Die EM 2008 ist so gut wie vorbei, und doch wartet das Wichtigste noch. Die nächsten beiden Tage sind spielfrei, dann geht es um die Plätze 1-4. Nur noch ein Gruppensieger der Vorrunde ist dabei – und das ist wohlgemerkt auch der einzige Gruppensieger aus der Qualifikation, der noch dabei ist: Spanien.
Das Team von Luis Aragones hat es also zweifellos verdient, dort zu stehen wo es nunmal steht. Aber der Reihe nach, mein kleines Resümee der Viertelfinalspiele.
Deutschland – Portugal (3:2)
[ad#bv_test]Die Deutschen haben mit einer taktisch disziplinierten Leistung die individuelle Stärke der Portugiesen ausgehebelt. Löw und Flick haben mit dem schnellen Herstellen von Doppel-Verteidigungen den Dribblern Portugals den Wind aus den Segeln genommen und dann auf ein waschechtes Konterkonzept gesetzt. Das 1:0 (Podolski auf Schweinsteiger) hat dann auch genau so funktioniert – es war übrigens die einzige Torchance, die sich das DFB-Team aus dem Spiel erarbeitet hat.
Bei allen drei Gegentoren haben die Portugiesen schwere Deckungsfehler in der Verteidigung gemacht. Das hat die deutsche Elf eiskalt ausgenutzt. Über eine unglückliche Schiedsrichterleistung mussten sie sich auch nicht beklagen. Deco machte ein vermeintliches Tor, ob er wirklich vorne war, weiß ich nicht so genau. Lahm beginn in der 49. Minute eine vermeintliche Tätlichkeit, wurde aber nicht vom Platz gestellt. Ballack foulte vor seinem 3:1 ganz klar den Verteidiger, der Schiri hat es nicht gesehen.
Der Sieg der Deutschen geht trotzdem in Ordnung. Taktisch diszipliniert, kämpferisch, effizient. Die deutschen Tugenden von vor 2006 scheinen wieder aufzublühen. Das ist erfolgreich, aber „fulminant“, „grandios“ und ähnliche Adjektive der deutschen Presselandschaft kann ich dafür nicht finden.
Kroatien – Türkei (1:3 n.E.)
Das war das sicherlich langweiligste Viertefinalspiel. 119 Minuten geschah sehr wenig. Die ersatzgeschwächten Türken versuchten ein harmloses 4-3-3, die müde wirkenden Kroaten traten wie gegen Deutschland mit einem 4-4-1-1 an. Und so neutralisierte man sich großteils. Dass die Karierten die Partie mit einem besser in Form spielenden Olic gewonnen hätten, steht für mich trotzdem außer Frage. Von ihnen kam einfach etwas mehr. Der Stürmer zeigte sich aber bei den wenigen Chancen die es gab als Chancentod.
Das Finale war dann dramatisch. In der 119. patzt Ersatztorhüter Rüstü, das Spiel ist eigentlich vorbei. Nur der Schiedsrichter wollte die angezeigte Nachspielminute tatsächlich voll ausnützen. Rüstü knallt den Ball vor bis in den kroatischen Strafraum, Sentürk kriegt ihn vor die Füße und knallt ihn wunderschön unter die Latte. Warum man sowas nicht früher zu sehen bekam, wissen nur die beiden Teams.
Im Elferschießen versagten den Jungen bei den Kroaten dann die Nerven, Rüstü konnte seinen Fehler auch noch ausbessern. Ich freu mich mit den Türken, verdient ist das Halbfinale für eine Mannschaft die normalerweise schon drei Mal verdient ausgeschieden wäre aber irgendwie dann doch nicht.
Und für die Deutschen droht es ein Aufwärmspiel zu werden. Zu den bereits gesperrten und verletzten, kamen noch ein paar Leistungsträger dazu.
Holland – Russland (1:3 n.N.)
Die Oranjes waren klarer Favorit nach der Gruppenphase, aber im letzten Spiel gegen Schweden haben die Russen bereits angedeutet, dass ihnen das scheissegal sein könnte. Und deshalb sahen die Fans in Basel da auch schon ein erstes Finale. Hiddink, der alte Haudegen, entzauberte die leider zu unflexible Spielart der Holänder mit einem temporeichen Offensivkonzept.
Das Spiel hätte freilich auch anders ausgehen können. Hätten die Holländer eine ihrer Chancen rein- statt Zentimeter neben das Tor gemacht. Oder hätte Schiri Lubos Michel seine gelb-rote Karte gegen Kolodin nicht mysteriöserweise zurückgenommen. Dann wäre mein Europameistertipp vielleicht noch im Rennen (hätte mich doch für Spanien entscheiden sollen, hatte vor dem Turnier geschwankt) .
Aber alles in allem war der Sieg nach Nachspielzeit der Russen völlig verdient. Angeführt von einem überragenden Arshavin legte das Team eine echte Talentprobe ab. Schnell, clever, offensiv. Wär ich nicht Holland-Fan, wäre das wohl eine echte Freude gewesen. Dass sich Hiddink und seine Elf im Halbfinale von den Spaniern noch einmal so vorführen lassen wie in der Vorrunde, wage ich nun zu bezweifeln. Das wird das nächste Finale.
Italien – Spanien (2:4 n.E.)
Die Italiener verteidigten und konterten, die Spanier versuchten zwar das zu ignorieren, taten sich damit aber ziemlich schwer. Über 120 Minuten mühten sich Villa, Silva, Torres und Co. ab, aber nach vorne kam gegen die italienische Mauer einfach wenig zustande. Nach der seltsamen Auswechslung von Torres, zeigte sich auch dessen Ersatz Guiza als Chancentod (ich hab übrigens schon im Spiel gesagt, dass der bitte später keinen Elfer schießen sollte).
Der deutsche Schiedsrichter pfiff ebenfalls grausam und hoffentlich sein letztes Spiel der EM. Er übersah gleich 2-3 Elfer für La Rocha.
Das Spiel war alles in allem nicht attraktiv, was man aber zu fast 100% dem italienischen Mistkick ankreiden darf. Wann wird das endlich aufhören? Schauspielern, mauern, jammern, schauspielern, mauern, liegenbleiben. Wer will das sehen?
Dass die Spanier dann im Elferschießen endlich einmal die Nerven behielten und die Azzuri aus dem Turnier knallten, das hat mich mit dieser schon fast verloren geglaubten EM noch einmal auf gut gestellt.
Gruppensieg in der Quali. Gruppensieg in der Vorrunde. Vier Siege im Turnier, dreimal toll, viermal verdient. Die Bilanz der Spanier legt den Europameistertipp ziemlich nahe. Die Auslosung macht freilich auch Deutschland möglich. Und dem Duo Hiddink-Arshavin (Hiddink ist übrigens nach der EM angeblich frei – Herr Stickler, bitte aufwachen) ist natürlich auch alles zuzutrauen. Mal sehen ob die Spanier da drüber kommen.