Wie kann man als klarer Favorit den unterklassigen Außenseiter überraschen? Indem man selbst defensiv spielt! Weil sich Lustenau die vier Offensivspieler gegen die sechs Rieder Defensiv-Kräfte nie wirklich zu helfen traute und Ried zum richtigen Zeitpunkt traf, ging der Plan der Innviertler im Cupfinale dann auch auf…
Grundsätzlich gibt es als höherklassiger Klub in einem Pokalspiel, zumal in einem Finale, zwei mögliche Herangehensweisen. Entweder, man spielt nach dem Motto „Wir sind klar besser und zeigen euch das auch“ – so (und mit gnadenloser Chancenverwertung) ist Schalke im deutschen Pokalfinale mit 5:0 über Duisburg hinweggefegt. Oder man überlegt sich etwas Spezielles für den Underdog und macht sich einen klaren Matchplan. So machte es Paul Gludovatz und sein Trainerteam in Ried.
Das betraf nun weniger sein System und dessen Besetzung, das 3-3-3-1 und die auflaufenden Spieler sind allesamt diejenigen, die schon die ganze Saison über den Etablierten der Bundesliga das Fürchten lehrt. Nicht zu erwarten war dafür, dass die der Favorit – und das waren die Rieder nun mal, auch wenn sie diese Rollen nach Kräften von sich weggeschoben hatten – sich zurücklehnte, den Zweitligisten kommen ließ, ihn locken wollte.
Sechmal Defensive, viermal Offensive
Der erste Cupfinalist aus Vorarlberg, das Lustenauer Team von Edi Stöhr, spielte in einer Art 4-2-4, das sich von einem 4-2-3-1 ableitete. Mit der gewohnt klaren Trennung zwischen Defensiv- und Offensivspielern: Wie schon über die Saison gesehen war die Mittellinie für die Außenverteidiger wie eine unsichtbare Wand, trotz zwei Dritteln Ballbesitz für Lustenau. Harald Dürr gab den tief stehenden Sechser, der die zentrale Figur in der Spieleröffnung gab; Mario Leitgeb mehr als mögliches Bindeglied.
Die vier Spieler vorne hatten kein fixes Schema, an das sie sich hielten, sondern rochierten viel und versuchten, die dichte Rieder Defensive durch viel Laufarbeit und viel Bewegung auseinander zu reißen. Karatay etwa, an sich die Sturmspitze, ließ sich immer wieder zurück fallen, Roth und Micic wechselten immer wieder die Flanken, mitunter ging auch Roth ins Zentrum. Das alles hing davon ab, wo sich Sascha Boller gerade aufhielt: Der Spielmacher, der vor der Saison aus der vierten deutschen Liga gekommen war, ist der unumstrittene Boss im Angriffsspiel der Lustenauer. Alles geht über ihn.
Viel Lustenauer Ballbesitz
Der Außenseiter hatte so viel Ballbesitz sichtlich nicht erwartet und tat sich dementsprechend schwer, das auch zu nützen. So wurde der Ball viel in der eigenen Hälfte zwischen der Viererkette und Dürr hin und her gespielt, ehe der lange Steilpass auf Boller gesucht wurde. Die Rieder hatten keine Probleme, sich mit dieser Eindimensionalität zu arrangieren und sie ließen sich auch von den vielen Rochaden nicht aus ihrer Grundordnung reißen. Flo Mader spielte so halt ein wenig tiefer als gewohnt; Brenner und Schrammel mussten etwas mehr nach hinten arbeiten als das erwartet worden war.
Die Lustenauer blieben bei alldem auch deshalb so harmlos und ohne echten Nachdruck, weil sich die Außenverteidiger erst nach etwa 25 Minuten trauten, aufzurücken. Bis dahin standen vier Lustenauer gegen sechs Rieder, und so gelang es nie, wirkliche Torgefahr zu erzeugen. Erst als Zech und Soares (und auch Dürr im Zentrum) mehr mit nach vorne gingen, war ein dauerhafteres Festsetzen in der Rieder Hälfte möglich.
Alles über die Außen
Logischerweise, bei nur zwei Spielern in der Zentrale, lief das Angriffsspiel der Rieder nur über die Flanken – eh nichts neues. Bei Balleroberung schaltete Ried schnell um, und zwar nach dem immer gleichen Muster: Via Brenner bzw. Schrammel werden die Außenstürmer Lexa und Royer bedient, jeweils mit Carril als möglichem Doppelpasspartner. Ist es möglich, Hammerer schnell zu bedienen, der Pass in die Mitte. Gelang das nicht, lief sich Royer oftmals fest; Lexa versichte sich eher am hohen Flankenwechsel, um Royer zu bedienen.
Auch zog Lexa merklich nach innen, während Royer die Linie ziemlich hielt. Brenner hinterlief Lexa (der Soares aus der Position zu ziehen versuchte) aber nicht so oft wie gewohnt, das Bewachen von (zumeist) Roth hatte da Vorrang. Das Konterspiel der Rieder brachte aber nicht allzu viel ein, weil es nicht gelang, Hammerer aus dem Spiel heraus wirklich zu versorgen und Carril duch die defensive Rolle von Mader wenig Unterstützung hatte und kaum zur Geltung kam.
Lustenau klopft an, aber Ried öffnet die Tür zum Sieg
Die erste wirklich dramatische Szene vor dem Rieder Tor ließ bis zur 39. Minute auf sich warten. Die nun doch mutiger werdenden Vorarlberger trafen dabei sogar den Pfosten: Karatay kam von der linken Angriffsseite zu einer Flanke auf Roth, dieser verpasste zwar, aber der Ball ging noch an den Pfosten – Glück für die Rieder, Gebauer wäre machtlos gewesen.
Alles andere als machtlos war zwei Minuten später Lustenau-Goalie Alex Kofler, doch der gebürtige Kärntner entschloss sich bei einer Mader-Ecke von links zu spät zum Herauslaufen und Hammerer konnte am herausstürmenden Torhüter vorbei völlig unbedrängt zum 1:0 einköpfen. Wie heißt es so schön? Wenn er rausgeht, muss er ihn haben… Und als weitere zwei Minuten später Royer das erste Mal eine Flanke wirklich in den Strafraum brachte, schaffte es Carril tatsächlich, aus kürzester Distanz nicht zu treffen.
Gleiches Spiel, weniger Kräfte
Zu Beginn der zweiten Hälfte stellte sich das Spiel sehr ähnlich dar wie über weite Strecken des ersten Spielabschnitts – zurückbleibende Außenverteidiger bei Lustenau inklusive. Ob nun Edi Stöhr das Risiko scheute oder nicht, bis auf den etwas schwächelnden Jan-Marc Riegler hielt die Rieder Defensive der nun wiederum auf vier Mann geschrumpften Lustenauer Offensive weiterhin stand. Kein Wunder, mit einer Zwei-Mann-Überzahl vor dem eigenen Tor.
Der Unterschied zur ersten Halbzeit war bei den Vorarlbergern aber die Intensität des Spiels. Der extrem hohe läuferische Aufwand, den vor allem Boller betrieben hatte, forderte nun seinen Tribut. Die Kräfte beim Außenseiter ließen zunehmend nach, und ohne einen Boller bei voller körperlicher Einsatzfähigkeit schaffte es Lustenau immer weniger, Angriffe auch fertig zu spielen. Viele Versuche wurden nun viel zu überhastet abgeschlossen, die Passgenauigkeit nahm ab, die eher verzweifelten Fernschüsse zu.
Ried macht den Sack zu
Und als sich in der 67. Minute Royer bei einem seiner Tempoläufe durchsetzen konnte – diesmal nicht der Seitenlinie entlang, sondern nach innen ziehend – und nach einem Doppelpass mit Carril abzog, brachte Kofler nur noch reflexartig die Hand irgendwie an den Ball, wiederum staubte Hammerer geistesgegewärtig mit dem Kopf ab. Das 2:0 für die Rieder, natürlich war es die Vorentscheidung.
Stöhr nahm nun seinen Achter Leitgeb und den glücklosen Karatay raus und brachte mit Rotter und Krajic zwei neue Offensivspieler; Rotter ging nun in die Spitze, Krajic etwas dahinter und Boller kam nun mehr selbst aus dem Mittelfeld, statt auf Anspiele von Dürr und Leitgeb zu warten. Aber trotz der beiden frischen Kräfte und dem einen Mann mehr als vorher, der es mit der Innviertler Hintermannschaft aufnahm, fehlte es an den Ideen des immer mehr am Zahnfleisch kriechenden Boller.
So war Ried in der Schlussphase einem eventuellen dritten Tor sogar noch näher. Doch auch so plätscherte das Spiel nach dem zweiten Treffer seinem Ende entgegen, ohne dass Lustenau wirklich noch so etwas wie ein leises Gefühl einer Aufholjagd verbreiten konnte. Die Version Brechstange, als Boller kurz vor Schluss einer weiteren Sturmspitze (Honeck) weichen musste, war da auch nur noch Kosmetik.
Fazit: Der Rieder Plan geht auf, Lustenau nicht gut genug
Das Vorhaben, den Außenseiter aus Lustenau in der ersten Halbzeit zu locken und die Vier-Mann-Offensive der Vorarlberger, die von hinten kaum Unterstützung erhielt, ging letztlich voll auf. Mit sechs gegen vier hatten die Innviertler vor dem Tor letztlich alles im Griff, von der einen Situation mit dem Pfostenschuss einmal abgsehen. Es war immer noch ein Rieder da, der die Lustenauer Angriffsversuche stoppen konnte.
Das 1:0 kurz vor der Pause spielte dem Favoriten natürlich zusätlich in die Hände. So konnte man Lustenau nach dem Seitenwechsel die letzte Luft rauslaufen lassen und dann selbst die Daumenschraube immer weiter anzuzuiehen. Und das Spiel mit dem zweiten Treffer dann auch zu entscheiden. Lustenau hat im Rahmen der Möglichkeiten alles gegeben, aber im Endeffekt wohl doch zu wenig riskiert – aus dem Mittelfeld und von den Außenverteidigern kam nie der Druck, der notwendig gewesen wäre, das lange recht passive Vabanque-Spiel von Ried entscheidend ausnützen zu können.
Und so krönt Ried eine tolle Saison mit dem verdienten Cupsieg.
(phe)