Wir sind das Witzland. Wirklich. Das sollte im Moment jeder anerkennen. Unsere Liga ist in Europa viertklassig. Ihr Niveau ist bestenfalls mit den zweiten Ligen der Topp-Nationen vergleichbar. Keine Mannschaft könnte sich in den besten Ligen (England, Spanien, Italien, Deutschland) sicher halten. An ihren besten Tagen sind heimische Topp-Teams dort Abstiegskandidaten. (Nein ich erkläre jetzt nicht genau warum. Wer es nicht weiß, schaut sich am Wochenende zwei Abstiegsduelle dieser Ligen an, achtet mal auf Tempo, Taktikdynamik und Ballbehandlung und macht sich klar, dass das im Gegensatz zu Sturm – Rapid kein Ausnahmeereignis ist. Co Adriaansen hat absolut recht damit, dass Mark Janko es wie jeder andere heimische „Topp-Kicker“ im Ausland sauschwer hätte.).
Das ist nicht schön, ich sage es nicht gern. Bei der Europameisterschaften haben uns eineinhalb Ausnahmeleistungen des Nationalteams kurzfristig international über und selbst gestellt. Das Ausland hat das anerkannt, aber auch schnell verstanden, dass es kein dauerhafter Trend ist. In Österreich glauben viele, es wäre Normalität gewesen und hätte Österreichs aktuellem Status entsprochen, dass es Kroatien fordern kann. So kann es wieder werden, aber so ist jetzt noch nicht. Dafür fehlt es an entscheidenden Stellen an Klasse und insgesamt an Breite.
Tschechien: Vergleichbare Nation mit clevereren Klubs
Letzten Sonntag waren die Teambetreuer Jan Kocian und Andreas Herzog im ORF zu sehen und haben in einem Nebensatz klipp und klar verraten, was die Zielvorgabe des ÖFB für Karel Brückners Team ist: Wieder etwa Platz 40 in der Weltrangliste zu erreichen. Mit Tschechien, das nur zwei Millionen Einwohner mehr hat (also prinzipiell nicht so viel mehr Potential), war Brücker Weltspitze. Hier hat er nur den Auftrag aus der Peinlichkeit zu entfliehen. Ob er das erreichen kann, wird nicht von ihm abhängen. Brückner hat seine Eigenheiten, aber er ist ein Weltklassetrainer. Wenn er etwas ausprobiert, dann hat es Hand und Fuß, einen Grund und für gewöhnlich auch die beabsichtigte Folge.
Die Voraussetzungen in Tschechien waren freilich anders. Brückner kam in Tschechien aus der Nachwuchsarbeit. Seine Leute die er von dort ins A-Nationalteam mitzog, spielten sowohl in der gar nicht schwachen heimischen Liga als auch in internationalen Top-Ligen. Ein Tomas Rosicky etwa, spielte mit 18 Jahren bei Sparta Prag, mit 21 bei Dortmund, mit 26 bei Arsenal. Ergänzt wurde dieses Team durch Leute, die schon bis zu ein Jahrzehnt vor ihm richtig aus dem Nachwuchs- in den Profibetrieb geführt wurden. Pavel Nedved, Karel Poborsky, Jan Koller und wie sie alle hießen, wurden alle in den frühen Neunzigern bei Sparta Prag integriert wechselten später ins Ausland und waren schon bei der EM 1996 wichtige Leute. Die Ausnahmemannschaft die Österreich 1998 zur WM aufstellte war fast durchgehend ein halbes bis ganzes Jahrzehnt älter als die tschechische 1996.
Ausnahme Aufhauser
Es ist sehr oft die gute Arbeit einzelner Klubs, die eine Nationalmannschaft eines kleinen Landes stark macht. Österreichische Klubs hatte in den 90er-Jahren Erfolge bei Otto Barics Salzburg, Ernst Dokupils Rapid und ganz am Ende Ivica Osims Sturm. Dieses erfolgreiche Jahrzehnt war die Basis für die WM-Teilnahme 1998, denn die Leistungsträger waren bei allen Vereinen eine gute Mischung aus heimischen und ausländischen Kickern. Alle drei Klubs wurden, sagen wir, „nah am betrügerischen“ geführt. Salzburg ging fast Pleite. Rapid ging fast Pleite. Sturm ging fast Pleite. (Und mit Tirol und dem GAK gingen zwei weitere Top-Ligateams sogar wirklich Pleite).
Falsch gemacht hatten alle dasselbe. Sie haben sich übernommen und die Nachwuchsarbeit vernachlässigt. Nein, falsch. Sie haben die Integration der Nachwuchsspieler vernachlässigt und diese konnten sich folglich auch nicht ins Ausland spielen. Und diese Generation fehlt Österreich heute. Die zwischen Kühbauer, Schopp, Amerhauser, Haas und Andreas Ivanschitz, Paul Scharner & Co.. In dieser Spalte fällt mir spontan nur ein Name ein, der es weit brachte, aber am letzten Schritt ins Ausland gescheitert ist: Rene Aufhauser.
Das Ende der Jugendfeindlichkeit(?)
Die Fehlentwicklung der Jugendfeindlichkeit hielt im Großen und Ganzen an (und ein paar individuelle Versäumnisse wie das selbst verkackte Dortmund-Engagement von Andi Ivanschitz kamen dazu)- und sie würde vielleicht noch heute anhalten, wenn nicht zwei glückliche Faktoren zusammen gekommen wären: Sturm Graz musste Konkurs anmelden und unser U20-Nationalteam erreichte mit Glück, hungrigen Ausnahmetalenten und einem herausragenden Nachwuchstrainer den vierten Weltmeisterschaftsplatz.
Sturm musste nun junge Spieler integrieren (und hatte mit Trainer Franco Foda auch Glück), und die mittlerweile in der internationalen Lächerlichkeit angekommenen Vereine konnten gar nicht anders, als jene U20-Talente einzusetzen, die den selbst erarbeiteten Sprung über die heimische Liga hinweg ins Ausland verpassten (oder der ihnen versaut wurde – wie bei Veli Kavlak). Übrigens geschah auch das fast zu spät (wie lange hat Rubin Okotie in die Stammmanschaft bei der Austria gebraucht?), aber im Nachwuchs erfolgreiche frühere Generationen wurden kurz davor noch verhunzt (die Generation Salmutter und Leitgeb ist mit 23-24 Jahren heute für die Spitzenklubs Europas zu alt – Arsene Wenger hat es laut gesagt.).
Es sind diese beiden Glücksfälle, die Österreichs Fußball eine Perspektive bieten. Denn sie haben gezeigt, dass in einer Ausbildungsliga ein echter Reiz, Attraktivität und eine gewisse Sicherheit steckt.
Ab jetzt keine Pausen mehr
Aber das ist noch Zukunftsmusik. Erst wenn die fehlende Generation aus dem Alter fällt und durch gute Arbeit ersetzt wird und nur wenn richtig weiter gearbeitet wird, könnten wir ab 2010 mit Höhepunkt 2012 oder 2014 die Früchte davon ernten. Und außerdem braucht es in diesem Aufbau, auch wenn die Ergebnisse im Moment nicht alle passen, einen Spitzentrainer wie Karel Brückner, der dem Nationalteam einen Stil verleiht und sie über Jahre hinweg prägt. (Und so nebenbei: Das muss so lange ein ausländischer Trainer sein, bis sich hierzulande auch die Trainer ins Ausland trauen, dort ein professionelles Umfeld kennenlernen und sich dort durchsetzen.)
Und danach wird man dafür sorgen müssen, das in Zukunft keine Generationen mehr verloren gehen. Wer heute nicht an nach 2014 denkt, könnte dann vielleicht wieder ein kurzes 1998 erleben, wird dann aber wieder zur Witznation.