Südafrika 2010 – Tag 8 | Deutschland klarer Favorit gegen Serbien? Zu zehnt trotz ansehnlicher Leistung verloren. Die Amerikaner gegen Slowenien Favorit? Zur Pause schon 0:2 hinten. England gegen Algerien Favorit? Mit einer Leistung unter null Prozent nur 0:0…
Deutschland – Serbien 0:1 (0:1)
Die Serben reagierten auf das schlechte Spiel gegen Ghana und stellten das Mittelfeld um: Antić schickte sein Team mit einem 4-1-4-1 ins Spiel, mit Žigić als Solospitze, dahinter rückte mit Niković ein fünfter Mann ins Mittelfeld. Die Serben störten den im ersten Spiel so groß aufspielenden Gegner früh und nahmen den Deutschen somit die Luft und den Raum im Mittelfeld. So schafftes es die Serben, das deutsche Spiel aus dem spielstarken Mittelfeld gut zu kontrollieren.
Außerdem zeigte Krasić auf der rechten Seite eine wesentlich bessere Leistung als gegen Ghana und offenbarte so den jungen Linksverteidiger Holger Badstuber als Schwachstelle. Während nun also die rechte Seite über Lahm und Müller noch recht aktiv agierte, war Podolski auf links ziemlich auf sich alleine gestellt. Die Serben verteidigten gekonnt in die Mitte, machten die Flanken in der Abwehr kosequent zu. Die ins Zentrum gedrängten Angriff der Deutschen verliefen sich so in der engen Deckung. Und kam doch einmal ein Deutscher – meist Müller – zur Grundlinie durch und konnte Flanken, waren diese unbrauchbar.
Die kleinliche Regelauslegung des spanischen Spielleitern fand nach etwas mehr als einer halben Stunde in Klose ein Opfer – die Deutschen waren so ihrer Sturmspitze beraubt. Gleich konnte (natürlich) Badstuber einen serbischen Vorstoß nicht verhinden, Zwei-Meter-Mann Žigić setzte sich im Kopfballduell mit Mertesacker und Lahm durch, und Friedrich war im Zentrum gegen Jovanović nicht im Bilde. Dass dieses Duo verwundbar ist, konnten die Australier schon andeuten.
Ohne Klose vorne rückte Mesut Özil etwas weiter nach vorne, Müller und Podolski sollten vermehrt über die Seiten kommen. Das klappte vor allem nach der Pause, als sich die Deutschen etwas sammeln konnten, recht gut. Podolski über links kam zu einigen guten Aktionen, weil Gegenspieler Ivanović durch eine Verwarnung gehandicapt war. Dass Podolski den Elfmeter (nach einem weiteren lächerlichen Handspiel, diesmal von Vidić) die Riesenchance zum verdienten Ausgleich kläglich vergab, schockte das DFB-Team fast noch mehr als der Klose-Ausschluss.
Die Serben verlegten sich auch in Überzahl auf Konter, rückten aber oft eher behäbig heraus. Erstaunlich, dass es gerade der im ersten Spiel so enttäuschende Krasić war, der seine Mitspieler zu energischerem Konterspiel animieren musste. Löw brachte 20 Minuten vor Schluss Knipser Cacau und Wusler Marin für den müdegelaufenen Özil und den heute nicht ganz so starken Müller, dem Spiel tat dies aber nicht gut – genausowenig wie der Einsatz von Gomez statt Badstuber. Löw stellte somit auf eine Dreier-Abwehr um, mit Gomez und Cacau ganz vorne, Podolski und Marin auf den Flanken und Schweinsteiger (der sich bemühte, dem das Spiel aber zunehmend entglitt) und Khedira in der Speileröffnung. Da es den deutschen Angriffsbemühungen aber gegen Ende deulich an Durchschlagskraft fehlte, brachten die Serben den Sieg über die Zeit.
Fazit: Die Deutschen agierten zu zehnt deutlich zielstrebiger und mutiger als mit elf Mann gegen geschickt verteidigende Serben. Ein Punkt wäre wegen der starken Leistung zwischen Ausschluss und der Schlussphase verdient gewesen. Podolski hat diesen verschenkt.
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Slowenien – USA 2:2 (2:0)
Gegen die Algerier spielte Slowenien zwar nicht direkt eine gute Partie und fuhren einen Glückssieg ein, aber warum ändern, was zum Erfolg führt – also brachte Teamchef Kek dieselbe Aufstellung, nur Stürmer Ljubijankič spielte für Stürmer Dedič, auch die Spielanlage – die Mittelfeldzentrale im 4-4-2 unmissverständlich defensiv, Aktivität über die Außen – blieb unverändert. US-Teamchef Bob Bradley handhabte es ähnlich, brachte lediglich den nominell spielstärkeren Jose Torres im defensiven Mittelfeld neben Michael Bradley.
Alleine: Die Amerikaner rissen den Raum zwischen Defensive und den Offensiven viel zu weit auf. Dempsey über die linke Seite wurde komplett ignoriert, alles lief ausschließlich über Landon Donovan über rechts. Darauf konnten sich die Slowenen schnell einstellen, ebenso wie auf die langen Bälle, welche die US-Boys immer wieder in Richtung der Spitzen Altidore und Findley schlugen. Andererseits aber brachte Torres im zentralen Mittelfeld überhaupt nichts, war eine komplette Vorgabe. So durfte Valter Birsa das große Loch, das ihm in der US-Zentrale überlassen wurde, zum 1:0 nützen – von der Entstehung recht ähnlich dem frühen Gegentor gegen England. Auch das 0:2 kurz vor der Pause wurde über die Mitte vorbereitet.
Es gab bei den Amerikanern vor der Pause vier Totalausfälle: Eben Torres, und auch Stürmer Findley (die beide in der Halbzeit ausgetauscht wurden), dazu die rechte Seite mit Cherundolo und Dempsey. Teamchef Bradley reagierte: Er brachte mit Edu und Feilhaber Stärkung für das defensive Mittelfeld, und Donovan wechselte mit Demspey die Seiten. Zwar wurde Dempsey auch dort ignoriert, aber hinter dem starke Donovan blühte nun auch Cherundolo auf – so wurden vier Schwachstellen mit zwei Wechseln auf eine reduziert. Das schnelle Anschlusstor (natürlich durch Donovan über links) half den Amerikanern sichtlich.
Die Slowenen kamen nun durch die Mitte überhaupt nicht mehr durch, die eine Seite hatte mit Donovan alle Hände voll zu tun, die andere wurde von Bocanegra nun gut in Schach gehalten. Die Amerikaner verpassten es zwar, den Ausgleich zu erzielen, aber die Slowenen änderten ihre Spielanlage nicht grundlegend. Da sie das auch bei den diversen fließenden Systemänderungen der Algerier im ersten Spiel auch nicht taten, liegt der Verdacht nahe, dass sie sich in einer anderen Formation schlicht nicht wohl fühlen und ihre Leistung nicht abrufen könnten.
Als zehn Minuten vor Schluss die US-Boys immer noch hinten waren, stellte Bradley um: Er brachte mit Gomez einen Stürmer für Innenverteidiger Onyewu, stellte flugs auf 3-5-2 um. Mit Erfolg: Kaum war Gomez auf dem Platz zog er einen zusätzlichen slowenischen Abwehrspieler auf sich, sodass Michael Bradley freie Bahn zum verdienten Ausgleich hatte. Damit war Teamched Bob Bradley offenbar zufrieden, denn er zog nun Edu in die Abwehr zurück und spielte den Punkt mit einem 4-4-2 nach Hause. Und eigentlich hätte es ja 3:2 lauten müssen, aber da hatte das Schiedsrichtergespann etwas dagegen – warum auch immer.
Fazit: Das Spiel der Amerikaner hängt am Tropf von Landon Donovan, aber die kluge Umstellung in der Pause bescherte dem US-Team immerhin noch einen hochverdienten Punkt. Die Slowenen spielten das eine Spiel, das sie am Besten können und hätten damit beinahe das zweite Spiel gewonnen.
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England – Algerien 0:0
Die Algerier wechselten in ihrem ersten Spiel ständig das System, diesmal blieben sie ihrer eher eigentümlichen Formation weitgehend treu. Im Grunde war es ein 3-6-1, mit drei Innenverteidigern hinten (Bougherra, Halliche, Yahia), leicht vorgrückt zwei Flügelflitzer, die je nach Bedarf Außestürmer oder Außenverteidiger sind (Kadir rechts und Belhadj links), davor eine recht varbiable Viererkette im Mittelfeld (Boudebouz, Yebda, Ziani und Lacen), aus der einer – zumeist Yebda – wenn nötig als Sechser hinter diese Kette ging, und einem hängenden Stürmer in Matmour. Hier wird das ganze Dilemma der Algerier deutlich: Die absolute Harmlosigkeit vor dem gegnerischen Tor, denn es gibt einfach keinen einzigen Stürmer, der die Klasse dazu hätte.
Ansonsten sah das bei den Wüstenfüchsen aber äußerst gut aus. Die stockbiederen Engländer (ein 4-4-2, wie es klassischer, aber auch statischer kaum geht) sahen sich immer einer zahlenmäßigen Übermacht der Algerier gegenüber. Gerrard, nominell auf links, zog immer wieder in die Mitte, weil seine Außenbahn mit Kadir und Boudebouz zu war. Das Problem: In der Zentrale war auch nicht mehr, sondern gar noch weniger Platz. Lampard konnte von hinten nichts zeigen, Lennons Schnelligkeit verpuffte auf der rechten Seite völlig. Rooney ging dann, wie er es oft macht, ins Mittelffeld zurück, sah sich dort aber den selben Problemem gegenüber. Kurz gesagt: Das Spiel der Engländer war geprägt von lähmender Ideenlosigkeit.
Nach etwa 20 Minuten wurden die Algerier dann tatsächlich mutiger, tauchten mitunter minutenlang mit sechs Spielern vor dem englischen Tor auf. Alleine, der letzte Pass… kein Algerier kann einen solchen gut spielen, und kein Algerier könnte einen solchen verwerten. Es war vom System und von der Idee her wirklich gut von den Algeriern, aber es war halt leider auch schrecklich harmlos.
Hinten indes hatten die Nordafrikaner keine Mühe. Verirrte sich doch einmal in englischer Ball Richtung Tor, wurde zumeist konsequent aufgeräumt. Das Problem bei den Engländern war aber nicht nur die inexistente Kreativität, sondern auch, dass von der Bank genau gar nichts kam. Nach einer Stunde brachte Capello dann Wright-Phillips für Lennon. Positionsumstellung: Keine. Effekt: Keiner. Erst, als in der 74. Minute der schnelle Defoe für die Immobilie Heskey kam, wurde das Angriffspiel der Engländer etwas gefährlicher, weil weniger ausrechenbar. Als dann allerdings Crouch für Barry kam, verließ Capello der Mut wieder – Rooney ging ins linke Mittelfeld.
Der algerische Teamchef Saâdane brachte mit Abdoun (für Boudebouz) und Guedioura (für Ziani) nur positionsgetreue Wechsel, die am defensiv ja wunderbar funktionierenden System nichts änderten. Erst, als für die Nachspielzeit Mesbah in die Partie kam, stellte Saâdane noch kurz auf Viererkette, um das 0:0 über die Zeit zu bringen. Der Spezialwitz bei Saâdanes eigentümlicher Taktik, die extrem laufintensiv aussieht: Die Algerier hatten am Ende kulminiert sogar fünf Kilometer weniger abgespult als die Engländer…
Fazit: Die Engländer agierten erschreckend ideenlos, unkreativ und ohne jede Leidenschaft, und hätten gegen eine offensiv zumindest halbwegs taugliche Mannschaft todsicher verloren. Die Algerier spielten mit viel Herz, was sie können und wurden mit einem hochverdienten Punkt belohnt. Mehr wäre mit tatsächlichen Stürmer aber allemal drin gewesen.
(phe)