Südafrika 2010 – Viertelfinale 4 | Wo ist der Glanz, den Spanien in den letzten Jahren verbreitet hat? Beim 1:0-Arbeitssieg gegen Paraguay tat sich die Furia Roja extrem schwer, und wieder rettete nur David Villa den Tag. Der Semifinaleinzug ist zwar verdient, wie ein Weltmeister agierte Spanien aber nicht.
Spanien – Paraguay 1:0 (0:0)
Damit war nicht ganz zu rechnen: Beide Teams verzichteten zu Beginn auf ihr assymetrisches System! Bei den Spaniern spielte war David Villa sehr wohl auf einer Position, die eher einem Linksaußen entspricht, aber weil auch Fernando Torres auf der anderen Seite häufig den Weg über die Außen suchte, spielten die Spanier in den ersten 15 bis 20 Minuten de facto mit zwei Außenstürmern, aber ohne einen Mann im Zentrum. Ziel wäre es natürlich gewesen, dadurch die Innenverteidigung auseinander zu reißen, um in den Mitte etwas mehr Platz zu bekommen, weil aber vor allem Riveros da ganz gut aufgepasst hat, ging dieser Plan nicht auf.
Und natürlich, weil die Paraguayer ihrerseits sehr früh pressten, das Kurzpass-Spiel der Spanier nicht zur Entfaltung kommen lassen wollten und das in den Anfangsminuten auch sehr gut gelang. Die beiden Spitzen Valdéz und Cardózo wechselten sich oft ab, wer tendenziell eher den Weg über die linke Außenbahn suchte (und somit Ramos beschäftigen sollte). Erst war es zumeist eher Cardózo, dann eher Valdéz, und gegen Ende der ersten Hälfte gingen beide eher über die Mitte.
Somit war zu Beginn des Spiels Ramos zwar nicht aus dem Spiel, aber gut beschäftigt – in den Anfangsminuten spielte sich praktisch das komplette Spielgeschehen vor den Trainerbänken ab. Erst, als Torres wieder mehr die Zentrale übernahm und Villa, wie gewohnt, einen klassischen Linksaußen gab, aus der spanischen Formation aus einem eher durchsichtigen 4-2-2-2 (wie es etwa Real Madrid ganz gerne spielt) wieder das assymetrische 4-2-3-1 wurde, gelang es den Spanien, die Kontrolle über das Mittelfeld besser zu übernehmen.
Die Paraguayer überließen dem Europameister nun viel Ballbesitz, attackierten aber immer noch sehr früh und durchaus aggressiv, sodass ein kontrollierter Spielaufbau bei Spanien nicht mehr möglich war. Zudem stellten sie die Passwege so gut dicht, dass Xabi Alonso als Quarterback zur Wirkungslosigkeit verdammt war. Spanien kontrollierte bis zum Schluss der ersten Hälfte somit den Ball, das Spielgeschehen hatten die in ihrem heute sehr klassischen 4-4-2 angetretenen Paraguayer ohne gröbere Probleme im Griff.
Das Angriffsspiel der Südamerikaner manifestierte sich nun zwar nur noch in Kontern, weil aber die flinken Valdéz und Cardózo immer eine potentielle Bedrohung darstellten, waren sich auch Puyol und Piqué in der spanischen Innverteidigung nie ganz sicher, inwieweit sie sich in die Offensive einschalten dürften. So wagte zwar Piqué den einen oder anderen Vorstoß (vor allem über die halbrechte Seite), entscheidende Impulse vermochte er aber nicht zu setzen.
Weil sich auch zu Beginn der zweiten Hälfte nichts gravierend änderte, brachte Del Bosque nach einer Stunde dann mit Fàbgreas einen zusätzlichen Mann für das Mittelfeld, aus dem ihm zu wenig Impulse kamen, um dort mehr personelle Alternativen anzubieten. Villa ging ins Zentrum für den ausgewechselten Torres, nominell war es nun ein 4-1-4-1 (bis Busquets als Sechser), aber Ramos und vor allem Capdevila sollten nun versuchen, über die Außen vermehrt Druck zu machen.
Was allerdings erst nach dem kuriosen Doppel-Elfmeter (Cardozo verschießt in der 59., Xabi Alonso verschießt im zweiten Versuch in der 61., Schiri Batres verweigert Spanien einen klaren weiteren Strafstoß nach einem Foul an Fàbregas beim Nachschussversuch) wirklich zu greifen beginnen konnte. Aber weil die Paraguayer weiterhin auch das spanische Aufbauspiel nicht schlecht unterbinden konnte, sah sich Del Bosque eine Viertelstunde vor Schluss gezwungen, den heute recht blasse Xabi Alsono aus dem Spiel zu nehmen und mit Pedro einen echten Außenstürmer ins Spiel zu werfen. Pedro kam vermehrt über die rechte Seite, über die sich Ramos heute nicht wie gewünscht in Szene setzen konnte.
Dass das Siegtor der Spanier wenige Minute vor Schluss aus einem Abstauber resultierte, der von der Stange zurückgeprallt war und selbst nur via Stange den Weg ins Tor fand, passte zum Bild. Genauso die Tatsache, dass es David Villa erzielte – von den sechs Toren der Spanier in diesem Turnier erzielte er fünf und bereitete das sechste vor. Paraguay-Teamchef Martine setzte nach dem 0:1 dann alles auf eine Karte, brachte mit Barrios (für Sechser Cáceres) einen dritten echten Stürmer und wäre fast noch belohnt worden, hätte Santa Cruz die Unsicherheit des einmal mehr etwas flatterhaften Casillas nützen können.
Fazit: Das 1:0 kann man aus spanischer Sicht bestenfalls als „Arbeitssieg“ bezichnen. Natürlich haben es die Südamerikaner dem Europameister extrem schwer gemacht und standen zumeist ausgezeichnet nicht nur in der Abwehr, sondern auch im Mittelfeld. Am Ende ist der spanische Sieg aber dennoch nicht unverdient, weil das Team von Vicente del Bosque über die 90 Minuten einfach mehr für das Spiel getan hat. Dennoch wurde deutlich, dass der Erfolg mit David Villa deutlich mehr an einer Einzelperson hängt, wie noch vor zwei Jahren beim EM-Titel. Und das darf den Spaniern durchaus Sorge bereiten und den Deutschen nicht unberechtigte Hoffnungen machen.