer noch nit fit ist und Enrique Vera da keinen Ersatz darstellt. Und auch sonst sah das Team aus Paraguay sehr gehemmt und unabgestimmt aus.
Da wäre zum Beispiel Marcelo Estigarribia. Der Mann auf dem linken Flügel spielte zwei tolle Partien, tauchte hier aber komplett ab – er war unsichtbar. Er stand viel zu hoch, um vom eh fleißigen Aurliano Torres von hinten angespielt zu werden. So war Torres gezwungen, entweder selbst ohne Unterstützung nach vorne zu gehen, oder lange Bälle Richtung Estigarribia zu versuchen. Beides klappte nicht nach Wunsch.
Alles durch die Mitte
So liefen bei Paraguay bald alle Versuche, irgendwie nach vorne zu kommen, durch die Mitte – genau dort, wo die wenigste Kreativität ist und die konsequentesten Gegenspieler. Gerade gegen Ecuador im ersten Spiel zeigte Paraguay ein extrem druckvolles Flügelspiel, davon war gegen die soliden, aber weiß Gott nicht überragenden Venezolaner überhaupt nicht zu sehen.
Im Gegenteil, nicht nur, dass nach vorne nichts ging, hinten wurden auch ziemliche Schnitzer eingebaut. So nütze Rondón schon nach wenigen Minuten einen allzu lässigen Ballverlust von Ortigoza dazu, von der Strafraumgrenze zum 1:0 zu verwandeln.
Auch Tempo fehlt
Aber nicht nur die Stoßrichtung versprach bei Paraguay keinen Erfolg, auch das Tempo. Dieses fehlte nämlich ebenso wie ein durchdachtes Angriffssspiel. So war es Venezuela ein leichtes, die Passwege zuzustellen und die Ballführenden unter Druck zu setzen. Und nach Ballgewinn ging es recht schnörkellos in Richtung paraguayanisches Tor.
So war es logisch, dass Paraguay nur aus Standards oder Abwehrfehlern zum Torerfolg kommen konnten. Nach einer halben Stunde kombinierten sie dann beides – auf das Flippertor, das nach einer Ecke über diverseste Umwege zum 1:1 im Tor landete, wäre jeder Billard-Spieler neidisch. Mit drei Banden kam Paraguay da nämlich nicht aus, ehe der aufgerückte Alcaraz den Ball über die Linie drosch.
Experiment mir Dreierkette
Wohl um dem indisponierten Estigarribia Rechnung zu tragen, stellte Paraguay noch in der ersten Hälfte auf einer Dreierkette hinten um – lediglich Aureliano Torres schob nach vorne, auf der anderen Seite gab es Vera etwas defensiver. Die Belebung der linken Seite blieb aber aus, und so wurde nach der Pause wieder auf ein 4-4-2 umgestellt.
Estigarribia aber durfte weitermachen. Und so ähnelte das Spiel nach der Pause dem von davor frappant: Zu wenig Tempo, keinerlei Flügelspiel, und Hoffen auf Standards. Da allerdings war Paraguay auf Zack, denn nach einer Stunde verlängerte Barrios tatsächlich eine Ecke zum unverdienten 2:1 in die Maschen.
Auch von Venezuela kommt wenig
Bei den Venezolanern kamen in der Folge Kapitän Arango und Stürmer Fedor für Orozco und Arismendi in positionsgetreuen Wechseln, aber dennoch zeigten die Weinroten weiterhin wenig Initiative, selbst das Spiel nach vorne anzugehen. So plätscherte das bislang wohl schwächste Spiel dieser Copa seinem ereignisreichen Ende entgegen.
Als in Minute 85 Riveros nämlich das 3:1 für Paraguay erzielte (natürlich nach einer Standardsituation), war das Spiel vermeintlich entschieden. Das dachten wohl auch die Spieler von Paraguay, die nun auch hinten sorglos wurden. So hinderten sie Fedor nicht daran, aus spitzem Winkel abzuziehen und zum 2:3 zu verkürzen. Und dann war es ein Eckball, bei dem nicht aufgepasst wurde, was Perozo tatsächlich noch zum 3:3-Ausgleich nützen konnte…
Fazit: Paraguay hätte Sieg nicht verdient
Kaum zu glauben, dass es die gleiche Mannschaft war, die gegen Ecuador (bis zum verletzungsbedigten Barreto-Austausch) so dominiert hat und nun gegen Venezuela eine im Grunde unterirdische Leistung zeigte. Bei Paraguay passte, bis auf die Standards, rein gar nichts. Kein Flügelspiel, keine Kreativität, null Tempo, haarsträubende Fehlpässe. Dass es dennoch möglich war, 3:1 zu führen, spricht auch nicht gerade für Venezuela. Im Viertelfinale – Paraguay muss gegen Brasilien ran, Venezuela gegen Chile – werden es beide sehr, sehr schwer haben.
(phe)