Groundhopping-Bericht: Wenn die Finnen bei den Schweden

Die große nordeuropäische Rivalität – Schweden gegen Finnland! Im Finale der Eishockey-WM hatte Suomi zuletzt das Tre-Kronor-Team 6:1 gedemütigt, von aufgeheizter Stimmung war bei der Quali-Partie zur Fußball-EM im altehrwürdigen Råsunda von Stockholm aber nichts zu sehen. Im Gegenteil: Es ging so entspannt zu, wie es den Leuten dort halt eben entspricht.

So geht's auch: Finnische Fans und die schwedische Polizei vor dem Match

Da streicheln schon mal mitgereiste finnische Fans die Pferde der Stockholmer Polizei. Da fahren Schweden und Finnen gemeinsam mit der U-Bahn zum Stadion raus, unterhalten sich und blödeln. Da mischen sich um alle Ecken des Stadions die Fangruppen durch, ohne dass es irgend eine ordnende Hand benötigte. Und das, obwohl es für beide Teams eine richtungsweisende Partie war: Für Schweden ging es darum, den zweiten Gruppenplatz hinter Holland zu festigen und womöglich als bester Zweiter direkt zur EM zu fahren. Für die Finnen, eine bislang enttäuschende Quali mit einem Prestigeerfolg zumindest halbwegs zu retten.

Das altehrwürdige Råsunda

Südtribüne

Im Stadtteil Solna liegt fünf U-Bahn-Stationen vom Hauptbahnhof entfernt jenes Stadion, in dem Brasilien 1958 mit einem 5:2-Finalsieg gegen Gastgeber Schweden erstmals Weltmeister wurde. Bald aber droht dem in den 1930er-Jahren erbauten Stadion, das knapp über 30.000 Zuschauer fasst, das Ende: Weil in der Nachbarschaft die neue, moderne Swedbank-Arena erbaut wird, hat das Råsunda bald ausgedient und wird abgerissen. Das erste WM-Finalstadion, das komplett von der Bildfläche verschwindet: Alle anderen, wie jenes von Rom 1934 oder Bern 1954, wurden „nur“ renoviert oder neu erbaut.

Haupt- und Nordtribüne

Auch bei der EM 1992 war das Råsunda eines der vier Stadien (u.a. mit dem Semifinale Schweden-Deutschland), das neben denen in Göteborg, Malmö und Norrköping das Turnier ausrichtete. Und das schwedische Nationalteam spielt alle wichtigen Heimspiele ebenso in diesem Stadion, in dem auch der schwedische Verband SvFF untergebracht ist und der Traditionsklub AIK spielt. Nicht umsonst prangt über der Haupttribüne groß „Willkommen im Råsunda-Stadion, Schwedens Nationalarena für Fußball“.

Finnland im Abwärtstrend

Das finnische Team war lange Jahre ein solides Platz-drei-Team – nichts außergewöhnliches, aber ein solides Mittelklasse-Team mit dem einen oder anderes Legionär. Lange lebte das Team von Stars wie Jari Litmanen und Sami Hyypiä und man verfügte in Jussi Jääskeläinen über einen soliden Torhüter. Solche Spieler gibt es im aktuellen Kader (Video: Aufstellung der Finnen) vom derzeitigen Teamchef Mixu Paatelainen nicht. Weit und breit nicht.

Schweden - Finnland 5:0

Das beginnt vorne, wo mit Mikael Forssell ein Stürmer die Spitze im 4-2-3-1 gibt, der bei Hannover überhaupt keine Rolle spielt. Und das endet hinten, wo Petri Pasanen (schreckliche Saison in Bremen) und der Rapidler Markus Heikkinen (ja eigentlich eher ein Sechser) das Duo vor Torhüter Anssi Jaakkola (vom schottischen Mittelständler Kilmarnock) geben.

Und dann passt es dazu, dass mit dem Mittelfeld der eigentlich noch am besten besetzte Mannschaftsteil gegen das klar besser besetzte Zentrum der Schweden einfach nicht auf der Höhe war. Nicht die Eremenko-Brüder, nicht der CL-erfahrene Mika Väyrynen (lange bei Eindhoven), und auch nicht Serie-A-Stammspieler Perparim Hetemaj von Brescia. Das Mittelfeld schaffte es nicht, das Spiel an sich zu reißen, und die Abwehr war der reinste Torso.

Ohne Zlatan, wichtigster Mann Bajrami

Vom System her macht es bei Erik Hamrén keinen Unterschied, ob Zlatan Ibrahimovic spielt oder nicht – so oder so ist es ein 4-2-3-1 (Video: Aufstellung der Schweden). Aber in der Spielweise gibt es sehr wohl einen Unterschied.

In der ersten halben Stunde war Emir Bajrami (Nr. 6), nur notdürftig bewacht von Kasper Hämäläinen, der wichtigste Mann im Angriffsspiel der Schweden

Weil er nicht ganz fit war, musste Ibra erst einmal auf der Bank Platz nehmen, Johan Elmander spielte ganz vorne und Ola Toivonen hinter ihm. In der halben Stunde, bis Ibrahimovic für den dann ebenso angeschlagenen Toivonen kam, lief das Spiel der Schweden hauptsächlich über die Außen, und hier über den sehr präsenten Emir Bajrami von Twente Enschede. Vor allem die hohen Flankenwechsel von Mikael Lustig auf Bajrami fanden immer wieder punktgenau ihr Ziel, zudem wurde er gut unterstützt vom Neo-Gladbacher Oscar Wendt. Johan Elmander bewegte sich viel, konnte aber weder von Bajrami noch von Toivonen und Larsson wirklich eingesetzt werden.

Dennoch war Schweden die klar bessere Mannschaft und als Ibrahimovic nach einer halben Stunde reinkam, stand es nach einem Freistoß von Källström, der an allen vorbei gehüpft war, bereits 1:0.

Mit Zlatan und seinem Spielkamerad Heikkinen

Mit den Bewegung der Sturmspitze war’s vorbei, als eben der Milan-Star unter tosendem Applaus den schwedischen Teils der 32.200 Zuschauer im ausverkauften Råsunda kam. Elmander ging zurück auf die Zehn und Ibrahimovic suchte sich sofort jenen finnischen Innenverteidiger, der noch wackeliger war als der andere – nämlich natürlich Markus Heikkinen, der für jeden im Stadion ersichtlich schon mit dem fleißigen Elmander seine liebe Not hatte. Zlatan wich dem Rapidler minutenlang nicht von der Seite und das zeigte schnell Wirkung.

Ibrahimovic wich Heikkinen lange nicht von der Seite

Kaum ein paar Minuten auf dem Platz, hob Heikkinen nämlich im offensichtlichen Halbschlaf das Abseits auf, wodurch Ibrahimovic sofort das 2:0 besorgen konnte, kurz darauf verlor Heikkinen in der Vorwärtsbewegung gegen Sebastian Larsson den Ball, der brauchte den in der Mitte völlig frei stehenden Ibrahimovic nur noch bedienen – das 3:0. Kurz vor der Pause strich noch ein Freistoß des Superstars knapp über die Latte.

Das erstaunliche: Ibrahimovic hatte nun eine gute Szene nach der anderen, obwohl seine Laufleistung eigentlich lächerlich ist und sein Arbeitsaufwand gleich Null. Er lässt die anderen arbeiten und lauert auf die Zuspiele, die er mit seiner Klasse und seiner Kaltschnäuzigkeit dann auch ausnützt.

Heikkinen geht, Hühnerhaufen bleibt

Der bemitleidenswert hilflose und heillos überforderte Heikkinen wurde in der Halbzeit von seinen Qualen erlöst, entscheidende Sicherheit gewann die finnische Defensive mit Markus Halsti (vom schwedischen Meister Malmö) aber auch nicht: Das Abwehrverhalten bei einer ganz ordinären Freistoßflanke, die Ibrahimovic drei Meter vor dem Tor völlig alleingelassen in aller Ruhe zum 4:0 einköpfen konnte, demonstriert die ganze Lächerlichkeit der finnischen Defensive an diesem Tag.

Die restliche halbe Stunde ließen es die Schweden dann deutlich ruhiger angehen, ehe zehn Minuten vor Schluss ein sensationeller Pass von Ibrahimovic noch Bajrami freispielte und dieser mit einem ebenso sehenswerten Heber zum 5:0-Endstand traf. Ein Ergebnis, das auch in der Höhe so in Ordnung geht – und dennoch wurden die Finnen von ihren durchaus zahlreich mitgereisten Fans gefeiert.

Trennung der Fangruppen? Weiter nicht notwenig

Während andere Gruppierungen schon bei 0:2 gegen den großen Rivalen einen medienwirksamen Spielabbruch provozierten, blieb hier aber auch nach dem 0:5-Debakel der Finnen zwischen den Fangruppen alles ruhig. Einziger kleiner Aufreger war eine einzelne Rauchbombe, die in der Schlussphase im finnischen Block hochging. Es folgte ein kurzes, beleidigtes Pfeifkonzert des restlichen Stadions frei nach dem Motto „ja, muss das denn sein?“, und das war’s dann auch schon wieder.

Etwas wortkarg, aber ohne das geringste Aggressionspotential mischten sich auch beim Abmarsch aus dem Stadion die finnischen Fans unter die schwedischen. Die Polizei war im Grunde nur damit beschäftigt, den möglichst reibungslosen Fluss der Zuschauer durch das Nadelöhr in die (pervers überteurete) U-Bahn zu organisieren. Wer ein Handyticket hatte, war da klar im Vorteil. Und wer die 40 Kronen, also umgerechnet 4,40€, für die Einzelfahrt (!) erst beim einzigen Schalter der Station beim wahrscheinlich langsamsten Ticketverkäufer Schwedens holen musste, war halt zum Warten gezwungen.

Aber nicht mal das war ein Problem, bei den relaxten Nordeuropäern.

(phe)

Alle Fotos: Philipp Eitzinger

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Über Philipp Eitzinger

Journalist, Statistik-Experte und Taktik-Junkie. Kein Fan eines bestimmten heimischen Bundesliga-Vereins, sondern von guter Arbeit. Und voller Hoffnung, dass irgendwann doch noch alles gut wird.