Nach der WM ist vor der EM! Nämlich der U19-EM, die ab 18. Juli – also in knapp zwei Wochen – in der Normandie in Szene geht. Auch das österreichische Team ist dabei, dank des großartigen David Alaba. Das Ziel der Legionärstruppe kann nur heißen: Qualifikation für die U20-WM!
Es war zweifellos in erster Linie David Alaba zu verdanken, dass sich die ÖFB-Junioren das Ticket für das Turnier der besten acht Jahrgänge Europas lösen konnten. Jenem David Alaba, der schon mit seinen 18 Jahren Bundesliga- und Champions-League-Erfahrung mit dem FC Bayern machen durfte, und nicht zuletzt auch im Nationalteam gezeigt hat, dass er der talentierteste Österreicher am Platz war. Jenem David Alaba, den U19-Teamchef Andi Heraf gar nicht erst versucht hatte, einzuberufen, weil er einen Korb des FC Bayern (lächerlich) und von Didi Constantini (schon eher) fürchtete. Dass nichts schlimmeres als ein harmloses „Sorry, geht nicht“ gedroht hätte – anderes Thema.
Nur Aleks Dragovic, jetzt schon einer der besten Innenverteidiger der österreichischen Bundesliga – wenn nicht sogar schon der Beste – fehlt im Aufgebot, das Andi Heraf für das am 18. Juni beginnende Turnier nominiert hat. Der Bursche bekam von der Austria nicht frei. Die Violetten begründen dies mit dem Saisonstart, der auch heuer wieder lächerlich früh daherkommt. Dass es bei Sturm vor einigen Jahren wegen der Abstellungen für die damalige U19-EM genauso möglich war, das erste Saisonspiel auf September zu verlegen, wie Rapid letztes Jahr wegen eines belanglosen Freundschaftsspiels (!) – anderes Thema.
Zumal ja noch lange nicht fix ist, ob Dragovic überhaupt bei der Austria bleibt. Seinem Marktwert hätte es sicher nicht geschadet, die Spiele in Frankreich mit zu machen (von der unbezahlbaren Turnier-Erfahrung mal ganz zu schweigen), und wenn die Austria ihn noch verscherbeln will, dürfte sie ihn im Europacup womöglich ohnehin nicht einsetzen. Aber da siegten einmal mehr die Egos von Vereinen über die Vernunft. Sei’s drum – auch so kann die Mannschaft was. Sie kann wahrscheinlich sogar wesentlich mehr, als Heraf aus ihr herausholt.
Der unumstrittene Boss am Platz ist natürlich David Alaba. Der Jungstar kann im Grunde jede Position spielen und ist mit seiner für sein Alter schon enormen Erfahrung und auch seiner enormen Klasse für diese Mannschaft unverzichtbar. Sein kongenialer Partner im Mittelfeld ist mit Christoph Knasmüllner ein weitere Stammspieler aus dem zweiten Team der Münchener Bayern, der in seinem zweiten Jahr beim Nobelklub schon Stammspieler und Leistungsträger in der zuletzt von Mehmet Scholl betreuten II. Mannschaft. Dazu kommt mit Christian Klem ein Rechtsfuß von Sturm Graz, der seit drei Jahren schon Stammspieler im Regionalliga-Team ist, aber sich in der Kampfmannschaft noch nicht wie erhofft durchsetzen konnte.
Dazu kommt Raphael Holzhauser. Der 1.93m-Hüne kommt aus der Rapid-Jugend und schoss die U19 des VfB zum Klassensieg und damit ins deutschlandweite Semifinale. Und mit Tobias Kainz vom SC Heerenveen steht noch ein Legionär zur Verfügung. Auch Robert Gucher, der im Winter als Stammspieler bei Serie-B-Team Frosinone zu Genoa wechselte und dort in der Primavera spielt und schon diverse Male auch im Kader der Kampfmannschaft war, steht zur Verfügung. Viel internationale Ausbildung also im Mittelfeld, garniert mit dem besten aus den heimischen Akademien, wie Georg Teigl und Marco Meilinger (Salzburg) und eben Klem (Sturm).
Das selbe Bild bietet sich im Angriff. Marco Djuricin von Hertha BSC erzielte für das (eher mittelmäßige) U19-Team der Haupstädter 13 Tore in 17 Einsätzen; und Andreas Weimann darf sich ebenfalls Stammspieler nennen – in der II. Mannschaft von Aston Villa. Er ballerte sein Team ins Reserves-Meistersachftsfinale gegen Manchester United, wo er erst im Elfemeterschießen unterlegen war – Weimann war einer jener beiden Villains, der seinen Penalty verwandelte. Als Alternative steht dann auch noch Andi Tiffner bereit. Der gebürtige Kärntner wurde in der Red-Bull-Akademie ausgebildet, stürmte zuletz für Blau-Weiß Linz in der Regionalliga Mitte und wird in der neuen Saison ins Austria-Dress schlüpfen.
Nur in der Abwehr dominieren die heimischen Kräfte, von Kapitan Michael Schimpelsberger einmal abgesehen. Der Holland-Legionär – der nicht nur im U19-Team die Binde trägt, sondern auch in der II. Mannschaft von Meister Twente Enschede – ist allerdings der einzige gelernte Innenverteidiger im Kader von Andi Heraf. Das mag durchaus als Schwachstelle gelten, und das hat sich schon in der Qualifikation gezeigt. In den drei entscheidenden Spielen gegen die Schweiz, Dänemark und Serbien gab es sechs Gegentore! Mit zwei Einschlägen pro Spiel wird bei der EM in der Normandie natürlich nichts zu holen sein.
Schimpelsbergers Partner in der Innenverteidigung dürfte in Abwesenheit von Dragovic ein anderer Austrianer werden, nämlich Emir Dilaver. Vor allem bei Flanken und hohen Bällen könnten die beiden aber durchaus Probleme bekommen – der eine misst 1.81m, der andere 1.83m. Hier wird viel darauf ankommen, in wieweit der gelernte Rechtsverteidiger Patrick Farkas von Mattersburg aushelfen kann. Womöglich stellt ihn Heraf aber auch gleich in die Zentrale, was auf der rechten Seite Platz für Mahmud Imamoglu (Vienna) machen würde – oder für Christian Klem, der auch ein brauchbarer Rechtsverteidiger wäre.
Als Linksverteidiger wird kein Weg an Lukas Rath vorbeiführen. Der 18-Jährige ist in Mattersburg der Nachfolger von Christian Fuchs, auch Rath darf trotz seines jungen Alters schon auf einen Saison als Bundesliga-Stammspieler zurückblicken. Im Tor wird der Austrianer Philipp Petermann stehen, der bei den Jung-Veilchen in der abgelaufenen Saison den zu den Profis aufgerückten Heinz Lindner recht ordentlich vertreten hat. Christian Petrovcic, der Ersatztorhüter von Regionalligist GAK, ist die klare Nummer zwei.
Bei dem Turnier in der Normandie treten wie erwähnt die acht besten U19-Teams des Jahres gegeneinander an, in zwei Vierergruppen, aus denen die jeweils ersten beiden ins Semifinale aufsteigen. Das wäre das Traumziel des ÖFB-Teams – aber der dritte Gruppenplatz würde schon reichen, um sich für die U20-WM im kommenden Sommer in Kolumbien zu qualifizieren. Vier Jahre nach den Erfolgen der Vor-Vorgänger in Kanada wäre das ein weiteren schönes Lebenszeichen und wieder viel Turniererfahrung für die jungen Burschen.
Und nur zur Verdeutlichung der Wichtigkeit und des Niveaus dieser Veranstaltung: 32 der Jungs, die 2007 neben Gludovatz‘ Team in Kanada waren, standen in den Aufgeboten zur WM der Großen in Südafrika, 17 davon als Stammspieler – vor allem Chilene (Isla, Medel, Sánchez, Vidal und Carmoa schlugen Österreich im P3-Spiel), Argentinier (Di María, Agüero und Romero), Mexikaner (Giovani, Vela, Juárez, Hernández) und auch zwei US-Amerikaner (Bradley, Altidore), die im Viertelfinale gegen Österreich verloren hatten. Und sechs Burschen aus Ghana, die vor nicht mal einem Jahr U20-Weltmeister wurden, waren auch in Südafrika dabei.
Den notwendigen dritten Gruppenplatz zu erreichen, wird aber wahrlich keine allzu leichte Aufgabe. Die Gruppengegner heißen (in dieser Reihenfolge) England, Frankreich und Holland. Wenn es gelingt, einen dieser drei hinter sich zu lassen, darf man ein großes Ziel als erreicht betrachten. Leider werden wir, so wie es aussieht, nur das Spiel gegen England zu sehen bekommen (Eurosport, ORF-Sport-Plus). Mehr wird’s leider wohl erst zu sehen geben, sollten unsere Burschen das Semifinale erreichen.
Aber eigentlich kann man ja eben schon mit einem dritten Gruppenplatz zufrieden sein. Ach ja: Traditionell starke Nachwuchs-Nationen wie Deutschland, Tschechien, Belgien und Ungarn sind gar nicht dabei. Aber das ist ein anderes Thema.
(phe)