0:1 kurz vor der Pause? Für den FC Porto kein Problem! Das Team von Trainer-Shootingstar André Villas-Boas drehte nach dem Seitenwechsel brutal auf und überrannte die erstaunlich hohe Verteidigungslinie bei Villarreal. Und kann den Flug zum Finale in Dublin nach dem 5:1 mit vier Falcao-Toren schon buchen.
Ein vorweggenommenes Finale – so wurde im Vorfeld das Aufeinandertreffen der zwei wohl besten Teams der laufenden Europa-League-Saison betitelt. Wer auch immer hier weitergekommt, muss beim Finale in Dublin als großer Favorit gelten. Und nach einer ausgeglichenen ersten Hälfte zeigte die zweite Halbzeit, dass das nur ein Team sein kann.
Kein Zugriff auf den Strafraum
Die deutlich aktivere Seite bei Porto war jene über Álvaro Pereira. Der Uru marschierte viel nach vorne, obwohl von Cristián Rodríguez nicht allzu viel Unterstützung kam und Mourinho sich in seinem Positionsspiel eher zurückhielt. Darauf reagierte Villarreal aber sehr gut: Oftmals zog sich die Verteidigungskette zusammen und Cani bzw. Cazorla ließen sich auf Außenverteidiger-Positionen fallen, zudem machte Bruno Soriano die Mitte dicht. So war es mehr als nur einmal das Fall, dass Pereira zwar bis zur Grundlinie durchkam, aber im Zentrum keine Anspielstation fand – und so wieder den Rückwärtsgang einlegen musste.
Den Portugiesen fehlte es im Spielaufbau am nötigen Tempo, um die Defensive der Spanier auseinander zu reißen. So machte Falcao gegen Musacchio und Marchena überhaupt keinen Stich, und Sapunarus Vorstöße endeten oftmals schon am guten Cazorla, bzw. an Catalá, wenn Cazorla (wie es dem 4-4-2 von Garrido entspricht) im Mittelfeld einrückt. So blieben Porto zumeist nur Distanzschüsse. Diese ließen die Spanier zwar in erstaunlicher Häufigkeit zu, aber Diego López war immer auf dem Posten.
Selbst versuchte Villarreal, mit schnellen, steilen Gegenstößen zum Erfolg zu kommen. So tanzte Rossi immer hart am Rande des Abseits herum, während sich Nilmar ins Mittelfeld zurückfallen ließ und mitunter gar als rechter Mittelfeldspieler agierte, wenn Cani nach hinten ging. Porto hatte somit zwar den Großteil des Ballbesitzes, aber Villarreal war durchaus gefährlicher, hatte schon ein-, zweimal Pech im Abschluss, ehe kurz vor der Halbzeit doch noch das 1:0 fiel – ein langer Ball auf Nilmar auf der rechten Flanke, der passt schnell zur Mitte, und Cani nützte die Tatsache aus, dass Otamendi noch nicht rechtzeitig zurück geeilt war. Die hohe Verteidigungslinie, die Porto im Normalfall offensiv so stark macht, wurde defensiv bestraft.
Porto schlägt zurück – über rechts
Und beinahe wäre das in der 47. Minute gleich noch einmal passiert, als Cazorla nicht im Abseits stand und alleine auf Helton zulief – aber am Brasilianer scheiterte. So gab’s statt dem 2:0 für Villarreal praktisch im Gegenzug den Ausgleich: Falcao suchte den Kontakt mit dem herausstürmenden Villarreal-Goalie López, den fälligen (und korrekten) Elfmeter verwandelte er selbst.
Entscheidend war für die unglaubliche zweite Hälfte von Porto aber nicht nur der schnelle Ausgleich, sondern auch die Tatsache, dass die rechte Seite ganz massiv zulegte. Vor allem Guarín übernahm nun richtig Verantwortung, stellte sich deutlich höher als Moutinho auf der halblinken Seite, konnte Cazorla besser binden und gewährte so Sapunaru den Platz, den der Rumäne auch ausnützte. Und was noch hinzukam: Villarreal versuchte selbst, höher zu verteidigen – etwa auf Höhe der Strafraumgrenze – und das wurde den Spaniern letztlich auch zum Verhängnis.
Zweites Gegentor zeigt Wirkung
Den ganzen Willen, mit dem Porto das Spiel drehen wollte, zeigte Guarín selbst mit seinem 2:1 in der 61. Minute. Der Kolumbianer setzte sich über seine rechte Seite durch, traf erst noch den Pfosten, ehe er den Nachschuss versenkte. Die Spieler von Villarreal standen nicht nur erst zu hoch, sondern dann auch noch staundend daneben.
Die Portugiesen hatten nun erkannt, wie verwundbar Villarreal über die linke Abwehrseits, namentlich Catalá, ist. Zudem wurde das durch die Einwechslung von Mubarak Wakaso (für Borja Valero) um nichts besser – der Ghanae ging nominell auf die rechte Mittelfeldseite, stand aber sehr weit im Halbfeld um Guarín zu empfangen. Das ging gar nicht gut – denn so konnten Sapunaru und vor allem Hulk mit Catalá machen, was sie wollten. So wurde auch das 3:1 über diese (in dieser Situation komplett vewaiste) Seite vorbereitet, und letztlich auch das 4:1, als ein Freistoß von der halbrechten Seite in den Strafraum flog und die hoch stehende Abseitsfalle der Spanier überlistet wurde.
Villarreal geschlagen
Die Außen hielten nicht dicht, und auch das Zentrum mit Musacchio und Marchena wackelte immer mehr – die beiden hatten Falcao, der in der ersten Hälfte überhaupt nicht zur Geltung kam, überhaupt nicht mehr im Griff. Und so konnte der Kolumbianer in der Nachspielzeit aus einem Eckball auch noch sein viertes Tor markieren – das 5:1.
Villarreal hatte in der Schlussviertelstunde auf ein 4-1-3-2 umgestellt, was aber nicht funktionierte: Hinter der Mittelfeldreihe konnte sich Porto problemlos ausbreiten, vor allem Guarín und Hulk waren nicht zu stoppen und Falcao braucht nun mal nicht viele Chancen.
Fazit: Sensationelle zweite Hälfte
Vor der Pause fand Porto nicht so richtig den Zugriff auf den Strafraum der Spanier, dann wurde auch noch die hohe Verteidigungslinie bestraft. Doch es spricht für diese Mannschaft, wie sich Porto von diesem Nackenschlag erholt hat. Denn nicht nur, dass sie sich nicht vom Rückstand beirren ließen, die Portugiesen spielten in der zweiten Hälfte ganz groß auf und fanden den defensiven Schwachpunkt. Und dieser wurde gnadenlos angebohrt. Entscheidend dafür war die Leistungssteigerung von Guarín, der so nicht nur selbst gute Aktionen zeigte, sondern auch den Weg für Hulk freimachte.
Damit ist das Rückspiel nur noch Formsache. Und mit der sensationellen zweiten Hälfte bestätigte Porto natürlich auch die Rolle als ganz großer Favorit auf den Titel.
(phe)