Die effektviste Defensive der Saison empfing an der Stamford Bridge am Dienstagabend die erfolgreichste Offensive der Saison. Chelseas Titelchancen waren bereits im Vorfeld gleich Null, die Blues wollten mit einem Sieg zurück in die Top 4. United stand mit vier Punkten Vorsprung an der Spitze der Liga – und sollte doch keinesfalls verlieren.
Carlo Ancelotti verzichtete auf Didier Drogba und warf sein Team mit einer Art 4-4-2 mit Raute im Mittelfeld in die Partie. Das Mittelfeld agierte extrem schmal und sollte wohl von den Außenverteidigern über die Flanken untersützt werden. Das gelang den Blues aber in der ersten Halbzeit kaum. Cole und Ivanovic tauchten erst gegen Ende des Durchgangs vorne auf. Essien sollte hinten absichern, Lampard hinter den Spitzen helfen – gerne tauschten die Beiden auch die Plätze. De facto erschien Essien fast auffälliger in der Offensive, der Engländer beschränkte sich eher auf sichere Pässe. Die meisten Vorstöße aus der Mitte kamen aber eher von Malouda.
Alex Ferguson stellte seinerseits ein klassischeres 4-4-2 mit zwei Sechsern auf. Vidic war auf Torres abgestellt, Smalling musste den etwas tiefer spielenden Anelka empfangen. Carrick und Scholes sicherten in der Mitte ab. United verließ sich in der Offensive auf das Kombinationsspiel und die Schnelligkeit von Hernandez und Rooney, die sich Bälle oft tief holen mussten. Aus dem Mittelfeld kam nur über die Flanken maßgebliche Unterstützung, wobei nur Fletcher auch tatsächlich außen blieb. Nani zog es wenig überraschend hinter die beiden Spitzen.
Erste Hälfte
Beide Teams zeigten von Beginn weg Siegeswillen. So entwickelte sich in der ersten Viertelstunde ein recht offener Schlagabtausch. In der zweiten Minute wäre ein Schuss von Torres direkt unter die Querlatte ein würdiger Einstandstreffer für den Spanier bei Chelsea geworden, doch wegen einem Foulspiels war bereits abgepfiffen. Drei Minuten später kämfte sich Ramires gegen die gesamte linke Abwehrseite von United durch, legte perfekt auf Malouda zurück, doch der Franzose stellte Van der Sar frei von der Strafraumgrenze aus vor keine gröberen Rätsel. Als Malouda in der 12. Minute des Gegners defensives Mittelfeld allzu leicht überwand und auf Essien ablegte, konnte dessen Schuss von der Verteidigung geblockt werden.
Auch Manchester versuchte offensiv zu agieren, kam aber vorerst zu keinen zwingenden Chancen. Erst in der 16. Minute dann die Andeutung einer solchen. Hernandez machte mit einem cleveren Haken die blaue Abwehr auf, spielte steil auf den nachrückenden Evra, doch dessen Querpass auf Rooney verfehlte den Stürmer um den berühmten Tick. Es zeichnete sich ab, dass United sein Glück entweder über Steilpässe auf Hernandez, eher aber immer wieder über links versuchte. Evra hatte zu viel Platz, konnte sich im Zusammenspiel mit Nani ungestört in die Offensive einschalten. Das beschäftigte Ramires und Ivanovic so sehr, dass über die rechte Seite bei Chelsea nicht wirklich viel lief. Die Ancelotti-Elf rückte nach 15 Minuten auch merkbar weiter zurück, attackierte erst merkbar in der eigenen Hälfte. Es war vor allem der guten Leistung von Luiz zu verdanken, dass United in dieser Phase nicht zu einigen wirklich großen Chancen kam.
Doch es war genau dieses absehbare Muster, das den Gästen schlussendlich die Führung einbrachte. Evra spazierte mit nach vorne, legte auf Nani ab, der nach einem flinken Zug zur Mitte Rooney das Leder überließ. Der englische Teamstürmer wurde von Ivanovic in Frieden gelassen, drehte sich und zog aus etwas über 20 Metern ab. Zuviel Platz für einen Klassemann, der spätestens seit seinem Traumtor gegen Manchester City wieder in Form kommt. 30. Minute, es stand 1:0 für die Gäste.
Chelsea bemühte sich nun endlich um etwas Breite durch Unterstützung der Außenverteidiger. Das band auf der Gegenseite Evra und Nani und Fletcher stärker an ihre defensive Aufgaben. Doch das Spiel schlief nach dem Tor vorerst etwas ein. Manchester hatte bis dahin schon in der Gegnerhälfte mit dem Pressing begonnen, zog sich aber jetzt tiefer zurück und machte dicht. Dem ohnehin schon nur weit vom Tor entfernt an den Ball kommende Torres half die zunehmende Enge nicht, doch er holte in der 40. Minute einen diskutierbaren Freistoß gegen Essien heraus. Die Granate von Lampard parierte der 40-jährige Van der Sar ebenso bravourös, wie die darauffolgenden drei Versuche aus kürzester Distanz von Ivanovic. Vor der Pause war sonst nur noch die Gelbe Karte von Vidic eine Erwähnung wert, da dieser schon in größerer Not Essien mit unfairen Mitteln am Eindringen in den Strafraum hinderte.
Zweite Hälfte
Das Bild änderte sich nach der Pause nicht. Manchester verließ sich ganz auf die Künste von Hernandez und Rooney und eine gefestigte Leistung in der Abwehr. Chelsea schaffte es zwar, United zu entschärfen, aber selbst erarbeitete man sich auch keine Tore. Das Spiel schien weitgehend festgefahren. Und so kam es, wie es in einer solchen Situation kommen musste: Eine Standardsituation löste das Patt. Nach einem Eckball klärte die Manchester-Abwehr noch, doch der Ball kam zum umtriebigen Essien auf der linken Seite im Mittelfeld. Er flankte zurück in den Strafraun, Verteidiger Ivanovic legte auf den am langen Eck stehenden Luiz ab und der brasilianische Verteidiger netzte von Evra allein gelassen eiskalt ein. Der Ausgleich für die Gastgeber in der 54. Minute.
Luiz war bis dahin der stärkste Mann in Blau am Platz, er sollte es auch weiterhin bleiben. Der Innenverteidiger war schon in der Gegnerhälfte immer wieder am Forechecking beteiligt, was er sich vermutlich aufgrund der geringen Mittel leisten konnte, die United nach vorne aufwendete. So blieb der Raum hinter Rooney und Hernandez immer wieder verwaist, was zumindest einen der Beiden immer wieder weit zurückzwang. Die Gäste fanden in der zweiten Hälfte bis daton nicht statt.
Luiz erschwerte sich dann aber das Leben, indem er nach etwa einer Stunde erst noch bei einem Bodycheck davonkam, bei einem zweiten gegen Rooney aber doch verdient Gelb sag. Ancelotti wechselte kurz darauf Anelka gegen Drogba aus. Der Ivorer sollte dem Chelsea-Spiel vorne endlich etwas körperliche Duchsetzungskraft einbringen.
Quasi als Reaktion deckte United auf, wie es gehen würde. Der Ball ging nach vorne zu Hernandez, der bekam Unterstützung an der Flanke von Fletcher und legte nach außen ab. Fletcher spielte den tödlichen Pass zur Mitte, Rooney war da und netzte ein. Einziger Schönheitsfehler: Er war knapp im Abseits und der Linienrichter hatte das gesehen.
Es folgten mehrere Wechsel: Hernandez machte für Berbatov Platz, Scholes wurde durch Giggs ersetzt. Auf der Gegenseite kam Zhirkov für den glücklosen Malouda. An der Spielanlage änderte das vorerst nichts. Es war eine gewisse Nervosität zu spüren, niemand wollte alles riskieren – gerade aus Chelseas Sicht war das etwas unverständlich.
In der 74. Minute dann eine wichtige Szene – der einzige Schiedsrichterfehler des Abends, und der sollte schwer wiegen. Rooney legte den Ball zu einem Mitspieler an, drohte ohne Ball Luiz zu enteilen und der Brasilianer stellte dem Engländer weit fernab des Balles ein Bein. Im Mindestfall war das eine klare Unsportlichkeit und damit eine zwingende Gelb-Rote für den 23-Jährigen. Doch Referee Atkinson und seine Assistenten hatten die Aktion (unverständlicherweise) nicht gesehen und so blieben Chelsea alle Feldspieler erhalten.
Keine drei Minuten später hatte er dann besser aufgepasst. Der schwungvolle Zhirkov drang in den Strafraum des Gegners ein, wurde gelegt und ergatterte so einen Elfmeter. Frank Lampard bewies Coolness, hämmerte den Ball unter die Latte und stellte die 2:1-Führung für die Gastgeber her (78.). Es war nicht unbedingt eineFolge von herausragendem Spiel oder enormen Druck, aber aufgrund der allzu großen Passivität des Gegners ging sie in Ordnung. Ancelotti brachte Bosingwa um Luiz vor sich selbst zu schützen, bei United musste Evra runter und Fabio durfte ran. (81.)
Plötzlich erwachte Chelsea, kam erst über rechts mit Ramires und dann links mit Cole zu einer Flanke, ehe ein Gewaltschuss von Zhirkov (nach einem Eckball) nur mit Glück von Vidic abgelenkt werden konnte. Ferguson ließ nun Nani rechts, Giggs links und Fletcher in der Mitte spielen. Seine Mannschaft warf auch sichtbar mehr nach vorne. Dich die einzige echte Chance fand Fabio knapp vor Ende der regulären Spielzeit vor. Nach einem schönen Kombinationsspiel kam der Linksverteidiger gegen Goalkeeper Cech am Fünfer aber etwas zu spät.
Der Schlüssel
Als Schlüssel von Chelseas Erfolg kann man die Verbreiterung des Angriffsspiels bezeichnen, mit dem man zwar selbst wenig Druck erzeugte, aber zumindest auch die Offensive der Gäste merkbar kastrierte. Hatte Evra in den ersten 35 Minuten des Spiels noch unheimlich viel Platz und sein Engagement eine zerstörende Wirkung auf Chelsea, kam er in der zweiten Hälfte kaum noch dazu, sich einzuschalten. Die folgende Grafik aus dem Guardian-Chalkboard zeigt das sehr schön.
Hingegen muss man bei den Blues dringend die Politik hinterfragen, Fernando Torres um jeden Preis nicht nur zu kaufen sondern auch durchspielen zu lassen. Dem Ex-Liverpooler gelingt im blauen Trikot noch nicht besonders viel, obwohl er sich alle Mühe gibt. Gerade in solch körperbetonten Duellen wie dem heutigen ist ein Drogba aber wohl die bessere Wahl. Das zeigte dieser auch in den letzten Minuten, als er immer wieder den Ball gegen United behauptete. Vidic blieb dabei bei einem Foul erst noch die zweite Gelbe erspart. Einige Sekunden später stoppte er aber Ramires völlig unnötigerweise durch unfaires Halten und wurde des Platzes verwiesen. Er fehlt damit ebenso wie Ferdinand und Evans am Sonntag im nächsten Topp-Spiel für Manchester beim Mit-Rekordmeister Liverpool.
Das Meisterschaftsfinish
Für die Reds bedeutet das heutige Ergebnis zwar, dass die Idee von einem Champions League-Platz sich ziemlich sicher in Luft aufgelöst hat, doch wem man den Meistertitel versauen möchte, ist an der Anfield Road sicher keine Frage die man jemandem noch groß stellen muss.
Arsenal wird sich jedenfalls schon für das heutige Ergebis beim Stadtrivalen artig bedanken. Die Gunners liegen nun nur noch einen theoretischen Verlustpunkt hinter ManUnited (ein Nachtragsspiel fehlt). Natürlich ist United weiterhin Tabellenführer, doch das Restprogramm ist schwer. Neben dem Klassiker am Sonntag empfängt man noch einmal Chelsea und muss – wenn die Saison einigermaßen erwartbar verläuft – bei Arsenal im direkten Duell zumindest punkten (deren schwerste verbleibende Spiele zuhause gegen Liverpool und im Lokalderby bei Tottenham stattfinden). (tsc)