Ruttensteiner vertraute dem bei Israel gewohnten 5-3-2, in dem der linke Achter Solomon deutlich höher agierte als der rechte Achter Natkho; vorne spielten Dabbour und Zahavi. Bei Österreich wurde auf ein 3-4-3 vertraut, in dem vor allem der linke Wing-Back Alaba viel zentral agierte.
Anders als Moldawien drei Tage zuvor, war Israel bemüht, den Ball planvoll aus der Abwehr nach vorne zu bringen. Das war allerdings ideal für Österreich: Denn das Angriffspressing brachte von Beginn an extrem viele Ballgewinne im Angriffsdrittel. Die israelische Abwehr wirkte dadurch sehr gehetzt, es ergaben sich zahlreiche Löcher und offene Schnittstellen.
Die Anlaufwege von Grillitsch, Laimer und Baumgartner sorgen recht bald schon für Panik bei Israel, zuweilen wurden gar Fünf-Meter-Pässe genau in die Beine des Österreichers gespielt. Laimer hätte dadurch beinahe den Ausgleich nach dem frühen Tausendgulden-Schuss zum Gegentor erzielt, hätte er den Ball nicht mit der Hand auf Schiene gebracht.
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Die Szene von Laimer zum vermeintlichen 1:1 war aber die Ausnahme: Hier erfolgte der Torabschluss ohne weiteren Pass, weil Laimer alleine auf Torhüter Marciano zulaufen konnte. In so gut wie allen anderen Situationen folgte nach dem Ballgewinn die große Ratlosigkeit und das haarsträubende Improvisieren.
Ohne erkennbar einstudierte Laufwege musste sich jeder österreichische Ballführende in der Situation den Mitspieler suchen. Alles konzentrierte sich in einem Zehn-Meter-Band im Zentrum, es wurde extrem umständlich. Dennoch gab es eine Handvoll großer Einschussmöglichkeiten, die entweder durch fehlendes Zielwasser oder durch die Reflexe von Torhüter Marciano zunichte gemacht wurde.
Ruttensteiners Israelis machten es genau umgekehrt. Das frühe 1:0 war ein sehenswerte Schuss von der Strafraumkante, aber keine echte Torchance. Das 3:0 nach einer halben Stunde resultierte aus einem eher patscherten Ballverlust von Dragovic an der Mittellinie, der Zahavi 50 Meter freien Raum zum Tor offenbarte. Und nur das 2:0 entstammte einer wirklichen Torchance, wiewohl Dragovic auch hier nicht die beste Figur abgab und der Tap-In aus einem Meter wohl alleine den halben israelischen xG-Gesamtwert (2,03) ausmachte, mit dem Tap-In in der Nachspielzeit zum 5:2-Endstand den Großteil des Restes.
Zu einem Zeitpunkt, als eine österreichische 3:0-Führung den Spielverlauf passend abgebildet hätte, stand es also 0:3 aus Sicht des ÖFB. Das war unglücklich, aber auch nicht nur Zufall.
Denn so anfällig Israel auf das Angriffspressing von Österreich war, und noch vor der Pause resultierte aus einem weiteren Ballverlust das 1:3 durch Baumgartner, so geschickt zogen sie ihr eigenes auf. Die Dreier-Abwehr des ÖFB schaffte es nicht, den Ball sinnvoll nach vorne zu bringen und Hinteregger, der üblicherweise für die Pässe nach vorne zuständig ist, wurde daran gut gehindert. Situativ rückte er sogar auf, was in seinem Rücken aber Räume ließ – gefährlich.
Für die zweite Halbzeit baute Foda das System um und aus dem 3-4-3 wurde ein herkömmliches 4-2-3-1. In der Folge sah das österreichische Spiel sehr ähnlich aus wie in Chisinau: Wie gewohnt viel Ballbesitz, aber keine Ideen im Aufbau; weiterhin drückte sich alles im Zehnerraum zentral zusammen; es gab keine Breite von den Außenverteidigern – vor allem nicht von Alaba. Außerdem wurde der auf der Zehn im Spiel gelassene Schöpf, ohnehin kaum mit Spielpraxis, zwischen allen möglichen improvisierenden Mitspielern und deren unkoordinierten Laufwegen aufgerieben. So konnten auch die Israelis die vor der Pause erschütternd löchrige Defensive gut zusammen halten.
Das gelang auch deshalb, weil Israel sich nicht – wie Moldawien – nur hinten einbunkerte, sondern weiterhin auch schon im Mittelfeld den ballführenden Österreicher anlief und so einen gezielten ÖFB-Aufbau zumeist schon im Keim erstickte. Arnautovic‘ Weitschuss sorgte kurzfristig für die Minimierung des Rückstandes auf ein Tor, das hielt aber nicht lange an.
Das Tor des kurz zuvor eingewechselten Shon Weissman zum 4:2 war ein Paradebeispiel dafür, was Österreich in der ersten Halbzeit vorgehabt hatte, aber nicht exekutieren konnte. Druck auf Schöpf beim Herausspielen, dieser hatte keine Anspielstation, Ballverlust, zack, bumm, Tor. Damit war das Spiel nach 60 Minuten erledigt. Zahavis Tor in der Nachspielzeit war dann nur noch der Schlusspunkt.
In der 68. Minute kam Yusuf Demir für Schöpf ins Spiel und er nahm, wie von Foda angekündigt, die Position auf der Zehn ein. Dort kam er gegen die massierte und körperlich robuste Defensive der Israelis aber kaum zur Geltung und auch die Mitspieler schienen nicht zu wissen, wie sie Demir einbinden sollen. In den zwölf Minuten, in denen Demir auf der Zehn spielte, hatte er kaum drei Ballkontakte in der gegnerischen Hälfte.
Für die Schlussphase kam schließlich Ercan Kara (statt Baumgartner) für die Zehn und Demir ging auf Baumgartners linke Angriffsseite. Dort fühlte er sich sofort sichtlich wohler, zeigte in einigen Passfolgen gutes Spielverständnis und lief auch aktiv die Gegner an – also im Ansatz jenes Spiel, das ihn für Barcelona als Flügelspieler interessant macht. Demir ist kein Spieler, der mit Zweikämpfen zur Defensive beiträgt, sondern Ballgewinne durch Anlaufen forciert.
Es war ein etwas seltsames Spiel: Vor der Pause war Österreich klar am Drücker, provozierte Ballgewinne im Angriffsdrittel am laufenden Band, aber machte nichts daraus – während Israel zwar hinten sehr löchrig unterwegs und nach vorne nicht viel zu bieten hatte, aber 3:0 in Führung ging. Danach stellte Foda auf exakt jenes Spiel um, das schon in Moldawien nicht funktioniert hat, und – große Überraschung – es funktionierte auch in Israel nicht.
Die ÖFB-Abwehr wirkte vom israelischen Angriffspressing überrascht und in keinster Weise darauf vorbereitet; bis zum Schluss nicht. Sie provozierte ungewohnte Fehler – Dragovic‘ Ballverlust zum 0:3, Hintereggers eigentliches Elfer-Foul kurz vor dem 2:4 – und konnte ihre Aufgaben im Spielaufbau zu keinem Zeitpunkt vollziehen.
Gerade Willi Ruttensteiner, der 2017 vom ÖFB unsanft vom Hof gejagt worden war, um Platz für eine Revolution des Kleinmuts und des Bauchgefühls gegenüber Progressivität und Daten zu machen, verpasste seinen Nachfolgern nun einen groben Kinnhaken – so gesehen hat das 2:5-Debakel für Österreich durchaus ein gewisses Karma-Element.
Das Angriffspressing von Österreich war ausgezeichnet, dafür war der Rest eine Katastrophe: Wieder wirkte das Spiel nach dem Ballgewinn rein auf Zufall aufgebaut, zudem gab es überhaupt keinen Plan gegen das Anlaufen der Israelis. Damit ist Platz zwei in der Gruppe, der für ein Team mit der Kaderqualität von Österreich das absolute Minimalziel sein muss, schon in die Ferne gerückt.
Die OÖN berichtete, dass acht Präsidiums-Mitglieder gegen Ruttensteiner waren (Hübel, Geisler, Gartner, Sedlacek, Milletich sowie die drei Bundesliga-Vertreter Rinner, Kraetschmer und Fuchs), fünf waren für ihn (Götschhofer, Bartosch, Lumper, Mitterdorfer und Präsident Windtner).
Darum soll jetzt mal wieder einer der Landespräsidenten zu Wort kommen, der für seine Ablöse gestimmt hat: Niederösterreichs Verbandspräsident Johann Gartner.
Herr Gartner, Sie werden in der „Kronen Zeitung“ vom 9. Oktober über den Sportdirektor-Posten mit dem Satz zitiert: „Wir wollen bei seinem Amt weg von der Wissenschaft, zurück zum Fußball“. Wie ist das zu verstehen?
Die Frage ist: Ist Fußball eine Wissenschaft oder ein Sport?
Wenn man sich die Entwicklung der letzten Jahrzehnte anschaut: Ohne Verwissenschaftlichung geht man unter. Wenn nun verlangt wird, die Wissenschaft zurück zu fahren, ist das doch eher eine gefährliche Drohung.
Wissenschaftliche Unterstützung ist immer gut. Aber die Spieler sind Menschen. Sie sind nicht vorhersehbar. Das ist ja kein Angriff auf den Koller, der hat eine Spitzen-Arbeit geleistet. Die Philosophie, die gelebt werden soll, ist aber nicht die Wissenschaft, sondern der sportliche Weg mit wissenschaftlicher Unterstützung.
Man hatte aber den Eindruck, dass das Motto war: Egal wer Sportdirektor wird, Hauptsache der Ruttensteiner ist weg.
Ich habe ja nie gesagt, dass der Willi was Schlechtes gemacht hat. Das Nationale Zentrum für Frauenfußball beispielsweise ist ja wirklich ein Meilenstein. Der Spordirektor hat aber eine breitere Aufgabenstellung. Es gibt außer dem Nationalteam noch viele andere Bereiche – Jugendfußball, Frauenfußball, und so weiter. Und das Verantwortungsprofil für den neuen Sportdirektor wurde von der Task Force ja auch abgespeckt. In dieser ist übrigens kein Landespräsident gesessen, das möchte ich klarstellen.
Wäre es dann eine Überlegung gewesen, eine Person als Sportdirektor für das Nationalteam zu haben und eine für die anderen Bereiche?
Das wäre sicher keine schlechte Lösung, aber es ist nicht zu finanzieren.
Finanziell geht es dem ÖFB doch aber nicht so schlecht.
Es ist die Aufgabe eines Aufsichtsrates, sich die Bilanzen anzuschauen. Und Tatsache ist: Gegen Georgien waren keine 15.000 Zuseher im Stadion, und wäre das letzte Heimspiel nicht gegen Serbien gewesen, hätte es da ähnlich ausgesehen.
Die Analyse von Willi Ruttensteiner war aber anscheinend sehr in Ordnung, das wurde ihm auch öffentlich bescheinigt.
Ja, das war sie. Aber natürlich wäre es hilfreicher gewesen, wenn sie so gleich nach der EM erfolgt wäre. Und wenn schon da die Frage beantwortet worden wäre, wie es etwa sein kann, dass man im 3. EM-Gruppenspiel mit einer völlig neuen Spielanlage daherkommt.
Aber das stimmt doch nicht. Die Spielanlage war wie immer, nur das System war anders. Das eine hat ja mit dem anderen nichts zu tun.
Aber natürlich hat es das!
Nein. Ob man Angriffspressing spielt, oder defensiv verteidigt, hat nichts damit zu tun, ob man ein 4-4-2, ein 3-4-3 oder ein 4-2-3-1 spielt.
Hat Ihnen die erste Halbzeit gegen Island gefallen?
Es wäre vermutlich besser gewesen, das System vorher gegen besseren Gegner als einen Schweizer Sechstligisten zu testen.
Sehen Sie.
Aber ist die Verhältnismäßigheit wirklich gegeben? Gerald Gossmann schreibt im „Profil“ über das Vorgehen des ÖFB: „Es würde ein paar Spachtelarbeiten benötigen, derzeit wird aber das Haus niedergerissen. Anstatt zarte Ausbesserungen vorzunehmen wird mit dem Vorschlaghammer hantiert.“
Vor zwei Jahren, bei Ruttensteiners letzter Vertragsverlängerung, hat es offenbar geheißen – ich selbst war nicht dabei, aber es wurde mir berichtet – dass er mehr Ressourcen verlangt. Wenn er mehr Verantwortung und mehr Geld will, dann muss er danach auch für ein mögliches Scheitern gerade stehen.
Ruttensteiner legt eine ausführliche Präsentation dar, und Peter Schöttel offenbar kaum mehr als ein paar Gedanken. Und Schöttel bekommt den Zuschlag. Wie geht das?
Die Analyse von Willi Ruttensteiner hat sich bezogen auf das Nationalteam in den letzten zwei Jahren. Das hatte nichts mit dem Konzept für die Zukunft zu tun. Nach dieser Analyse wurde den Kandidaten die Frage gestellt: Wie stellt ihr euch die Zukunft vor?
Und da haben die Vorstellungen von Peter Schöttel eher entsprochen als das Konzept von Willi Ruttensteiner?
Sonst wäre die Mehrheit nicht so rausgekommen. Das ist jetzt eh Geschichte und es ist mit den Stimmen so entschieden worden. Und ich halte es auch für unfair, von Vornherein auf Peter Schöttel einzudreschen und ihm die Qualifikation abzusprechen. Er hat ja viele Länderspiele absolviert.
Das sagt aber überhaupt nichts aus.
Na oh ja!
Man ist nicht automatisch ein guter Trainer oder Sportdirektor, nur weil man als Spieler gut war.
Nein, ist man nicht. Aber ich vertraue auf die Expertise der sportlichen Verantwortlichen, dass der bestmögliche Teamchef geholt wird. Das ist schließlich in unser aller Interesse.
Herr Gartner, ich danke Ihnen für das Gespräch!
Anmerkung: Herr Gartner hat sich ein wenig darüber mokiert, dass sich Hannes Steiner in der Krone nur „das aus unserem langes Gespräch für das Interview herausgepickt hat, was ihm grad gefallen hat“. Darum ist hier de facto unser ganzes Gespräch zu lesen.
]]>Aber es ist sehr wenig mit ihnen gesprochen worden. Das ändern wir jetzt.
Die neun Landespräsidenten sind in alphabetischer Reihenfolge:
Wir haben alle neun Landespräsidenten kontaktiert und ihre Antworten zu einem großen Interview zusammengefasst. Darauf möchten wir explizit hinweisen: Es handelt sich um Einzelgespräche und keine Telefonkonferenz.
Drei Landespräsidenten kommen in dieser Interview-Melange nicht oder nur am Rande vor. VFV-Präsident Lumper ist beruflich im Ausland unterwegs und war dementsprechend leider nicht zu erreichen. SFV-Präsident Hübel weilte beim UEFA-Kongress in Genf und war entsprechend kurz angebunden; große Lust, mit uns zu reden, hatte er aber offenkundig ohnehin nicht („Ich weiß schon, was Sie von mir hören wollen, aber seien Sie mir nicht böse, dass ich zu dem Thema nichts sagen möchte.“). Auch TFV-Präsident Geisler verwies darauf, dass es sich bei der Teamchef-Suche um Interna handle, die er nicht an die Öffentlichkeit tragen wolle.
Es heißt, bei der Präsidiumssitzung in Gmunden am 15. September wäre mehr über Sportdirektor Willi Ruttensteiner gesprochen worden als über Marcel Koller.
Johann Gartner (NÖ): Wir haben gefragt: Müssen wir nicht Trainer und Sportdirektor gemeinsam bedenken? Sonst wäre die Gefahr, dass eine Situation entsteht wie bei Rapid, wo der neue Sportdirektor einen Trainer geerbt hat, der seinen Plänen nicht entspricht.
Wolfgang Bartosch (Steiermark): Es ging eigentlich mehr um die Personalie Sportdirektor als um die Personalie Teamchef, das ist richtig. Ich persönlich bin für eine Weiterarbeit mit Willi Ruttensteiner, dazu bekenne ich mich. Ich bin der Überzeugung, dass er sehr gute Arbeit geleistet hat. Man darf auch nicht nur den Männer sehen: Es gab unter ihm einen massiven Aufschwung und tolle Erfolge auch im Junioren-Bereich und bei den Frauen.
Robert Sedlacek (Wien): Ein neuer Sportdirektor wird aktuell gar nicht gesucht. Der aktuelle hat nun einen Bericht über die vergangenen Jahre abzuliefern. Auf dieser Basis wird dann diskutiert, ob mit ihm verlängert wird oder nicht.
Gerhard Götschhofer (OÖ): Wir haben über den ganzen Sportbereich diskutiert. Es ist vernünftig und richtig, dass man sich keine Grenzen im Denken setzt, wenn man auf dem Papier sportlichen Misserfolg hat. Und die Geschehnisse sind so, wie sie sind, weil man sportlich nicht zufrieden sein kann.
Klaus Mitterdorfer (Kärnten): Es ist letztlich um eine Frage gegangen: Wie geht es weiter? Aber man darf es nicht nur an der negativen Phase der letzten 16 Monate festmachen, sondern alles zusammen betrachten. Man muss die ganzen sechs Jahre unter Koller sehen, die ganzen 16 Jahre mit Ruttensteiner. Man kann sich nicht nur im Erfolg sonnen und im Misserfolg alles auf den Sportdirektor abwälzen, man muss das Ganze betrachten. Und: Man muss es trennen können, ob einem jemand sympathisch ist und wie gut er seine Arbeit macht.
Gerhard Milletich (Burgenland): Jetzt ist einmal ist Sportdirektor Ruttensteiner beauftragt, alles zu analysieren – die Zeit nach der erfolgreichen EM-Qualifikation. Da passten die Resultate nicht.
Wie beurteilen Sie die Arbeit von Marcel Koller?
Gerhard Milletich (Burgenland): Er hat uns sehr weit gebracht und der ÖFB hat sehr stark von ihm profitiert. Aber die Ergebnisse des letzten Jahres waren um nichts besser als vor der Bestellung von Marcel Koller.
Robert Sedlacek (Wien): Koller hat die Anforderungen grundlegend erfüllt, aber zuletzt ist eben der Erfolg ausgeblieben. Daher ist es wohl legitim, dass nach sechs überwiegend erfolgreichen Jahren über eine Änderung diskutiert wird. Wir waren uns überwiegend einig, den Teamchef zu wechseln – zumal ja auch der Vertrag von Marcel Koller ausläuft.
Wolfgang Bartosch (Steiermark): Man kann viel über ihn diskutieren, aber insgesamt war es über die vielen Jahre seiner Amtszeit sehr gut unter ihm.
Klaus Mitterdorfer (Kärnten): Ich persönlich wäre dafür gewesen, mit Koller weiter zu arbeiten. Die Mehrheit im Präsidium hatte eine andere Meinung.
Wie ist nun der weitere Ablauf?
Robert Sedlacek (Wien): Die Art und Weise der Teamchefsuche ist geklärt. Es gibt ein Gremium – in diesem sind ÖFB-Präsident Windtner, die Geschäftsleitung des ÖFB, Vertreter der Bundesliga und der Sportdirektor – und sie wägen ab, wer dafür in Frage kommt, neuer Teamchef zu sein.
Gerhard Milletich (Burgenland): Das ist eine ganz klare Geschichte. Es muss eine Entscheidung fallen, wer Sportdirektor sein wird. Und dieser wird dann beauftragt, ein Anforderungsprofil für den Teamchef zu erstellen und zu suchen.
Wolfgang Bartosch (Steiermark): Der nächste Schritt ist jetzt einmal, dass ein Anforderungsprofil für den neuen Teamchef erstellt wird. Das wird sicher vom Sportdirektor in Zusammenarbeit mit dem ÖFB-Präsidenten und den Generalsekretären geschehen.
Gerhard Götschhofer (OÖ): Bisher wurde eher die Vergangenheit aufgearbeitet als die Zukunft diskutiert. Ich gehe aber davon aus, dass die nächste Sitzung eher Anfang Oktober als Ende Oktober stattfinden wird.
Josef Geisler (Tirol): Ich weiß nicht, wann die nächste Sitzung stattfindet. Dazu müsste ich ja ein Hellseher sein.
Also: Erst wird der Sportchef geklärt, dann der Teamchef?
Herbert Hübel (Salzburg): Das würde ich nicht als falsch bezeichnen. Wir müssen das ja auch nicht überstürzen, es bricht ja nicht morgen der Krieg aus.
Gerhard Milletich (Burgenland): Wir haben jetzt den Vorteil, dass die ersten EM-Quali-Spiele noch weit weg sind. Wenn die Personalie Sportdirektor geklärt ist, muss dieser dann nach seinem Anforderungsprofil suchen: Wer ist am Markt? Wer ist finanzierbar? Wer ist geeignet? Und dann schlägt der Sportdirektor dem Präsidium einen Kandidaten vor.
Dann übernimmt der Sportdirektor die suche nach dem Teamchef?
Herbert Hübel (Salzburg): Man wird den Sportdirektor bei der Suche sicher einbinden müssen. Ich bin nur ein kleines Rädchen innerhalb des Entscheidungsprozesses.
Und dieser Vorschlag wird dann im Präsidium diskutiert?
Wolfgang Bartosch (Steiermark): So ist es.
Robert Sedlacek (Wien): So sollte es sein, ja. Es wird vermutlich um Gehälter gehen und wann der neue Teamchef beginnen kann. Und es ist auch noch nicht absehbar, ob es einen, zwei oder mehrere Kandidaten geben wird.
Gerhard Götschhofer (OÖ): Es wird Vorschläge der Sportlichen Direktion geben, und dann entscheide ich für mich: Überzeugt mich das oder überzeugt es mich nicht?
Johann Gartner (NÖ): Wir werden im Präsidium die Vorschläge nach verschiedenen Gesichtspunkten diskutieren. Natürlich ist auch Bauchgefühl dabei, man kann schließlich nicht alles in Zahlen messen. Primär ist aber wichtig, dass der Erfolg zurückkehrt.
Braucht es im Präsidium Einstimmigkeit, um einen Teamchef zu bestätigen?
Josef Geisler (Tirol): Nein, es reicht grundsätzlich die Mehrheit.
Es gab 2011 einen Anforderungskatalog bei der Teamchef-Suche – Deutschkenntnisse, Wohnsitz in Wien, Erfolge in der Vita, und so weiter. Glauben Sie, dass sich an diesen Anforderungen etwas ändern wird?
Klaus Mitterdorfer (Kärnten): An den Anforderungen wird sich nicht viel ändern. Es geht um Qualität und Leistbarkeit.
Johann Gartner (NÖ): Wir sind 2011 vor der Situation gestanden, dass Deutschkenntnisse wichtig waren, und dass es sich um eine starke Persönlichkeit handeln sollte. Da kann man ja nicht irgendeinen Trainer hinstellen, der braucht natürlich auch den Respekt der Spieler. Daran hat sich nichts geändert.
Robert Sedlacek (Wien): Es ist wichtig, dass Sportdirektor und Teamchef harmonieren. Also: Wenn Willi Ruttensteiner Sportdirektor bleibt, wird sich am Profil kaum etwas ändern. Ein neuer Sportdirektor könnte aber natürlich sehr wohl neue Vorstellungen haben.
Ist auch die Nationalität von Bedeutung – oder würden Ihnen Deutschkenntnisse reichen?
Klaus Mitterdorfer (Kärnten): Natürlich wäre es positiv, wenn der neue Teamchef Deutsch spricht, aber es sollte doch vorrangig um die Qualität gehen.
Wolfgang Bartosch (Steiermark): Es reicht, wenn er Deutsch kann. Ich bin der Meinung, man sollte sich nicht durch die Vorgabe einer bestimmten Nationalität in der Suche einengen.
Johann Gartner (NÖ): Die Nationalität ist nicht wichtig, fließendes Deutsch schon.
Aber die Spieler sollten grundsätzlich schon alle Englisch können.
Johann Gartner (NÖ): Natürlich, gar keine Frage. Aber der Teamchef muss ja nicht nur mit den Spielern kommunizieren. Zu seinen Aufgaben gehört auch Öffentlichkeitsarbeit; Medien- und Sponsorentermine. Da stelle ich mir Kommunikation auf Englisch schon problematisch vor.
Was wäre Ihnen persönlich bei einem neuen Teamchef wichtig?
Gerhard Milletich (Burgenland): Es geht nicht darum, dass dieses Präsidiumsmitglied diesen Trainer und jenes Präsidiumsmitglied jenen Trainer will. Namen wurden in der Sitzung keine genannt.
Gerhard Götschhofer (OÖ): Darüber mache ich mir keine Gedanken, da verlasse ich mich voll und ganz auf die sportliche Expertise des Sportdirektors. Sonst könnte ich ja gleich selber einen Vorschlag einbringen. Aber das maße ich mir nicht an.
Genau das wird Ihrem Kollegium aber zuweilen vorgeworfen.
Robert Sedlacek (Wien): Vielleicht gibt es den einen oder anderen. Aber wenn ich die letzte Teamchef-Suche betrachte, war es da rein die Entscheidung der sportlichen Leitung. Aber es hat schon seinen Grund, warum der Sportdirektor den Teamchef sucht: Weil er dann auch den meisten Kontakt mit ihm hat.
Wolfgang Bartosch (Steiermark): Es ist richtig, dass es da gewisse Strömungen gibt, wo ich den Eindruck habe, dass das womöglich schon so sein kann.
Gerhard Götschhofer (OÖ): Ich kann über meine Kollegen nicht urteilen, aber ich unterstelle niemandem Eigeninteressen. Ich habe keinen Favoriten und kein Interesse, einen Vorschlag zu machen.
Klaus Mitterdorfer (Kärnten): Man muss natürlich Landesinteressen in dieser Causa unbedingt absolut hintanstellen. Es kann und darf einzig um die Interessen des gesamten österreichischen Fußballs gehen.
Das öffentliche Image der Landespräsidenten ist nicht gerade positiv. Worin sehen Sie das begründet?
Gerhard Milletich (Burgenland): Ich gehe davon aus, dass da viele unqualifizierte Aussagen von Journalisten dabei sind, die noch nie Verantwortung getragen haben.
Klaus Mitterdorfer (Kärnten): Mit tut das negative Bild schon ein bisschen weh. Es wird immer von „Landesfürsten“ geredet, und was sie sich alles anmaßen würden. Wir müssen gemeinsam daran arbeiten, dass wir ein anderes Bild abgeben als derzeit.
Sie sprechen den Vorwurf des „Machtrausches“ an?
Klaus Mitterdorfer (Kärnten): Genau. Davon müssen wir wegkommen, weil es auch ganz und gar nicht meine Philosophie ist. Es geht natürlich um den Spitzensport, aber wir haben in den Landesverbänden vor allem sehr viele Aufgaben im Breitensport-Segment.
Wolfgang Bartosch (Steiermark): Das ist natürlich nicht angenehm. Ich persönlich fühle mich nicht als „Landesfürst“. Und auch nicht als Alpha-Tier, wie womöglich andere.
Robert Sedlacek (Wien): Unser Image ist in der Tat immer sehr durchwachsen. Ich kann nur für mich sagen, dass ich mich nicht als jemand fühle, der einen Teamchef oder einen Sportdirektor abmontieren oder behalten will.
Johann Gartner (NÖ): Der ÖFB ist ein Unternehmen mit einem Budget im mittleren zweistelligen Millionenbereich, und wir leben von der Nationalmannschaft. Wenn nur 13.000 Zuseher kommen, dann muss man sich etwas überlegen.
Abgesehen davon, dass es formal in der Satzung so steht – warum stimmen die Landespräsidenten überhaupt über die Personalie Teamchef mit ab? Sollte das nicht rein Sache der Sportlichen Leitung sein?
Gerhard Götschhofer (OÖ): Die Teamchef-Sache ist eines der wichtigsten Themen, weil die Wirtschaftlichkeit des ÖFB vom Nationalteam abhängt, das ist ja kein Geheimnis. Und der Teamchef ist da entscheidend. Da sollten auch alle Mitglieder eine Stimme haben.
Robert Sedlacek (Wien): Im Gesamtpaket Teamchef/Sportdirektor geht es nicht nur um Personen, sondern auch um Kosten. Das betrifft ja auch andere Mannschaften. Und hier ist das Präsidium eben die Instanz, die „ja“ oder „nein“ sagen muss.
Johann Gartner (NÖ): An sich sind die Landesverbände und die Bundesliga auch Eigentümer des ÖFB. Und auch in der Wirtschaft ist es üblich, dass der Aufsichtsrat wichtige Entscheidungen bestätigen muss.
Klaus Mitterdorfer (Kärnten): Die föderale Struktur mach schon Sinn. Wie auch, dass sich die Gesamtstruktur des österreichischen Fußballs über die maßgeblichen Entwicklungen Gedanken macht und Entscheidungen trifft. Dabei ist ist nur die Frage: Wie? Ganz wichtig ist, dass man sich auf seine Kernkompetenzen konzentriert und sich nicht anmaßt, sich als Landespräsident in sportliche Belange einzumischen.
Also: Personalie bestätigen – ja; aber Personalie suchen – nein?
Gerhard Götschhofer (OÖ): Bei der Grundlagenfindung zur Teamchef-Entscheidung kann man nur darauf bauen, dass die Sportlichen Verantwortlichen einen guten Job machen.
Sollte es eine durchgängige Philosophie vom A-Nationalteam bis ganz nach unten und in den Jugendbereich geben, oder sollte jeder Trainer nach seinen Vorstellungen arbeiten dürfen?
Klaus Mitterdorfer (Kärnten): Ich glaube, es muss ein Mix sein. Eine Grundphilosophie ist sicher gut, aber ansonsten soll schon auch die Individualität der Teams und der Spieler eine Bedeutung haben.
Robert Sedlacek (Wien): Es wird ja grundsätzlich jetzt schon nach dem „Österreichischen Weg“ gearbeitet. Es mag schon sein, dass der eine oder andere Trainer womöglich abweicht. Aber ich denke schon, dass es eine durchgängige, einheitliche Spielphilosophie geben sollte.
Wolfgang Bartosch (Steiermark): In den Nationalteams innerhalb des ÖFB ist eine einheitliche Spielphilosophie auf jeden Fall sinnvoll. In der Jugendarbeit bei den Klubs bin ich da etwas anderer Meinung. Aber: Der Sportdirektor wird da sicher die bestmöglichen Vorgaben machen.
Wir danken für die Gespräche.
]]>Und sechs Jahre, nachdem ÖFB-Sportdirektor Willi Ruttensteiner mit der Inthronisierung von Marcel Koller klar gestellt hat, dass Fachkenntnis wichtiger ist als Seilschaften, rüsten auch in Österreich vor dem bevorstehenden Ende der Ära Koller die damals Entmachteten zur Gegenreformation.
Das ist brandgefährlich.
>>> Verpasst außerdem nicht unsere Podcast-Folge zur Teamchef-Debatte. Dort diskutieren wir einige medial genannte Nachfolge-Kandidaten.
Wir erinnern uns an die unsägliche ORF-Runde am 7. Oktober 2011 – als sich Herbert Prohaska, Werner Gregoritsch, Toni Polster und Frenkie Schinkels gegenseitig bemitleideten und die Bestellung von Marcel Koller zum ÖFB-Teamchef betrauerten. Sie sagten es nicht explizit, aber ihr Grundgefühl war klar. Jetzt ist es vorbei mit uns, weil man jetzt Fachwissen für den Teamchef-Posten braucht und nicht einfach nur Geduld.
An dieser Stelle haben wir hier damals – drei Tage vor dieser ORF-Runde – über die Koller-Bestellung geschrieben:
„Das ist eine grandiose Chance, aber auch ein Risiko, denn wenn es mit Koller nicht den erhofften Erfolg gibt, besteht die Gefahr, dass diese Tendenz, sich tatsächlich an den Typus “Akribische, taktischer Arbeiter” heran zu wagen, wieder abgewürgt wird.“
In seinen sechs Jahren im Amt hatte Koller viereinhalb bis fünf Jahre großartigen Erfolg. Ein weniger gutes letztes Jahr hat aber all jenen wieder Aufwind gegeben, die Koller wegen seines Erfolges geachtet und akzeptiert haben, aber tief drin dennoch lieber einen kernigen, österreichischen Schmähtandler sehen wollten.
Eher einen Andreas Gabalier als einen Parov Stelar.
Und schon wird von jenen, die ihre Wirkmächtigkeit 2011 beschnitten sahen, zur Gegenreformation gerüstet. Von der Kronen Zeitung beispielsweise, wo nicht nur Sportchef Peter Frauneder schon länger den Namen Andreas Herzog am Köcheln hält, sondern unter anderem auch ein Ex-Profi und sogar die Tochter des burgenländischen Landespräsidenten für den 48-jährigen Rekord-Teamspieler Partei ergreifen dürfen.
Dass Vorarlbergs Verbandspräsident Horst Lumper Andreas Herzog für ministrabel hält, ist schlimm genug. Aber: Er selbst hätte den Namen wohl nicht ins Spiel gebracht, wenn ihn nicht Thomas König vom ORF in diese Richtung gefragt hätte. Auch die „Österreich“ drängt vehement in Richtung Herzog. Mal wieder.
Weder ORF, noch Krone oder Österreich sind für die Entscheidung über den Koller-Nachfolge maßgeblich. Aber die Saat ist gelegt. In Umfragen und Postings ist gerade bei der Krone die Tendenz eindeutig: Andreas Herzog habe es verdient. Und: Die faulen, schäbigen, überbezahlten Herren Fußball-Profis bräuchten jemanden, der ihnen kräftig in den Hintern treten würde.
Dem liegt die seltsame Annahme zu Grunde, dass man sich den Teamchef-Posten verdienen würde, wenn man nur lange genug darauf wartet. Das war ganz besonders bei Didi Constantini so – obwohl dieser in den 15 Jahren, bevor er 2009 den Job bekam, nirgendwo länger als ein paar Monate war. Aber er ist halt schon ewig da und populär und, naja, da hat er sich den Posten halt verdient.
Ähnlich war es mit Otto Baric – er hatte Rapid und Salzburg zu Meistertiteln und Europacup-Endspielen geführt, war schon ewig da und auch gerade verfügbar. Dann wurde er halt Teamchef. Seine Vorstellungen vom Fußball hatten zwar damals schon einen Bart, aber immerhin war seine Amtszeit zumindest okay. Oder Hans Krankl: Ihm verhalfen nostalgische Gefühle und sein pathetischer Patriotismus dazu, 2002 ÖFB-Teamchef zu werden, aber keinesfalls seine (nicht vorhandene) fachliche Qualifikation.
Dabei ist genau die fachliche Qualifikation das einzige, was eigentlich maßgeblich ist (oder: sein sollte). Die Frage: Hat der Kandidat die Befähigung, mit den 20 besten Fußballern des Landes zu arbeiten? Ihnen die bestmöglichen Anweisungen zu geben und sich damit den Respekt zu erarbeiten?
Niemand würde heute noch ernsthaft auf die Idee kommen, Andreas Ogris als Teamchef vorzuschlagen. In seinen drei Monate als Austria-Trainer, in denen das Spiel irgendwo zwischen übervorsichtig und phantasielos angesiedelt war, hat jeder gesehen, dass der Job als Nationaltrainer zu hoch für Ogris wäre.
Toni Polster hat sich in seinen drei Spielen als Admira-Trainer (und seinem Verhalten dabei) so nachhaltig beschädigt, dass ihn in den vier Jahren (!) seither kein Profiklub mehr auch nur mit Schutzhandschuhen angreift. Der einzige, der das nicht versteht, ist Polster selbst.
Bei Constantini wurde schon in seinen ersten paar Spielen deutlich, dass das Team ohne nennenswertes Coaching spielen musste. Es gab Zufallssiege gegen Rumänien und ein wirklich nicht besonders gutes Team aus Litauen (wo ein Spielaufbau auf Höhlenmenschen-Niveau gezeigt wurde). Die völlig inadäquate Arbeit von Constantini war für ÖFB-Präsident Windtner damals dennoch kein Grund, Constantinis Vertrag nicht dennoch zu verlängern.
Andreas Herzog aber gilt vielen als geeigneter Teamchef, obwohl auch er bereits mehrmals gezeigt hat, dass er das inhaltliche Rüstzeug nicht besitzt. Wie beim U-21-Nationalteam, das trotz stärkster Besetzung (Arnautovic, Alaba, Burgstaller, Lindner) die EM verpasste. Auch wegen völliger trainerischer Fehlleistungen von Herzog, der völlig abstruse Wechsel vollzog, die halbe Mannschaft auf fremden Positionen einsetzte und damit auch eigentlich sichere Spiele noch hergab (wie beim 3:3 gegen Weißrussland).
Er war Scout und besserer Hütchenaufsteller für Klinsmann beim US-Verband und verpasste mit der U-23 die Olympia-Qualifikation. Und auch hier war Herzog alles andere als frei von Schuld am Scheitern. Obwohl das US-Team im vorentscheidenden Spiel gegen Honduras dank einer Raute eine 4-gegen-2-Überzahl im Zentrum gehabt hat, wurde überwiegend mit langen Bällen aufgebaut. Wenn das die Vorgabe war, war sie katastrophal. Wenn nicht, wurde es aber dennoch nicht korrigiert – auch katastrophal.
Das Team war heillos unkompakt, und zwar völlig ohne Not. Kurz: Das Team wirkte weitgehend ungecoacht und verlor völlig zurecht.
Die in der Krone veröffentlichte Aussage von Bettina Milletich, Tochter des burgenländischen Landesverbands, Österreich wäre nun wieder dort angelangt, wo das Team vor Kollers Bestellung war, ist schlicht und einfach Blödsinn. Jedes noch so schlechte Spiel unter Koller und die kompletten letzten anderthalb Jahre waren immer noch um mehrere Klassen besser als alles, was die Spieler und auch die Zuseher in der verheerenden Constantini-Ära erdulden mussten.
Was stimmt ist, dass es einen Trainer braucht, der den uneingeschränkten Respekt der Spieler hat. Das heißt auch, dass sie auf jenen Positionen spielen, die der Trainer für sie vorgesehen hat. Dass Österreich in der Schlussphase gegen Irland ohne Linksverteidiger gespielt hat und in Cardiff ein Alaba auf einmal im rechten Mittelfeld spielte, darauf kann kein vernünftiger Trainer kommen. Das inkludiert Koller selbstverständlich.
Aber: Einen Peitschenknaller in dem Sinne, wie ihn viele fordern – und, noch einmal, einfach die Kommentare auf krone.at lesen, oder mal auf einen Bezirksliga-Platz gehen und den Leuten zuhören – ist das Allerletzte, was dieses Team braucht. An Motivation, Einsatz und dem Wollen fehlte es praktisch nie. Sehr wohl aber an der Idee, wie man mit eigenen Mitteln einen destruktiven Gegner ausspielt.
Man stelle sich vor, ein (nur um mal einen beliebigen, ungeeigneten Namen zu nennen) Gregoritsch pflaumt einen Arnautovic an, er sollte sich gefälligst bemühen, weil’s sonst Granada spielt. Wie wird die Szene wohl enden?
Nein, im Gegenteil: Das Team braucht einen Trainer, der seinen Respekt nicht über Drohungen, Schimpftiraden und Straftrainings bezieht, sondern rein über seine fachliche Kompetenz. Ist dieser Respekt einmal verspielt – und das geht bei Profis aus der deutschen Bundesliga und der englischen Premier League sehr schnell, die sind höchstes Coaching-Niveau gewohnt – ist der Trainer verloren.
Es ist deutlich zu erkennen, dass die 2011 gehörnten Medien – also ORF, Krone und auch die deutlich weniger relevante Österreich – ihre Wirkmacht zurückhaben wollen. Die Saat ist gelegt, viele Fans wünschen sich tatsächlich einen Andreas Herzog als Teamchef – zumindest jene, denen die Bedeutung von inhaltlichen Vorgaben nicht klar ist bzw. die den Posten tatsächlich als irgendeine Form von Belohnung für die bisherige Karriere ansehen (und sei es nur jene als Spieler, wie bei Herzog).
Die Position von Willi Ruttensteiner innerhalb des ÖFB ist offenbar erheblich weniger gefestigt als sie das zur Zeit von Kollers Bestellung bzw. während der Zeit der großen Erfolge 2015 war. Die neun Landespräsidenten (9 von 13 Stimmen) und auch die Bundesliga (3 von 13 Stimmen) haben in dieser Frage eine unproportional große Macht, die ihnen von ihrer fachlichen Kompetenz her nicht zusteht.
Als Beispiel sei hier mal nur Tirols Landespräsident Josef Geisler genannt. Ich habe bis heute keinen effektiveren Weg gefunden, diesen Mann zu diskreditieren, als ihn einfach nur zu zitieren. Auch viele der anderen Stimmberechtigen glauben, dass es recht egal ist, was der Teamchef kann, weil ja ohnehin die Spieler auf dem Platz stehen – dann kann es gleich einer sein, den man persönlich cool findet.
Diese Teamchefsuche ist deshalb so wichtig und richtungsweisend, weil sie die Frage beantwortet, was sich durchsetzt: Die alte Denke, dass der Teamchef unabhängig von seiner Kompetenz populär und Österreicher sein muss. Oder die seit 2011 geltende, dass einzig die fachliche Qualifikation zählt.
Sie wird zeigen, was den Funktionären im ÖFB wichtiger ist: Die eigene Macht oder die sportliche Zukunft des Nationalteams.
>>> Verpasst außerdem nicht unsere Podcast-Folge zur Teamchef-Debatte. Dort diskutieren wir einige medial genannte Nachfolge-Kandidaten.
tl;dr: Niemand, der jemals ein von Andreas Herzog gecoachtes Team gesehen hat, kann ernsthaft der Meinung sein, dass er die richtige Besetzung für den Posten des ÖFB-Teamchefs ist. Dennoch schieben u.a. ORF und Krone in Richtung Andreas Herzog. Das ist Zeichen eines Machtkampfs gegen das 21. Jahrhundert.
]]>Teamchef-Suche: Die alten Fürsten rüsten zur Gegenreformation. Das Symptom dafür: Andreas Herzog. https://t.co/QgU96cucdY
— ballverliebt.eu (@ballverliebteu) September 10, 2017
Und jetzt stellen wir uns vor, Österreich quält sich am Mittwoch zu einem mühsamen 1:0 gegen Island, erreicht als Dritter das Achtelfinale und verliert dort mit einem chancenlosen 0:3 gegen Spanien. Die Reaktionen, auf die man sich einstellen kann, sehen dann eher so aus: Ollas oasch, hatten nix verloren bei der EM, die Wappler; eine Gemeinheit, und überhaupt. Ein „mit einem blauen Auge davongekommen“ wäre vermutlich noch das Wohlwollendste (und treffendste).
Obwohl das blanke Resultat das selbe wäre. Ein Aus im Achtelfinale.
Es ist natürlich genauso möglich, dass Österreich gegen die Isländer nicht gewinnt und damit schon nach der Vorrunde nach Hause fahren muss. Und natürlich ist der Verlauf dieser EM bisher alles andere als das, was sich die Fans im Inland und zahlreiche Beobachter aus dem Ausland vom ÖFB-Team erwartet haben.
Doch selbst dann müsste man sagen: Das wäre der erste echte Rückschlag für Marcel Koller nach viereinhalb Jahren im Amt. Seine diversen Vorgänger als ÖFB-Teamchef haben für diesen Rückschlag selten länger als viereinhalb Monate gebraucht. Man denke nur an Brückners 0:2 in Litauen in seinem dritten Spiel, Hickersbergers 0:2 gegen Kanada im ersten Spiel, Krankls 2:6 gegen Deutschland im dritten Spiel, Baric‘ 0:5 in Israel im zweiten Spiel, Prohaskas 1:3 in Finnland im vierten Spiel, und so weiter.
Das wäre der erste echte Rückschlag für Marcel Koller nach viereinhalb Jahren im Amt. Seine diversen Vorgänger als ÖFB-Teamchef haben für diesen Rückschlag selten länger als viereinhalb Monate gebraucht.
In den zwei Quali-Kampagnen unter seiner Regie ging es für Österreich im Grunde nur bergauf. Das ist logisch, denn viel weiter runter als mit dem ewiggestrigen Didi Constantini konnte es ja auch nicht mehr gehen. Statt sich zu beklagen, dass die Spieler nicht mehr so denken wie vor 30 Jahren, nahm Koller sie an der Hand und vertraute ihnen. Koller stellte eine gewisse Augenhöhe her.
Statt sie oberlehrerhaft wie eine Person zu behandelt, die Autorität aufgrund des höheren Lebensalters einfordert (wie das allerdings sehr viele Menschen im ungefähren Alter von Constantini tun, er ist Jahrgang 1955 und wurde im verheerend konservativen Tirol der 60er-Jahre erzogen), war ihnen Koller ein fordernder, aber freundlicher Vorgesetzter, der sich seine Autorität über sein Fachwissen erarbeitete. „Hände falten, Gosch’n halten“ kennt Koller aus der eher calvinistisch als christlich-konservativ geprägten Schweiz nicht.
„Hände falten, Gosch’n halten“ kennt Koller aus der eher calvinistisch als christlich-konservativ geprägten Schweiz nicht.
Wer Kinder hat und/oder Thomas Gordon gelesen hat, ist mit dem Unterschied zwischen „M-Autorität“ (auf Macht basierend) und „E-Autorität“ (auf Erfahrung basierend) vertraut. Der Erziehungswissenschaftler legt recht überzeugend offen, dass es nie eine fruchtbare Zusammenarbeit geben kann, wenn der Vorgesetzte (oder Lehrer oder Eltern, wie bei Gordon) seine leitende Funktion nur über seine Stellung definieren kann, nicht aber über sein Wissen.
Das Team hat Kollers Berechenbarkeit im zwischenmenschlichen Bereich, seinen grundsätzlich freundlichen Umgangston und seine analytische Arbeitsweise kennen und schätzen gelernt. Es wirft sie nicht nachhaltig aus der Bahn, wenn es mal nicht ganz nach Wunsch läuft (wie etwa nach dem 1:2 in Stockholm im Herbst 2013), sondern kann sich darauf verlassen, dass man daraus lernt und auch die Gelegenheit bekommen wird, es beim nächsten Mal wieder besser zu machen.
Die Weltsicht des Teams unter Koller besteht nicht nur aus Schwarz und Weiß, nicht nur aus dem Duell der realitätsverweigernden rosa Brille bei den Akteuren (wie in der Krankl/Ivanschitz-Zeit selbst die übelsten Schweinespiele noch zu moralischen Siegen schöngeredet wurden, war ein Graus) versus tiefschwarzem Fatalismus bei den Fans. Es spielt sich in den Graustufen dazwischen ab.
Wie in der Krankl/Ivanschitz-Zeit selbst die übelsten Schweinespiele noch zu moralischen Siegen schöngeredet wurden, war ein Graus.
Nicht so beim gelernten Österreicher. Der kennt keine Graustufen. Er kennt nur „alles ist großartig“ und „alles ist furchtbar“. Diese Aggregatzustände wechseln sich erschütternd schnell ab, und zwar immer schon. September 1989, ein 0:3 in der Türkei: Sie sollten den Spielbetrieb einstellen. November 1989, ein 3:0 gegen die DDR: Wir sind wieder wer! Juni 1990, vor der WM: Halbfinale, minimum. Juli 1990, Vorrunden-Aus: Alles unfähige Idioten!
Gerade nach Valencia 1999 und vor der Heim-EM 2008 war die Alles-Sinnlos-Fraktion besonders stark, in den letzten zwei Jahren ging es besonders dramatisch in die andere Richtung.
So ist das auch jetzt wieder. Eine zugegeben wirklich schlechte Leistung gegen Ungarn – die erste Pflichtspiel-Niederlage nach zweieinhalb Jahren – und ein glückliches Remis gegen Portugal, wohlgemerkt bei einer EM-Endrunde, für die sich Österreich höchst souverän sportlich qualifiziert hat, und schon debattiert im ORF eine Journalisten-Runde mit einem Grundton, das man meinen könnte, das ÖFB-Team hätte schon wieder gegen die Färöer verloren. So geschehen am Tag nach dem 0:0 gegen Portugal.
Aus sechs Jahren in Diensten einer großen Boulevard-Zeitung ist mir natürlich klar, dass sich nur Helden-Sagen und Total-Verrisse gut verkaufen. Weil die Leute das so wollen, hieß es. Weil nuanciertes Abwägen von Positiva und Negativa die Mehrheit der Leser (bzw. die Zielgruppe) nur langweilt. Stammtisch-Journalismus, wenn man es so nennen will. Ein klares Weltbild gibt dem Tag Struktur, sagte Volker Pispers nicht ohne Zynismus. Zwar in einem anderen Zusammenhang, aber das Prinzip ist das gleiche.
Nur Helden-Sagen und Total-Verrisse verkaufen sich gut. Weil nuanciertes Abwägen die Mehrheit der Leser nur langweile.
Hier beißt sich die Katze selbst in den Schwanz. Gerade im Sport, den viele Menschen quasi als Refugium vor dem komplizierten Alltag ansehen, sind sie gerade für simple Schwarz/Weiß-, für Gut/Böse-, für Held/Versager-Zuschreibungen empfänglich. Darum bekommen sie nur solche zu lesen. Darum kennen sie es auch nicht anders.
Da wäre der ORF als Quasi-Monopolist im Free-TV-Fußball gefragt, aber auch hier schwankt der Kommentar zumeist zwischen Fanboy-Jubel und Alles-hat-sich-gegen-uns-verschworen-Gejammere. Sachliche, fundierte Begleitung der Spiele gibt es kaum. (Und jetzt nicht sagen, dass Polzer und König das ultimativ Schlechte wären – anders war’s mit Huber, Seeger und Elstner auch nicht). Niemand verkörpert dieses unterwürfige und intellektuellenfeindliche Österreich im Sportbereich besser als Rainer Pariasek, dessen seltenen Versuche, überkritisch zu fragen, dadurch besonders großes Fremdschäm-Potenzial besitzen.
Im ORF schwankt der Kommentar zumeist zwischen Fanboy-Jubel und Alles-hat-sich-gegen-uns-verschworen-Gejammere. Sachliche, fundierte Begleitung der Spiele gibt es kaum.
In diesem Umfeld wirkt dann einer wie Roman Mählich, der tatsächlich versucht, die Zusammenhänge auf dem Feld anschaulich darzustellen, wie ein allzu bemühter Oberstufen-Streber, den man einen Vortrag in einem Bierzelt abhalten lässt.
Besonders bitter ist aber, dass sich die Öffentlichkeit auch nicht ändern (lassen) möchte. Viele achten Koller wegen seiner Erfolge, nicht wegen seiner Arbeitsweise. Die Vermutung liegt nahe, dass nicht wenige einen kernigen Schmähtandler lieber haben als einen spröden Kopfmenschen. Der Stallgeruch von Schanigärten sticht die Ausstrahlung eines Büroleiters halt doch oft aus.
Schön zu sehen ist dieser Umstand an Marcel Hirscher. Er ist ein sehr reflektierter Mensch, der sich seinen Erfolg zu einem großen Teil außerhalb des österreichischen Standard-Systems (in seinem Fall des ÖSV) erarbeitet hat. Ihm ist die Vereinnahmung vor allem durch den ORF merklich etwas zuwider, er ist auch gefühlt der einzige, der Pariasek zumindest hin und wieder spüren lässt, was für Schwachsinns-Fragen man sich bei ihm da manchmal gefallen lassen muss.
Natürlich spielt Hirscher das Spielchen bis zu einem gewissen Grad mit, weil er es muss, weil es seine Stellung als um Meilen bester Skifahrer in der Ski-Nation Österreich so verlangt und weil es ihm schlicht auch einfach einen Haufen Kohle einbringt (Stichwort Raiffeisen). Aber Hirscher ist ein diametral anderer Charakter als etwa ein Hermann Maier.
Der breiten Masse ist das völlig egal: Die Hirscher-Mania braucht sich nicht hinter dem Herminator-Hype verstecken; aber während Maiers erdiges Hackler-Image geliebt wurde, ist den Allermeisten die kopflastige Bedachtheit Hirschers egal. Man hat im Gegenteil den Eindruck, die Fans würden Hirscher seinen nüchternen Zugang eher verzeihen, als dass dieser ihm als positiv angerechnet würde.
Man hat den Eindruck, die Fans würden Hirscher seinen nüchternen Zugang eher verzeihen, als dass dieser ihm als positiv angerechnet würde.
Mit ihrer Performance, das nur nebenbei, decken die Einzelgänger Hirscher und die ähnlich gestrickte Anna Veith/Fenninger aber auch zu, dass ohne sie und den von ihnen beschrittenen Sonderweg der ÖSV sportlich etwa so sehr mit runtergelassenen Hosen dastehen würde wie der ÖFB zur Zeit von Baric, Krankl und Hickersberger II.
Der ÖFB hat damals die richtigen Schlüsse gezogen und mit der Bestellung von Koller hat Sportdirektor Willi Ruttensteiner auch den Mut bewiesen, gegen den Strom der stockkonservativen Bewahrer und Intellektuellen-Feinde (wie Tirols Landesverbands-Präsident Geisler) zu schwimmen. Sätze wie Geislers „Grau ist alle Theorie, sie bringt den Fußball sicher nicht weiter“, würde sich heute niemand mehr öffentlich sagen trauen. Nicht, weil manche Betonköpfe nicht immer noch davon überzeugt wären, dass sie recht hätten, sondern weil sie Angst vor den öffentlichen Gnackwatschn hätten, die sie sich damit (völlig zurecht) einfangen würden.
Sätze wie Geislers „Grau ist alle Theorie, sie bringt den Fußball sicher nicht weiter“ würde sich heute niemand mehr öffentlich sagen trauen.
Die fünf Prozent, die Martin Blumenau schon vor sieben Jahren als vorhandenes Potenzial eines an kritischer Reflexion interessierten Publikums postulierte, sind seit 2009 wohl nicht signifikant mehr geworden (wer einmal mit offenen Augen über die MaHü geht, weiß, was ich meine). Aber speziell in der Constantini-Ära haben sie eine gewisse Lautstärke und öffentliche Relevanz erreicht – Stichwort Trottelgate – die es Funktionären und Trainern im ÖFB nicht mehr möglich machen, sie einfach beiseite zu lächeln und zu hoffen, dass es keiner mitbekommt.
Natürlich hat sich der ÖFB nach Jahrzehnten des Schluderns und der sportlichen Misswirtschaft – vor allem geprägt durch die Amtszeiten der Präsidenten Karl Sekanina und Beppo Mauhart – noch nicht den „Benefit of the doubt“ erarbeitet, ist noch nicht über jeden Zweifel erhaben. Vielleicht halten die internen Kritiker an einer externen Teamchef-Lösung nur wegen des grundsätzlichen aktuellen Erfolgs still, vielleicht, weil sie als Konzession ein paar Alt-Internationale als U-Teamchefs zugestanden bekommen.
Aber sicher ist: Ein Ausscheiden in der Vorrunde einer Europameisterschaft, für die man sich (wenn auch, wie wir mittlerweile bestätigt bekommen haben, in eher schwachen Gruppe) souverän auf sportlichem Weg qualifiziert hat, ist kein Alarmzeichen für irgendetwas. Es ist das Produkt von Verletzungen und Formschwächen von Schlüsselspielern (Junuzovic, Alaba), die jedes Mittelklasseteam aus der Bahn werfen würden; von Gegnern, die die Schwächen des Teams erkannt haben und anbohren (hallo, das ist eine EM!); und davon, dass man es halt doch im Kopf erst einmal verarbeiten muss, wenn das erste Mal seit Jahrzehnten wirklich etwas vom ÖFB-Team erwartet wird.
Man muss es halt doch im Kopf erst einmal verarbeiten, wenn das erste Mal seit Jahrzehnten wirklich etwas vom ÖFB-Team erwartet wird.
Der Schlüsselaspekt ist die Erwartungshaltung. Für die Ungarn war es ein Erfolg, nicht dreimal krachend zu verlieren. Österreich sah man – nicht nur im In-, sondern auch im Ausland – als potenziellen Viertelfinalisten, jedenfalls aber ohne gröbere Troubles in der K.o.-Runde. Wer nichts erwartet, kann nur positiv überraschen. Für jene, denen viel zugetraut wird, ist die Fallhöhe deutlich größer.
Die großartigen Fans, die in Frankreich mit sind und die Österreich-Spiele zu gefühlten Heimpartien machen, sind davon auszunehmen – aber der gelernte Österreicher kann nun mal genau eines nicht: Mit großen Fallhöhen umgehen.
Ein Aus in der Vorrunde wäre schade, aber keine ultimative Schande und kein Grund, alles entwertet zu sehen, was in den letzten viereinhalb Jahren gut war. Ein Weiterkommen ins Achtelfinale wäre erfreulich, aber auch keine ultimative Heldentat und kein Grund, alles, was in den letzten Spielen nicht funktioniert hat, unter den Teppich zu kehren.
Ein Aus in der Vorrunde wäre schade, aber keine ultimative Schande. Ein Achtelfinal-Einzug erfreulich, aber keine ultimative Heldentat.
Für viele österreichische Fans wäre das anders. Ein Vorrunden-Aus oder ein gerade noch erreichtes, aber chancenlos verlorenes Achtelfinale wäre der Grundtenor eine „verpatzte EM eines maßlos überschätzten Teams, das sich keine Chancen auf eine WM-Teilnahme ausrechnen darf“. Sollte es durch irgendeine glückliche Fügung womöglich eine Sensation geben und Österreich sich irgendwie doch ins Viertelfinale mogeln (unwahrscheinlich, schon klar), ist das genaue Gegenteil zu erwarten: „Die sind sogar unter den besten acht, wenn sie scheiße spielen – na eh klar fahr’ma zur WM!“ Überspitzt formuliert, ja, aber das Prinzip sollte klar sein.
Egal, wie es kommt: Nach der EM werden sich Koller, Ruttensteiner und Co. das alles genau ansehen, bewerten und analysieren und dann wird der Blick auf die kommende WM-Quali gelegt werden. Sie sind die maßgeblichen Personen, wenn es um die Entwicklung des ÖFB-Teams geht, nicht die vielen Fans (und Medien), die keine Abstufungen zwischen Welteroberer und Weltuntergang kennen.
Und das ist gut so.
]]>Platz 11 | Premier League | Chelsea – Liverpool 0:1
„Das sieht nach einem durchaus tauglichen Konzept aus, was Kenny Dalglish da mit seiner Dreierkette gefunden hat. Und Chelsea? Da könnte das Luxusproblem “Torres und Drogba und Anelka” zu einem tatsächlichen werden. Die Variante mit Drogba und Torres vorne und Anelka als Zehner dahinter war ein totaler Flop.“ – Die einen waren mit King Kenny auf der Bank auf dem Weg nach oben, zum Teil mit unüblichen Aufstellungsvarianten. Die anderen begannen zu erkennen, dass es vielleicht doch keine so einfach war, Torres sinnvoll einzubauen. Er verlor hier sein erstes Spiel im Chelsea-Dress ausgerechnet gegen sein altes Team. Süße Rache, nennt man so etwas wohl.
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Platz 10 | Asien-Cup | Japan – Syrien 2:1
„In der offensiven Dreierreihe wird rochiert, was das Zeug hält. Da taucht Matsui schon mal auf der ganz anderen Seite auf, Kagawa in der Mitte oder gar als Sturmspitze, Honda mal zurückhängend, mal auf die Seiten, dann wieder ganz vorne. Fàbregas, Nasri, Rosický und Konsorten lassen grüßen. Und vorne macht Ryoichi Maeda, was bei Arsenal einen Robin van Persie ausmacht. Vom Toreschießen mal abgesehen.“ – Was der Italiener Alberto Zaccheroni aus den Japanern gemacht hat, war atemberaubend. Ein Tempo, eine Ballsicherheit eine Dominanz: Man war beim ganzen Asien-Cup, nicht nur im Gruppenspiel gegen Syrien, die mit sehr viel Abstand beste Mannschaft. Und wenn man etwas konsequenter im Ausnützen der Torchancen gewesen wäre, hätte das Arsenal Asiens nicht so sehr um den Titel zittern müssen.
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Platz 9 | Europa League | ZSKA Moskau – FC Porto 0:1
Platz 8 | Frauen-WM | USA – Brasilien 2:2 n.V., 5:3 i.E.
Platz 7 | Europa League | SV Ried – Brøndby IF 2:0
Platz 6 | EM-Qualifikation | Frankreich – Bosnien 1:1
Platz 5 | Deutsche Bundesliga | Bayern München – Borussia Dortmund 1:3
Platz 4 | EM-Qualifikation | Aserbaidschan – Österreich 1:4
Platz 3 | La Liga, Copa del Rey, Champions League | Der Clásico-Vierteiler
Platz 2 | Copa América | Uruguay – Chile 1:1
Platz 1 | La Liga | FC Barcelona – Villarreal CF 5:0
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Das Team von Ballverliebt bedankt sich für das Interesse im Jahr 2011 und wir würden uns freuen, wenn ihr unsere Analysen auch im Jahr 2012 fleißig lest. Ein gutes neues Jahr euch allen!
Der vierte Gruppenplatz war schon vor dem Anpfiff abgesichert, was man grundsätzlich könnte, hat man in Baku schon angedeutet – und so hatte das Spiel der Österreicher in Astana schon so ein wenig den Flair von entwichener Luft. Sie versuchten zwar gleich, sich als die spielbestimmende Mannschaft zu etablieren, aber es fehlten einige Attribute, die beim 4:1 in Aserbaidschan gut geklappt haben.
Kein Vergleich zu Baku
Was in Baku schon nicht nach Wunsch funktioniert hat, war das Spiel über die Seiten. Das wurde in Astana nicht wirklich besser: Ivanschitz und vor allem Alaba zogen relativ früh nach innen, ihre Außenverteidiger hinter ihnen hinterliefen sie aber nicht. So blieb das Flankenspiel wiederum harmlos und die kasachische Defensive wurde nicht auseinander gezogen.
Vorne spielte Marko Arnautovic deutlich höher als in Baku, was aus dem 4-2-3-1 eher ein 4-4-1-1 machte. Der Bremen-Legionär kam zwar eher aus der Etappe hinter Marc Janko, fand sich aber nie so richtig ins Spiel eingebunden. Und weil im defensiven Mittelfeld die Präsenz von Julian Baumgartlinger fehlte (Kulovits ersetzte den Gelbgesperrten), gab es auch keine wirkliche Energie aus dem Zentrum.
So fehlte der Zug zum Tor, der auch nicht durch gezieltes Unter-Druck-Setzen der kasachischen Defensive erzeugt werden konnte. Es war alles ein wenig mühsam und ein wenig langsam. Das gedankenschnelle Nachsetzen bei Ballverlusten und das Antizipieren im Mittelfeld, was in Aserbaidschan gut war, konnte nie so richtig etabliert werden.
Mäßige Kasachen, harmlose Österreicher
Nicht falsch verstehen: Die Mannschaft aus Kasachstan war wirklich nichts Besonderes und sie hatte nur einen Weg, vor das österreichische Tor zu kommen: Langer Ball (zumeist von Kapitän Nurdauletov), den die österreichische Verteidigung locker abfing, und Ostapenko und Gridin setzten dann, unterstützt vor allem von Schmidtgal, den jeweils ballführenden Österreicher unter Druck. Mehr als ein elfmeterreifes Foul von Prödl (das vom estnischen Referee nicht geahndet wurde) schaute dabei nicht heraus.
Es hatte aber den Effekt, dass man das ÖFB-Team kaum Zeit zur Spieleröffnung gab und es so, bis auf einen Schuss von Alaba nach etwa zehn Minuten und einem von Dag nach rund einer halben Stunde keine wirkliche Gefahr entstand. Es sah zuweilen aus wie in der letzten halben Stunde vom U21-Spiel in Schottland: Viel Ballbesitz für Österreich, aber wenig Ideen aus dem Mittelfeld und kaum Zug zum Tor. Auch der Seitenwechsel Ivaschitz-Alaba nach etwa 20, 25 Minuten brachte da nichts
Zweite Halbzeit
In der Halbzeit dürfte von Marko Arnautovic aufgefordert worden sein, sich etwas mehr ins Spiel einzubringen – denn genau das tat er nämlich. Das tat dem Spiel durchaus gut, gab der Vorwärtsbewegung deutlich mehr Varianten und beschäftigte die kasachische Defensive durchaus. Außerdem versuchte nun auch David Alaba, sich mehr in Szene zu setzen, er hielt den Ball aber oft zu lange, verzettelte sich in Zweikämpfen und brachte den letzten Pass nur selten an. Er wollte ein wenig zu viel mit dem Kopf durch die Wand.
Die Hausherren konzentrierten sich nun darauf, die sich immer wieder bietenden Kontermöglichkeiten mit Tempo auszuspielen, anstatt den Ball lange nach vorne zu dreschen und zu versuchen, die ÖFB-Defensive anzupressen. Das war aus ihrer Sicht ein guter Schachzug, denn immer wieder konnten sie in den Raum zwischen Mittelfeld und der aufgerückten Abwehr stoßen. Einige gute Möglichkeiten entstanden so.
Wechselspiele
Miroslav Beranek, der tschechische Teamchef der Kasachen, wechselte nur innerhalb des Systems seine rechte Seite aus; bei den Österreichern kamen erst Junuzovic (für den diesmal eher diskreten Ivanschitz) und Kavlak (statt Kulovits, um Struktur ins Zentrum zu bekommen), dann noch Maierhofer für Arnautovic. Was die Verantwortlichen damit bezwecken wollten, ist allerdings eher ein Rätsel – denn so standen nun wie einst in Paris gegen Frankreich zwei Leuchttürme in einem flachen 4-4-2 vorne, die logischerweise wenig bis gar keine Bindung zum Spiel hatten.
In den verbleibenden etwa zehn Minuten nach diesem Wechsel gab es somit erst recht nur noch hohe Bälle und (vermehrt) Einzelaktionen von David Alaba, beinahe hätte es in der Nachspielzeit sogar doch noch das Siegtor gegeben (aber Janko wurde zurückgepfiffen). Verdient wäre ein Sieg für Österreich aber nicht so richtig gewesen, weil in der letzten halben Stunde auch die Kasachen einige gut Aktionen vorgebracht haben und einmal auch die Latte getroffen hatten.
Fazit: Komisch.
Auffällig: Pressing auf den gegnerische Defensive, schnelles und flüssiges Spiel im Mittelfeld und nach vorne, der Versuch, das Tempo hochzuhalten – all die Attribute, die das Spiel gegen Aserbaidschan als Schritt in die richtige Richtung erscheinen ließen, fehlten diesmal. Dafür gab’s in der Schlussphase den Wechsel zu einem flachen 4-4-2 mit zwei Leuchttürmen vorne, was wieder sehr an vergangene Zeiten erinnerte. Es klingt böse, ja, aber man konnte den Eindruck gewinnen, Manfred Zsak durfte sich mal austoben.
Letztlich ist das 0:0 ein durchaus logisches und auch nicht ungerechtes Ergebnis, ein eher enttäuschendes Ende einer insgesamt recht enttäuschenden Qualifikations-Kampagne. Letztlich macht es keinen wirklichen Unterschied mehr, aber dass die positiven Ansätze aus dem Spiel in Baku nicht so richtig mitgenommen werden konnten, ist wohl schmerzhafter als das Resultat an sich.
(phe)
]]>Willi Ruttensteiner hatte es angekündigt, und er machte es auch wahr: Der Interims-Teamchef wollte vom ÖFB-Team beim Spiel in Aserbaidschan frühes Pressing sehen, er wollte die Gastgeber unter Druck setzen, sie gar nicht erst zur Entfaltung kommen lassen. Und tatsächlich: Die Spielanlage der Österreicher war gegenüber den letzten Spielen kaum noch wiederzuerkennen.
Von vorne bis hinten anders
Das fing bei der Viererkette an, die im Ballbesitz extrem weit aufrückten; Prödl und Dragovic halfen mit, die Seiten etwas abzudecken, wenn Fuchs und Dag nach vorne gingen. Davor waren Scharner und Baumgartlinger nicht einfach nur defensive Mittelfeldspieler, wie sie zuletzt oft einfach nur als Abräumer interpretiert worden waren, sondern an ihnen beiden lag die Hauptlast des Pressings im Mittelfeld.
Wobei sie von Marko Arnautovic gut unterstützt wurden. Mit seiner ihm eigenen Aggressivität ging der Bremer zuweilen auch etwas überhart an den Gegenspieler, verschaffte sich so aber den nötigen Respekt. Außerdem bewegte er sich, wie das Ruttensteiner im Interview vor dem Spiel gefordert hatte, gut zwischen den Linien und war eigentlich immer anspielbar. Auf den Flanken rückten Alaba und Ivanschitz immer wieder ein, um ihren Hinterleuten die Möglichkeit zu geben, sie zu hinterlaufen – das klappte nicht so richtig, vor allem bei Dag.
Azeris überfordert
Was das österreichische Team zeigte, hatte Hand und Fuß, war aber in letzter Konsequenz nicht zwingend torgefährlich. Es hatte aber den Effekt, dass die Azeris überhaupt keinen Plan hatten, wie sie mit der aggressiven Spielweise und dem hohen Druck, den Österreich ausübte, umgehen sollten. Oftmals wurde der Ball dann zu lange gehalten, weil sich keine Anspielstation auftaten. Sofort waren zwei, drei Österreicher da, und der Ball war weg.
Und auch im Spiel nach hinten schlichen sich bei den Gastgebern vermehrt Fehler ein, so wie das in der 27. Minute passierte – da berechneten gleich drei Azeris einen hohen Ball auf Janko falsch, und Yunisoglu wusste sich nur noch mit einem Foul zu helfen. Referee Studer ließ nicht gelten, dass noch zwei Abwehrspieler auf gleicher Höhe waren und stellte den Innenverteidiger vom Platz.
Sichtbare Spielintelligenz
Das Offensiv-Trio mit Ivanschitz, Arnautovic und Alaba wechselte die Positionen, anders als man erwarten hätte können, kaum. Dafür legten sie eine hohe Agilität an den Tag und das ÖFB-Team zeigte eine Spielintelligenz, die sie zuletzt sehr gut versteckt hielt. In sich bietende Löcher wurde hinein gestoßen, es wurde gut antizipiert und damit so mancher billige Ballverlust verhindert bzw. schnell wieder ausgebügelt.
Und auch die Entstehung des 1:0 ist dafür ein gutes Beispiel: Anstatt auf den geblockten Ball blind drauf zu schießen, legte Alaba an der Strafraumgrenze sehr umsichtig zu Ivanschitz quer, und ausgerechnet der von Constantini so konsequent Verstoßene netzte ein.
Mit Zittern in die Pause
Freilich: Es war längst nicht alles Gold, war bei Österreich glänzte. Nach dem Führungstor ließ die Konsequenz deutlich nach und die Azeris, die nun auf ein 4-4-1 umgestellt hatten, bearbeiteten vor allem die Flanken – und da im Speziellen jene von David Alaba und Ekrem Dag – viel besser als vorher. Was auch daran lag, dass sich gegen die dezimierte Zentrale der Hausherren auch die Außenverteidiger eher nach innen orientierten und so auf die Flanken vergessen wurde.
Das, kombiniert mit Schwächen von David Alaba in der Rückwärtsbewegung auf der für ihn ungewohnten rechten Seite, nützten die Azeris mit Deutschland-Legionär Budak und vor allem dem offensivstarken Dshavadov gut aus. Zwei Flanken von dieser Seite auf den vom zu weit eingerückten Fuchs etwas allein gelassenen Ismailov sorgten vor der Pause für unnötiges Zittern, denn beides waren sehr gute Einschussmöglichkeiten.
Außenverteidiger auch in zweiter Hälfte nicht immer sicher
Auch nach dem Seitenwechsel blieben die Außenverteidiger so ein wenig die Sorgenkinder. Ruttensteiner ließ für die zweite Hälfte Ivanschitz und Alaba die Flanken tauschen, womit der Bayern-Legionär sich sichtlich wohler fühlte und das Spiel nach vorne etwas ausbalancierter aussah – denn von der rechten Seite ist nicht allzu viel gekommen.
Nach dem schnellen 0:2 und dem folgenden 0:3 waren die Azeris natürlich geschlagen und die Gegenwehr war gebrochen, aber ein grober Stellungsfehler und ein äußerst passives Abwehrverhalten von Dag ermöglichte Aserbaidschan den unnötigen Ehrentreffer.
Österreich gibt Sieg nicht mehr her
Dass es nur der Ehrentreffer war, lag aber auch am Druck, den die Österreicher auch nach dem Wiederanpfiff erzeugten. Sie ließen nicht nach, im Mittelfeld und auch zum Teil im Angriff zu pressen, ließen den Gegner somit weiterhin nie zur Entfaltung kommen, erkämpften sich Bälle ungewohnt schnell wieder zurück und spielten die Azeris mit schnellen Kurzpässen aus. Das 2:0, herrlich vorbereitet nach einem blitzschnellen Doppelpass von Arnautovic mit Ivanschitz und abgeschlossen von Janko, fiel auf diese Weise, und das 3:0 nach einer Stunde war das Produkt eines Marc Janko, der ein Arbeitspensum an den Tag legte, das man von ihm im ÖFB-Trikot schon lange nicht mehr gesehen hatte.
Auch der Anschlusstreffer eine Viertelstunde vor Schluss weckte die Azeris nicht mehr entscheidend auf, es wurde zwar versucht, noch zu holen, was zu holen war, aber man hatte dennoch nie das Gefühl, dass Österreich das Spiel noch hergeben könnte. Und so gar es in der Nachspielzeit noch den 4:1-Endstand durch den für den müdegelaufenen Arnautovic eingewechselten Zlatko Junuzovic
Fazit: Ein großer Schritt in die richtige Richtung
Man ist als Beobachter der österreichischen Nationalmannschaft ja nicht gerade verwöhnt, so ist man leicht geneigt, das in diesem Spiel gezeigte als die großartigste Leistung seit Ewigkeiten lobzuhudeln. Und man muss ansprechen, dass vor allem die Positionen der Außenverteidiger noch einiges an Feintuning bedürfen, sowohl was das Abwehrverhalten angeht, also auch, was das nach vorne Tragen des Balles angeht. Hier war zu lange zu wenig über die Flügel zu sehen.
Dennoch war das Spiel zweifellos ein großer Schritt in die richtige Richtung. Es wurde ein Pressing gezeigt, wie man es von einer österreichischen Nationalmannschaft noch nie gesehen hat (was nicht heißt, dass es da immer noch Luft nach oben gibt). Es wurden sehr viele Bälle durch schnelles Denken und Handeln schnell wieder zurück geholt und vor dem Tor blieb man cool und nützte die Chancen, die sich boten.
Alles in allem war es ein schöner Erfolg, den man nicht über-, aber auch nicht unterbewerten darf. Man hat viel Positives erkennen können, was unter Constantini nicht zu sehen gewesen war. Auch dürfen nach der recht anständigen Leistung von Andi Ivanschitz weiterhin Fragen erlaubt sein, was sich der Ex-Teamchef bei der so konsequenten Ausbootung des Mainz-Legionärs gedacht hat.
Aber vor allem bleibt eines übrig: Eine feine Leistung und ein verdienter Sieg, mit dem zumindest der vierte Gruppenplatz fixiert werden konnte.
(phe)
]]>Denn der Schweizer Marcel Koller ist genau das, was das längst im 21. Jahrhundert angekommene Spielermaterial aus Österreich braucht: Einen ruhigen, akribischen Arbeiter. Einen, der sich international auskennt. Einen, der aus einem Underdog das Optimum heraus holen kann. Und keinen, der jeden Versuch eines Diskurses pampig abwürgt. Keinen Phrasendrescher. Keinen Medien- oder Fanliebling.
Und die Bestellung des 50-Jährigen ist auch als Eingeständnis zu deuten, dass zumindest gewisse Kräfte im ÖFB erkannt haben, an wen es sich wirklich zu orientieren gilt. Natürlich hilft es, sich aus Deutschland abzuschauen, was auch sinnvoll im zehnmal kleineren Österreich umgesetzt werden kann. Aber es ist ein Land wie die Schweiz, die ein echtes Vorbild ist. Vergleichbar an Ressourcen und Möglichkeiten. Jedoch meilenweit voran, wenn es um andere Dinge geht.
Die Eidgenossen haben etwa eine funktionierende Ausbildungsliga, in der sich alle, auch Primus FC Basel, dazu bekennen. Der SFV verfügt über eine organisatorische und sportliche Struktur, die klar definiert ist und auch konsequent durchgezogen wird – seit vor etwa 15 Jahren auf externe Experten gesetzt wurde. Der Lohn: Seit 2004 war die Schweiz bei jedem Turnier dabei, und sogar nach dem kompletten Fehlstart in die aktuelle Quali gibt’s tatsächlich noch realistische Chancen.
Koller ist kein umfassender Heilsbringer
Freilich: In Koller einen totalen Heilsbringer zu sehen, wäre vermessen. Er hat nicht das Standing, nicht die Position und auch eigentlich nicht die Aufgabe, den ÖFB umzukrempeln. Aber sportlich ist es ein großer Schritt in die richtige Richtung. Koller ist von seiner Herangehensweise einer, der sich nicht der Öffentlichkeit oder den Medien gegenüber verantwortlich fühlt, sondern der Mannschaft und dem ÖFB. Schon alleine die Tatsache, dass er noch nie etwas mit Österreich zu tun hatte (außer, dass er zwei Jahre lang der Trainer von Christian Fuchs war), macht ihn zu einer guten Wahl. Koller wird keine Rücksicht auf typisch österreichische Befindlichkeiten nehmen und das ist gut so.
Koller war immer schon ein Trainer, der mit begrenzten Möglichkeiten das Optimum heraus holt. Nicht nur beim FC St. Gallen, den er überraschend zum Meister machte. Sondern auch in Bochum – und wenn man so will, ist der VfL so ein wenig das Österreich der deutschen Bundesliga-Landschaft. Eingeklemmt zwischen Top-Teams (in diesem Fall Schalke und Dortmund), schon respektiert aber nicht so richtig ernst genommen. Bochum gibt’s halt, aber außerhalb der Stadt selbst eigentlich uninteressant.
Noch viel Arbeit für Ruttensteiner
Das mit dem ÖFB umkrempeln, das wird eher der Job von Willi Ruttensteiner. Man kann davon ausgehen, dass die Personalie Koller seine Idee war – denn andere im Gremium dürften einen wie den Schweizer auch intern vehement zu verhindern versucht haben. Dafür schon mal ein „Danke“ an Ruttensteiner, dass er sich hier durchgesetzt hat.
Seine Arbeit ist aber noch längst nicht getan. Und wie schwierig es sein wird, wirklich etwas weiter zu bringen, wird sichtbar, wenn man sich in die Niederungen der Amateurfußball-Sportplätze begibt. Hier, an der Basis, ist Ruttensteiner nicht beliebt. Hier sehen viele Beobachter in dem Oberösterreicher einen (Zitat) „Depperten Schreibtitschtäter, der net amoi weiß, wie man sich an Fußballschuh bindet“ – mit anderen Worten: Das Problem ist nicht der ÖFB an sich, sondern die allgemeine Fortschrittsfeindlichkeit vor allem an der Basis.
Es ist dieses Denken, dass die moderne Herangehensweise an den Fußball im 21. Jahrhundert ein großes Übel ist, dass eh komplett wurscht ist, ob jetzt ein Constantini oder ein Mourinho auf der Trainerbank sitzt, das radikal aus den Denkmustern der konservativen Betonköpfe heraus muss. Da hat Ruttensteiner noch einen langen Weg vor sich.
Typ-Wechsel – mit Konsequenzen?
Worauf sich Koller in seinem neuen Job einstellen müssen wird: Dass ihm jene maßgeblichen Meinungsmacher in Fernsehen und Print, die Constantini nicht nur mit Wattehandschuhen angegriffen, sondern ihm bis zuletzt die Stange gehalten und nie wirklich kritisch hinterfragt haben, brutal auf ein einhacken werden. Das war zum Teil schon zu lesen, bevor Koller überhaupt offiziell präsentiert wurde. Das war, vor allem im Fall Karel Brückner, bei Herbert Prohaska offensichtlich – und Schneckerl gibt sich auch sofort unnachgiebig, wo wieder ein Teamchef kein persönlicher Haberer von ihm ist.
Die Bestellung von Koller ist ein brutaler Wechsel – die Internet-Generation steht ihm wohl eher positiv gegenüber, die „Alteingesessenen“ eher skeptisch. Das ist eine grandiose Chance, aber auch ein Risiko, denn wenn es mit Koller nicht den erhofften Erfolg gibt, besteht die Gefahr, dass diese Tendenz, sich tatsächlich an den Typus „Akribische, taktischer Arbeiter“ heran zu wagen, wieder abgewürgt wird.
Die Abmontierung von Koller, bzw. seines Typs von Trainer, zu verhindern, wird am ÖFB hängen bleiben. Hier darf man aber durchaus hoffen. Denn Präsident Leo Windtner wollte schon an Constantini eisern festhalten, aber nicht, weil er ihn für so toll hielt, sondern, weil er auf Kontinuität setzen wollte. Nur halt mit dem falschen Teamchef.
Und vor allem dürfte es nun tatsächlich so sein, dass mit Willi Ruttensteiner der wohl fähigste Mann im Verband ein deutlich gewichtigeres Wort hat als zuvor. Und das kann für den österreichischen Fußball nur gut sein. Danke, Willi!
(phe)
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