Warum mir egal ist, dass der Kapfenberger SV aufsteigt

Die 1. Liga (für Leute von außerhalb: in Österreich ist das die zweithöchste Liga und hat mit Profifußball eigentlich nicht viel zu tun) hat bekanntlich schon drei Runden vor Schluss ihren Meister gefunden. Der heißt KSV und ist der Verein, bei dem ich in der Jugend gespielt habe (zwei steirische Vizemeistertitel!1!), nachdem die Jugendabteilungen aller drei Stadtklubs zusammengelegt wurden. Ich war gestern beim abschließenden Heimspiel gegen Austria Lustenau. War übrigens anders als das Ergebnis vermuten lässt ein richtig schlechtes Spiel. Und damit war es wie jedes Spiel, das ich in den vergangenen Jahren in Kapfenberg gesehen habe (was schon einige waren). Und umso bezeichnender ist, dass diese Mannschaft nun anscheinend konkurrenzlos in die höchste heimische Spielklasse aufsteigen wird.

Ich weiß nicht, ob ich mich eigentlich freuen soll. Einerseits ist das der Verein meiner Heimatstadt, mein Jugendklub – der Klub der mit dem ich persönlich mehr verbinde als mit allen anderen auf der Welt. Andererseits weiß ich genau, wie viel hier eigentlich faul ist. Und ich mache mir daraus meine Rückschlüsse auf Restösterreich.

Ein bisserl von mir und anderen

Ich bin heute 23, wäre also im besten Fußballalter. Ich weiß nicht wie viel nun bei mir selbst gefehlt hat, dass ich gestern in der Meistermannschaft hätte stehen können. Mir war das zu mühsam, mich durch die unverständlichen Strukturen zu kämpfen, bin als Teil der U16-Einsermannschaft einst ausgestiegen, habe mich anders orientiert. Ich wurde das, was viele Scheiterer und Versager werden: Kritiker und Journalist.

Fakt ist aber: Gestern, also zu einem Zeitpunkt als es schon um nichts mehr ging, stand auch kein anderer im Kader, der mit mir einst die steirischen Mannschaften aufgemischt hatte. Einer hat alibihaft trotzdem seine Meistermedaillie gekriegt – nämlich derjenige, der schon in der Amateurmannschaft ständig vom Trainerteam verarscht wird und sich 95% der Spiele ohne ersichtlichen Grund von der Bank aus ansieht. Aber auch sonst war am Feld keiner dabei, der aus der Kapfenberger Jugend stammt.

Nachwuchsmodell für die Landesliga

Und das sollte uns zu denken geben. Denn Kapfenberg betreibt seit über zehn Jahren ein sicher nicht billiges Nachwuchsmodell mit ziemlich erfolgreichen Nachwuchsmannschaften. Das Ergebnis dieser Bemühungen ist aber nur eine gute, junge Landesligamannschaft – die KSV/Austria Amateure. Wobei auch dort viele spielen, die im fortgeschrittenen Alter von umliegenden Klubs eingekauft wurden. Aus der eigenen Jugend stammen wenige. Auch wenn eben genau diese seit ich denken kann bei internationalen Tunieren und Landesmeisterschaften beachtliche Triumphe feiern konnte und Leute in mehreren Auswahlen stellten.

Ich war mir gestern auch den Abstiegskampf dieser KSV/Austria Amateure gegen Wildon ansehen. Und ich würde hier gerne schreiben, dass mir der Fußball dort im Schirmitzer Waldstadion sehr viel besser gefallen hat (wo wir, ich als Fünfjähriger und mein Bruder als Vierjähriger, tatsächlich mit dem Fußballspielen begonnen haben) . Weil das in 8 von 10 Fällen eh auch wirklich so ist. Denn während abseits des Balles in der Ersten Liga vielleicht gerade mal 2-3 Spieler zu einem kurzen Joggen ansetzen, ist in der jungen Landesligamannschaft ständig Bewegung zu sehen. Noch nicht so viel, dass es genug wäre, aber mehr.

Nicht gegen Wildon

Außer gestern. Gestern haben sich die meisten Spieler fast so lustlos präsentiert, wie die Profimannschaft (die gegen Lustenau im Kopf lange Zeit schon beim Freibier gewesen sein dürfte). Ein peinliches 0:2 gegen den Tabellenvorletzten Wildon und eine Rückkehr in die akute Abstiegsgefährung war das Resultat für die KSV/Austria Amateure.

Der Grund für dieses Malheur ist für mich der Trainer. Das ist zwar ein oft gesehener, oft ungerechter Reflex, aber in diesem Fall scheint es wirklich so zu sein. Der eigentliche Trainer der Mannschaft ist zeitgleich Co-Trainer beim Profi-Klub: Manfred Unger. Den kümmert aber spätestens seit der Frühjahrssaison eh nicht mehr, was im Schirmitzer Waldstadion abgeht. Zumindest taucht er dort nur äußerst selten auf. Lieber sonnt er sich in den Erfolgen von Österreichs professioneller Peinlichliga.

Nur ein paar oberflächliche Betrachtungen

Also ist ein gewisser Herr Jauk an der Seitenlinie. Und was der gestern in jeder Hinsicht für ein „Konzept“ vorgelegt hat, das lässt bei mir die Frage aufkommen, ob es für eine B-Trainerlizenz in Österreich überhaupt eine Hürde gibt?
– Zuhause gegen Barfüßige mit einer einzigen Spitze anzutreten, das ist schon interessant.
– Wenn man in Rückstand gerät genau diesen einen, schuldlos verlorenen Stürmer auszuwechseln, das ist noch interessanter.
– Bis zur 60. Minute mit diesem ersten Wechsel zu warten, wenn jeder Vierjährige den Handlungsbedarf schon nach 10 Minuten erkannt hätte, das ist an Interessantheit kaum noch zu überbieten.
– Keinen zweiten Torhüter parat zu haben (obwohl der Starttorhüter schon vor dem Spiel mit einer Verletzung gekämpft hat), das ist auch interessant blöd (auch wenn es sich nicht ausgewirkt hat).
– Ständig hohe Flanken in die Mitte zu befehlen, wenn man eine Mannschaft hat die im Schnitt einen Kopf kürzer als jeder Gegner ist (aber dafür technisch und läuferisch zwei Klassen stärker), das macht mich eigentlich fassungslos.

Aber das ist es, was die KSV/Austria Amateure an „Konzept“ mitbekommen. Und das schon seit einiger Zeit.

Und was ich von den Leuten rund um das Feld höre

Ich sage es einmal höflich: Nicht alle Spieler sind so richtig glücklich mit diesem Trainer. Und damit meine ich noch nicht einmal den, den ich am besten von allen kenne: Meinen Bruder, an dessen Beispiel ich wahrscheinlich die ganze Scheisse an Fußball-Österreich darstellen könnte. Warum der seit mehreren Runden auf der Bank der Amateure sitzt, anstelle auf dem Sprung in den Profikader zu sein (in dem er auf dem Papier als Feigenblatt seit Jahren – als erster aus seinem Jahrgang – steht, wo er auch für diese Frühjahrssaison gute Vorbereitungsspiele gezeigt hat und wo er vom Trainer regelmäßig gelobt wird, nur um schlussendlich dann doch immer wieder nur verarscht zu werden), das weiß niemand von all denen, die wöchentlich am Schirmitzer Fußballplatz zusehen.

Zuerst war er halt „zu jung“. Dann war zu viel Abstiegskampf. Dann war zu viel Aufstiegskampf. Und jetzt ist halt. Ja, weiß auch nicht.

Ruhe

Zu ihm sagen die Trainer oft, er sei zu ruhig. Was auch immer das bedeutet. Vielleicht, dass er nicht jede Woche besoffen in den Lokalen rumkugelt – wie andere.
Vielleicht, dass er nicht den Schiedsrichter bei jeder Gelegenheit anpfaucht – wie andere.
Vielleicht, dass er dem Trainerteam nicht in den Arsch kriecht, weil ihm das genauso zuwieder ist wie mir – anders als anderen.
Vielleicht kauft meine Familie aber auch zu wenige Werbebanden – anders als andere.
Vielleicht glaubt er einfach zu sehr, dass harte Arbeit und Training mit sehr guten Leistungen einfach schon genügen.
Eventuell liegt es aber auch daran, dass er keine Spielgarantie in seinem Vertrag stehen hat – wie viele hinzugekaufte Spieler, die nachdem sie bei den Amateuren katastrophale Leistungen ablieferten regelmäßig am Profi-Spielbericht aufschienen.
Vielleicht ist das Trainerteam – bis hinauf zum momentanen Erfolgscoach Werner Gregoritsch – aber auch einfach unfähig, wenn es darum geht, gute Jugendspieler in die Mannschaft zu integrieren. Ich glaube, ich bin da einer ziemlich heißen Sache auf der Spur.

Denn woran es sicher nicht liegt, das ist die Leistung. Trotz aller familiären Verbindung traue ich mich das mit absoluter Sicherheit zu sagen. Und ich wundere mich, dass mein Bruder – trotz all diesen Haxeln, die ihm im Lauf der Jahre gestellt wurden – immer noch ohne zu meckern zum Training geht, hart an sich arbeitet und das nächste Spiel als Einwechselspieler mal wieder aus dem Dreck zieht – wie vor zwei Wochen, als er das quasi im Alleingang bewältigt hat. Belohnt einzig und allein durch das frustrierende Erlebnis, dass die Trainer das nicht anerkennen. Er kann das. Ich könnte das wahrscheinlich nicht.

Natürlich ist das für mich eine persönliche Sache, wenn mein Bruder dann gestern in der 85. Minute bei 0:2 in der Amateurmannschaft eingetauscht wird, um eine Minute später vom völlig unfähigen Trainer angeschrieen zu werden (weil er einem Katastrophenpass (vielleicht) nicht weit genug entgegen ging, und dann aus seinem Rücken ein Gegner ohne Warnung dazwischensprang). Weil er es viel eher verdient hätte, in den letzten Meisterschaftsrunden Profiluft zu schnuppern. Natürlich hätte ich dem dann verdutzten Schrei-Trainer da nicht von der Seitenlinie aus anfauchen sollen, dass er doch bitte die Klappe halten soll. Ich hätte auch das Beispiel anderer Spieler bringen können, aber natürlich mag ich in meiner kurzen Analyse vom Kapfenberger Fußball als einigermaßen seriöser Berichterstatter nicht verschweigen, dass es diese persönliche Ebene für mich gibt.

Einladung zum Nicht-Egalsein

Ob die Kritik an der Sache deshalb weniger gerechtfertigt ist? Weiß nicht. Für mich ist es das grundlegende Problem des österreichischen Fußballs. Wer wissen will, ob ich übertreibe, der kann ja gern einmal auf ein Match nach Kapfenberg kommen. Ins Waldstadion natürlich. Denn dort spielt die Mannschaft, mit der ich mich persönlich über jeden Erfolg mehr mitfreue, als über diesen mir unbegreiflichen Aufstieg der Profimannschaft.

Bei aller Verbundenheit ist mir der nämlich traurigerweise egal. Denn er bedeutet meiner Einschätzung nach vor allem, dass die Jugendspieler in und aus Kapfenberg weiterhin ohne echte Chance sind – jetzt vielleicht noch mehr als vorher.

PS: Fotos von beiden gestrigen Spielen gibt es, sobald ich irgendwo einen Card Reader auftreibe.