Österreich vergibt kurz vor Schluss den Sieg in Irland und kann sich nun endgültig darauf einstellen, die WM in Russland nicht als Aktive zu erleben. Der späte irische Ausgleich hatte sich in vielerlei Hinsicht abgezeichnet. Angesichts des Umstandes, dass das Team mittlerweile überhaupt keine seiner einstigen Stärken mehr zeigt und Reaktionen des Trainers auf offensichtliche Schwächen ausbleiben, wird es immer wahrscheinlicher, dass diesem 50. Länderspiel von Marcel Koller nicht mehr viele folgen werden.
Arnautovic, Schöpf, Janko, Sabitzer und Ilsanker fehlten. Nach dem Rücktritt von Suttner und dem Krach mit Ulmer gibt es auch keinen Linksverteidiger mehr. Das ist natürlich ein Verlust von individueller Qualität. Das erklärt aber die eher gesichtslose Taktik nicht in vollem Umfang.
Baumgartlinger als Dirigent
Von zwei ausnehmend spielschwachen Teams war es jenes aus Österreich, das noch deutlich eher an Spielkontrolle und einem durchdachten Aufbau interessiert war. Baumgartlinger als Sechser war ganz klar der Dreh- und Angelpunkt: Er wurde gesucht, und er verteilte auch die Bälle. Und zwar tendenziell eher in Richtung Außenbahnen, weil Junuzovic und Alaba im Zentrum von ihren direkten Gegenspielern gebunden waren.
Durch diese permanenten Verlagerungen kam allerdings selten das nötige Tempo in die Angriffe. Lainer und Lazaro rechts harmonierten zwar nicht schlecht, kamen aber selten dazu, ihre irischen Gegenspieler Ward und McClean wirklich auszuspielen. Und die linke Seite fand fast nicht statt: Hinteregger bemühte sich zwar, aber man merkte ihm die ungewohnte Position an. Und Kainz wurde so gut wie nie passend angespielt, er war fast überhaupt kein Faktor.
Geringes Tempo
Der Flügelfokus bei Österreich in Verbindung mit der klaren Rolle von Baumgartlinger als Dirigent sorgte für eine gewisse Grundstabilität, die in dieser Form bei den Iren nicht erkennbar war. Da spielte auch mit, dass Österreich im Zweifel eher auf Ballsicherung ging – also Baumgartlinger den Ball auch mal nach hinten in die Innverteidigung spielte – und die Iren recht schnell vertikal und hoch nach vorne agierten.
Diese Spielweise war bei Österreich grundsätzlich gut für das ramponierte Selbstvertrauen, sorgte aber auch für geringes Tempo und trug nicht dazu bei, das irische Team in Bedrängnis zu bringen. Folgerichtig fiel die Führung für Österreich dann auch nicht aus dem Spiel heraus – sondern aus einer einstudierten Eckenvariante. Endlich – das war in den letzten Jahren äußerst selten.
Lange irische Bälle
Das irische Team versuchte, mit den Offensivspielern die österreichische Eröffnung anzupressen – vor allem Sturmspitze Walters preschte immer wieder auf Prödl, Dragovic und Lindner zu. Davon abgesehen aber war überhaupt kein Plan erkennbar, wie man eigene Angriffe aufbauen möchte.
So regierten die langen Bälle, nicht selten aus der eigenen Hälfte heraus. Hatte man sich vor dem Strafraum der Österreicher festgesetzt, wurde ob der nicht vorhandenen Laufwege ratlos eine Möglichkeit gesucht, den Ball an den Mitspieler zu bringen. So konnte Irland aber nur ein-, zweimal so etwas wie Torgefahr erzeugen.
O’Neill stellt um
Nach einer Stunde stellte Martin O’Neill um, er brachte eine zweite Spitze und ließ nun in einem 4-4-2 spielen. Wobei „spielen“ übertrieben ist: Es wurden nun noch mehr lange Bälle in die grobe Richtung des österreichischen Strafraumes gedroschen, wo nun eben ein Spieler mehr war, der diese Bälle potenziell erreichen konnte.
Österreich reagierte auf diese Umstellung allerdings nicht mit dem Versuch, diese weitere irische Aufgabe von kontrolliertem Aufbau selbst adäquat zu erwidern – sei es durch das Herausnehmen von Tempo im eigenen Ballbesitz oder das zielgerichtete Fahren von schnellen Gegenstößen in den Raum hinter den irischen Spitzen.
Im Gegenteil wurden in dieser letzten halben Stunde auch selbst nur noch die Bälle weitgehend blind möglichst weit weg vom eigenen Tor befördert. Das österreichische Team – welches durch das Aufrücken von Alaba zu Beginn der ersten Hälfte mehr Passoptionen hatte und sich zumindest um einen geordneten Aufbau bemühte, so hölzern und ungenau das auch war – ließ sich in dieser Phase von den Iren auf deren Spielniveau hinunter ziehen.
Keine adäquate Reaktion
Koller reagierte lange überhaupt nicht – auch nicht darauf etwa, dass Dragovic ganz eindeutig nicht mehr auf allen Zylindern lief, nachdem er einen Schlag abbekommen hatte – wohlgemerkt zu einem Zeitpunkt, als Koller noch alle drei Wechsel zur Verfügung hatte. Erst 23 Minuten nach der irischen Umstellung wurde mit dem Wechsel Grillitsch für Junuzovic die Balance im Mittelfeld etwas adaptiert (sprich: defensiver gestaltet).
Schon zuvor war Harnik für Burgstaller gekommen (Hintergedanke wohl: Schneller und frischer für etwaige Konter), aber Dragovic musste weitermachen – obwohl Kevin Wimmer zur Verfügung gestanden wäre. Schon zweimal hatte Österreich großes Glück, dass die Iren den Ball aus kürzester Distanz nicht über die Linie brachten, kurz nach der von Grillitsch vergebenen Chance zum 2:0 fiel der irische Ausgleich dann doch.
Nach einem langen Ball. Und einem verlorenen Lauf-Zweikampf des angeschlagenen Dragovic.
Fazit: Nicht nur klein Plan B, selbst den alten Plan A gibt es nicht mehr
Inwieweit das Spiel anders gelaufen wäre, wenn der gesperrte und verletzte Marko Arnautovic statt Flo Kainz gespielt hätte, ist müßig. Auf jeden Fall aber stimmte über weite Strecken der Einsatzwille beim österreichischen Team – immerhin.
Spielerisch war das meilenweit von der Glanzzeit des Jahres 2015 entfernt. Das liegt auch, aber nicht nur am Personal. Wenn man einen trickreichen Marko Arnautovic hat, und einen zu Unrecht oft gescholtenen Marc Janko, kann man sich im Angriffsdrittel auf deren Einfälle verlassen. Aber recht offensichtlich sich selbst dann auf individuelle Qualität zu stützen, wenn diese Spieler nicht dabei sind, reicht eben nicht einmal gegen die primitive irische Spielweise.
Die spielerische Dominanz im Zentrum und das effektive Angriffspressing – also jene Dinge, für die das ÖFB-Team in der EM-Quali 2014/15 gestanden ist – gibt es nicht mehr. Und zwar, obwohl das zentrale Trio (Alaba, Baumgartlinger, Junuzovic) von damals immer noch spielt. Und ein Angriffspressing mit Lazaro, Burgstaller und Kainz vom Grundprinzip her genauso spielbar ist.
Es war ein über lange Zeit immer wieder vorgebrachter Kritikpunkt an Marcel Koller, dass es keinen Alternativplan gibt, wenn die angestammte Spielweise nicht zum Erfolg führt. Mittlerweile kommt nicht mal mehr dieser Plan A zur Anwendung. Das Team nähert sich inhaltlich immer mehr der Prä-Koller-Zeit an – als ein mit dem Fußball des 21. Jahrhunderts überforderter Trainer einfach elf Leute aufgestellt hat und davor bei Presseterminen wahllos verbal auf einzelne Spieler hingedroschen hat.
Da kann schon mal gut gehen (wie es das bei diesem Spiel in Dublin fast gelungen wäre), aber mittel- und langfristig zielführend ist das nicht.