Endlich, endlich: Bei Liverpool geht es nach dem wochen- und monatelangen Hin und Her um die Finanzprobleme endlich wieder ums Sportliche. Viel erfreulicher ist die Situation da aber auch nicht – beim verdienten 0:2 im Derby bei Everton passte es vorne wie hinten nicht.
Wer sich fragte, bei welchem der beiden Underachiever die Verunsicherung in diesem Friendly Derby größer wäre, bekam schnell eine Antwort: Es war ganz eindeutig Liverpool, vor dem Spiel auf Platz 18 der Tabelle. Es dauerte nur wenige Minuten, bis Everton (Tabellen-17.) die Kontrolle über das Spiel übernahm – und das vor allem über die rechte Angriffsseite.
David Moyes stellte sein Team in einem 4-4-2 auf, wobei der giftige Cahill etwas hängend agierte und der bullige Yakubu Aiyegbeni als Stoßstürmer. Verzichten musste Everton auf den verletzten Wuschelkopf Marouane Fellaini, für den Belgier rückte John Heitinga – eigentlich ein gelernter Verteidiger – auf die defensivere Mittelfeldposition neben Mikel Arteta. Viel bekam Heitinga defensiv aber zunächst nicht zu tun.
Vor allem den extrem fleißige RM der Toffees, den Iren Seamus Coleman, bekam die Liverpool-Defensive nie in den Griff. Everton zog die Angriffe konsequent über jene Seite auf, auf der Paul Konchesky außen verteidigte (oder zu verteidigen versuchte) und wo der defensiv nicht ganz so versierte Joe Cole davor auf der Flanke aufgestellt war. Große Hilfe waren dabei die beiden weiteren Glatzköpfe in der Nähe nicht: Meireles hatte viel mit Arteta zu tun (der sich vermehrt auf die stärkere Seite orientierte) und mit Škrtel war der zumeist linke Innenverteidiger (er nahm Cahill in klassische Manndeckung…) schlicht und einfach eine Katastrophe. Alleine nützen konnte es das Heimteam zunächst nicht.
Everton geht dann doch in Führung
Es dauerte 20 Minuten, ehe Liverpool sich erstmal ein wenig aus der Umklammerung des ungeheuer aggressiven Pressings von Everton lösen konnte und mit dem Latten-Kopfball von Torres auch eine durchaus gefährliche Chance verzeichnen konnte. Aber das Gefühl, Everton könnte das Spiel aus der Hand geben, hatte man auch in dieser Phase kaum. Zu sehr schien Liverpool schon in dieser frühen Phase am Everton-Pressung zu verzweifeln.
Und die Toffees wurden nach einer halben Stunde dann auch für ihre ansprechende Leistung belohnt: Blöder Ballverlust von Lucas, beherzter Lauf zur Grundlinie (natürlich) von Coleman (der von Konchesky nur begleitet wird), Flanke – und Cahill ist da, um das 1:0 für Everton zu besorgen. Ergeben bestaunt von Škrtel, der meterweit von Cahill weg steht.
Everton lehnte sich in der Folge ein wenig zurück, kam aber bis zur Pause nicht mehr in Gefahr. Auch, weil Liverpool nicht in der Lage war, über die Seite des sichtlich angeschlagenen Osman – Maxi Rodríguez wäre da gefragt gewesen – wirklichen Druck zu erzeugen. Das versuchten die Reds erst nach dem Seitenwechsel, nachdem der Russe Diniyar Bilyaletdinov für Osman gekommen war. Eine Unsicherheit des defensiv bislang praktisch nicht geforderten Everton-LV Leighton Baines zeigte aber, das hier durchaus etwas möglich gewesen wäre.
Im Gegenzug allerdings konnte Kyrgiakos eine Everton-Ecke nur unkontrolliert vor den Strafraum klären, wo Meireles meilenweit vom völlig freien Arteta weg stand. Der Spanier drosch aus 20 Metern den Ball durch die Meute, vorbei am machtlosen Pepe Reina vorbei ins Netz – das 2:0, die Vorentscheidung. Wenn auch Liverpool beim Prachtschuss von Arteta Pech hatte: Yakubu, an dem der Ball nur um Zentimeter vorbeiging, stand klar im Abseits. Das hätte Schiedsrichter Webb abpfeifen können, wenn nicht müssen.
Die Toffees drehen an der Uhr
Im Wissen um die sichere Führung zog sich Everton, wie schon nach dem ersten Tor, wieder zurück. Dies eröffnete nun Liverpool die Möglichkeit, selbst deutlich mehr das Spiel an sich zu reißen. In dieser Phase waren es mit Gerrard (der der viel lief und versuchte, immer anspielbar zu sein) und Carragher (der als RV nicht nur seine Innenverteidigung zu dirigieren versuchte, sondern nun auch massiven Vorwärtsdrang entwickelte) genau die beiden Liverpool-Urgesteine, die das größte Herz zeigten.
Erstaunlicherweise hatte Everton-LV Baines mit dem nicht mehr allzu schnellen Carragher deutliche Probleme, allerdings wurde Bälle in die Zentrale zu Torres (von welcher Richtung auch immer) sichere Beute von Distin und Jagielka. Everton drehte nun an der Uhr und ließ das zwar nun etwas dominantere, aber auch recht harmlose Treiben Liverpools über sich ergehen. Schwung der falschen Natur kam erst wieder in das Spiel der Toffees, als in der 74. Minute Jermaine Beckford für den starken Arteta kam und in der 77. Minute eigentlich mit Gelb-Rot schon wieder vom Platz gestellt werden müssen. Ein dreckiges Foul gegen Škrtel ahndete Webb noch mit der gelben Karte, eine Unsportlichkeit (Beckford spielte sekundenlang weiter, als schon lange abgepfiffen war) nicht.
Hodgson hatte inzwischen auf ein 4-4-2 umgestellt (Ngog war für Lucas gekommen); Moyes nur innerhalb seines Systems (Hibbert spielte am Ende RV, dafür Neville im DM; außerdem übernahm Cahill die Position von Arteta und Beckford ging in die Spitze). Das alles änderte aber nichts mehr an der Natur des Spiels: Liverpool versuchte weiterhin, gegen die nun tief und massiert hinten stehenden Toffies irgend etwas Kreatives zu Wege zu bringen. Das gelang kaum. Und Everton versuchte, die Führung ohne großes Aufsehen über die Zeit zu bringen. Das gelang gut.
Fazit: Verdienter sich der besseren Mannschaft
Everton war die deutlich präsentere, kompaktere und in sich besser funktionierende Mannschaft und hat diese Spiel daher auch verdient mit 2:0 gewonnen – auch wenn das zweite Tor eigentlich nicht hätte zählen dürfen. Bei Liverpool kommt derzeit einfach alles zusammen: Im Kader findet sich kaum noch eine Handvoll echter Klassespieler, und wenn dann noch so massive, von außen zugeführte Verunsicherung dazukommt, führt eines zum anderen.
Was diese Mannschaft braucht, wäre ein Erfolgserlebnis. Denn die Troubles im Umfeld dürften nun für’s Erste bereinigt sein, Hodgson und die Mannschaft können sich nun wirklich auf das Sportliche konzentrieren. Und das ist nach dieser einmal mehr deutlich unterdurchschnittlichen Performance auch dringend notwenig.
(phe)