EuroLeague-Herbst, der vorletzte Akt

Ein vorletztes Mal in diesem Herbst tritt das österreichische Quartett auf der Europacup-Bühne auf. Die Bullen können schon aufsteigen – und für alle vier geht es noch um Punkte!

Es gibt zwei Rechnungen für Salzburg vor dem Heimspiel gegen Lazio. Verlieren sie gegen die Römer nicht, sind sie fix weiter – unabhängig von der Parallelpartie, unabhängig vom letzten Spieltag. Das ist die einfache Variante. Bleibt Salzburg gegen Lazio jedoch ohne Punkt, kommt es auf die Höhe an. Zumindest, wenn Villarreal (womit zu rechnen ist) bei Levski Sofia einen vollen Erfolg einfährt.

Das Team von Huub Stevens hat im Dreiervergleich  mit Lazio und Villarreal – der zum tragen kommt, wenn am Ende alle 12 Punkte haben – fünf Tore Vorsprung auf Lazio (v.a. wegen deren 1:4 bei Villarreal). Das heißt: Verlieren sie „nur“ mit einem Tor Unterschied, würde selbst ein 0:2 bei Villarreal am letzten Spieltag noch reichen. Bei einer höheren Niederlage gegen Lazio bräuchten die Bullen einen Punkt in Villarreal, um sich nicht auf Schützenhilfe aus Sofia verlassen zu müssen.

Was ein Vorteil für die Salzburger sein könnte: Das sportlich angeschlagene Lazio liegt nach zwölf sieglosen Ligaspielen in Serie nur noch einen Punkt vor einem Abstiegsplatz und hat am Sonntag das wohl wichtigste Spiel des Herbstes vor der Brust – das Derby gegen die Roma. Nicht nur, dass eine Derby-Niederlage so oder so schmerzen würde. Nein, gerade angesichts der angespannten Tabellensituation ist dieses Spiel gegen die Roma doppelt delikat. Und nicht nur sportlich gibt’s bei den Italienern Brösel: Der Scheich-Klub, von dem Stürmer Mauro Zárate vor anderthalb Jahren kam, hat bei der FIFA Anzeige gegen Lazio erstattet – es geht um Unregelmäßigkeiten beim Transfer…

Halbwegs realistische Chancen auf ein Weiterkommen hat noch Rapid vor dem Spiel in Hamburg. Gewinnen die Rapidler dieses Spiel und auch die Heimpartie gegen Celtic in zwei Wochen, sind sie sicher in der nächsten Runde dabei; auch andere Rechenmodelle verheißen noch den Aufstieg. Eines liegt jedoch allen zu Grunde: In Hamburg darf nicht verloren werden. Zwar rechnen sich die Grün-Weißen angesichts der recht angespannten Personalsituation bei den Norddeutschen, die im Hinspiel in Wien ja 0:3 untergingen, Chancen darauf aus; es gibt jedoch zwei Aspekte, die deutlich dagegen sprechen. Zum einen die interntionale Erfahung und die Cleverness des deutschen Spitzenteams. Zum Anderen die generelle Auswärtsbilanz von österreichischen bei deutschen Teams. Daheim ist selbige für die Unsrigen zwar deutlich positiv – aber in den Stadien der deutschen Bundesliga gab es für die Vertreter Österreichs in 24 Versuchen sagenhafte 22 Niederlagen und nur 2 Unentschieden bei einer Tordifferenz von 10:69. Der letzte Torerfolg gelang Jerzy Brzęczek für Tirol beim 1:3 in Stuttgart. Im November 2000.

Während man mit einem Aufstieg von Rapid zumindest noch spekulieren kann, ohne als kompletter Realitätsverweigerer dazustehen, sind die Hoffnungen der Austria kaum mehr als ein feuchter Traum. Beide verbleibenden Spiele – daheim gegen Bilbao und auf Madeira – müssten gewonnen werden, und die Basken dürften nach einer Niederlage in Wien auch daheim gegen Bremen nicht gewinnen. Letzteres ist kaum anzunehmen, schileßlich wäre Bremen, sollte es so weit kommen, zu diesem Zeitpunkt fast sicher schon Gruppensieger und würde somit aller Voraussicht nach einige Leistungsträger für die Bundesliga schonen. Doch ob es überhaupt so weit kommt? Ein voller Erfolg gegen Bilbao wäre dafür Pflicht, und wie stark die Basken sind, hat die Austria schon im Hinspiel gesehen. Vorne eiskalt, hinten recht sicher – das sollte für zumindest einen Punkt reichen, obwohl Bilbao auswärts erfahrungsgemäß oft schwächelt.

Gar keine Chance mehr aufs Weiterkommen hat indes Sturm, so hat die Reise nach Bukarest – wie auch das abschließende Heimspiel gegen Galatasaray – vorderhand nur noch den Charakter von Testspielen mit ordentlicher Prämie im Erfolgsfall. Bei Dinamo Bukarest, das die Strafe aus dem Skandalspiel gegen Slovan Liberec abgesessen hat und gegen Sturm nun nicht mehr vor leeren Rängen spielen muss, fallen Franco Foda zudem eine ganze Stange von Spielern aus: Haas und Kienzl sowieso, auch Hassler und Bukva sind verletzt, dazu muss Manuel Weber krank das Bett hüten und auch Petr Hlinka ist nicht ganz fit. Da wird Foda wohl experimentieren müssen und eine Mannschaft aufs Feld schicken, die so noch nie aufgelaufen ist. Bei Gegner Dinamo Bukarest – die Rumänen müssen unbedingt gewinnen, wenn sie ihre theoretische Chance aufs Weiterkommen wahren wollen – geht es indes auf der Trainerbank rund: Cornel Ţălnar ist bereits der Nach-Nachfolger von Dario Bonetti, der beim 1:0 der Rumänen bei Sturm im September noch das Zepter geschwungen hatte…

Bei allen Rechnereien und Spekulationen, was mögliche Aufstiege der österreichischen Vertreter angeht, darf man aber eines nicht außer Acht lassen: Es geht nicht nur um Punkte in der laufenden Gruppenphase, sondern auch um Zähler für die Setzliste. Das Defizit aus dem wegfallenden starken Jahr 2004/05, das für alle Österreicher gilt, ist grandioserweise schon ausgemerzt. Jetzt geht es noch für jeden Klub selbst darum, noch womöglich entscheidende Punkte mitzunehmen. Salzburg beispielsweise wäre in der vorletzten CL-Qualirunde dank der tollen laufenden Gruppenphase längst gesetzt – statt Dinamo Zagreb, wie heuer, bekäme man einen deutlich leichteren Gegner und hätte damit auch nächstes Jahr die EuroLeage-Gruppenphase so gut wie sicher. Bei noch ein paar Punkten mehr könnten die Bullen sogar in der Playoff-Runde gesetzt sein. Und auch die Chancen von Rapid wären intakt, im Falle eines Meistertitels unter die gesetzten 10 Teams in der vorletzten CL-Qualirunde zu kommen.

Die Austrianer kiefeln noch am Meisten am Wegfall er 04/05er-Punkte – schließlich waren sie es, die diese damals geholt hatten. So trifft die Violetten dieses Punktedefizit doppelt, sie konnten dies aber mit dem ansprechenden Europacup-Jahr zumindest halbwegs abfedern. Nur Sturm fehlen die internationalen Zähler der letzten Jahre – sie würden wohl auch kommendes Jahr darauf angeweisen sein, auf eigentlich schwache Riesentöter zu treffen (wie Petrovac, das Anorthosis Famagusta eliminiert hatte) oder über sich hinauszuwachsen (wie gegen die starken Ukrainer von Metalist Kharkiv).

Aber angesichts des bislang so erfreuilchen Verlaufs der Europapokalsaison gilt (v.a. für Rapid, Austria und Sturm) auch an diesem vorletzten EuroLeage-Akt in diesem Herbst: Kommen noch Punkte dazu, isses eine schöne Zugabe zum bisher Erreichten. Wenn nicht – auch kein Drama.

(phe)

Über Philipp Eitzinger

Journalist, Statistik-Experte und Taktik-Junkie. Kein Fan eines bestimmten heimischen Bundesliga-Vereins, sondern von guter Arbeit. Und voller Hoffnung, dass irgendwann doch noch alles gut wird.