Am Montagabend steigt in der Premier League das Spitzenspiel. Manchester City empfängt Liverpool in der zweiten schweren Partie für beide Mannschaften (die Reds starteten 1:1 gegen Arsenal, die Citizens 0:0 bei Tottenham). Die letzten sieben Aufeinandertreffen endeten fünf Mal Remis. Seit 2005 gab es für City keinen Heimsieg.
In der vergangenen Saison sahen sich meine Eltern bei einem England-Trip mit Freunden genau diese Begegnung in Manchester an, Überliefert wurde Abenteuerliches: Nach dem Schlendern durch den Fanshop wollten sie pünktlich ihre Plätze beziehen. Sie rannten um das Stadion auf der Suche nach ihrem Sektor. Einmal herum, zweimal herum – er war nicht aufzufinden. Also fragten sie einen Ordner. Der deutete zum Erstaunen der Gruppe hinter sich: Der VIP-Eingang tat sich vor ihnen auf. Durch den gingen sie, vorbei an der Tiefgarage mit Nobelschlitten, hinauf auf die Tribüne mit den Ledersesseln. Wie das passiert ist, weiß niemand so genau. Beschwert hat sich niemand.
„Manchester City – das ist eigentlich solides englisches Arbeitermilieu“, schreibt Carsten Germann in seinem Buch „Absolute Dynamite“ (das ich hier in näherer Zukunft noch besprechen werde). 1999 war der Verein noch in der dritten englischen Liga (mit einem Zuseherschnitt von über 30.000 an der Maine Road), seit 2002 ist er wieder durchgehend erstklassig. Es folgte die Eröffnung des neuen City of Manchester-Stadions (2003, 47.000 Plätze), die Übernahme des Vereins durch den thailändischen Ex-Premierminister Thaksin Shinawatra (2007) und ein Jahr darauf die erneute Übernahme durch die Abu Dhabi United Group. Die dahinterstehenden Öl-Scheichs sollen finanziell 60 Mal potenter als Chelsea-Besitzer Roman Abramovich sein, der seinen Klub ähnlich führt. Der neureiche Klub des Arbeitermilieus war endgültig in der Dekadenz angekommen.
Zwar sind die Transferbilanzen der meisten Klubs bislang negativ (Fulham, Aston Villa, Liverpool, Blackburn und Sunderland sind positiv), doch in der Premier League ist offiziell der „Sommer der Entbehrung“ (allerdings entlasten auch Vertragsauflösungen von Spielern die keine Ablöse einbringen die Kassen sehr). Bei City sicher nicht. Es ist eine wichtige Saison im Stadtteil Eastlands. Innerhalb von drei Jahren versprachen die Scheichs einen Top 4-Platz in der Meisterschaft. Im Vorjahr (dem zweiten Anlauf) ging der Plan im direkten Duell mit Tottenham baden. Bei diesem Saisonstart wäre ein 5:0 für die Spurs an der White Hart Lane auch kein ungerechtes Ergebnis gewesen.
Seit der Übernahme hat City Rekordsummen ausgegeben. Ungefähr 230 Millionen Pfund Transferdefizit wurden in den ersten beiden Saisonen gemacht – 130 Millionen Pfund hat der Verein auch in dieser Saison schon wieder mehr ausgegeben als eingenommen. Einer der neuesten Zugänge ist der junge Mario Balotelli von Inter Mailand, der den Großteil der letzten Saison salopp gesagt auf den selben Ersatzbänken wie Marko Arnautovic verbracht hat. Sein Preis lag bei stolzen 28 Millionen Euro und einem fürstlichen Salär. Eine andere Verstärkung ist Yaya Toure, der nun pro Woche 200.000 Pfund bei den Citizens verdient (zum Vergleich: die ManUnited-Bestverdiener Wayne Roone und Rio Ferdinand kassieren mit 120.000 Pfund etwas mehr als die Hälfte).
Ohne ein großer Hellseher zu sein, bin ich recht sicher, dass ManUnited-Trainer Alex Ferguson an Manchester City dachte, als er jüngst die „Kamikaze-Einkäufe“ ungenannter Liga-Teilnehmer geißelte. Fergusons spendabelster Sommer war 2007 mit Ausgaben von 80 Millionen Pfund zwar auch nicht „schlampert“, vergleichsweise aber ein sogenannter „Lercherlschaß“. Die Folge: Nach der Kader-Reform der Premier League hat City auch zu Beginn der Transferschlusswoche noch ein zu großes Spielerfeld. Die Konkurrenz freut sich auf den Panikschlussverkauf.
Die mit Stars gespickte Mannschaft ist sicher nicht nur ein Vorteil, sondern auch eine Herausforderung. Der Real Madrid-Effekt und die Probleme der einstigen bayrischen Hollywood-Starallüren sind im Fußball bekannte Phänomene. Ob sich viele der großen Namen mit Bankerl- und Tribünenplätzen zufriedengeben, wird sich zeigen. Trainer Roberto Mancini, als stets schick gekleideter, unbeirrbarer Schalträger an der Seitenlinie auch so gar nicht Arbeitermilieu, hat aber zumindest mit den beiden nationalen Pokalen und der Europa League ein paar „unwichtigere“ Einsatzgebiete zur Verfügung.
Ob Mancini die nötige Autorität und das politische Geschick hat, um einen Star-Kader zu bändigen, wird sich zeigen. Der zu Cardiff City verliehene Craig Bellamy beschreibt Mancini als „Top-Trainer“. Ein anderer der bereits abgeladen wurde bezweifelt, dass der 45-jährige Italiener diese Fähigkeiten hat: Stephen Ireland. Der seit Sonntag 23-jährige kommt aus dem City-Nachwuchs, war 2009 Spieler des Jahres des Vereins, spielte aber seit der Ankunft von Mancini keine große Rolle mehr. Jetzt ging Ireland im Tausch gegen Aston Villas James Milner nach Birmingham. Dort ließ er sofort nach Vertragsabschluss eine Portion Frust ab: Mancini habe überhaupt keine Verbindung zu seinen Spielern. Er (Ireland) sei als jemand beschrieben worden, der aus dem Verein gedrängt wurde, aber in Wahrheit sei er „glücklich dort weg zu sein“.