Tiger-Team reloaded

Vor sechs Jahren wollte Frank Stronach ein Team aus jungen Österreichern in der Bundesliga haben. Mit einigen Umwegen hat er es jetzt tatsächlich geschafft.

Bald ist es sechs Jahre her, dass Frank Stronach in seiner eigenartigen Doppelfunktion als Austria-Boss und Bundesliga-Boss seine nicht minder eigenartige Idee vom „Tiger-Team“ äußerte. Im Winter 2003/04 war es, da ging Stronach mit seiner Idee an die Öffentlichkeit, das U20-Team als elfte Mannschaft praktisch außer Konkurrenz an der Bundesliga teilnehmen lassen zu wollen. Wenig überraschend erntete er damit bei den Vereinen Kopfschütteln, Unverständnis und breite Ablehnung. So war das Thema schnell vom Tisch, und Stronach meinte in seiner ihm eigenen Art noch hinterher: „Na dann kauf ich mir halt eins, nicht?“

Und es wurde ruhig. Bis er im Winter 2007/08 bekannt gab, statt der Austria nun den Zweitligisten Schwanenstadt zu übernehmen und nach Wien zu transferieren. Aus Wien wurde letztlich Wiener Neustadt, und sein alter Statthalter aus Austria-Zeiten Peter Svetits gab mit seiner Kaderplanung für die ADEG-Liga-Premierensaison 08/09 tatsächlich der Jugend eine Chance: Vaclav Kolousek (32), Sanel Kuljic (31), Yüksel Sariyar (29), Petr Johana (32), Sebastian Martinez (30) und Hannes Aigner (28) sollten den schnellen Aufsteig schaffen. Zudem wurde im Frühjahr demonstrativ und völlig ohne Not die Ausländerregelung gebrochen und so auf das TV-Geld verzichtet. Unnötig deswegen, weil die dafür eingesetzten Kurtisi und Sadovic nie mehr waren und sind als Wechselspieler.

Der Aufstieg gelang – mit dem zweitältesten Team der Liga und mit der meisten Einsatzzeit an ausländischen Spielern. Alles soweit wie programmiert. Aber dann passierte etwas Unverhergesehenes. Etwas Unerwartetes. Etwas absolut richtiges.

Stronach gab Svetits den Laufpass.

Svetits, der schon bei der Austria in seinem übersteigertem Größenwahn ganze Heerscharen an sinnlos überteuerten Star-Transferflops zu verantworten hatte, änderte sich natürlich auch in Wiener Neustadt nicht. Trainer Helmut Kraft stand trotz des nach längerem Kampf mit der Admira doch schon nach dem drittletzten Spieltag de facto (und nach dem vorletzten auch rechnerisch) feststehenden Aufstiegs schon mit anderthalb Beinen auf der Straße. Wie einst bei der Austria, als die Trainer selbst dann nur eine Halbwertszeit von acht Monaten hatten, wenn der Erfolg gegeben war.

Doch mit der Ausbootung von Svetits und dem damit dramatisch steigenden Einfluss von Ernst Neumann als Geschäftsführer änderte sich alles. Der enge Stronach-Vertraute (böse Zungen sprachen vom „Tennis-Partner, der vom Fußball nichts versteht“) stellte sofort klar, dass Kraft im Amt bleibt und die Etablierung in der Bundesliga wichtiger sei als der sofortige Angriff auf die internationalen Plätze. Er trug somit den von Stronach verordneten Sparkurs voll mit. Und das hieß auch: Neuverpflichtungen mit Sinn und Verstand, anstatt blindwütigem Kaufen von allem, was nicht bei drei auf den Bäumen war, wie es Svetits entspräche.

Es kamen also mit dem tschechischen Verteidiger Kostal (29) ein Routinier und mit Christian Ramsebner (20) ein Youngster für die Innenverteidigung, mit Gercaliu (23) einer für die linke Seite und mit Diego Viana (26) der Torschützenkönig der letzten Saison in der ADEG-Liga. Aus. Keine Stars, keine Legionen von Legionären, sondern punktuelle Verstärkungen für das an sich gut eingespielte Meisterteam, aus dem mit Abwehr-Talent Margreitter nur ein einziger Stammspieler den Verein (zum LASK) verließ.

Nach einem mäßigen Start in die Bundesliga-Saison kam es allerdings – auch bedingt natürlich durch die Verletzungen von Johana und Kolousek, auch durch die Formschwäche etwa von Sariyar oder Kuljic – zu einem interessanten Phänomen: Die jüngeren Spieler, die aus Schwanenstadt zwar übernommen wurden, aber in der ADEG-Liga kaum zum Einsatz kamen, sprangen in die Bresche: Taner Ari hat sich hinten rechts festgespielt, Mario Reiter (zugegebne, schon letztes Jahr Stammkraft) und Tomas Simkovic im defensiven Mittelfeld, dazu etablierte sich der von den Austria Amateuren geholte Ramsebner zu einer Fixgröße in der Innenverteidigung. Auch Alexander Grünwald, der in der Aufstiegssaison nur dreimal in der Startformation stand, hat seinen Platz auf der linken Außenbahn sicher.

Die Konsequenz: Kein Team in der Bundesliga setzt aktuell mehr Österreicher ein (Anteil: 76%), kein Team in der Bundesliga läuft mit einer so jungen Mannschaft auf (Durchschnitt 25,8 Jahre) wie die Mannschaft aus Wiener Neustadt. Jetzt, mit einigen nicht unwesentilchen Umwegen hat Stronach also doch so etwas wie ein Tiger-Team in der Bundesliga. Und es ist nicht einmal ein elftes Team als Anhängsel.

Natürlich: Attraktiv ist dieser Verein, ist diese Mannschaft nicht – mit einer Kulisse von etwa 4.500 Zuschauern pro Heimspiel bewegt sich das auf dem Level von Kapfenberg. Als besonders nachhaltig darf man dieses künstliche Gebilde freilich auch nicht betrachten – die Mitte seines Lebens hat der 77-jährige Stronach schon hinter sich. Doch ist an ihm eine gewisse Altersmilde zu beobachten: Er lässt seine Mannschaft und sein Umfeld arbeiten und mischt sich nicht mehr bei jeder sich bietenden Gelegenheit ein.

Und sportlich hat sich diese Mannschaft auch ohne Altstars wie Stehgeiger Kolousek etabliert. Das Team hat sich im einigermaßen gesicherten Mittelfeld der Liga eingenistet, und spielt zumindest in Heimspielen durchaus erfolgreich mit – auswärts läuft es halt noch nicht wie gewünscht. Der Absteig ist, wie nicht anders zu erwarten war, kein Thema; um die internationalen Plätze bestand ohnehin nie eine realistische Chance. Heli Kraft und sein Team arbeiten unaufgeregt daran, diese Mannschaft zu einer Fixgröße in der Bundesliga zu machen.

Und wenn das mit jungen Einheimischen passiert, so wie derzeit, und nicht mit ausländischen Standfußballern, wie in der Aufstiegssaison: Umso besser.

So ist das Magna-Projekt in Wiener Neustadt also tatsächlich ein „Tiger-Team reloaded“. Nicht mit U20-Spielern, aber immerhin mit der jüngsten Mannschaft der Liga. Und mit den meisten Österreichern der Liga. Da sollte es auch etwas leichter fallen, über das Zustandekommen dieses Vereins und die Geisterstimmung bei den Heimspielen hinwegsehen zu können…

(phe)

Über Philipp Eitzinger

Journalist, Statistik-Experte und Taktik-Junkie. Kein Fan eines bestimmten heimischen Bundesliga-Vereins, sondern von guter Arbeit. Und voller Hoffnung, dass irgendwann doch noch alles gut wird.