Südafrika 2010 – Tag 15 – Gruppe G | Zu 99,9% war es ja ohnehin schon entschieden – darum war der letzte Spieltag dieser Staffel auch spannungsarm. Portugal und Brasilien langweilen sich und Publikum mit einem faden 0:0, und die Ivorer holten sich beim 3:0 gegen Nordkorea zumindest noch einen Sieg.
Brasilien – Portugal 0:0
Nicht allzu hoch verlieren – das war wohl die Vorgabe von Queiroz vor dem Spiel seiner Portugiesen gegen Brasilien. Hinten sicher stehen, und kontern, wenn sich die Gelgenheit gibt. Dabei fingen Cristiano Ronaldo und Co. durchaus forsch an, mit einem 4-3-3 – und dem im Nordkorea-Spiel bewährten Tiago in der Mittelfeldzentrale statt des Bremsers Deco. Vor allem über die linke Seite, über die Shooting-Star Coentrão wieder viel Betrieb machte, lief in den ersten 15 bis 20 Minuten einiges. Doch war Cristiano Ronaldo, der als zentraler Stürmer aufgeboten wurde, wegen der brasilianischen Verteidigung nicht vergönnt, wirklich gefährliche Szenen auch vor dem Tor zu haben.
Mit Fortdauer der ersten Hälfte verlegten sich die Portugiesen immer mehr auf die Defensive, was aus der Grundformation eher ein 4-1-4-1 werden ließ. Vor allem die drei etatmäßigen Mittelfeldspieler (Tiago, Pepe und Meireles) standen sehr eng zusammen vor dem eigenen Strafraum, um den Gegnern nicht die Möglichkeit zu geben, sich in selbigen hinein zu kombinieren. Dazu zogen sich Linksaußen Duda (der ja in Málaga und auch im Team schon oft den LV spielt) und Rechtsaußen Danny oft sehr weit zurück, um die starken Flügel der Brasilianer zu bremsen.
Die Seleção war wieder im gewohnten 4-2-3-1 angetreten, aber mit eine komplett neuen Besetzung im offensiven Mittelfeld: Nilmar spielte für Robinho, zeigte aber eine äußerst diskrete Leistung und hat sich fraglos nicht für weitere Einsätze angeboten; Júlio Baptista ersetzte den gesperrten Kaká und spielte eher unauffällig; und Dani Alves durfte für den angeschlagenen Elano als Rechtsaußen ran. Eine Rolle, mit der sich der gelernte Rechtsverteidiger schnell anfreunden konnte, schließlich war er so viele seiner sonstigen Defensivaufgaben los. In der Tat agierten diese drei sehr weit nach vorne gerückt, sodass zuweilen fast eine Vierer-Angriffskette die portugiesische Defensive – zumeist vergeblich – auszumanövrieren versuchte.
Klar ging es für die Brasilianer in diesem Spiel im Grunde um nichts, und angesichts der Ungewissheit, wie die Spanier ihre Gruppe beenden würden, konnte man auch nicht das Resultat kontrollieren, um dem Mitfavoriten wenn möglich aus dem Weg zu gehen. Dass Dunga aber dennoch volle Disziplin einfordert, musste Felipe Melo sehen: Als sich der Sechser auf einen persönlichen Rachefeldzug gegen den ruppigen Pepe begab, musste er noch unmittelbar vor der Pause für Josué das Feld räumen. Die Höchststrafe.
In der zweiten Hälfte wurde noch ein wenig gewechselt und ein wenig der Ball hin und her geschoben, aber da Meldungen von einem möglichen Kantersieg der Ivorer ausblieben, verlor sich das Spiel in harmlosem Ballgeschiebe im Mittelfeld. Das Spiel, dass schon vor der Pause nicht viel hergab, schlief nun komplett ein; mehr als vereinzelte Versuche auf schnelle Vorstöße war von beiden Mannschaften nicht zu sehen. Der mit Abstand aktivste aller Beteiligten war Carlos Dunga, dem der lustlose Auftritt deutlich missfiel. Meireles konnte einen Querschläger von Lúcio nicht im Tor unterbringen; Der eingewechselte Ramires forderte mit seinem 25m-Schuss den portugiesischen Torhüter Eduardo erst in der Nachspielzeit zu einer ernsthaften Rettungstat – mehr war nicht.
Fazit: Es war kein zweites Gijon, aber man wurde von Beginn an das Gefühl nicht los, dass hier beide Mannschaften mit einem 0:0 bei geschonten Kräften vorzüglich leben konnten, zumal ja keiner wusste, mit welchem Resultat man Spanien aus dem Weg gehen kann. Womöglich war auch in den Köpfen der Brasilianer, dass sie mit einem Remis auch den Ivorern noch eine für deren Schweinereien im zweiten Spiel mitgeben könnte. So oder so, das war ohne Frage das bislang langweiligste und auch sinnloseste Spiel dieser WM.
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Côte d’Ivoire – Nordkorea 3:0 (2:0)
Die eingenordeten Koreaner begannen von der Formation genauso wie in den ersten beiden Spielen (also mit einem 5-3-2) und vom Spielverlauf her genauso wie in der zweiten Hälfte gegen Portugal: Völlig unterlegen. Die Ivorer haben die größte taktische Schwäche der Nordkoreaner – das Stellungsspiel der Außenverteidiger – natürlich erkannt und spielen daher konsequent über die Außen. Gervinho machte das besser, Kader Keita weniger effizient. Diese beiden tauschten auch permanent ihre Plätze, um die ohnehin schon überforderten Außenverteidiger Cha und Ji noch mehr zu verunsichern.
Zudem wurden die beiden gut von Eboué rechts (der sich als Außenverteidiger sichtlich wohler fühlt als noch im Mittelfeld) und Boka links unterstützt, weil diese beiden in der Rückwärtsbewegung praktisch nichts zu tun hatten. Yaya Touré machte den zentralen Ballverteiler, Didier Drogba zeigte im Sturmzentrum, was er draufhat – sinnbildlich die Szene, als sich ihm zwei Verteidiger in den Weg stellen und letztlich beide das Nachsehen haben. Zudem vermieden es die Koreaner, wie schon in den ersten beiden Spielen, allzu heftig in Zweikämpfe zu gehen. Logisch, aufgrund der körperlichen Statur der kleingewachsenen Asiaten. Aber dann hätte das Stellungsspiel wesentlich sicherer sein müssen und der Vorwärtsdrang, um Entlastung zu schaffen, viel deutlicher erkennbar.
So standen die komplett verunsicherten und körperlich um Lichtjahre unterlegenen Koreaner hinten drin und hofften, dass die Ivorer es nicht so flott angehen wie die Portugiesen. Weil aber die Ivorer wussten, dass nur ein Kantersieg ihnen die theoretische Chance auf das Achtelfinale erhalten würde, spielten sie natürlich gnadenlos nach vorne und führten folgerichtig nach zwanwzig Minuten schon mit 2:0. Die Afrikaner hatten Ballbesitz ohne Ende und nagelten den Gegner hinten weitgehend fest (mehr als einen Freistoß brachten die Nordkoreaner vor der Pause nicht zustande), verpassten es aber, die Führung noch weiter zu erhöhen.
Das führte sich auch in der zweiten Hälfte fort: Die Koreaner verteidigen viel zu nachlässig, standen oft viel zu weit von den Gegenspielern weg und sahen sich weiterhin rollenden Angriffen der Ivorer gegenüber. Diese realisierte dann aber doch, dass das Achtelfinale ein Wunschtraum bleiben wird, auch weil nicht annähernd das verdiente Kapital aus der drückenden Überlegenheit geschlagen wurde. So wurde das Tempo nach einer Stunde deutlich gedrosselt, auch die Genauigkeit der Angriffsbemühungen ging merklich zurück.
Der Sieg war nun sicher, allerdings auch, dass es nicht für das Achtelfinale reichen wird. Das sah man dem nun aufsteckenden Team der Ivorer auch an – da half auch die Einwechslung von Seydou Doumbia als viertem Stürmer nichts. Ja, es gab noch das 3:0, aber mehr als Kosmetik war das nicht mehr. Und bei den Koreanern? War es wieder einzig Jong Tae-Se, der sein durchaus vorhandenes Können zeigen konnte. Ein Mann von internationalem Format reichte aber um Längen nicht.
Fazit: „Sechs Stück waren locker drin“, bilanzierte der sky-Kommentator, und er hatte damit absolut Recht. Die Ivorer waren von der ersten bis zu letzten Minute das besser, reifere und gefährlichere Team. Die Koreaner versuchten von Anpfiff weg, die Niederlage im erträglichen Rahmen zu halten. Das gelang zwar, aber weniger wegen der eigenen Defensivstärke – von der war nichts mehr zu sehen – sondern am schlampigen Gegner.
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Das war die Gruppe G: Samba-Fußball war es nicht – aber das durfte auch keiner, der sich auch nur ein kleines bisschen mit Fußball beschäftigt, von diesem Team aus Brasilien erwarten. Unterkühlt und geduldig kamen sie zu zwei verdienten Siegen gegen die Koreaner und die Ivorer, im Spiel gegen Portugal tat sich dann keiner mehr weh. Es ist nicht anzunehmen, dass sich die Spielweise in der K.o.-Runde ändern wird. Aber die Antwort auf die Frage, wie das Team auf einen Rückstand reagiert, steht noch aus.
Auch für Portugal geht’s ins Achtelfinale. In erster Linie war es natürlich das 7:0 über Nordkorea, das die Gruppe de facto schon am zweiten Spieltag entschied, der vorsichtigen Nullnummer zum Auftakt gegen die Ivorer zum Trotz. Das Minimalziel ist nun erreicht, aber wirklich Bemerkenswertes gegen Teams mit Achtelfinal-Format war noch nicht dabei. In erster Linie an sich selbst gescheitert ist Côte d’Ivoire: Nicht konsequent genug das an sich gute Spiel gegen Portugal genützt, gegen Nordkorea nicht annähernd das Ergebnis geholt, das der hochüberlegenen geführten Partie entsprochen hätte – und so ist das Aus womöglich die gerechte Strafe für die Attentate auf die Brasilianer.
Und dann wäre da noch Nordkorea. Keine Frage, das 1:2 zum Auftakt gegen Brasilien war die beste Leistung, aber dieses Spiel gegen ein Team, das sich nur für den Sieg und nicht für das Ergebnis interessiert hat, ließ die Koreaner auch glauben, man könne zumindest halbwegs mithalten. Doch gegen Portugal wurde der Mannschaft sehr drastisch aufgezeigt, wie viel zum WM-Format wirklich noch fehlt; gegen die Ivorer hätte es leicht ein ähnliches Debakel geben können. Wenn das Team nicht aus seiner (natürlich auch politisch bedingten) Isolation herauskommt und sich öfter mit guten Teams misst, wird die Konkurrenzfähigkeit nicht steigen.