Der Rotjacken-Verein, der Zombie: Zweieinhalb Jahre nach dem Finanz-Crash, der zum Aus des GAK in der Bundesliga führte, steht der Verein zum dritten Mal in weniger als drei Jahren vor der Zahlungsunfähigkeit. Geht es dem Untoten diesmal tatsächlich an den Kragen?
Wer GAK-Fan ist, den kann man nicht beneiden. Denn zum dritten Mal seit dem Frühjahr 2007 steht der Traditionsverein aus Graz vor den finanziellen Scherben seiner Existenz. Die sportlichen Leistungen des Österreichischen Meisters von 2004 interessieren schon längst kaum noch jemanden. Die wären mit einem dritten und einem zweiten Platz in der Regionalliga zwar gar nicht so schlecht, aber für Schlagzeilen sorgt nur der seit damals unvermindert zweifelhafte Umgang mit dem lieben Geld. Und das Chaos, das hinter den Kulissen seit Jahren fröhliche Urständ‘ feiert.
Rückblende, Frühjahr 2007: GAK-Präsident Stephan Sticher und Masseverwalter Norbert Scherbaum hatten mit einem Kraftakt den Konkurs (die anerkannten Forderungen betrugen 12 Millionen Euro) gerade so durchgebracht und peilten neinen Neustart in der Ersten Liga an. Allein, die Lizenz für eine Teilnahme am Profi-Fußball wurde dem GAK verweigert. So ging’s durch bis in die Regionalliga Mitte: Also gegen Grieskirchen, Bleiburg und die Sturm Amateure, statt gegen Rapid und Salzburg. Trainer Söndergaard und Präsident Sticher waren weg, die Mannschaft zerfiel komplett, nur Martin Amerhauser blieb dem Verein treu. Die Regionalliga wurde mit den Spielern der eigenen Amateure angegangen – diese erreichten zuvor einen mäßigen Mittelfeldplatz in der steirischen Landesliga. Dass damit der sofortige Aufstieg in die Erste Liga angepeilt wurde, wunderte Außenstehende ebenso wie der unverminderte Vollprofibetrieb auf dem Platz und in der Vereinsverwaltung. Das Budget für das erste Regionalliga-Jahr betrug wohl um die 2,5 Millionen Euro – und damit mehr als siebenmal so viel wie das der meisten Konkurrenten, trotz einer objektiv zwar talentierten, aber doch eher durchschnittlichen Mannschaft.
Was trotz eines beträchtlichen Zuschauerschnitts von über 2.000 Fans natürlich postwendend zum nächsten Konkurs führte, im Oktober 2007 war es soweit. Schon gegen Ende der Herbstsaison 2007 herrschte Untergangsstimmung, als einige Angestellte freigestellt werden mussten. Der zurückgeholte Harald Fischl, der nun als Vereinsboss agierte, fuhr einen seltsamen Schlingerkurs, zog sich im Winter zurück und überließ die Agenden Wolfgang Egi, mit dem die GAK-Fans niemals warm wurden. Im Herbst 2008 war auch der zweite Konkurs erfolgreich durchgebracht – nachdem schon im Sommer die Mannschaft kräftig aufgerüstet wurde. Mit wessen Geld Roland Kollmann, Diego Seoane, Robert Früstük und Enrico Kulovits bezahlt wurden, ist dabei nicht so wichtig – jedenfalls ging der Saisonstart 2008/09 fürchterlich in die Hose. Nach vier Spielen stand erst ein Pünktchen auf dem Konto.
Dass sich die Mannschaft fing und im Frühjahr Außenseiter Hartberg an der Tabellenspitze vor sich hertrieb, war überlebensnotwendig für den Verein, schließlich konnte nur ein Aufstieg in die Erste Liga die weiterhin angespannte Finanzsituation entspannen. Im kleinen Kreis soll der nunmehrige Präsident Kürschner gestanden haben: „Wenn wir nicht aufsteigen, müssen wir zusperren!“ Nun, aus dem Aufstieg wurde nichts. Und das Zusperren wurde auch erst einmal abgesagt. Einer Investorengruppe sei Dank, die seit dem zweiten Konkurs immer dann einsprang, wenn es eng wurde. Was in regelmäßigen Abständen der Fall war.
Doch aufgeschoben ist nicht aufgehoben, und so wurden jetzt die aktuellen Zahlen bekannt: Budgetiert war die Saison 08/09 mit 1,8 Millionen Euro, gedeckt waren 1,6 Millionen – und gekostet hat sie 2,2 Millionen Euro. Was ein Minus von rund 600.000 ergibt. Aus der aktuellen Saison steht der Verein nun auch schon mit weiteren 200.000 Euro in den roten Zahlen. Und vor allem diese sind akut, bestehen sie doch hauptsächlich aus den Spielergehältern, die seit dem Sommer nicht mehr ausbezahlt wurden! So wurde es Kollmann und Co. jetzt zu bunt. Wenn die Gehälter nicht schleunigst ausbezahlt werden, sind die Verträge nichtig, und der GAK stünde auch sportlich vor dem Nichts. Zumal es aus dem Aufstieg in der laufenden Saison wohl nichts wird: Zwar sind die Grazer als Dritter vorne dabei, weisen aber schon Respektabstand zum äußerst stabilen Spitzenduo auf.
Und als ob das alles nicht genug wäre, steppt auch auf der Führungsebene der Bär, der im GAK-Fall aussieht wie der Sensenmann persönlich. Seit dem Bundesliga-Aus tummelten sich allerhand Gestalten auf dem Chefsessel, die allesamt versuchten, in der Regionalliga den Profibetrieb aufrecht zu erhalten. Das war und ist das Hauptproblem bei den Roten: Jeder redet fröhlich mit, keiner hat wirklich Ahnung. Eine gemeinsame Linie, die man potentiellen Sponsoren, der Stadt Graz und dem Land Steiermark präsentieren hätte können, gab es nie. Hinzu kommt auch noch die „Teufelsrunde“, ein externes Gremium, dass seit langer Zeit um direkten Einfluss auf den Verein kämpft.
Eine astreine Profitruppe, eine Administraion wie ein Bundesliga-Verein, dazu das Trainingszentrum und die Akademie; und das alles ohne Einnahmen aus dem TV-Pool: Auf Dauer natürlich nicht zu machen. Was von den etwa 2.000 Zuschauern pro Heimspiel hereinkommt, ist zwar für einen Regionalligisten fein, kann den Betrieb aber auch nicht ausfinanzieren. Zuletzt warf auch noch Harald Rannegger entnervt das Handtuch: Der Ex-Vizepräsident hatte vehement dafür plädiert, sich (wenn auch schweren Herzens) von Kostenfaktoren zu trennen und einen nachhaltigeren Finanzkurs zu fahren, damit der Verein auch noch einige weitere Jahre in der Regionalliga überleben könnte. Gegen ihn setzte sich Präsident Kürschner durch, der nur eine Philosophie kennt: Kauf, koste es was es wolle. Zuletzt gab er zu Protokoll, dass er zurücktreten würde, sollte nicht für die kommende Saison ein Etat von 1,6 Millionen Euro aufgestellt werden könnte – das wäre sonst Pipifax, quasi unter seiner Würde. Hartberg, das dem GAK im Sommer 2009 den Aufstieg wegschnappte, hatte weniger als die Hälfte dieses Geldes zur Verfügung. Und bekam die Lizenz ohne Auflagen im ersten Versuch, während der GAK sie erst nach eine ausgiebigen Verhandlungsrunde im Nachsitzen bekam.
Andere gefallene Traditionsvereine, wie beispielsweise die Vienna, haben nach einem Beinahe-Zusperren in der Regionalliga die Zeichen der Zeit erkannt: Eine Abkehr vom Profitum, hin zu einem nachhaltigen Wirtschaften. Die Vienna war nach dem Abstieg 2001 vor dem Zusperren, stieg nun als schuldenfreier Verein wieder auf. Diesen Schritt hat man beim GAK nie genommen, das Akzeptieren der Tatsachen. Dass man eben nur noch ein Regionalliga-Verein ist, und nicht ein von allen bösen Instanzen von Bundesliga bis Finanzamt verstoßener Gymnasiast, der wieder in den Kindergarten muss. Es gibt nur einen Weg, wie der GAK mittel- und langfristig überleben kann: Indem man sich von Teilen des Trainingszentrums trennt, man nicht mehr in der teuren UPC-Arena spielt, die Kosten für die Verwaltung drastisch zurückfährt und eine Mannschaft beschäftigt, die nicht alleine pro Saison eine Million Euro verschlingt.
Natürlich sind das alles harte Einschnitte, und ein sportlicher Erfolg würde dadurch nicht gerade wahrscheinlicher. Aber es wäre wesentlich vernünftiger, als krampfhaft eine Bundesliga-Infrastuktur aufrecht erhalten zu wollen, und so von einem Konkurs in den nächsten zu schlittern. Als auf die Auszahlung der (auch nicht besonders hohen) Ausbildungs-Entschädigung für den Junuzovic-Abgang vor zweieinhalb Jahren zu hoffen, die schon in zwei Instanzen verweigert wurde. Als darauf zu vertrauen, dass Investorengruppe und Gönner jedesmal Hunderttausende Euro nachschießen, wenn es notwendig wird. Als sich in interne Machtkämpfe zu verstricken, anstatt eine ordentliche, einheitliche Linie zu verfolgen.
Und bei diesen dringend notwendigen Einschnitten sind auch die Fans gefordert. Denn so toll es ist, dass der GAK den zuschauerstärkste aller 48 Regionalliga-Teams in Österreich ist, es gibt immer wieder Gruppen, die sich nicht im Griff haben. So wie im Juni, als sich Frustrierte mit Polizei und gegnerischen Fans in Linz nach dem verpassten Aufstieg prügelten. So wie im September, als es während des Cupspiels gegen den FC Lustenau beim aussichtslosen Stand von 0:2 und mit einem Mann weniger eine Viertelstunde vor Schluss einen Platzsturm gab. So wie im Oktober, als eine Handvoll Mitgereister in Pasching mit Aussicht auf ein ordentliches 0:0 erneut den Rasen okkupieren wollte – von der überwiegenden Mehrheit der vernünftigen Fans konnte zumindest hier Schlimmeres verhindert werden. Solche Aktionen kosten dem Verein zusätzlich dringend anderswo benötigtes Geld und bringen ihn unnötig in Verruf.
Der GAK hat nichts, aber auch gar nichts aus den Ereignissen der letzten drei Jahre gelernt. Jeder neue Vereinsboss – sei es Sticher, Fischl, Egi oder Kürschner – ist nur damit beschäftigt, sklavisch an Profibedingungen festzuhalten und gleichzeitig krampfhaft die so entstehenden Löcher zu stopfen, anstatt dem Verein ein tatsächlich nachhaltiges Konzept zu verpassen. Denn selbst, wenn ein Aufstieg gelänge – was dann? Glauben die Verantwortlichen, dass sich in einer Ersten Liga alles von alleine regelt? Ja, die Zuschauereinnahmen würden wohl etwas nach oben gehen. Dazu kämen wohl rund 300.000 Euro an TV-Geldern (wobei auch hier die Frage offen ist, wie lange Sky tatsächlich noch Interesse an dieser Liga hat). Wohl auch ein Plus an Sponsoren. Aber alles in allem würde das wohl nicht einmal eine Million Euro ausmachen. Gleichzeitig steigen aber natürlich die Kosten: Die Mannschaft würde sicher nicht billiger, beispielsweise. Mit der aktuellen Finanzpolitik würde der GAK in der Ersten Liga ähnlich schlingern wie aktuell in der Regionalliga. Kein Wunder, dass die Bundesliga lieber zweimal genau hinschaut, ehe sie einem Risikofaktor wie dem GAK eine Profilizenz erteilt.
Die Regionalliga-Meister der abgelaufenen Saison – Hartberg, Dornbirn und Vienna – würden allesamt einen Wiederabstieg in die Regionalliga verkraften, ohne vor existenzielle Nöte gestellt zu werden. Ob das auch bei einem GAK der Fall wäre? Äußerst zweifelhaft. Wer an einem Nicht-Aufstieg beinahe krepiert, den würde ein Abstieg wohl vollends in die Kiste befördern. Die Vereinsführung des GAK sollte sich vor dem Glauben hüten, mit einem Aufstieg wären alle Probleme gelöst. Und wer sagt, dass sich die Grazer sofort in dieser Liga etablieren würden? Hartberg holte in der Regionalliga genauso viele Punkte wie der GAK, und hat nun arge Nöte. In der aktuellen Saison spielt auch der GAK (mit im Grunde der gleichen Mannschaft wie letzte Saison) ordentlich, aber bei Gott nicht überragend.
Und natürlich hat auch die Bundesliga aus den letzten Jahren gelernt, als sie an Wackelkandidaten im Zweifel die Lizenz eher doch erteilt hat. Von den 20 Vereinen, die derzeit unter dem Dach der Bundesliga aktiv sind, gibt es nur noch einen einzigen Verein, der tatsächlich als latenter Todeskandidat gilt – Austria Kärnten. Alle anderen Vereine werden die Spielgenehmigung für die kommende Saison 2010/11 wohl ohne gröbere Brösel bekommen können.
Der GAK ist einer der letzten Dinosaurier der ur-österreichischen Finanz-Jongleurtums vergangener Jahre. Fast alle anderen Vereine haben aus den Fehlern der Vergangenheit gelernt und spielen nicht mehr permanentes Harakiri. Nur bis zum GAK dürfte sich diese Entwicklung noch nicht herumgesprochen haben.
Wenn die aktuelle Krise nicht überstanden wird – sprich, die Spieler mangels Gehälter ihre Verträge aufkündigen – ist es einerseits eine Chance für den GAK, sich endlich zu einem tragfähigen Konzept als Amateur-Verein durchzuringen, wie es schon dem DSV Leoben vor einigen Monaten das Leben gerettet hat – oder aber, es folgt ein kompletter Neustart. Wo auch immer. Und wenn die aktuelle Krise sich doch in Wohlgefallen auflöst, deutet nichts darauf hin, dass die Vereinsverantwortlichen daraus irgend etwas gelernt hätten. Dann kommt der nächste Konkurs bestimmt, früher oder später.
Wäre man ein Zyniker, müsste man dem GAK ein Ende mit Schrecken wünschen, statt einem Schrecken ohne Ende. Denn selbst, wenn dem Verein im Winter alle Spieler davonlaufen: Angesichts des Vorsprungs auf die Abstiegsplätze (21 auf einen Fixabstiegsplatz und 12 auf einen eventuellen Schleudersitz, auf dem man von Hartberg und dem RLM-Meister im Aufstiegs-Playoff abhängig wäre), ist auch mit einer frisierten U19-Mannschaft zumindest der Klassenerhalt möglich, aus dem heraus sich ein vernünftig geführter Amateur-Verein positionieren kann. Zudem es sicherlich einige talentierte Spieler gibt, die auch für den GAK spielen würden, wenn sie nicht mehrere Tausend Euro pro Einsatz überwiesen bekämen (oder bekommen sollten).
Sportlich ist der GAK seit dem Sommer 2007 nur noch von regionalem Interesse. Der Verein hat es aber dennoch geschafft, im bundesweiten Licht zu bleiben – mit Prügeleien, Platzstürmen, zweifelhaftem Finanzgebahren und dem Liefern von Konkursnachrichten. Darin ist der GAK tatsächlich Weltspitze.
Aber ob es die Grazer wirklich darauf anlegen sollten?
(phe)
* Titel: Zitat Des Users „körösistraße“ im GAK-Forum.