Im Viertelfinale hatten sie Topfavorit und Gastgeber Deutschland eliminiert. Im Semifinale musste Schweden dran glauben – Japan ließ beim 3:1-Sieg trotz frühen Rückstands Schelin und Co. nie auch nur den Funken einer Chance. Und muss nun im Finale der Frauen-WM gegen die USA als klarer Favorit gelten.
Im gewohnten System ins Halbfinale gehen? Bei Japan schon – aber nicht so der schwedische Teamchef Thomas Dennerby. Er verzichtete auf das gewohnte 4-4-2, stellte Jossan Öqvist ins linke Mittelfeld statt nach vorne und Therese Sjögran spielte hinter Lotta Schelin Zehner/Hängende Spitze. Das Ziel wurde schnell klar: Überzahl im Zentrum schaffen und das mit Pressing konsequent verstärken.
Das zeigte auf sofort Wirkung. Sowohl die japanische Spielmacherin Sawa als auch ihre rechte Hand, Sakaguchi, wurden sofort von zwei bis drei Schwedinnen bestürmt, sodass ihnen nur Panik-Pässe oder Schläge ins Nichts übrig blieben. Einen dieser Panikpässe, den Sawa unter Druck von Dahlkvist quer spielte, landete genau im Lauf von Öqvist und diese schob zum frühen 1:0 ein.
Japan verlagert das Spiel
Die Deutschland-Bezwinger aus Japan ließen sich davon aber nicht schocken, sondern reagierten cool darauf. Indem das eigene Spiel auf die von Schweden ziemlich vernachlässigten Flanken verlagert wurde: Denn die Außenverteidiger Thunebro und Svensson rückten gegen den Ball sehr weit nach innen, und die Mittelfeld-Flügel Forsberg und Öqvist hatten grobe Schwierigkeiten.
So nützte Ohne den Platz hinter der mitunter sehr weit aufrückenden Öqvist und der recht tief agierenden Thunebro gut aus, obwohl RV Kinga hinter ihr wegen Öqvist eher zurückblieb. Und auf der anderen Seite sorge Sameshime für viel Betrieb, gemeinsam mit Miyama hatte sie ihre Seite komplett im Griff. Kein Wunder, dass auch der Ausgleich über diese Seite fiel: Kawasumi sah unter großem Druck die völlig freie Miyama auf der Seite, diese flankte sofort zurück und in der Mitte drückte wiederum Kawasumi den Ball über die Linie.
Ausgleich wie ein Tiefschlag
Das Gegentor wirkte auf die Schwedinnen verheerend und auf das Team aus Japan extrem stärkend. Sie bohrten die Flügel konsequent weiter an, und in der Mitte ging nun doch die kurzfristig verletzte Kapitänin Caroline Seger spürbar ab – Marie Hammarström, die für Seger in die Startelf gerückt war, konnte vor allem deren körperliche Präsenz nie ersetzen und so war unter dem Druck und dem Tempo, das Japan nun auch über das Zentrum aufbaute, Dahlkvist alleine naturgemäß überfordert.
Das Pressing der Schwedinnen erlahmte völlig, Öqvist – die sich nun zwar gegen den Ball brav ins 4-4-1-1 einordnete, Ohno aber nie auch nur ansatzweise in den Griff bekam – und Forsberg wirkten defensiv wie ein offener Badewannenstoppel. Nach vorne ging bei den Nordeuropäerinnen auch nichts mehr, Lotta Schelin lief zwar viel, bekam aber nicht einen sinnvollen Ball. Als Solo-Stürmerin konnte sie einem fast leidtun.
Japan bleibt am Drücker
Auch in der Kabine konnte Dennerby seiner Mannschaft keine neuen Impulse geben, blieben doch die Japanerinnen auch nach dem Seitenwechsel so dominant wie zuvor. Weiterhin rückten die schwedischen AV zu weit ein und empfingen die japanischen Flügel zu tief, um dem Schwung etwas entgegen zu setzen. Weiterhin wurden die schwedischen Außen regelmäßig überlaufen. Weiterhin fehlte es im Zentrum am Pressing, um Sawa zu neutralisieren. Weiterhin holten die Japanerinnen sogar fast jeden Kopfball – und das gegen die eigentlich deutlich längeren Schwedinnen.
Und nach einer Stunde fing auch noch Torfrau Hedvig Lindahl an zu patzen – erst konnte Sawa zum 2:1 abstauben, wenig später war es erneut Kawasumi, die einen Rettungsversuch außerhalb des Strafraums über alle hinweg zum 3:1 ins Tor lupfte. Was natürlich die Vorentscheidung war.
Mehr Verwirrung als Hilfe
Während sich der japanische Teamchef Norio Sasaki lächelnd auf der Bank entspannen konnte, musste Thomas Dennerby reagieren. Mit seinen Wechseln signalisierte der eher ratlos durch die Coaching-Zone stapfende Teamchef zwar Offensive, aber auf dem Weg dahin ließ er wenig Linie erkennen.
Erst nahm er die überforderte Forsberg raus und brachte Sofia Jakobsson für rechts, gleichzeitig ging Sjögran auf ihre angestammte linke Seite und Öqvist nach vorne, nun war es das gewohnte 4-4-2. Wenige Minuten später musste die ebenso überforderte Hammarström für Strafraumstürmerin Landström weichen. Was hieß, dass Öqvist wieder auf den Flügel und Sjögran wieder ins Zentrum musste.
Wenig verwunderlich, dass die Schwedinnen einige Zeit brauchten, um zu einer halbwegs brauchbaren Linie zu finden. Und wenig verwunderlich auch, dass die Japanerinnen das Spiel nun ganz cool und unaufgeregt, wie es eben ihre Art ist, nach Hause verwalteten. Und das taten, indem man dem Gegner nun zwar etwas mehr Zeit am Ball gewährte, Schelin und Landström aber dennoch kaum ein Zuspiel bekamen. So konnte es sich Sasaki sogar leisten, noch ein paar Spielerinnen einen Abgangsapplaus zu verschaffen.
Fazit: Japan um eine Klasse besser
Wer Deutschland eliminiert und Schweden eine Lektion erteilt, muss als klarer Favorit in das Finale gehen. Japan verfügt über eine taktisch hervorragend ausgeblidete, technisch ungemein starke Mannschaft, die überhaupt keine konditionellen Verschleißerscheinungen erkennen lässt und zudem mental extrem stabil ist. Zehn Minuten lang sah man sich großem Druck ausgesetzt und kam sogar in Rückstand – aber all das war nicht das geringste Problem.
Die Schwedinnen hatten zu viele Brandherde, als dass diese gegen das starke Team aus Japan alle ausgetreten werden hätten können. Die Außenverteidiger standen viel zu tief, die Flügel waren defensiv überfordert und nach vorne wirkungslos, im Zentrum fehlte Seger an allen Ecken und Enden, Sjögran war als Zehner verschenkt und Lotta Schelin sah vorne nicht einen einzigen brauchbaren Ball.
Darum bleibt für Schelin, Sjögran und Seger der WM-Titel vorerst ebenso ein unerfüllter Traum wie für die Generation um Malin Moström, Hanna Ljungberg und Malin Andersson, die im Finale 2003 an Deutschland gescheitert waren. Für Japan hingegen könnte dieses Turnier nach Blech bei Olympia 2008 (ebenso an Deutschland gescheitert…) der endgültige Durchbruch sein.
Nein, nicht „könnte“ – er muss. Denn die Amerikanerinnen haben zweimal ihr Glück strapaziert. Japan hingegen ist im vergleich beinahe ins Endspiel spaziert…
(phe)