Copa, Tag 2 – Phase des Chaos bestraft

Geheimtipp Kolumbien? Mit einem matten Auftritt gegen Costa Rica hielten Falcao und Co. diese Rolle erfolgreich geheim. Ohne Tempo und ohne Inspiration brauchte es einen Ausschluss und folgendes Chaos beim Underdog, um zu einem 1:0-Erfolg zu kommen.

Kolumbien - Costa Rica

Ein mit Spielern in Europas Top-Ligen gespicktes Team auf der einen Seite, eine mit drei älteren Spielern verstärkte U23-Olympiaauswahl auf der anderen – eine klare Sache? Nur auf dem Papier. Denn Costa Rica machte Kolumbien das Leben deutlich schwerer als erwartet.

Kolumbiens Hernán Dario Gómez, der neben seiner Heimat (1998) auch Ecuador (2002) zur WM geführt hatte, schickte sein Team in einem 4-1-4-1 auf’s Feld, in dem Gustavo Bolívar als Sechser sehr tief stand. Über die Flügel sollten Dayro Moreno und Adrian Ramos für Betrieb sorgen, das klappte aber überhaupt nicht.

Räume eng im Zentrum, Räume eng auf den Flügeln

Ricardo la Volpe – der kettenrauchende Teamchef des Underdogs ist seit der WM 2006, als er Mexiko betreute, vor allem in deutschen Sprachraum als „El Fluppe“ bekannt – ließ sein junges Team in einem 3-1-4-2 auflaufen. Was die Mannschaft aus Costa Rica gut spielte und überall die Räume eng machte: In der Zentrale mit drei Mann plus den beiden Stürmern, die sich weit zurückzogen. Auf den Flügeln auch, indem im Notfall immer drei Mann Ramos und Moreno daran hinderten, zur Grundlinie durchzugehen: Der Wing-Back, der schnell nach außen rückende Mann im Halbfeld und schließlich auch der Vertreter aus der Dreier-Abwehr. Diese wiederum nahm Radamel Falcao quasi in den Kessel und ließ dem Porto-Superstürmer überhaupt keine Chance zur Entfaltung.

So schoben sich Yepes, Perea und Bolívar die Bälle hin und her, bis einer – meist Bolívar – den langen Ball auf die Flügel versuchte. Und dieser kam fast nie an. Costa Rica selbst allerdings schaltete nach Ballgewinn blitzschnell um und stürmte mit mindestens vier Mann, mitunter auch mehr, schnell in die sich noch sortierende kolumbianische Abwehr nach vorne. So kam der Favorit, trotz deutlichem Plus an Ballbesitz, kaum zu Chancen, während die Costaricaner mit ihren Gegenstößen eine ständige Gefahr ausstrahlten.

Ausschluss und Umstellungen

Nach einer halben Stunde sah der Costaricaner Randall Brenes nach einem Tritt auf Pereas Knie die rote Karte, was bei beiden Teams Umstellungen zur Folge hatte. Bei Costa Rica rückte nun Calvo immer wieder ins Mittelfeld auf, Leal ließ sich dafür zurückfallen und spielte den linken Mann in der Dreierkette, bzw. einen Linksverteidiger, wenn Calvo aufgerückt und auf der rechten Seite Salvatierra tief agierte. Das System bei Costa Rica schwankte nun zwischen einem 3-5-1 und einem 4-4-1, je nachdem, wo sich Calvo gerade aufhielt.

Auch Hernán Dario Gómez reagierte auf das unbefriedigende Spiel seiner Mannschaft und auf den dezimierten Gegner: Er nahm Aguilar vom Platz und brachte mit England-Legionär Rodallega eine zweite Sturmspitze zu Falcao, stellte gleichzeitig auf 4-4-2 um. So brachte er, weil Guarín nun auf einer Höhe mit Bolívar spielte, mehr Kontrolle ins Zentrum und sorgte für kürzere Passwege auf die Flügel, und hatte zudem eine zusätzliche Anspielstation in der Spitze.

Guaríns größte Stärke: Tore auflegen

Die Vorstöße der Costaricaner gingen deutlich zurück, auf den Flügeln wurde es etwas luftiger und Kolumbien hatte da mehr Platz, zudem wirkte der Außenseiter durch die etwas unklare Rolle von Calvo nicht immer so kompakt wie vor dem Ausschluss. Was seltsam ist, schließlich wurde ein Stürmer ausgeschlossen, was üblicherweise auf die Abwehrformation ja keine Auswirkungen hat.

So oder so, Guarín machte kurz vor dem Pausenpfiff, was er auch in einer starken Saison beim FC Porto am besten macht: Durch kluge Pässe Tore vorbereiten. So fand einer seiner Steilpässe den die Abseitsfalle einer in dieser Situation etwas porösen Abwehr austricksenden Ramos, der ohne Mühe zum 1:0 verwertete.

Ordnung wieder hergestellt

2. Halbzeit

In der Pause beendete La Volpe die 15-minütige Phase der Unordnung und brachte wieder Linie in das Spiel der Seinen. Calvo blieb wieder brav hinten in der Dreierkette, die Wing-Backs orientierten sich überwiegend defensiv, und eine offensive Raute sollte das kolumianische Mittelfeld unter Druck setzen, wie das in der ersten halben Stude so gut geklappt hatte. Elizondo kam für die Position ganz vorne.

Und sofort taten sich die Kolumbianer wieder schwer. Es fehlte das Tempo, um die Costaricaner auseinander zu reißen, zudem hatten diese wieder überall auf dem Feld eine Überzahl hergestellt – trotz des Ausschlusses in der ersten Halbzeit. Falcao und Rodallega standen gegen drei Verteidiger, Guarín und Bolívar standen gegen vier Mittelfeldspieler.

Zu wenig über die Flügel, zu wenig Tempo

Vor allem von Armero und Zuñíga kam viel zu wenig. Sie hätten Moreno und Ramos auf den Flügeln unterstützen müssen, statt dessen blieben sie vorsichtig und zurückhaltend.

So fehlte es Kolumbien an der Breite, und am Tempo sowieso. Sie spürten, dass man von Costa Rica keine Druckphase mehr befürchten musste und verwalteten die Führung etwas behäbig über die Zeit. Und als Gómez eine Viertelstunde vor Schluss Falcao rausnahm und Elkin Soto neben Bolívar in die Mittelfeld-Zentrale stellte, somit wieder zurückging auf ein etwas verwaschenes 4-1-4-1, war das auch ein Signal an die Mannschaft: Lasst es bleiben, das passt schon.

Fazit: Kolumbien wird sich steigern müssen

Es war im Endeffekt ein verdienter Arbeitssieg, aber die Leistung der Kolumbianer war alles in allem schon enttäuschend. Es ist das wohl am besten besetzte Team aus dem Land seit der Blütezeit des Narco-Fútbol bis Mitte der 90er-Jahre, da darf und muss man mehr erwarten als einen mühsamen 1:0-Erfolg gegen eine dezimierte U23-Mannschaft aus Costa Rica. Vor allem das Tempo und das Spiel über die Flügel fehlte.

Costa Rica hingegen zeigte sich durchaus couragiert und schaffte es erfolgreich, den Kolumbianern das Leben schwer zu machen: Gute Raumaufteilung, schnelle Gegenstöße. Was den Mittelamerikanern letztlich zum Verhängnis wurde, war die viertelstündige Phase der Unordnung zwischen Ausschluss und Halbzeit. Dennoch haben sie sich besser verkauft, als das zu erwarten gewesen wäre.

(phe)

Über Philipp Eitzinger

Journalist, Statistik-Experte und Taktik-Junkie. Kein Fan eines bestimmten heimischen Bundesliga-Vereins, sondern von guter Arbeit. Und voller Hoffnung, dass irgendwann doch noch alles gut wird.