Es war der 23. Februar 2002 – und eine Niederlage gegen Beira-Mar. Und zwar noch im alten, längst abgerissenen Estadio das Antas. Als José Mourinho zuletzt ein Liga-Heimspiel verlor! Und was danach Teams wie Benfica, Manchester United, Arsenal oder der AC Milan nicht schafften, gelang nun – Sporting Gijón…
Wer Barcelona und Valencia Punkte abknöpft, wer Villarreal gar schlägt – muss sich der wirklich vor Real Madrid fürchten? Erstaunlich ist es ja schon, dass Abstiegskandidat Sporting Gijon ausgerechnet gegen die Großen immer wieder gut aussieht, in dieser Saison. Obwohl Trainer Manolo Preciado eine komplette No-Name-Truppe unter seinen Fittichen hat – lediglich der frührern Glasgow Ranger Nacho Novo könnte einem schon mal untergekommen sein. Der Ex-Rapidler Mate Bilic war bei Gijon nicht dabei.
Genauso wie Cristiano Ronaldo, Xabi Alonso, Marcelo und Karim Benzema beim Team von José Mourinho, dem klaren Favoriten. Statt ihrer spielten Adebayor vorne, Arbeloa links hinten, Lassana Diarra vor der Abwehr – und Esteban Granero im zentralen offensiven Mittelfeld. Denn Mourinho setzte Özil, der sonst dort spielt, auf die rechte Seite, Di María ging auf seine „natürlich“ linke.
Natürlich übernahm Real sofort das Kommando und wäre in der 2. Minute auch schon in Führung gegangen, hätte es im Gewühl nach einem Freistoß nicht ein Foulspiel an Gijons Linksverteidiger Canella gegeben. Dieser musste umgehend ausgewechselt werden, statt seiner kam José Angel. Die Spielanlage von Gijon war nicht besonders kompliziert: Vor der Viererkette sollten Nacho Cases und Alberto Rivera dicht machen, sie standen zumeist auf einer Höhe und auch verhältnismäßig eng zusammen. Davor war es an den Außen Novo und De las Cuevas, die hoch stehenden Real-Außenverteidiger zu beschäftigen.
Tolle Zweikämpfe zwischen Di María und Lora
Das heißeste Duell der ersten Hälfte war aber jenes von Angel di María und Gijon-RV Alberto Lora, denn das Spiel von Real hatte ziemlichen Linksdrall. Granero suchte in der Zentrale immer eher Di María als den etwas isolierten Özil. Doch Di María konnte sich gegen den wuchtigen Lora nur selten wirklich durchsetzen, zudem ging dieser auch immer wieder frech nach vorne. Der Offensivplan von Gijon war klar: Bei Ballgewinn sofort explosiv von Defensive auf Offensive umschalten und mit so wenigen Pässen in so wenig Zeit wie möglich nach vorne zu Sturmspitze Barral kommen.
Das Umschalten klappte bei den Asturiern wunderbar, das mit dem bis nach vorne kommen weniger. Zu hektisch wurden die Konter vorgetragen, sodass der Ball schnell immer wieder bei Real landete. Wo es vor allem Innenverteidiger Ricardo Carvalho war, der quasi den Point Guard machte und den Ball oft weit nach vorne trug und das Spiel jenseits der Mittellinie eröffnete. Gijon aber versuchte, so hoch wie möglich zu stehen, die Räume schon im eigenen offensiven Mittelfeld so eng wie möglich zu machen und scheute sich auch nicht, auf die Favoriten zu pressen. So gelang es, Real zumeist vom eigenen Tor weg zu halten und mit einem 0:0 in die Kabinen zu gehen.
Gijons Kräfte schwinden
Je länger das Spiel nach dem Seitenwechsel allerdings lief, desto mehr ließen bei den Außenseitern, die einen hohen läuferischen Aufwand betrieben, die Kräfte nach. Hier hat Mourinho natürlich den Vorteil einer besseren Bank – und so konnte statt des bemühten, aber glücklosen Granero nach einer Stunde Gonzalo Higuaín sein Comeback nach viermonatiger verletzungsbedingter Zwangspause geben. Der Argentinier reihte sich halblinks hinter Adebayor ein und rückte von dort in den Strafraum, wenn Ramos hinter ihm nach vorne kam.
Özil ging dafür in die Mitte, allzu viele Chancen ergaben sich zunächst aber nicht. Auch, weil Lora mittlerweile Di María komplett den Zahn gezogen hatte. Den Kräfteverschleiß bei Gijon merkte man in dieser Phase zuerst bei den Kontern: Es wurde längst nicht mehr so schnell umgeschaltet, die Pässe wurden immer ungenauer und die Bälle immer höher. Lediglich Miguel de las Cuevas auf der linken Seite konnte mit seinen frechen Einlagen immer wieder Richtung Strafraum ziehen.
Nachdem Gijon-Coach Preciado mit Eguren einen eher defensiveren Mann statt des Zehners André Castro gebracht hatte, war die Marschroute klar: Den Punkt verteidigen. Mourinho dafür brachte mit Pepe und dem jungen Canales eine neue linke Seite, besser als Di María und Arbeloa waren die neuen aber nicht.
Der Schock
Zufall war es keiner, dass die entscheidende Aktion des Spiels in der 79. Minute dann ausgerechnet über De las Cuevas lief. Der 24-Jährige – der einst auch bei Reals Lokalrivalen Atlético unter Vertrag stand – nahm Cases mit zum Doppelpass und sein trockener Schuss von der Strafraumgrenze fand via Innenstange den Weg ins Tor. Casillas war machtlos.
Ebenso machtlos, wie sich Gijon in der verbleibenden Spielzeit den wütienden Angriffen von Real gegenüber sah. Die Asturier waren am Ende endgültig stehend k.o. und ließen die Brechstangen-Versuche der Madrilenen im Grunde nur noch über sich ergehen. Alleine in dieser Phase vergab Real fast schon lächerliche Chancen. Unglaublich, dass der Ball den Weg ins Tor nicht mehr fand, sondern immer wieder in die Hände von Torhüter Juan Pablo…
Fazit: Real hätte leicht siegen müssen
Keine Frage, die Madrilenen hätten den Sieg absolut verdient gehabt, sie scheiterten letztlich vor allem in der zweiten Hälfte an der mangelhaften Chancenverwertung – womit der Titel gegen Barcelona bei de facto neun Zählern Rückstand weg ist. Das hinten mal einer reingeht, kann passieren, aber verloren hat’s diesmal die Offensive. Gijon hat tapfer verteidigt und mit hohem Aufwand sehr diszipliniert verteidigt. Als die Kräfte am Ende weg waren, half dann nur noch pures Glück und der sichere Torhüter.
Die Serie von Mourinho ist im 151. Spiel nun also Geschichte – gebrochen von einem tapferen, aber eher schmucklosen Team aus Gijon, das sich, vereinfacht gesagt, hinten reingestellt hat und kurz vor Schluss halt einen Konter gut abgeschlossen hat. Das war nichts glamuröses, das war nichts taktisch Außergewöhnliches. Aber Gijon hat sich so gut es ging an den Matchplan gehalten und es hat funktioniert – der Beweis, dass man Real an gewissen Tagen auch mit vollem Einsatz und etwas Glück schlagen kann.
Auch als Sporting Gijon.
(phe)