Gegen Israel wurde die Pflicht in Form eines 2:0-Arbeitssieges erfüllt, an dem nur die eigenwillige 3-2-1-4-Formation Österreichs bemerkenswert war. Aber die 0:4-Ohrfeige in Mallorca wurde zu einer Lehrstunde für die ÖFB-Frauen. Allerdings eine, die man sich selbst erteilt hat – und nicht der (zugegeben gut spielende) Gruppenkopf Spanien.
Es war der frustrierende Schlusspunkt eines tollen Jahres – natürlich mit dem EM-Halbfinale als Höhepunkt. Die direkte Qualifikation für die WM 2019 in Frankreich ist nach der Packung von Palma aber fast schon auszuschließen.
Jorge Vilda hat offenbar eine Schwäche im 5-4-1-Block Österreichs endteckt. In jenem System, mit dem die ÖFB-Frauen bei der EM Frankreich und eben auch Spanien zur Verzweiflung getrieben haben. Ein simpler Move, aber aber gleich für die ersten zwei Tore sorgte und auch beim dritten zum Einsatz kam.
Pass zur Grundlinie auf der Außenbahn, den ÖFB-Block dorthin schieben lassen, und Pass entweder gerade zurück (wenn die Mittelfeld-Kette der Österrecherinnen mit nach hinten schob, wie vor dem ersten und beim dritten Tor) oder vor das Tor zwischen die Ketten (wenn die Mittelfeld-Kette nicht mit nach hinten schob, wie vor dem zweiten Tor).
Kombiniert mit falschen Entscheidungen von Gini Kirchberger (vorm 0:1 nach vorne aus der Position ziehen lassen, vorm 0:2 zurückgezogen, anstatt in die Flanke reinzulaufen), schlechter Abstimmung von Puntigam und Aschauer (0:1) bzw. Stellungsfehler von Wenninger (0:2), und fertig war die Vorentscheidung nach einer Viertelstunde.
Wobei: Gerade das 1:0 von Spanien nach zwei Minuten war auch einfach wirklich genial herausgespielt, das war praktisch nicht zu verteidigen.
Asymmetrisch gegen Aschauer und Puntigam
Spanien beging im EM-Viertelfinale einen großen, taktischen Fehler: Das Offensiv-Quartett hatte sich zwischen den österreichischen Ketten einklemmen lassen und das restliche Team fand keinen Weg, die Stürmerinnen einzusetzen. Zweimal ließ sich Spanien aber nicht vom selben Trick legen.
Man ließ sich nicht, wie in Tilburg, auf Querpässe vor dem ÖFB-Block limitieren, sondern ging vermehrt eben auch über die Seiten nach vorne, versuchte es mit Chips über die Mittelfeld-Kette und man hatte auch eine andere Raumaufteilung. Statt dem 4-2-4 im EM-Viertelfinale kam nun ein leicht asymmetrisches 4-1-4-1 zum Einsatz. Der linke Achter, Alexia Putellas, agierte höher als Guijarro im rechten Halbfeld.
So konnte sie gemeinsam mit Sampedro zu zweit auf Aschauer spielen und auch die kurz durch die Pendel-Bewegungen von Puntigam von Mittelfeld- in die Abwehrkette entstehenden Räume ausnützen – kein Zufall, dass beide aus dem Spiel gefallenen Tore über diese Seite eingeleitet wurden. Das Punti-Pendel hatte bei der EM so gut funktioniert, dass es nun sogar Islands Herren kopieren. Diesmal wurden die Schwächen des Modells bestraft.
Nervenzusammenbruch
Was bei den ÖFB-Frauen nach dem Fehlstart in dieses Spiel folgte, war der schlimmste Nervenzusammenbruch seit dem 4:3-Sieg gegen Ungarn im September 2014, wo aus einer schnellen 3:0-Führung zwischenzeitlich ein 3:3 geworden war.
Es wurde nun vermehrt auf Pressing umgestellt und es wurden auch einige Bälle selbst in der gegnerischen Hälfte gewonnen, aber die folgenden Pässe waren extrem ungenau. Durch das vermehrte Herausrücken ergaben sich im Gegenzug für Spanien Chancen, mit schnellen Vertikalpässen vor das österreichische Tor zu kommen; dort wurden die Bälle von der ÖFB-Verteidigung aber immer wieder zentral nach vorne „geklärt“.
Befreiungsschläge wie auch Versuche gezielter Eröffnungspässe (vornehmlich von Wenninger) landeten regelmäßig bei Spanierinnen. Kurz vor der Pause setzte sich Paredes gegen Burger im Kopfballduell durch, nachdem der Außenpass-Rückpass-Schmäh der ersten beiden Tore auch bei einem Freistoß funktioniert hatte. Nach dem Seitenwechsel klärte Wenninger ohne große Not und zittrig eine Hereingabe zur Ecke, die in der Folge zum spanischen 4:0 führte.
Vor allem nach der Pause gingen Burger, Feiersinger und Billa vorne drauf, aber hinten wurde nicht mehr nachgerückt, womit sich viel Platz für Spanien bot. Nina Burger war sichtlich frustriert (wofür sie sich früh einen Rüffel vom Referee abholte), Zadrazil wirkte übermotiviert, dafür ließ Billa die Schultern hängen. Dass Burger im Gewühl einmal sogar der schussbereiten Laura Feiersinger den Ball vom Fuß wegspitzelte, war fast symbolhaft.
Nase voran gegen eine Wand gelaufen
Es war ein völliger Black-Out. Als ob die Festplatte runtergefallen und in tausend Teile zersprungen wäre; als ob es die letzten sechs Jahre nicht gegeben hätte. Da spielte natürlich alles mit: Das geschickte Spiel Spaniens, der frühe 0:2-Rückstand. Vielleicht ein gewisses Gefühl von Unverwundbarkeit, nach diesem herausragenden Jahr, das sich durch den Spielverlauf ins Gegenteil verkehrte.
Müdigkeit womöglich, geistig wie körperlich, im 16. (!) Länderspiel dieses Jahres, zumsl die Ende Juli und Anfang August stattfindende EM den Spielerinnen die Sommerpause gekostet hat. Die Abwesenheit der (wenn halbwegs gesund) abgeklärten Viktoria Schnaderbeck und der schnellen Lisa Makas hat sicher auch eine Rolle gespielt.
Nein, Palma ist natürlich nicht das Gegenstück zum Kegelabend von Valencia, der 1999 die Herren erwischt hatte. Hier ist keine Generation am Ende ihres Zyklus mit einem Knall abgetreten, wie damals. Hier ist ein Team mit Vollgas und Nase voran gegen eine Wand gelaufen. Ein junges Team, das außerdem erstmals mit hohen öffentlichen Erwartungen konfrontiert ist.
Palma ist jetzt passiert. Hilft nix, kann man nimmer ändern. Es ist vermutlich gar nicht schlecht, dass jetzt mal bald Winterpause ist, dass erst in drei Monaten die nächsten Länderspiele anstehen – vier Stück, und zwar Testspiele ohne großen Druck (es ist davon auszugehen, dass es wie in den letzten Jahren der Cyprus Cup wird). Am 5. und am 10. April erst geht’s dann daheim gegen Serbien und Spanien in der WM-Quali weiter.
2:0 über Israel mit spezieller 3-2-1-4-Formation
Diese hohen öffentlichen Erwartungen konnten letzten Donnerstag auch nicht zu 100 % erfüllt werden. Gegen den designierten Gruppenletzten Israel gab es in der Südstadt einen zähen 2:0-Pflichtsieg. Dass dieser knapper ausfiel als erhofft (z.B. gegenüber dem 6:0 der Spanierinnen davor oder dem 4:0 von Finnland danach), war ärgerlich, lag aber auch am guten israelischen Spiel gegen den Ball.
Israel trat personell fast völlig anders auf als bei Österreichs 4:0-Erfolg in Horn vor anderthalb Jahren. Wie damals verlegten sich die Gäste völlig auf die Defensive – sie hatten in 90 Minuten nicht eine einzige Ballaktion im österreichischen Strafraum! – aber es war sehr organisiert. Nicht unähnlich wie beim mühsamen 1:0 der ÖFB-Frauen vor zwei Jahren auswärts in Israel.
Die Gäste stellten sich im 5-4-1 auf und erwarteten Österreich am eigenen Strafraum. Dominik Thalhammer stellte dem ein bisher nicht praktiziertes 3-2-1-4 gegenüber. Damit wollte man Personal zwischen die israelischen Ketten bringen und die immer knapp am Abseits agierende Offensivreihe auch mit Chips aus der Tiefe bedienen. Das funktionierte zu Beginn gut und auch das 1:0 durch Sarah Puntigam nach zwölf Minuten wurde mit einem solchen Pass eingeleitet.
Grundsätzlich eröffneten die äußeren Spielerinnen in der Abwehrkette (Wenninger rechts, Naschenweng links) das Spiel – nach außen auf Aschauer bzw. Prohaska, kurz auf Schiechtl oder Puntigam, oder der lange Chip nach vorne auf Zadrazil oder die beiden Zentrums-Stürmerinnen. Bot sich keine Option an, wurde der Ball via Kirchberger auf die andere Seite gelenkt.
Das erlaubte große Stabilität, verhinderte aber größeres Tempo.
Die beiden Ketten bei Israel funktionierten ganz gut. Shayna Levy (die halbrechte Spielerin in der Fünfer-Abwehr) ließ sich zwar oft aus der Position ziehen und öffnete damit Löcher, die ÖFB-Frauen bohrten das jedoch nicht an. Österreich bekam die beiden Zentrumsstürmerinnen Burger und Billa selten eingesetzt, gerade an Billa lief das Spiel vorbei.
Die Mittelfeld-Kette Israels hatte den Job, im Zentrum gegen Puntigam zuzumachen und die Pässe innerhalb des österreichischen Mittelfeld-Trios zu unterbinden, das klappte exzellent. Opal Sofer begleitete die mögliche Passempfängerin, während Alina Mektalov die ballführende Österreicherin störte. Ein wirkliches Zusammenspiel von Puntigam, Schiechtl und Zadrazil gab es nicht.
Wenn Österreich versuchte, die Außenspielerinnen Aschauer und Prohaska in Szene zu setzen, wurden diese von den beiden jeweiligen Außenspielerinnen Israels schnell gedoppelt. Damit war auch hier der Weg in den Strafraum versperrt. Die Folge war ein Spiel, das vor den 3.100 Zusehern in der Südstadt weitgehend ereignisarm vor sich hinplätscherte.
Der Sieg stand quasi schon in der 12. Minute mit dem 1:0 fest, Burgers Tor zum 2:0-Endstand (Pass in den Rücken einer herausgerückten Verteidigerin) besiegelte ihn endgültig. Israel kam nie auch nur in die Nähe des Tores – Österreich verbuchte 16:0 Torschüsse (wenn auch die wenigsten wirklich gefährlich waren), 11:0 Eckbälle (wenn auch diese wenig brachten) und wieder an die 700 Ballaktionen (letzten Jahr in Horn waren es sogar noch mehr).
Die Lage in der Gruppe
Das Spiel von Spanien gegen Österreich in Palma war das erste in der WM-Quali-Gruppe 7, in dem zwei Teams aus dem Top-Trio aufeinander getroffen sind. Mit dem 4:0 hat Spanien nun natürlich alle Trümpfe in der Hand, was den Gruppensieg und die damit verbundene direkte Qualifikation für die WM angeht. Den Direktvergleich gegen Österreich wird Spanien nicht mehr verlieren – das heißt: Wenn Spanien gegen die anderen drei nicht patzt, kann sich die Seleccion sogar eine Niederlage im April in Österreich erlauben. Das mit der Pflichterfüllung wäre aber schon beim Last-Minute-2:1 in Serbien vor ein par Tagen beinahe schief gegangen.
Finnland (1:0 gegen Serbien und 4:0 gegen Israel) wird vor Österreich überwintern und im Jänner vermutlich mit einem Sieg in Israel weiter davon ziehen – hat aber in der ganzen restlichen Qualifikation dann nur noch ein einziges vermeintlich leichtes Spiel, aber noch alle vier Matches gegen die im Ranking besser klassierten Teams aus Spanien und Österreich vor sich.
Österreich braucht spanische Ausrutscher, so gut wie sicher einen eigenen Heimsieg gegen Spanien am 10. April sowie alle sechs Punkte gegen Finnland, um noch selbst Gruppensieger werden zu können. Jedes für sich ist nicht ausgeschlossen, dass dies alles eintritt, ist aber nicht zu erwarten. Am 8. Juni (auswärts) sowie im letzten Match am 4. September (daheim) geht es gegen Finnland – hier wird sich entscheiden, ob Österreich Zweiter wird.
Und natürlich muss der Blick jetzt auch auf die anderen Gruppen gehen. Denn nur die vier besten der sieben Gruppenzweiten dürfen um den einen verbleibenden Platz spielen. Vor der nun anstehenden Winterpause liegt Österreich im Ranking der designierten Gruppenzweiten auf dem sechsten Platz, das sagt zu diesem frühen Zeitpunkt aber noch nicht viel aus.
Wenn man, um die Golfsprache zu verwenden, zwei Niederlagen gegen den Gruppensieger und vier Siege gegen den Dritten und Vierten als „Par“ rechnet (Resultate gegen den Letzten werden im Zweiten-Ranking nicht berücksichtigt), hat erst ein einziger vermutlicher Zweiter ein „Birdie“ fabriziert – das war Island mit dem 3:2-Sieg in Deutschland. Weil Island danach aber gegen Tschechien nur remisierte, liegt das Team derzeit quasi auf „1 unter Par“.
Es hat auch erst ein anderer Zweiter ein „Bogey“ auf dem Konto, und das ist wahlweise Russland oder Wales. Diese beiden werden sich den zweiten Platz in der England-Gruppe untereinander ausmachen, im ersten direkten Duell gab es ein 0:0 – wer immer hier zweiter wird, liegt also „2 über Par“, wenn (was zu erwarten ist) jeweils beide Spiele gegen England verloren gehen.
Alle anderen desiginierten Zweiten haben gegen die hinteren Teams noch nichts liegenlassen und gegen die Top-Teams noch nichts Zählbares geholt. Darunter auch Österreich. Will man spitzfindig sein, kann man sie nach derzeitiger Tordifferenz reihen. Das wären: Belgien (4:2 Tore aus zwei Spielen) oder Italien (5:0 aus 3 Spielen), Norwegen (4:2 aus zwei Spielen), Dänemark (4:3 aus zwei Spielen, darunter die Strafverifizierung des verweigerten Matches gegen Schweden), Schottland (2:1 aus 1 Spiel) und Österreich (4:4 aus 2 Spielen).
Aber, wie gesagt, es ist noch früh und die allermeisten Spiele zwischen den zwei, drei Top-Teams der jeweiligen Gruppen haben noch gar nicht stattgefunden. Also: Eigene Hausaufgaben machen, und dann weiterschauen.