Oscars Hattick mit Traumtor macht Brasilien zum U20-Weltmeister

Er heißt Oscar, er spielt (noch) bei Internacional Porto Alegre – und er hat mit seinen drei Toren Brasilien zum U20-Weltmeister gemacht! Überraschungsfinalist Portugal machte der Seleção das Leben zwar lange schwer, waren dem Druck und der individuellen Klasse Brasiliens aber letztlich nicht gewachsen.

Brasilien - Portugal 3:2 n.V.

Es war das klassische Duell Zentrum gegen Flügel. Die Formation, die Brasiliens Teamchef Ney Franco spielen ließ, war wie schon zuletzt ein etwas kurioses Mittelding aus 4-3-1-2 und recht schiefer Raute. Die höhere Position von Oscar auf der linken Mittelfeldseite gegenüber Casemiro auf der rechten bedeutete zwar ein personelles Übergewicht auf der linken Seite, aber es war dennoch eher Rechtsverteidigier Danilo, der mit viel Vorwärtsdrang die sonst fehlende Breite im Spiel der Seleção auszugleichen versuchte.

Danilo drückte viel nach vorne und nahm so den offensivstarken Mário Rui ziemlich aus dem Spiel. Das frühe 1:0 nach einem Freistoß hätte zusätzlich in die Hände der Brasilianer spielen können, wenn nicht beinahe postwendend der Ausgleich gefallen wäre – natürlich über die Flügel, in diesem Fall den rechten.

Befreiung aus der Umklammerung

Die Portugiesen wussten, dass die über die Flanken zum Erfolg kommen mussten, weil durch den defensiven Casemir und Sechser Fernando das Zentrum ziemlich zu war, zumal sich das Zentral-Trio der Portugiesen auf die sehr quirlige brasilianische Offensive kümmer musste, die sich viel bewegte und so versuchte, Unruhe beim Gegner zu stiften. Zudem taten sich die Portugiesen auch nach dem Ausgleich mit dem konsequenten Pressing der Brasilianer ziemlich schwer.

Das legte sich erst nach 20 Minuten, als es die Portugiesen schafften, schneller die Flügelstürmer zu bedienen. Diese machten sich nun vermehrt im Rücken der offensiven brasilianischen Außenverteidiger breit und zogen so auch die Abwehrkette besser auseinander. Das hatte zur Folge, dass sich Danilo und Gabriel Silva zurückziehen mussten, um nicht permanent im Rücken riesige Räume offen zu lassen – womit wiederum das brasilianische Angriffsspiel um die Breite beschnitten wurde.

Es war ein äußerst lebhaftes Spiel, in dem sich die Mannschaften aber weitgehend neutralisierten und wenige Torszenen zu bewundern waren. Brasilien blieb zwar die agierende, die aktivere Mannschaft, aber nach Ballgewinn schalteten die Portugiesen blitzschnell um und verbreiteten so die ständige Gefahr, dass doch einmal was passieren kann.

Gescheiterte Radikalkur

Brasilien ab der 2. Hälfte

Für die zweite Hälfte drehte der brasilianische Teamchef Ney Franco sein Team komplett um: Er besetzte beide Außenbahnen neu (Allan rechts und Juan Jesus links), zog Casemiro in die Innenverteidigung, dafür den offensiv agileren Danilo ins Mittelfeld, Negueba spielte nun den rechten Flügel, Coutinho den linken und Oscar kam über das Zentrum, die Formation wurde ein 4-2-3-1. Gesund war diese Radikalkur aber nicht: Der Abstand zwischen Defensive und Offensive wuchs sprunghaft an, die Portugiesen konnten sich darin genüsslich breit machen und die Passwege komfortabel zustellen.

Da halt auch der Standard-Laufweg von Coutinho, von der Mitte auf die Außen zu ziehen um so im Zentrum Platz zu schaffen, wenig – die Seleção holperte und war nun deutlich mehr gezwungen, sich auf Einzelaktionen zu verlegen. Und bei einer solchen vertendelte Coutinho den Ball, der Befreiungsschlag landete bei der portugiesischen Solospitze Nélson Oliveira, und bei seinem Schuss aus spitzem Winkel machte auch der Brasilo-Keeper Gabriel keine gute Figur. Das 2:1 für Portugal war gefallen.

Rückstand wirkt

Zwei Faktoren brachten Brasilien zurück ins Spiel: Zum einen, dass Coutinho prompt ausgewechselt wurde und Dudu nicht annähernd so viele Bälle leichtfertig hergab wie der junge Mann von Inter Mailand. Und zum Zweiten der Rückstand an sich, denn nun war die Defensive gezwungen, weiter aufzurücken. So nahm die Seleção den führenden Portugiesen jeden Raum im Mittelfeld, wurdurch diese fast nur noch lange Bälle auf Nélson Oliveira spielen konnten – er stieß überwiegend über die Seite des offensiv äußerst zurückhaltenden Juan Jesus nach vorne.

Aber der Ausgleich, der den Brasilianern wiederum in Person von Oscar gelang, war absolut verdient. Dudu hielt die Linie zudem besser als Coutinho, wudurch es viel besser gelang, die Portugiesen auseinander zu ziehen. Und auch in der Folge drückten die Brasilianer weiter, sie wollten, die Verlängerung noch verhinten. Das gelang aber nicht mehr – es gab 30 Extra-Minuten.

Kunstschuss bringt Entscheidung

Die Seleção wusste aber, dass sie die Portugiesen nun dort hatten, wo sie sie haben wollten und machten auch in der Verlängerung weiterhin Druck – und hatten Glück, als Torhüter Gabriel vor dem alleine auf ihn zu stürmenden eingewechselten Caetano klärte. Doch sonst machte Portugal nicht mehr den Eindruck, selbst wirklich gefährlich werden zu können.

Letzlich war es dann ein individueller Geniestreich, der den 3:2-Sieg der Brasilianer fixierte. Ein unglaublicher Heber von Oscar aus relativ spitzem Winkel von außerhalb des Strafraums überhob den chancenlosen Mika im portugiesischen Tor. Das dritte Tor des Spielers von Internacional Porto Alegre ließ den portugiesischen Widerstand erlahmen, was die Körpersprache der Iberer deutlich machte. Die dann auch noch die letzten Minuten mit zehn Mann auskommen mussten – Sechser Danilo konnte angeschlagen nicht mehr weitermachen und das Austauschkontingent war schon erschöpft…

Fazit: Verdienter Sieg der Brasilianer

Es ist durchaus stimmig, dass ausgerechnet Oscar mit seinen drei Toren den maßgeblichsten Anteil am Finalsieg der Brasilianer hat. Der Rechtsfuß aus Porto Alegre zeigte sich im Turnierverlauf als der vielseitigste Spieler seiner Mannschaft: Er kann auf beiden Flügeln spielen, als Zehner, als hängende Spitze – und, wie gegen Österreich, sogar als Außenverteidiger. Er hob sich seine Tore für das Endspiel auf.

In dem die Brasilianer letztlich die bessere Mannschaft waren, auch wenn es vor der Pause schwer fiel, Zugriff auf das Tor zu bekommen und die Umbauten zur Halbzeit nicht sofort wirkten. Die Klasse der Südamerikaner und der Druck, der am der 60. Minute ausgeübt wurde, macht sie aber zu einem verdienten Weltmeister – wiewohl es im Viertelfinale gegen Spanien mächtig Glück brauchte. Zwar machten die Spanier dort ihr einziges wirklich gutes Spiel dieser WM, letztlich ist es aber folgerichtig, dass der Sieger aus diesem Viertelfinale auch den Titel mitnimmt.

Für Portugal ist die Niederlage zwar bitter – zum einen, weil sie bis etwa zehn Minuten vor Ende der regulären Spielzeit in Führung lagen, und zum anderen, weil sie durch einen kaum zu verhindernden unglaublichen Geniestreich von Siegtor unterlegen sind. Dennoch muss dieses Turnier als Riesenerfolg auch für die Portugiesen gelten, denn sie sind zweifelsohne das am meisten verbesserte Team im letzten Jahr. Bei der U19-EM, die ja die Europa-Quali darstellte, machte man noch alles andere als eine gute Figur, vor allem bei jenem 0:5 gegen zehn Kroaten, das Portugal damals das Semifinale gekostet hatte.

Nun sind die Kroaten in der Vorrunde ausgeschieden und Portugal war im Finale. Ist doch auch was.

(phe)

Über Philipp Eitzinger

Journalist, Statistik-Experte und Taktik-Junkie. Kein Fan eines bestimmten heimischen Bundesliga-Vereins, sondern von guter Arbeit. Und voller Hoffnung, dass irgendwann doch noch alles gut wird.