Im ersten Test des EURO-Jahres 2016 besiegte Österreich am Samstag Albanien mit 2:1 (2:0). Tore von Marc Janko und Martin Harnik genügten dem ÖFB-Team mit gewohnter Aufstellung im Duell mit einem anderen EM-Teilnehmer zu einem verdienten aber nicht problemlosen Erfolg. Zwei Dinge möchte ich in taktischer Hinsicht besprechen.
[Wir sprechen auch im aktuellen Podcast über das Spiel, sowie über Deutschlands Niederlage gegen England und den Tod von Johan Cruyff.]
1. Die Pressing-Problemzone
Österreich versuchte hohes Pressing und verlor in seinem Ballhunger gelegentlich die Kompatkheit. Das defensive Mittelfeld rückte zu weit nach und ließ große Räume vor der Innernverteidigung, die aber oft schon bis zur Mittellinie aufgerückt war und deshalb nicht höher pressen konnte. Albanien gelang immerhin, die Problematik anzudeuten und beim Treffer auszunutzen, bessere Gegner könnten das härter bestrafen.
Natürlich soll aber nicht verschwiegen werden, dass eben jenes hohe Pressing vor dem 1:0 durch Marc Janko zur Balleroberung führte. Man sollte aber über Varianten sprechen, um diese Löcher zu stopfen. Ob Alaba und Baumgartlinger wirklich so oft gleichzeitig aufrücken sollten? Ob man den Gegner nicht doch ein paar Meter weiter aufrücken lassen sollte um der Abwehr zu ermöglichen, näher ans Mittelfeld zu rücken?
Marcel Koller führte die zentralen Raumaufteilungs-Probleme nach dem Spiel auf die 2-gegen-3-Unterzahl im Zentrum zurück, die sich strukturell daraus ergibt, dass Österreich im 4-4-2 verteidigt, während Albanien ein 4-3-3/4-1-4-1 pflegte. Der Teamchef bemängelte in diesem Zusammenhang ein wenig die mangelnde Laufbereitschaft und das Verhalten, der Außenspieler, die ihm zu wenig eingerückt waren, um diese strukturelle Minderheit auszugleichen.
In der obenstehenden Situation hätte aber weder Laufbereitschaft noch Einrücken viel genützt, um die 4 gegen 6 Unterzahl zu verhindern. Diese entstand daraus, dass Baumgartlinger ohne Absicherung in ein erfolgloses Gegenpressing startete. Auch beim Gegentor fehlte wie angemerkt ein defensiver Mittelfeldspieler, um den Zug von Lenjani auf die Innenverteidigung aufzuhalten.
2. Der Aufbau durch die Mitte
Im frühesten Spielaufbau setzte man vor allem in der ersten Hälfte häufiger auf ein 4-3-3. Ein zentraler Mittelfeldspieler (v.a. Baumgartlinger) kippt dazu zwischen oder leicht vor die Innenverteidiger ab und hat das Spiel vor sich. Das gibt ihm vier Anspielstationen in unmittelbarer Nähe. Wenn er nicht attackiert wird, rückt er entweder so weit wie möglich mit dem Ball auf, bis er eine attraktive Anspielstation findet oder sucht sofort die zwei zentralen Mittlefeldspieler (Alaba/Junuzovic) vor sich. Wird er doch attackiert, gibt er an einen Innenverteidiger ab, der diese Aufgabe eben dann übernimmt. Diese Aufbauform ist etwas langsam, dafür wirkt sie relativ risikolos und ist nur durch aggressiveres Stören des Gegners zu unterbinden.
In der zweiten Hälfte tat Albanien aber eben mehr dafür, Österreich zu stören – insbesondere die beiden Flügel waren deutlich aktiver. Deshalb baute Österreich primär im gewohnten 4-2-3-1 auf. Dabei bieten sich nur die beiden Sechser ballnah an, der Zehner bleibt höher aufgerückt. Er bietet einen zusätzlichen und direkteren Passweg durch die Mitte oder Hilfe beim Sichern weiter Bälle. Das gelang aber nicht so gut.
An dieser Stelle hätten sich vielleicht mehr weite Bälle auf die Außenspieler hinter die Abwehr angeboten (ca. wie jenen, den die albanische Abwehr beim 2:0 falsch eingeschätzt hat). Aber natürlich kann das auch bedeuten, dass der Ball schneller wieder weg ist. Und statt so nach einer höheren Führung zu jagen, wollte Koller, dass das Team mehr Ballbesitz anhäuft – möglicherweise auch weil es mit dem Ball besser darin ist, seine Kräfte zu schonen.
Diese Strategie resultierte zwar keinesfalls in einer Glanzleistung, aber so musste immerhin Albanien nicht nur dem Rückstand sondern auch dem Ball ständig nachjagen. Für Ergys Kace war diese Intensität möglicherweise zu hoch. Er kam gleich zwei Mal rotverdächtig zu spät in einen Zweikampf. Der unzweifelhafte Ausschluss nahm Albanien schließlich bessere Chancen auf den Ausgleich.