Südafrika 2010 – Tag 15 – Gruppe H | Das Beste kommt zum Schluss – Spanien und Chile lieferten sich eine tolle Partie, mit dem 2:1-Sieg des Europmeisters sind letztlich beide durch. Weil nämlich die Schweizer in einer Schlaftablette von WM-Spiel gegen Honduras nur zu einem 0:0 kommen.
Spanien – Chile 2:1 (2:0)
Wer immer sich von diesem Spiel eine große Show erwartet hat, wurde nicht enttäuscht – es war fraglos eines der Highlights dieser Endrunde bisher. Die Kombination aus Ausganglage und der Spielstärke der beteiligten Mannschaften bedingte eine hochinteressante Partie. Die Spanier brachten Iniesta statt des gegen Honduras schwachen Navas auf die rechte Offensivseite des etwas schiefen 4-2-3-1. Schief deswegen, weil David Villa, mehr noch als gegen Honduras, weniger einen LM spielte, sondern mehr einen Linksaußen. Das war in der ersten halben Stunde aber ziemlich Makulatur, weil sich die Spanier ziemlich in der Mitte zusammen drängten und von den Chilenen kontrolliert wurden.
Die Südamerikaner machten das Spiel wie gewohnt breit und extrem schnell, spielten wieder über die Flügel (vor allem den rechten mit Alexis Sánchez, gemeinsam mit Mauricio Isla) und hielten so die gefährlichen Außenverteidiger der Spanier in Schach. Man hätte glauben können, dass das in den roten Jerseys der Europameister war, aber es waren in der Tat die Chilenen – die erste Mannschaft seit Ewigkeiten, welche die Spanier nicht nur mit spielerischen Mitteln kontrolliert, ja beinahe knebelt – und nicht mit extrem disziplinierter Defensive entnervt. Und das, obwohl mit dem Sechser Carmona und Spielmacher Matí Fernández zwei Schlüsselspieler im 3-4-3 fehlten – hier kam Bielsa die Vielseitigkeit seiner Spieler zu Gute. Arturo Vidal rückte von der linken Seite in die Spielmacher-Rolle, Mark González spielte dafür die (äußerst offensive) Absicherung für Linksaußen Beausejour, und Estrada kam neu ins Team und machte den Sechser. Und es funktionierte ohne jeden Reibungsverlust
Die Spanier sind es nicht gewöhnt, dass es einem Gegner gelingt, sie so überhaupt nicht zur Entfaltung kommen zu lassen. Sie reagierten allerdings völlig richtig auf die Chilenen, die sie nicht nur in der eingenen Hälfte festnagelten, sondern sie zudem mit ruppigem Spiel angingen: Sie blieben ruhig. Die Spanier kamen zu keinem Zeitpunkt wirklich in die Gefahr, unter dem enormen Druck, dem sie ausgesetzt waren, psychisch zusammen zu brechen. Das ist der Unterschied zwischen einem Top-Favoriten und einer aufstrebenden jungen Truppe: Die Mannschaft aus Spanien nützte die wenigen Fehler, die ihnen die Chilenen anboten, eiskalt aus. Der unglückliche Ausflug von Torhüter Bravo, etwa zehn Minuten später eine Lücke in der Abwehrkette, und mit den ersten beiden spansichen Chancen stand es prompt 2:0 für den Europameister. Dass im Zuge dessen auch noch der Chilene Estrada mit Gelb-Rot vom Platz musste, war die vermeintliche Entscheidung.
Aber eben nur die vermeintliche. In der Pause stellte Bielsa um, und zwar so, dass man den fehlenden Mann kaum bemerkte. Er brachte Millar für Mark González, dafür rückte Vidal auf links und Millar auf die Spielmacherposition; Alexis Sánchez musste nun den rechten Mittelfeldmann und den Rechtsaußen gleichzeitig machen. Nach dem schnellen Anschlusstreffer, dem schönen Heber von Millar kaum zwei Minuten nach seiner Einwechslung, drückten die Chilenen noch eine Zeitlang und hatten die Spanier, die allerdings mit der Führung im Rücken auch nicht mehr mit dem allerletzten Einsatz zu Werke gingen, ganz gut unter Kontrolle – weil eben der eine fehlende Mann im Mittelfeld durch mehr Laufarbeit gut kompensiert wurde. Die Spanier fanden kaum einmal eine Lücke.
Nach einer Stunde kam Fàbregas für Torres, der wieder nie wirkliche Bindung zu spiel fand. Durch den frischen Mann im Mittelfeld und den wesentlich gefährlichern Villa in der Spitze waren nun die Chilenen immer mehr darauf bedacht, kein drittes Tor mehr zu kassieren. Auf diese Weise hätten die Schweizer zwei Tore schießen müssen. Die Spanier waren ihrerseits mit dem 2:1 zufrieden, damit waren sie schließlich Gruppensieger und damit den Brasilianern im Achtelfinale ausgewichen. Je länger das Parallelspiel 0:0 stand, desto wahrscheinlicher war es, dass dieses Vabanquespiel aufgeht – und am Ende ging es ja auch auf. So war es 75 Minuten lang eine ziemlich aufregende Partie, der in der Schlussphase wegen der vielen Laufaurbeit und des Spielstandes bei der anderen Partie die Luft ausging.
Fazit: Was für ein Spiel! Die Chilenen zeigten, warum sie eine der aufregendsten Mannschaften im Turnier sind; die Spanier zeigten ihnen aber auch, woran es noch fehlt: An der Kaltschnäuzigkeit. Der Europameister ist nach dem Stolperer gegen die Schweiz wieder voll auf Kurs, kann auch gegen einen spielerisch extrem starken Gegner gewinnen – weil er cool bleiben kann. Gute Aussichten für das Achtelfinale gegen Portugal. Die Chilenen haben mit dem Achtelfinale alles erreicht, ohne die gesperrten Ponce und Medel ist das Aufeinandertreffen mit Brasilien aber so gut wie aussichtslos. Sie haben aber trotz der Niederlage heute Spaß gemacht.
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Schweiz – Honduras 0:0
Gegen Spanien und Chile gingen es die Schweizer recht defensiv an. Das war ob der Spielanlage und der Spielstärke der Gegner auch logisch, hatte gegen Spanien Erfolg und es hätte nicht viel gefehlt, dass auch gegen Chile zumindest ein Punkt herausgeschaut hätte. Spätestens im Spiel gegen Honduras wurde aber klar, dass das noch einen anderen Grund hat: Die Schweizer können es nicht anders! Ihr Spiel gegen die biederen Honduraner war langweilig, uninspierert und der Zug zum Tor war kaum vorhanden.
Ottmar Hitzfeld schickte sein Team im gewohnten 4-4-2 auf das Feld, mit Barnetta rechts war nur ein einziger Mittelfeldspieler auf dem Platz, der tatsächlich offensiv dachte. An Inler und Huggel im Zentrum lief das Spiel vorbei. Sehr oft ging es in der Abwehrkette hin und her, ohne ein wirkliches Loch im Spiel nach vorne zu finden. Mehr als zaghaftes Vortasten war nicht zu sehen, lange Bälle wurden sichere Beute der honduranischen Defensive. Die Eidgenossen schafften es in der ganzen ersten Hälfte nicht, das Tempo anzuziehen.
Was die Honduraner allerdings, die hinten wirklich gut standen und auch durch konsequentes Räume Zustellen im defensiven Mittelfeld das Tempo herausnehmen konnten, nach vorne nicht so richtig ausnützen könnten. Denn obwohl sich immer wieder Räume für Konter boten, wurde nicht in ausreichendem Maße genützt; vor allem Solo-Spitze David Suazo tappte immer wieder ins Abeits. Die Honduraner funktionierten wohl auch deshalb (zumindest hinten) so gut, weil Teamchef Rueda personell ordentlich rotiert hat: Mendoza, der von David Villa vorgeführt wurde, musste Sabillón weichen. Auch auf der anderen Seite wurde gewechselt, hier spielte Figueroa (der zuletzt IV spielte), dieser hatte Barnetta gut im Griff; innen Bernández von Anderlecht. Dazu blieben der etatmäßoge Kapitän Guevara, sein Nebenmann Martínez (der mit den bunten Haaren), auch RM Turcios und LM Espinoza auf der Bank. Umstellungen, die fruchteten.
In der Halbzeit brachte Hitzfeld als Reaktion auf das schlechte Offensivspiel seiner Mannschaft in Hakan Yakin einen echten Einfädler für den nach vorne harmlosen Gelson und stellte auf ein 4-2-3-1 um: N’Kufo als Solostürmer, Yakin zentral dahinter, Barnetta weiterhin rechts und Derdiyok ging auf die linke Seite. Weil sich aber die grundsätzliche Einstellung auf dem Platz und die Verunsicherung ob des Gewinnen Müssens nicht änderte, kam weiterhin recht wenig dabei heraus.
Daher verlegten sich die Schweizer nach etwa einer Stunde darauf, auf Standardsituationen in aussichtsreicher Distanz zu verlegen, Yakin hatte hier zwei gute Möglichkeiten, die er allerdings eher kläglich vergab. Daraufhin kam Alex Frei, der als weniger fleißig als N’Kufo gilt, aber dafür als torgefährlicher. Die Schweizer setzten sich nun vermehrt in der gegnerischen Hälfte fest, aber Torgefahr strahlten weiterhin nur Freistöße aus – auch, weil über die Außen nichts ging. Die Honduraner indes verlegten sich offensiv vollends nur noch auf Konter. Diese wurden aber derart schlampig, ja dilettantisch ausgespielt, dass die Torlosigkeit der Mittelamerikaner wahrlich kein Wunder ist.
Hitzfeld brachte erst eine Viertelstunde vor Schluss mit Shaqiri einen schnellen, wenidigen Spieler für den Sechser Huggel, und sofort starteten die Schweizer ihre gefährlichste Phase in der ganzen partie. Alleine, die Durchschlagskraft vor dem Tor fehlte – weswegen es beim 0:0 blieb.
Fazit: Den Schweizern fehlen schlicht und einfach die spielerischen Mittel, ein Spiel selbst zu machen. Da das sogar gegen die wahrlich nicht überragenden Honduraner zu wenig ist, verpassten die Schweizer das Achtelfinale absolut verdient. Die Mittelamerikaner kommen zu einem Punkt, den sie sich dank einer ordentlichen Defensivleistung auch verdienen.
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Das war die Gruppe H: Der Europameister fiel hin, stand aber wieder auf. Spanien holte sich gegen Honudras die Punkte und gegen die bärenstarken Chilenen die Gewissheit, dass man nicht entscheidend an spielerischer Potenz und Abgeklärtheit eingebüßt hat. In der Mannschaft wurde ganz offensichtlich auch nach dem Schweiz-Spiel die Ruhe bewahrt, und das wurde belohnt. Zudem hat die Mannschaft in der Gruppe ihre Bestform noch nicht erreicht, ist aber auf dem Weg dahin – was sie für das Turnier ganz heiß werden lässt.
Eine äußerst positive Erscheinung war, wie fast erwartet, Chile. Angriffsfußball, sehr flexibel, hohes Tempo, auch körperliche Robustheit bringt diese Mannschaft mit. Nur an der Ruhe vor dem Tor fehlt es noch, aber das Team ist derart jung, dass das womöglich nur eine Frage der Zeit sein könnte. Im Achtelfinale gegen Brasilien hat das Team von Bielsa nicht zu verlieren und kann daher befreit aufspielen – die Seleção sollte sich vorsehen.
Für die Schweiz begann das Turnier beim 1:0 über Spanien mit einem Knall, aber der Mannschaft wird es letztlich zum Verhängnis, dass sie ein Spiel nicht gestalten kann. Nicht einmal gegen Honduras. Am Ende steht ein einziges Tor in drei Spielen, und das war das Reingenudelte eben gegen Spanien. N ie hatte man vor allem im letzten Spiel den Eindruck, als sollten die eher fade Mannschaft wirklich mit allerletztem Nachdruck das Tor noch erreichen könnten, geschweige denn die notwendigen zwei. In Rahmen ihrer Möglichkeiten hat sich die Mannschaft aus Honduras ganz ordentlich präsentiert, aber zu echtem WM-Format fehlt es schon noch. Kein einziges Tor in drei Spielen, aber blamiert haben sich die Mittelamerikaner nicht. Immerhin.
(phe)