Nachbesprechung: Österreich 3 – 1 Frankreich

Wer sagt, dass dem Spielverlauf nach – besonders im Bezug auf Feldüberlegenheit – der Sensationssieg gegen „Les Bleus“ nicht verdient war… ja, der hat Recht. Ohne eine Statistik gesehen zu haben bin ich mir sicher, dass die Franzosen nicht nur im Ballbesitz Sieger waren. Auch was herausgearbeitete Chancen, Raumbeherrschung etc. angeht findet man den Sieger in blauen Dressen. Brückners Spielanlage (ein 4-3-2-1 bzw. 4-2-3-1, je nach Situation), gepaart mit dem nötigen Quentchen Glück in der Auswertung eigener Chancen, beweist dafür eindrucksvoll, wie wertlos derlei Messwerte sein können.

Rückwärtsgang nach 20 Minuten

Nach 20 Minuten stoppte Österreich die von Anfang an geringen Ambitionen sich bei der Spielgestaltung federführend zu betätigen. Frankreich war quasi unbedrängt in der eigenen Hälfte, zumeist wurde frühestens ab dem eigenen Halbfeld attackiert. Die Devise war klar: Neben sporadischen Bemühungen selbst Schussmöglichkeiten heraus zu kombinieren setzte Brückner auf Konter. Die liefen teilweise wirklich gut, doch mangelte es zu oft an einem präzisen letzten oder vorletzten Pass oder die Schnelligkeit wurde mit unnötigen Querpässen herausgenommen. Kurzfristig versuchte man sich absolut erfolglos an langen hohen Bällen in den Offensivraum, ließ es aber bald wieder bleiben.

Standards und Konter gegen Dribbelkunst

[ad#bv_test]Die Tore fielen trotz der Spielanlage völlig anders. Zweimal profitierten Janko bzw. Aufhauser von Freistoßbällen die im Strafraumgewühle durchkamen, den dritten Treffer machte Kapitän Ivanschitz per (fragwürdigem) Elfmeter. Der „auch-weiterhin-Kapitän“ zeigte zwar keine Glanzpartie, aber durchaus eine Verbesserung zum Italien-Match. Der wahre Dirigent des Mittelfelds war aber Paul Scharner, der uns wohl noch viel Freude machen wird.

Frankreich probierte sich häufig in der Mitte an Kurzpässen bis vor dem Strafraum, kam aber selten bis kaum zu wirklich gefährlichen Schussmöglichkeiten (wurde aber gefährlich oft erst knapp davor gestoppt), die dann ein ausgezeichnet spielender Alex Manninger entschärfte. Eine Ballverliebt-Nachfrage auf der Pressekonferenz machte dann auch klar, dass es „sicher keine Rotation“ beim Torwart geben und somit Manninger auch gegen Litauen und Serbien im Tor stehen würde. Die Keeperfrage ist wohl entschieden. Bleibt zu hoffen, dass Manninger sich bei Juve vielleicht doch eine Gelegenheit bietet sich zu etablieren. Wenngleich dies gegen ein Kaliber wie Buffon eher unwahrscheinlich scheint.

„Hättiwari“ und die Schwachpunkte

Das Team der „Grande Nation“ versuchte sich mit fortschreitender Zeit auch an den Seiten, wo es nur zu einer wirklich brenzligen Situation kam. Nur wenige Minuten nach dem 1:2 in der französischen Aufholjagd kam Benzema zur Volleyabnahme einer scharfen, halbhohen Flanke. Hätte er diese gut getroffen, so wäre das Spiel nach einem 2:2 vermutlich anders verlaufen. Obwohl sich alle Mannschaftsteile verbessert zeigten fehlt immer noch die Nervenstärke, um Gegentreffer schnell wegzustecken.

Grundsätzlich gab es in dieser Partie einige „Hättiwari“-Situationen, an deren Vermeidung Brückner wohl noch arbeiten muss. Sieht man von kuriosen Schirientscheidungen ab, die nicht in seiner Hand liegen. Auffallend oft gab der wenig solide dänische Referee  Fouls von Österreich, ließ dafür einige französische Attacken komplett ungeahndet. Letztlich (wenn auch seine Leistung nicht unbedingt verbessernd) wetzte er dieses Manko mit der Elfmeterentscheidung für Rot-Weiß-Rot aus, über deren Begründung ich mir bis jetzt noch nicht im Klaren bin.

Fazit

Um den Bogen zurück zur Taktik zu spannen: Brückners defensive Spielanlage hat funktioniert, aber nicht reibungslos. Etwas zu oft rettete uns Glück oder ein Last-Second Tackling vor drohendem Unheil, zu wacklig war die Defensive speziell direkt nach dem 1:2.  Zudem gelang es Frankreich drei mal, Österreich auf längere Zeit komplett im letzten Drittel einzuschnüren und den Ball auf mehrere Minuten nicht herzugeben. Verursacht wurde dies allerdings nicht durch einen eklatanten Fehler im Konzept (im Gegenteil, es war genau das richtige gegen den Domenech’schen Offensivfußball) sondern an der technischen Schwäche vieler Österreich-Kicker. Dass sich ein Franzose oft durch 2 oder 3 Gegner durchtanzen konnte, kann gegen effizientere und bessere Mannschaften als die „Bleus“ des heutigen Abends grob ins Auge gehen.

Letztlich hat aber Cleverneß über weite Strecken und unbestechlich effiziente Chancenauswertung alles gerechtfertigt, was sich der „weiße Vater“ ausgedacht hat. Die Blockverteidigung in der Mitte hat insgesamt solide gearbeitet, dafür opferte man die Flanken gegen Ende, woraus die Franzosen aber keinen Nutzen schlagen konnten. Man darf Brückner und seinen Kickern zu einem in taktischer Hinsicht verdienten 3-1 Überraschungssieg gegen Frankreich gratulieren. Es wird interessant zu sehen, wie dieses Team gegen „kleine“ Gegner spielt. Wie etwa Litauen nächste Woche, das heute in Rumänien zu aller Überraschung mit 3-0 gewann.