Krass benachteiligte US-Girls bestrafen Brasilien

Das Spiel der Mitfavoriten USA und Brasilien als großer Viertelfinal-Hit? Von wegen – eine Stunde lang überboten sich zwei hypernervöse Teams in Fehlpässen. Erst, als das US-Team dezimiert war, kam Leben ins Spiel. Und die vom Referee krass benachteiligten US-Girls kamen dank des späten Ausgleichs doch noch ins Elferschießen. Und dort zum Sieg…

USA – Brasilien 2:2 n.V.

Eine frühe Fühung verleiht Sicherheit? Nicht beim US-Team. Zwar lenkte die brasilianische Zentralverteidigerin Daiane schon in der 2. Minute eine Flanke von Shannon Boxx ins eigene Tor, aber auch danach agierte das Team aus den Staaten mit einer beängstigenden Nervosität. Leichte Ballverluste, kaum zusammenhängende Aktionen und schlechtes Stellungsspiel verhinderten flüssige Aktionen.

Allerdings konnten die Brasilianerinnen das nicht nützen, weil sie eine mindestens ebenso große Nervosität an den Tag legten. Marta agierte sehr hoch und kam oft eher von der halbrechten Seite, um mit Amy LePeilbet den besonderen Schwachpunkt des US-Teams beim 1:2 gegen Schweden im letzten Gruppenspiel zu bearbeiten. Weil aber die routinierte Christi Rampone aus der Innenverteidigung ihrer Nebenfrau viel aushalf, zudem arbeiteten Boxx und Cheney wenn notwendig gegen Cristiane. Das Übergewicht, das Kléiton Lima so über die rechte Seite herstellen wollte, kam somit nicht zu Stande.

Beide Mittelfeld-Zentren verhalten sich ungünstig

Auch deshalb, weil es aus dem Mittelfeld wenig Hilfe gab. Fabiana versuchte zwar viel, blieb aber oft hängen und konnte keine Akzente setzen. Und vor allem das Zentrum mit Formiga und Ester stand zu oft sehr tief, wodurch ein Riesenloch zwischen Marta und dem Sechser-Duo entstand. Das hatte zur Folge, dass die Versorgung des Offensivtrios extrem behindert wurde.

Dass bei den USA allerdings Lloyd und Boxx dieses Loch nicht wirklich ausnützten und sich bei Ballgewinn hinten sofort sehr hoch gegen Formiga und Ester orientierten, hieß wiederum für die US-Viererkette hinten, dass es an kurzen Anspielstationen fehlte. Zudem stand Amy Rodriguez, die eher eine hängende Spitze gab, völlig neben sich stand und kaum einen Ball hielt, geschweige denn weiter verarbeiten konnte.

Ester rückt auf, Brasilien mit Kontrolle

Nach einer somit ausnehmend schlechten ersten Hälfte von beiden Teams reagierte Brasilien für den zweiten Abschnitt richtig: Die Beiden im defensiven Mittelfeld rückten verstärkt auf, vor allem Ester war nun deutlich weiter vorne zu finden. Somit gelang es auch viel besser, die Stürmerinnen zu versorgen und die Amerikanerinnen in deren eigener Hälfte festzusetzen.

Außerdem gelang es nun Fabiana immer besser, Cheney zu überspielen. War die US-Flügelspielerin vor der Pause lediglich kaum zum Spiel nach vorne gekommen, vergrößerten sich nun auch ihre Fehler in der Rückwärtsbewegung. Weshalb Pia Sundhage sie aus dem Spiel nahm und Megan Rapinoe brachte. Ein guter Wechsel, der sich allerdings erst nach dem Ausgleich bezahlt machen sollten.

Ausgleich und Rote kassiert, dafür wieder klar besser

Denn nach einem Gerangel im Strafraum gab es nicht nur Elfmeter für Brasilien (den Marta im zweiten Versuch verwandeln konnte, nachdem der erste, von Cristiane verschossene, wegen einer um einen Bruchteil einer Sekunde zu früh in den Strafraum startenden Amerikanerin wiederholt wurde). Nein, auch die schon zuvor recht unsichere Rachel Buehler musste zudem per roter Karte wegen Notbremse den Platz verlassen.

Kurioserweiser übernahmen die US-Amerikanerinnnen sofort wieder das Kommando. Nach einer kurzen Phase, in der Shannon Boxx zurück gegangen war, entschied man sich doch, auf ein 3-4-2 zu gehen. Mit der ganzen Wut über den harten Elfer samt Ausschluss und der überaus kleinlichen Entscheidung, den Elfer wiederholen zu lassen, drückten sie das brasilianische Team nun vor allem über die Flanken nach hinten.

Und hier tat sich vor allem Rapinoe auf der linken Seite hervor, auch die danach für Rodriguez eingewechselte Megan Heath bereitete der brasiliansichen Defensive deutlich mehr Schwierigkeiten. Allerdings fanden weder ihre Flankenbälle noch die der unermüdlichen Heather O’Reilly ihr Ziel.

Ordnung trotz Überzahl dahin

Auch, wenn Brasilien durch ein ebenso wunderschönes wie irreguläres Tor (klares Abseits) unmittelbar nach Beginn der Verlängerung mit 2:1 in Führung gingen, war die Ordnung nach dem Wechsel Francielle statt Rosana endgültig dahin. Die Neue stand deutlich tiefer als Rosana, wodurch Ester wieder nach hinten ging; aber offensichtlich ebenso wenig wie Maurine wusste, wer von den dreien nun im Rücken von O’Reilly die eher verwaiste Flanke bearbeiten sollte. So machte es letztlich keine, und defensiv standen sie sich auf den Füßen, weil auch keine defensive Rollenverteilung mehr erkennbar war.

Auf der anderen Seite schlitterte die offensiv gute, aber hinten nicht gerade überragende Fabiana gegen Rapinoe von einer Verlegenheit in die nächste, wodurch vorne wiederum nur die hektisch wirkende Cristiane und die wegen ihrer arroganten Spielweise bei jeder Gelegenheit ausgepfiffene Marta. Gerade letztere blieb zwar eine ständige Gefahr, ein Ausgleich lag aber dennoch deutlich mehr in der Luft als eine Entscheidung.

Allzu offensichtliches Zeitspiel doppelt bestraft

Die Brasilianerinnen versuchten nun mit immer offensichtlicheren Mitteln, an der Uhr zu drehen – so bekam Erika eine hochverdiente gelbe Karte, nachdem sie sich erst minutenlang gekrümmt hatte und verarzten ließ, aber nach etwa fünf Sekunden, nachdem das Spiel fortgesetzt wurde, von der Trage hüpfte und zur Mittellinie zurück gesprintet war.

Was im Endeffekt den Brasilianern mehr schadete als nützte – denn genau in der dritten Minute der Nachspielzeit, die Erika ihrem Team so eingebrockt hatte, fand eine Flanke von Rapinoe doch noch den Kopf von Abby Wambach fand. Ihr wuchtiger Kopfball brachte den US-Amerikanerinnen das hochverdiente 2:2 und sicherte das Elfmeterschießen.

Und wie das mit dem Momentum so ist, vergab dort für Brasilien ausgerechnet Eigentorschützen Daiane. Beim US-Team trafen alle (wenn auch Shannon Boxx erst im zweiten Versuch, auch hier musste wiederholt werden) – und somit steht der Weltmeister von 1991 und 1999 nun doch im Halbfinale gegen Frankreich.

Fazit: Brasilien hat sich Aus selbst zuzuschreiben

Es war mit Sicherheit eines der schlechtesten Spiele dieses Turniers. Vor allem in der ersten Hälfte dominierten schlechtes Stellungsspiel, unsichere Pässe, wenig durchdachte Aktionen und übersteigerte Nervosität auf beiden Seiten. Erst nach dem Ausgleich und dem Ausschluss nahm das Spiel Fahrt auf, weil sich die Amerikanerinnen da endlich auf ihre Stärken besannen – konsequentes Flügelspiel – und mit dem Austausch der zwei größten Schwachpunkte (Cheney und Rodriguez) auch die Passicherheit enorm nach oben ging.

Die Brasilianerinnen haben sich ihr aus dennoch selbst zuzuschreiben. Wie ausgerechnet in Überzahl jegliche Ordnung verloren ging und es Kléiton Lima nie schaffte, diese wieder herzustellen – im Gegenteil, die seltsame Rolle von Francielle verstärkte diese noch – wird von einem an sich ja starken Team wie jenem aus der USA halt doch bestraft.

Was aber nichts daran ändert, dass sich das US-Team im Semifinale deutlich steigern wird müssen.

(phe)

Über Philipp Eitzinger

Journalist, Statistik-Experte und Taktik-Junkie. Kein Fan eines bestimmten heimischen Bundesliga-Vereins, sondern von guter Arbeit. Und voller Hoffnung, dass irgendwann doch noch alles gut wird.