russland – Ballverliebt https://ballverliebt.eu Fußball. Fußball. Fußball. Fri, 25 Jun 2021 17:02:12 +0000 de hourly 1 https://wordpress.org/?v=6.7.1 Polen, Russen, Türken als Verlierer einer EM-Vorrunde mit Farbtupfern https://ballverliebt.eu/2021/06/25/polen-russen-tuerken-als-verlierer-einer-em-vorrunde-mit-farbtupfern/ https://ballverliebt.eu/2021/06/25/polen-russen-tuerken-als-verlierer-einer-em-vorrunde-mit-farbtupfern/#comments Fri, 25 Jun 2021 09:14:12 +0000 https://ballverliebt.eu/?p=17583 Polen, Russen, Türken als Verlierer einer EM-Vorrunde mit Farbtupfern weiterlesen ]]> Die Gruppenphase der EM dieses Jahres 2021 ist beendet. Das heißt, dass wir uns von den ersten acht Teams verabschieden müssen. Darunter sind einige relativ prominente Namen – wie etwa Polen, Russland und die Türkei – aber sie alle haben genug Schwächen gezeigt, um das Vorrunden-Aus zu rechtfertigen. Niemand kann sagen, dass es nur Pech oder unkontrollierbare äußere Einflüsse waren, die zum Aus geführt haben.

Hier die Bilanz der acht EM-Teilnehmer, die nach der Vorrunde die Segel streichen mussten.

Polen: Unter Wert geschlagen

Nein, natürlich wären die Polen nicht Europameister geworden, selbst wenn sie aus der Gruppe E herausgekommen wären. Aber die Truppe um Weltfußballer Robert Lewandowski ist doch unter Wert geschlagen worden und vieles erinnerte an den Auftritt von Österreich bei der EM 2016.

Polen spielt bei jedem Turnier die drei gleichen Spiele, ätzen Fans in der Heimat: Das Auftaktspiel, das Spiel der letzten Chance und das Spiel, um zumindest erhobenen Hauptes nach Hause zu fahren. Diesmal machte man gegen die Slowakei gar nicht so arg viel verkehrt, verlor aber durch einen Energieanfall von Róbert Mak und einen Eckball. Gegen Spanien war man zwar größtenteils am Verteidigen, holte aber immerhin das Remis ab. Und gegen Schweden kämpfte man sich nach 0:2 zurück, drückte auf den nötigen Sieg und lief in der Nachspielzeit in einen Konter – 2:3.

Es ist dennoch nicht nur Pech, weswegen Polen als einziger der zehn Quali-Gruppensieger vorzeitig ausscheidet. Es fehlt – wie so vielen der Mittelklasse-Mannschaften – an einem höherklassigen kreativen Aufbau, um einen tief stehenden Gegner zu knacken. Das wurde vor allem gegen die Slowakei evident, lange kam man auch gegen Schweden nicht so recht in Abschlusspositionen. Wenn das gelang, war Lewandowski sofort zur Stelle, er erzielte drei der vier polnischen Tore, aber von Krychowiak (Ausschluss im ersten Spiel) und Klich kam zu wenig.

Es gibt einige junge, nachrückende Spieler – Kozłowski (17, vermutlich zu Dortmund), Piątkowski (20, zu Salzburg), Puchacz (22, zu Union Berlin) – aber ohne die Klasse eines Lewandowski kommt Polen (noch?) nicht aus.

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Russland: Am Boden der Tatsachen

Vorrunden-Aus bei der EM 2012, bei der WM 2014 und bei der EM 2016 – jeweils mit sehr biederem, oft hilflosen Fußball. Dann mauerte sich Russland vor zwei Jahren ins WM-Viertelfinale, nun ist die Sbornaja aber wieder am bitteren Boden der Tatsachen angekommen.

Das Mittelfeld hat in drei Spielen nicht einen einzigen kreativen Pass zu Stande gebracht, was den Russen das Leben gegen Finnland ziemlich schwer gemacht hat. Die Abwehr war fehleranfällig, was den Belgiern einen leichten Sieg ermöglicht hat. Und als man gegen Dänemark gezwungen war, Risiko zu gehen, lief man sofort in die Gegentore.

Vor allem die völlige Abwesenheit jeglicher Kreativität – mehr als lange Bälle in die grobe Richtung von Angriffs-Leuchtturm Dzyuba fiel den Russen kaum ein – macht den letzten Gruppenplatz, sogar hinter Debütant Finnland, zu einem korrekten Resultat. Denn der Anspruch von Russland muss es sein, zumindest unter die 16 besten Teams Europas zu kommen. Mit Golovin und Miranchuk gab es zwei Hoffnungsträger, aber sie sind auch schon Mitte 20 und können dem russischen Spiel noch immer nicht ihren Stempel aufdrücken.

Ungarn: Beinahe Sensation geschafft

84 Minuten hielt man Portugal bei einem Remis, die Franzosen sogar bis zum Schlusspfiff und gegen die Deutschen fehlten auch nur zehn Minuten auf den Sieg: Dass Ungarn auch ohne den verletzten Dominik Szoboszlai beinahe die „Todesgruppe“ überstanden hätte, darf als eine der größeren Überraschungen des Turniers gelten.

Freilich, ein besonders unterhaltsames Vergnüngen war es für den neutralen Zuseher nicht, wie man die individuell massiv überlegenen Gegner zum mühsamen Steineklopfen zwang. Aber die Disziplin, mit der die Magyaren verteidigten, wie sie nie die Ruhe verloren und nach dem zwischenzeitlichen deutschen Ausgleich binnen Sekunden wieder in Führung gingen, war durchaus beeindruckend.

Zu überlegen, ob es mit Szoboszlai tatsächlich für die Situation gereicht hätte oder was in einer anderen Gruppe möglich gewesen wäre – etwa jener mit Spanien, Schweden und der Slowakei – ist müßig. Attila Szalai soll in eine größere Liga wechseln, es gibt noch einige weitere nachrückende Spieler. Damit ist das einzige Team, das als Viertplatzierter seiner Qualifikation-Gruppe über das Nations-League-Playoff zur EM gekommen ist, wohl zumindest im Kampf um weitere EM-Teilnahmen gerüstet. Mehr? Schwierig.

Türkei: Die große Enttäuschung

Guter Kader mit diversen Spielern, die von einer Saison als Meister (Lille) oder Vizemeister (Milan) oder Cupsieger (Leicester) in guten Ligen zur EM gefahren sind. Der Trainer, mit dem die Türkei 2002 ein verdienter WM-Dritter geworden ist. Starke Resultate, wie der 4:2-Sieg gegen Holland, im Vorfeld. Und eine nicht besonders problematische Gruppe. Alles war angerichtet für ein starkes türkisches Turnier. Und dann das.

Das chancenlose 0:3 im Auftaktspiel in Italien durfte man noch am starken Gegner festmachen. Aber auch gegen Wales (0:2) und die Schweiz (1:3) haben die Türken nichts angeboten. Im Vorwärtsgang war es reiner Zufallsfußball: Kaum drei zusammenhängende Pässe, viel Improvisation, enorme Ungenauigkeit. Hakan Çalhanoğlu konnte weder von der linken Außenbahn noch von der Acht/Zehn in Güneş‘ 4141/4231-Hybridsystem irgendeine Form von Struktur hinein bringen.

Das defensive Mittelfeld mit Okay und Ozan war so durchlässig, dass Güneş sie in den ersten beiden Spielen jeweils beide auswechselte und vermehrt den gelernten Innenverteidiger Ayhan auf die Sechs stellte. Die auf dem Papier gutklassige Abwehr war durchlässig; Demiral merkte man die fehlende Spielpraxis bei Juventus deutlich an. Und Uğurcan Çakır im Tor offenbarte einige technische Schwächen.

Die Türkei fährt mit der schlechtesten Bilanz alle EM-Teilnehmer – 0 Punkte, 1:8 Tore – nach Hause. Und das mit einem Team, das auch im Viertelfinale keine Sensation gewesen wäre.

Nordmazedonien: Achtbares Turnier-Debüt

Auch wenn es letztlich drei Niederlagen gab: Der Debütant hat eine gute Figur abgegeben und gezeigt, dass man eben nicht mehr das sportliche Anhängsel als traditionell schlechtestes Team aus dem ehemaligen Jugoslawien ist. Man machte Österreich und der Ukraine das Leben schwer, Goran Pandev erzielte beim Höhe- und Schlusspunkt seiner 20-jährigen Nationalteam-Karriere sogar noch ein EM-Tor und einige Junge lieferten Talentproben ab.

Vor allem die beiden Achter Eljif Elmas und Enis Bardhi – die auch beide jeweils als hängende Spitze hinter Pandev betätigten – dürften das Team in den kommenden Jahren prägen; Rayo Vallecano hat sich in Abwesenheit von Stammgoalie Stole Dimitrievski im Playoff um den Aufstieg in die La Liga durchgesetzt. Der routinierte Arjan Ademi hat auch sicher noch eine EM in den Beinen, der giftige Egzjan Alioski (Arnautovic‘ Spezial-Freund) auch.

Die Grundausrichtung war defensiv, aber die Mazedonien bunkerten sich nicht nur hinten ein, sondern hatten zuweilen – vor allem gegen die Ukraine – durchaus die Ambition, auch selbst nach vorne zu spielen. Zwar fährt man mit dem höchsten Gegentor-Wert bei den Expected Goals nach Hause, aber man hat sich keineswegs als der chancenlose Prügelknabe präsentiert, den man vom Team aus der hintersten Nations-League-Zug befürchtet hatte.

Und ja, Mazedonien hat sich über die Nations League qualifiziert und diese Bewerbsspiele, in denen man sich ohne Angst vor Debakeln entwickeln konnte, haben definitiv geholfen. Man darf aber nicht vergessen, dass sich das Team auch im alten Quali-Modus ohne NL-Hintertür zumindest für das Playoff qualifiziert hätte. Man war Gruppendritter hinter Polen und Österreich, und noch vor Slowenien und Israel. Auch in der WM-Quali für 2022 hat man mit dem Sieg in Deutschland schon ein Ausrufezeichen gesetzt.

Schottland: Bemüht, aber nicht gut genug

Erstmals seit der WM 1998 hat sich Schottland wieder für ein großes Turnier qualifiziert. Bei der elften Teilnahme an einer WM- oder EM-Endrunde steht letztlich zum elften Mal das Aus in der Vorrunde, aber neben einigen allzu offensichtlichen Schwächen gibt es auch Anzeichen, die eine gewisse Zuversicht geben können.

Die Schotten verfügen aktuell über drei Spieler, die höheren Ansprüchen in der Premier League genügen. Zwei davon sind Linksverteidiger (Robertson und Tierney), einer ist Sechser (McTominay). Steve Clarke etablierte in den letzten Monaten ein 5-3-2, in dem er sie alle drei unterbrachte – McTominay dabei in der Abwehrkette. Die Folge: Schottland legte alles hinein, spielte stets mit vollem Einsatz und hatte vor allem nach dem 0:0 gegen England den Applaus auf seiner Seite.

Am Ende war’s trotzdem deutlich zu wenig. Das Problem war, wie bei so vielen anderen Teams, die Kreativität im Mittelfeld und das Leistungsgefälle schon innerhalb der ersten Elf. Billy Gilmour hat viel Talent und spielte gegen England stark, fehlte gegen Kroatien aber nach einem positiven Corona-Test. Ché Adams brachte Belebung in den Angriff, er macht aber – wie auch in Southampton – etwas zu wenig daraus.

Dafür ist Stephen O’Donnell auf der rechten Seite ein braver Kämpfer, aber technisch zu schwach für eine EM. Lyndon Dykes, der alle drei Spiele starten durfte, brachte im Angriff keinerlei Mehrwert. Und Optionen von der Bank, die über Zweitliga-Niveau hinausgehen würden, hat Clarke ganz einfach nicht zur Verfügung. Realistisch betrachtet wird auch in absehbarer Zukunft schon die Qualifikation für eine EM ein Kraftakt bleiben.

Finnland: Kein zweites Island

Die Strategie des zweiten EM-Debütanten war erwartet simpel: Hinten mit Fünfer-Kette und drei defensiven Mittelfeldspielern davon nichts zulassen; und vorne auf die Torgefahr von Joel Pohjanpalo und vor allem Teemu Pukki hoffen. So holte Finnland tatsächlich annähernd das Optimum aus dem Turnier heraus, es gab sogar einen Sieg, über den man sich angesichts der Umstände (Stichwort Eriksen) in dem Moment kaum freuen konnte.

Der stets freudig lachende Paulus Arajuuri versinnbidlicht den finnischen Turnier-Erstauftritt. Man genoss die Spiele im Scheinwerferlicht, so weit das möglich war, und hatte sichtlich Freude daran, die individuell besser besetzten Gegner zu nerven. Es reichte zwar in der Offensive kaum kaum mehr als vier vernünftige Torschüsse in den drei Spielen (davon war einer drin, beim 1:0-Sieg über Dänemark). Aber man stellte die Gegner vor Probleme.

Und wer weiß, ob ohne Hradeckys unglücklichem Reflex, der die späte Niederlage gegen Belgien gebracht hat, nicht sogar noch ein vierter Punkt und damit die Achtelfinal-Teilnahme gestanden wäre. Dort hätte Wales gewartet, ein Viertelfinale wie vor fünf Jahren bei Island war also keineswegs völlig außerhalb der Reichweite. Man hat sich vorerst im zweiten Zug der Nations League etabliert, für die WM-Quali in den dritten Topf nach vorne gekämpft und wird mit der Ukraine um den zweiten Gruppenplatz in der Gruppe hinter Frankreich kämpfen.

Tatsache ist aber auch: Leistungsträger wie Pukki, Sparv, Arajuuri und Toivio nähern sich dem Herbst ihrer Karrieren und es gibt kaum nennenswert talentierten Nachwuchs.

Slowakei: Harmlos, langweilig, abgeschossen

Der Expected-Goals-Wert der Slowakei beträgt etwa 1,1 Tore. Wohlgemerkt: In allen drei Spielen zusammen. Es reichte zu einem glücklichen Sieg über ratlose Polen, der durch ein Solo-Dribbling und einen Eckball gesichert wurde – aber kreiert haben die Slowaken praktisch nichts. Man war das harmloseste und langweiligste Team der EM und gegen Spanien gab es einen der hilflosesten Auftritte eines EM-Teilnehmers ever.

Dass nach vorne nichts los ist, ließ sich schon beim 0:0 im letzten Test in Wien erahnen, daran änderte auch die Rückkehr des gegen Österreich noch geschonten Marek Hamšík nichts. Trainer Tarkovič spielte dann auch ohne gelernten Stürmer: Denn Hamšík ist immer eher auf der Acht daheim gewesen und Duda ist ein Zehner. Stürmer Ďuriš kam zweimal erst in den Schlussminuten. Der junge Robert Boženík, der in der Qualifikation vorne gespielt hatte, kommt bei Feyenoord kaum zum Zug und war in der der drei slowakischen EM-Spiele nicht einmal im 23er-Kader.

Dieses Team kann nur verteidigen und beim 0:5 gegen die Spanier – wo die Slowakei nicht einen einzigen Torschuss verzeichnete – nicht einmal das. Auch die mittelfristige Aussicht ist nicht rosig. In der Nations League ist man relativ krachend in den dritten Zug abgestiegen, die Qualifikation für Katar 2022 hat man mit Unentschieden gegen Malta und Zypern begonnen. Trotz des überraschenden Sieges gegen Russland: Die Chance selbst auf das Playoff ist schon jetzt stark beschädigt.

Fazit: Nur Fußnoten zu verabschieden

Wie schon vor fünf Jahre gilt: Die Erweiterung von 16 auf 24 Teams macht das Turnier größer, aber nicht unterhaltsamer. Haben wir in der Vorrunde eine Mannschaft verloren, die wirklich das Zeug für ein EM-Viertelfinale hätte? Eher nicht. Die Polen unter Umständen, die waren 2016 nur ein Elfmeterschießen vom Halbfinale entfernt. Die Russen? Trotz des WM-Viertelfinales von 2018, nein, das war einfach überhaupt gar nichts da.

Die Finnen und die Mazedonier haben sich im Rahmen ihrer Möglichkeiten anständig verkauft, die Schotten in Wahrheit auch, aber das sind Farbtupfer, die im Ganzen kaum mehr als Fußnoten sind. Ungarn? Haben sich in der schwere Gruppe wacker verteidigt, immerhin. Die Türkei, gutes Potenzial, auf dem Platz ein Desaster. Die Slowakei? Schön für sie, dass sie dabei waren. Sollen sich über den Sieg gegen Polen freuen. Aber bitte reden wir nicht mehr drüber.

Im Achtelfinale gibt es immer noch einige Duelle von Teams, die man nicht zwingend als Bank für das Viertelfinale gesehen hätte, aber hier braucht es doch schon ernsthafte Qualität in dem, was man tut, um dorthin zu kommen. Das ist manchmal nicht so lustig anzushen (looking at you, Sweden), manchmal wirklich mitreißend (Dänemark!).

Oder sagen wir so: Die Vorrunde 2021 war deutlich unterhaltsamer als die Vorrunde 2016. Das lag aber nur zu einem kleinen Teil an den nun ausgeschiedenen Teams.

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Europas zweite Reihe bei der WM 2018: Fundament der Top-Bilanz https://ballverliebt.eu/2018/07/12/wm-2018-russland-schweden-daenemark-schweiz-serbien-island-polen/ https://ballverliebt.eu/2018/07/12/wm-2018-russland-schweden-daenemark-schweiz-serbien-island-polen/#comments Thu, 12 Jul 2018 09:26:48 +0000 https://ballverliebt.eu/?p=15018 Europas zweite Reihe bei der WM 2018: Fundament der Top-Bilanz weiterlesen ]]> Ein unermüdlicher Gastgeber. Drei skandinavische Teams, die das zufrieden sein dürfen. Und drei Teams, sie sich mehr erhofft haben. Europas „zweite Reihe“ bei dieser WM – also Russland, Schweden, Dänemark, Island, die Schweiz, Serbien und Polen – hat dazu beigetragen, dass es die die UEFA-Teams eine so starke Bilanz vorzuweisen hat.

1,97 Punkte pro Spiel haben die 14 europäischen Teams in der Gruppenphase (also in jenem Abschniss in dem noch alle Teilnehmer im Turnier sind) erreicht. In den letzten 36 Jahren war er nur einmal noch mehr (2006). Das ist nur möglich, wenn auch die vermeintlich Kleinen relativ tief in den Punktetopf greifen.

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LINK-TIPP: Europas zweite Reihe bei der WM 2014

Russland: Limitiert, unermüdlich, diszipliniert

Was macht man, wenn man nicht kicken kann? Man lässt es bleiben. So könnte man die Herangehensweise des Gastgebers beschreiben. Spielerisch waren die russischen Auftritte bei WM 2014 und EM 2016 (jeweils raus in der Vorrunde) am Ärmlichkeit kaum zu überbieten gewesen. Also verzichtete man unter dem ehemaligen Tirol-Coach Stanislav Tcherchessov einfach daruf, die Kugel zu haben.

Mit 39 Prozent Ballbesitz hatte man den drittniedrigsten Wert aller Teilnehmer. Und: Man lief. Ohne Unterlass. Die fünf Spieler, die nach dem Viertelfinale die meisten Kilometer an dieser WM abgespult haben, waren allesamt Russen. Einer davon, Abwehr-Chef Ignashevitch, ist 38 Jahre alt. Anders als die Kroaten – die ebenfalls 510 Minuten, also fünf Spiele mit zwei Verlängerungen absolviert hatten – zeigte sich bei den Russen allerding keine Anzeichen von Ermüdung. Angesichts der unrühmlichen Rolle, die Russland in Sachen Doping spielt, ist all dies zumindest erwähnenswert. Zumal Tcherchessov verschmitzt grinste, als er in Interviews vom „guten Programm in der Vorbereitung“ sprach.

In jedem Fall aber schaffte es Tcherchessov, eine ausgesprochen disziplinierte Truppe auf den WM-Rasen zu stellen. Schwächen in Eröffnung (Kutepov überließ den ersten Pass fast immer Ignashevitch, der seinerseits keine Koryphäe ist) wurden mit den starken Außenspielern Fernandes (rechts) und Tcherishev (links) kompensiert. Der noch relativ junge Roman Sobnin zeigte starke Übersicht, Torhüter Akinfejev machte fast keine Fehler.

Und vor allem: Die Chancenverwertung war absolute Weltklasse. In Vorrunde erspielte sich Russland in drei Matches einen mäßigen Expected-Goals-Wert von 2,9 Toren (Platz 24 von 32, laut 11tegen11), traf aber achtmal ins Schwarze. Es wurden vor allem beim 5:0 gegen Saudi Arabien und beim 3:1 gegen Ägypten zum richtigen Zeitpunkt die richtigen Entscheidungen getroffen. Ein wenig Abschlussglück war auch dabei.

Systematsich blieb Tchertchessov dem 4-4-1-1 mit Ausnahme des Achtelfinales gegen Spanien (5-4-1) durchwegs treu, unabhängig vom Personal. Angesichts der mangelnden Qualität hat Russland ein sehr vorzeigbares Turnier absolviert.

Schweden: Altbacken zum Favoritenschreck

Heimsieg in der Qualifikation gegen Frankreich. Holland eliminiert, Italien eliminiert, gegenüber Deutschland die WM-Gruppenphase überstanden. Die Schweiz niedergerungen. Und erst im Viertelfinale an England gescheitert. Mit Spielern von deutschen Absteigern, englischen Zweitligisten, russischen Mittelständlern und der Scheich-Liga aus den Emiraten.

Dieses Team muss doch etwas ganz besonders machen. Oder? Nein. Schweden ist weiterhin das Vorzeige-Team, was biederen, aber gut aufeinander abgestimmten 4-4-2-Fußball angeht. Einziger Unterschied zu den letzten Turnieren: Zlatan ist nicht mehr da.

Norrköpings Meistertrainer Janne Andersson hat vor zwei Jahren das Teamchef-Amt übernommen, mit dem Auftrag, die Trekronor-Mannschaft in eine Zukunft ohne Ibrahimovic zu führen. Das hat er gemacht, und auf dem Weg auch noch einige U-21-Europameister von 2015 eingebaut – wie Lindelöf und Augustinsson, die Stamm sind. Wie Hiljemark und Thelin, die zu Joker-Einsätzen kamen. Wie Helander, der zumindest im Kader war.

Das schwedische Spiel ist sehr reaktiv und darauf ausgelegt, nicht in Rückstand zu geraten. Gegen Südkorea wurde den Schweden der Ball aufgedrängt, es brauchte einen Elfmeter zum 1:0-Sieg. Gegen Deutschland unterlag man erst tief in der Nachspielzeit. Mexiko riss man hingegen bei Kontern in Stücke und gewann 3:0. Gegen die Schweiz hatte man wieder weit unter 40 Prozent Ballbesitz, nützte aber eine von zwei Torchancen zum 1:0-Sieg.

Als man gegen England allerdings doch nach einer halben Stunde in Rückstand geriet, gingen schnell die Ideen aus. Mehr als zwei, drei mittelprächtige Torgelegenheiten gingen sich nicht mehr aus. So ist das Viertelfinale definitiv das Optimum, was aus dem Kader herauszuholen war. Vermutlich sogar mehr.

Dänemark: Glanzlos ins Achtelfinale

Danish Dynamite? Nein. Vom explosiven und temporeichen Spielstil der 1980er und 90er ist nichts mehr übrig. Selbst die pragmatischeren Nuller-Jahre unter Morten Olsen waren wesentlich einprägsamer als jenes Spiel, das Dänemark nun immerhin ins WM-Achtelfinale gebracht hat.

Dabei hatte Åge Hareide zu Beginn seiner Amtszeit vor zwei Jahren einige spannende und teilweise spektakuläre Experimente abgeliefert, gerne auch mit dem potenziell genialen, aber oft nicht verlässlichen Højbjerg. Nur: Die Resultate passten nicht. Also wurde auf Sicherheit gespielt, back to basics, und das WM-Ticket wurde auf diese Weise noch gesichert. Mit einer sichere. Defensive und Tempo auf den Außenbahnen (Poulsen von Leipzig, Sisto von Celta Vigo, Braithwaite von Bordeaux). Und mit Christian Eriksen, der für die individuellen Momente sorgen soll. Viel mehr hatte Dänemark bei der WM nicht zu bieten.

Im Turnierverlauf ging mit Andreas Christensen auch noch ein Innenverteidiger auf die Sechs (für den verletzten Kvist). Die Dänen spielten sich in allen ihren vier Spielen praktisch keine nennenswerten Torchancen heraus, ließen aber auch nicht viel zu. So besiegte man Peru mit 1:0 und holte gegen Australien den nötigen Punkt. Im Achtelfinale gelang es durch Mannorientierungen sehr gut, Modrić und Rakitić zu neutralisieren. Den Kroaten war man dann erst im Elfmeterschießen unterlegen.

Es ist das beste WM-Abschneiden seit 2002, als es ebenfalls ins Achtelfinale gegangen ist. Dem ließ man damals zwei Jahre später ein EM-Viertelfinale folgen. Das wäre diesmal aus heutiger Sicht eher eine Überraschung. Dänemark ist eine solide Truppe, die kaum Fehler macht. Die individuelle Qualität in der Breite war früher aber deutlich höher.

Schweiz: Am gläsernen Plafond

Warum geht es im entscheidenden Moment immer schief? Wo sind die vermeintlichen Führungsspieler? Halten wir Beobachter die Nati und sie sich auch selbst für besser, als sie ist? Die Schweizer Medienlandschaft ging nach dem Achtelfinal-Aus gegen Schweden sehr hart mit ihrem Team ins Gericht.

Das ist Jammern auf hohem Niveau. Bei der WM 2018, der EM 2016 und der WM 2014 hat die Schweiz stets die Vorrunde überstanden, war bei sieben der letzten acht Großturniere qualifiziert. Aber das Achtelfinale scheint eine gläserne Decke zu sein, welche nicht durchbrochen werden kann. Auch diesmal präsentierten sich die Eidgenossen als renitenter Gegner für die Großen (wie beim 1:1 gegen Brasilien) und als kampfstark in offenen Spielen gegen Gegner auf Augenhöhe (wie beim 2:1 gegen Serbien).

Gegen Costa Rica (2:2) und im Achtelfinale gegen Schweden (0:1) zeigte sich aber auch, dass gegen defensiv eingestellte Kontrahenten ein wenig das Tempo und die Kreativität fehlt. In diesen beiden Partien hatten die Schweizer jeweils über 60 Prozent Ballbesitz. Aber vor allem gegen Schweden keine einzige gute Torchance. Damit ist dieses Schweizer Team – in dem auch die Mischung zwischen Routine und Jugend stimmt – gehobener Durchschnitt, der eigentlich nie patzt, aber die Erwartungen auch nie übertrifft.

Serbien: Überwiegend sich selbst geschlagen

Der Schweizer Gruppengegner Serbien ist dafür vor allem an sich selbst gescheitert. An einem völlig unnötigen Trainerwechsel, einem peinlichen Hickhack zwischen Verband und sportlicher Leitung. Den eigenen Nerven. Und, ja, ein wenig auch an Referee Felix Brych.

Die taktisch punktgenau eingestellte und fast immer sehr gut funktionierende Truppe, die Ex-Teamchef Slavoljub Muslin in der Qualifikation auf die Beine gestellt hat, wich unter seinem (bestenfalls) unerfahrenen Nachfolger Mladen Krstajić einem ziemlich gewöhnlichen, teilweise uninspirierten Spiel. Jetzt ist zwar Sergej Milinković-Savić drin (auf den Muslin zum Ärger des Verbands konsequent verzichtet hatte), aber es ist im Gegenzug alles weg, was Serbien zuvor stark gemacht hatte.

Dabei zeigten die ersten 20 Minuten gegen die Schweiz, dass viel mehr in diesem serbischen Team steckte, als es in der überwiegenden Mehrheit der anderen 250 Vorrunden-Minuten zeigte. Aber selbst in diesem Match wurde man viel zu früh viel zu passiv, überließ den Schweizern die Initiative, ohne selbst defensiv sicher genug zu stehen. Der verweigerte Elfmeter beim Stand von 1:1 war sicher ein schwerer Schlag, alleinschuldig an der Niederlage und dem damit verbundenen frühen (De-Facto)-Ausscheiden ist er aber nicht.

Zu wenig Substanz war beim 1:0-Sieg über Costa Rica, durch einen Freistoß gesichert, zu sehen. Gegen Brasilien gab es starke zehn Minuten in der zweiten Hälfte, aber viele Spieler schienen sich schon von Vornherein mit der Aussichtslosigkeit des Unterfangens abgefunden zu haben.

Serbien ist vor drei Jahren U-20-Weltmeister geworden, hatte immer talentierte Spieler. Milinković-Savić wird weiter reifen, Milenković und Veljković können ein sehr gutes Vertedigier-Duo werden. Mitrović ist kein Edel-Kicker, aber als kopfballstarke Kampfsau recht brauchbar. Fünf Weltmeister – neben Milinković-Savić (Lazio) auch Gaćinović (Frankfurt) und Veljković (Bremen) sowie Živković (Benfica) und Torhüter Rajković (Maccabi Tel-Aviv) – sind in ihren Klubs Stammkräfte und werden das Nationalteam noch ein Jahrzehnt tragen können.

Island: Die eigenen Mittel ausgeschöpft

Die Nordmänner von der Atlantik-Insel zeigten auch bei ihrem zweiten Turnier auf Erwachsenen-Level (2011 war der Kern dieses Teams ja bei der U-21-EM und hat in der Qualifikation die Deutschen eliminiert) ihr typisches Spiel. Wenig Ballbesitz (nur der Iran hatte weniger), viel Kampfkraft. Keine technischen Schmankerl, dafür jede Menge Disziplin.

Auf diese Weise hielt man Argentinien im ersten Spiel bei einem 1:1. Damit war der Ausflug nach Russland schon ein großer Erfolg. Gegen die spielerisch ähnlich limitierte Truppe aus Nigeria ließ man sich nach einer torlosen ersten Hälfte ein wenig locken und lief in zwei Konter. Gegen die kroatische B-Formation hielt man stark dagegen und war auf dem Weg zu einem weiteren Punkt, der Island erst durch das 1:2 in der Nachspielzeit entrissen wurde.

Wieder sorgte Island für große Begeisterung bei den Landsleuten – 10 Prozent der Insel-Bevölkerung war in Russland dabei, der Rest saß daheim zu 99,6 Prozent vor den TV-Schirmen. Wieder wurde Island, der einwohnerschwächste WM-Teilnehmer aller Zeiten, zum Darling der neutralen Fans. Und wieder, wie schon bei der EM, ließ Island die Zungen der Puristen nicht direkt höher schlagen. Fußballerisch ist Island weiterhin öde und nichts für Feinschmecker.

Andererseits: Island hat etwa so viele Einwohner wie Graz. Dass sich dieses Team nun für die WM 2018 und die EM 2016 qualifiziert hat, dazu für die WM 2014 erst im Playoff gescheitert ist, ist aller Ehren wert. Wie lange der Run anhält, ist aber die Frage: Fast alle maßgeblichen Spieler stehen altersbedingt vor dem internationalen Karriere-Ende. Da wird sich zeigen, was die vor dem Crash der Staatsfinanzen aufgebaute Hallen-Infrastruktur kann.

Polen: Zu viel hängt an Lewandowski

So schön hatten sich die Polen das geplant: Keine Testspiele absolvieren, dadurch im FIFA-Ranking klettern, aus dem ersten Topf in eine machbare WM-Gruppe gelost werden und dann in Russland lässig weit kommen.

Bis auf den letzten Punkt hat das wunderbar funktioniert. Aber der etwas langweilige Zweck-Fußball, den die Polen schon beim Lauf ins EM-Viertelfinale vor zwei Jahren gezeigt hatte, wurde diesmal von den Gegnern durchschaut. Nachdem der Senegal vor allem wegen höherer geistiger Beweglichkeit gegen die Polen gewonnen hatte, warf Teamchef Nawałka im zweiten Spiel alles über den Haufen.

Das 3-4-3 funktionierte vorne wie hinten nicht. Wie gegen den Senegal war das alleine auf Robert Lewandowski ausgerichtete Offensiv-Spiel viel zu leicht zu unterbinden. Nun aber – und das noch dazu gegen ein besseres Team als es jenes aus dem Senegal war – brach auch die Defensiv-Ordnung auseinander. Kolumbien konnte gar nicht fassen, wie viel Raum die Polen anboten. Nach dem 0:3 war für Polen alles vorbei. Wie schon 2002 und 2006, bei den letzten Teilnahmen, nach dem zweiten Spiel. Der abschließende Sieg gegen die auf Resultat pokernden Japaner war nur noch Kosmetik.

Taktgeber Grzegorz Krychowiak wirkte nach einer Saison, in der sein Passspiel bei West Bromwich verkümmerte, als ob er alles verlernt hatte. An Piotr Zieliński, der bei Napoli Teil einer offensivstarken Kurzpass-Maschine ist, liefen die Spiele vorbei. Und hinten fehlte der angeschlagene Kamil Glik (der erst wirklich spielen konnte, als alles zu spät war) deutlich.

Nun endet die Ära Nawałka. Trotz des frühen WM-Aus war es die erfolgreichste Zeit seit den 1970er- und frühen 80er-Jahren (Olympia-Gold und -Silber, zweimal WM-Dritter). Sich für aufeinanderfolgende EM- und WM-Turniere zu qualifizieren, war Polen davor erst ein einziges Mal gelungen. Nawałkas Nachfolger Jerzy Brzęczek (ja, der frühere FC-Tirol-Spieler) wird Lösungen für die Abhängigkeit von Robert Lewandowski finden müssen.

So geht es weiter

Im Herbst beginnt die Nations League. Die Schweiz, Polen und Island sind in der A-Gruppe und könnten diese damit theoretisch sogar gewinnen. Eher aber wird es für diese Teams darum gehen, sich ein Sicherheitsnetzt für die EM-Qualifikation aufzubauen. Wird diese in der eigentlichen Qualifikation (von März bis November 2019) verpasst, gibt es für vier Teams pro Leistungsstufe die Chance auf jeweils ein weiteres Ticket.

In der A-Gruppe sind eben die Schweiz, Polen und Island. In der B-Gruppe kommen neben den WM-Teilnehmern Russland, Schweden und Dänemark beispielsweise auch Österreich, Tschechien und die Türkei zum Einsatz. Serbien schließlich ist in der C-Gruppe eingeteilt, ebenso wie Ungarn, Griechenland, Schottland und Rumänien.

Das klingt auf dem Papier alles furchtbar kompliziert, dürfte in der Praxis aber realtiv leicht zu durchschauen sein. Und eines ist in jedem Fall klar: Für jeden der sieben „kleineren“ europäischen WM-Teilnehmer wäre es eine Enttäuschung, die 2020 in ganz Europa ausgetragene EM zu verpassen.

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Österreich siegt 1:0 gegen biederen WM-Gastgeber https://ballverliebt.eu/2018/05/31/oesterreich-russland-foda-arnautovic/ https://ballverliebt.eu/2018/05/31/oesterreich-russland-foda-arnautovic/#comments Thu, 31 May 2018 07:39:25 +0000 https://ballverliebt.eu/?p=14655 Österreich siegt 1:0 gegen biederen WM-Gastgeber weiterlesen ]]> Im ersten von drei Testspielen innerhalb von zwölf Tagen besiegte Österreich den WM-Gastgeber Russland in Innsbruck mit 1:0. Eine ordentliche, aber nicht übertrieben starke Vorstellung reichte dem ÖFB-Team gegen eine biedere Sbornaja.

Österreich – Russland 1:0 (1:0)

Das System zu Beginn

Österreich begann in einem 3-4-2-1, wobei Arnautovic die nominelle Spitze gab und er von Schaub und Kainz flankiert wurde. Kainz, halbrechts aufgeboten, postierte sich oft etwas tiefer als Schaub auf der halblinken Seite und in der 2. Hälfte rückte er dann ganz ins zentrale Mittelfeld zurück. Schöpf und Lainer hatten die Außenbahnen für sich, weil sich Kainz und Schaub eher in den Halbpositionen aufhielten.

Was auffiel

Diagonalpässe. Wenn Österreich im Aufbau war, waren Seitenverlagerungen ein oft gewähltes Mittel. Lange Pässe von Dragovic in Richtung Schöpf bzw. von Hinteregger in Richtung Lainer zwangen die Russen zum Verschieben und gaben dem ÖFB-Team die Gelegenheit, schnell Überzahl in Ballnähe zu schaffen.

Arnautovic. Der West-Ham-Legionär ließ sich oft ins Mittelfeld zurück fallen und bot sich als Anspielstation für Pässe aus der Verteidigung an. Wenn sich die entsprechende Lücke im russischen Verbund ergab, wurde diese Option auch oft genützt. Arnautovic lief viel, arbeitete viel und war auch stets bemüht, den Blick für den Mitspieler zu haben. Das war nicht nur beim Tor zum 1:0 so, als er für Schöpf bzw. Zulj zur Mitte spielte, sondern auch im Aufbau. Wenn er sich nach hinten bewegte um Bälle zu erhalten, wurden gegenläufig sprintende Mitspieler eingesetzt.

Druck, aber kein echtes Pressing. Österreich verstand es gut, schnell Druck auf den ballführenden Russen auszuüben. Allerdings geschah dies, ohne ein wirkliches Pressing zu zeigen. Die Eröffnung der Russen ließ das ÖFB-Team weitgehend in Ruhe, es hatte dabei auch nichts zu befürchten. Gutes Antizipieren (was bei dem recht berechenbaren Gegner auch keine Hexerei war) ermöglichte es aber dem Mittelfeld, schnell Druck auszuüben – auch, weil die Russen selten Tempo in ihre Spielzüge bekamen.

Die Umstellungen

2. Halbzeit

Mit der Einwechslung von Burgstaller für Schaub ging auch eine System-Anpassung bei Franco Foda einher. Kainz ging nun voll ins Mittelfeld zurück, während Burgstaller und Arnautovic die Sturmspitzen in einem 3-5-1-1 gaben.

Dies änderte das Grundgleichgewicht im österreichischen Spiel etwas, aber eine signifikantere Auswirkung auf das Spiel hatten zwei etwas später vorgenommene personelle Wechsel im Mittelfeld selbst. Bei den Russen kam nach einer Stunde das ehemalige Wunderkind Alan Dzagoyev (mittlerweile 27 Jahre alt und längst in die Kategorie „stecken gebliebenes Talent“ gehörend) für Kudryayev. Der neue Mann agierte weniger robust und mehr nach vorne orientiert. Daher war auch der Wechsel von Schlager für Kainz ein paar Minuten später sinnvoll.

Mit dem robusten und zweikampfstarken Salzburger erarbeitete sich Österreich nämlich sehr schnell ein deutliches Übergewicht im Zentrum. So konnte das Spiel, das die Russen zuvor ein wenig in den Griff bekommen hatten (und durch Smolov auch eine große Chance auf den Ausgleich vergaben) wieder selbst in die Hand genommen werden.

Der Gegner

Der langjährige Tirol-Keeper Stanislav Tchertchessov, der eine individuell maximal durchschnittliche russische Truppe zur Heim-WM führt, vertraute auf ein 4-1-4-1 und, zumindest in der Startformation, ausschießlich auf Spieler aus der eigenen Liga (Spanien-Legionär Tcherishov wurde in der 2. Halbzeit eingewechselt). Die einzigen beiden Spieler von Meister Lok Moskau im ganzen Kader, die Miranchuk-Zwillinge, kamen ebenfalls erst im Laufe des Spiels.

Wie es bei den Russen schon länger auffällt, gibt es ganz massive Probleme im Spielaufbau. Anspiele von der Abwehr ins Mittelfeld werden vom Empfänger fast immer mit dem Rücken zum gegnerischen Tor aufgenommen. So ist es der Sbornaja fast unmöglich, Tempo ins Spiel zu bekommen, zumal Baumgartlinger und Zulj der aufmerksam waren.

Ihre besten Momente hatten die Russen, wenn sie vorne die österreichische Spieleröffnung anliefen. Mit diesem Mittel sorgten sie zwar nicht für Ballgewinne in vielversprechenden Zonen, aber zumindest für eine gewisse Kontrolle des österreichischen Aufbaus.

Fazit: Korrekter Sieg gegen biedere Russen

Für die Russen kommt die WM um mindestens ein halbes Jahrzehnt zu spät. Im Gegensatz zum Confed Cup vor einem Jahr oder (vor allem) zur EM 2016 und zur WM 2014 ist nun zwar zumindest eine grundsätzliche Idee erkennbar, wie man den Gegner ärgern will. Aber spielerisch ist man weiterhin meilenweit von Konkurrenzfähigkeit auf höherem Niveau entfernt.

Der Sieg der Österreicher war nicht unverdient. Die Leistung war solide und in Ordnung, aber beileibe nicht überragend. Über weite Strecken kontrollierte man das Zentrum zumindest defensiv, es wurden einige eintrainierte Spielzüge gezeigt. Arnautovic war fleißig, Zulj machte im Zentrum auch eine gute Figur, Schlager war in den letzten 20 Minuten wieder ein spürbare Bereicherung.

Die Spielanlage war anders als beim recht aggressiven Auftritt beim 3:0 über Slowenien, sie war noch mehr auf Arnautovic zugeschnitten und generell etwas zurückgenommener. Im Gegenzog konnte man sich nicht so leicht aus Pressing-Situationen befreien wie beim Spiel im März. Die Seitenverlagerungen waren horizontaler als gegen Slowenien und wurden schon aus der Abwehr heraus gespielt (gegen Slowenien waren es mehr Steilpässe aus dem Mittelfeld).

Die kommenden Spiele gegen Deutschland und Brasilien sollten Aufschluss darüber geben, wie sich das Team unter Foda gegen Teams der echten Weltklasse gibt. Zumal das Match gegen Russland auch von beiden Mannschaften in Testspiel-Tempo absolviert wurde.

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Die Vorrunden-Verlierer: Viele Ost-Teams, viele einfallslose Truppen https://ballverliebt.eu/2016/06/24/die-vorrunden-verlierer-viele-ost-teams-viele-einfallslose-truppen/ https://ballverliebt.eu/2016/06/24/die-vorrunden-verlierer-viele-ost-teams-viele-einfallslose-truppen/#comments Thu, 23 Jun 2016 22:13:46 +0000 http://ballverliebt.eu/?p=12701 Die Vorrunden-Verlierer: Viele Ost-Teams, viele einfallslose Truppen weiterlesen ]]> Die Vorrunde ist vorbei, die ersten acht Teams haben sich aus der Europameisterschaft verabschiedet. Bei den meisten konnte man damit rechnen, schon in der ersten der geplanten drei Teamanalyse-Teile vertreten zu sein, andere (von denen man es auch erwartet hatte), haben sich zumindest in die zweite (die nach dem Achtelfinale kommt) gerettet.

Wenn man es vereinfacht sagen will: Viele Teams aus Osteuropa sind schon auf dem Heimweg, und vor allem viele Teams, die nicht wirklich wissen, wie sie selbst ein Spiel gestalten sollen.

Die Sorgenkinder mit der Heim-WM: Die heillosen Russen

Team RusslandIn zwei Jahren geht Russland in die Heim-WM – und nach dem furchtbaren Auftritt der Sbornaja lässt erwarten, dass man eher mit bangen Erwarten statt mit Vorfreude in das Turnier gehen wird. Russland war spielerisch eines der ärmlichsten Teams dieses Turniers.

Querpässe der Abwehr-Holzhacker Beresutzki und Ignashevitch, bis einer der beiden den Ball in die grobe Richtung des bulligen Stürmers Artom Dzyuba drischt: Sehr viel mehr war in fünf der sechs Halbzeiten „spielerisch“ nicht zu sehen. Am hektisch eingebürgerten Roman Neustädter und dem jungen Alexander Golovin (tatsächlich der einzige im Kader unter 25 Jahren) im defensiven Mittelfeld lief das Spiel komplett vorbei; Glushakov und Mamajev waren zumindest in der zweiten Hälfte gegen die Slowakei sinnvoll zu sehen – die einzigen guten 45 Minuten, die die Russen zustande brachten.

Der Kader ist vor allem im Defensiv-Bereich hoffnungslos überaltert und gereicht nicht mehr den Ansprüchen modernen Fußballs von internationalem Format. Auch weiter vorne gibt es kein wirkliches Entwicklungspotenzial mehr. Teamchef Leonid Slutski dankt ab und wird sich nun wieder ganz auf ZSKA Moskau konzentrieren – Sportminister und Verbands-Präsident Vitali Mutko muss also praktisch bei Null anfangen. Russland hat keinen Trainer, keine brauchbare Mannschaft, kaum nennenswerten Nachwuchs und eine Liga, die lieber auf bewährte Einheimische und Legionäre vertraut.

Zwei reichen nicht, Teil 1: Die punkt- und torlosen Ukrainer

Team UkraineDass auch eine UdSSR-Mannschaft dieser Tage weitgehend wertlos wäre, liegt auch daran, dass es dem ungeliebten Nachbarn der Russen aus der Ukraine kaum besser geht. Der Gastgeber von vor vier Jahren krachte ebenso wie damals in der Vorrunde raus, diesmal allerdings ohne einen Sieg (da gab’s 2012 immerhin ein 2:1 gegen Schweden) und sogar ohne ein einziges Tor erzielt zu haben.

Bei den Ukrainern stimmt zwar die Altersstruktur – drei Routiniers, eine Handvoll Jungspunde und viel zwischen 25 und 30 – aber dafür fehlt es an der Klasse. Die Konzentration auf die beiden Flügelstars Jarmolenko und Konoplyanka machte das Team sehr ausrechenbar, was vor allem die Nordiren und die Polen weidlich nützten: Sie überließen den Gelben einfach den Ball und sie konnten sich darauf verlassen, dass ihnen nichts damit einfällt, was nicht das Flügel-Duo involvierte. Das zu verteidigen ist keine Kunst.

Eine gute Viertelstunde gegen Deutschland gab es und man kontrollierte eine Halbzeit lang etwas unsortierte Polen, aber sonst war nichts los. Teamchef Fomenko nahm wie sein russischer Amtskollege Slutski den Hut, aber auch sein Nachfolger wird es schwierig haben. Zwar gibt es mit Sinchenko und Kovalenko hoffnungsvolle, wirklich junge Offensiv-Kräfte, aber in der Breite fehlt es an der Qualität – weil bei den beiden Spitzenklubs Dynamo Kiew und Shachtar Donetsk die Legionäre den sportlichen Ton angeben.

Ein Wort noch zu der Spielerei einer UdSSR-Mannschaft: Bis auf den Armenier Henrikh Mkhitayan käme auch aus den anderen altsowjetischen Republiken kein Spieler, der eine echte Aufwertung brächte. Eine Fußball-Krise ist also kein singuläres Thema, sondern ein generelles in diesem Kulturkreis. Es gibt keine fünf Spieler von internationaler Klasse aus dem Bereich der früheren Sowjetunion.

Zwei reichen nicht, Teil 2: Die knapp gescheiterten Türken

Team TürkeiEin ähnliches Phänomen wie bei der Ukraine zeigt sich bei den Türken: Wie die Ukrainer verfügen auch sie nur über zwei international höherklassige Spieler, der Rest des Teams besteht aus Spielern aus der eh okayen, aber in der Breite nur mittelmäßigen nationalen Ligen. Das reicht, um sich knapp aber doch zu qualifizieren (sowohl die Türkei als auch die Ukraine waren in der Quali Gruppendritte), aber nicht, um dort auch eine wirkliche Rolle zu spielen.

Schon im ersten Spiel gegen Kroatien wurde die limitierte Klasse des Teams offenbart (aber nicht wirklich bestraft), gegen die Tschechen gewann man auch eher nur, weil man besser aufeinander abgestimmt war als der Gegner, nicht, weil man wirklich besser gewesen wäre. Auch die für Terim ja üblichen Umstellungen halfen nicht immer: Gegen Kroatien wurde ohne Wirkung zweimal das System gewechselt, das 4-2-3-1 beim Sieg gegen die Tschechen allerdings tat dem Team merklich gut.

it dem Dänen Emre Mor, den man sich rechtzeitig vor der EM für das türkische Team gesichert hatte, gibt es ein absolutes Kronjuwel, das bei seinen Einsätzen schon die Gefährlichkeit angedeutet hat und bei Borussia Dortmund perfekt weiter geschult wird. Dafür deutet sich an anderer Stelle, nämlich in der Abwehr, in näher kommender Zukunft eine personelle Umstellung an. Womöglich findet man ja auch wieder außerhalb der Türkei neue Kräfte: Neben dem Dänen Mor und dem Holländer Oguzhan waren mit Balta, Calhanoglu und Stürmer Cenk Tosun auch drei Deutsche im Einsatz.

Unausgegoren und widersprüchlich: Die seltsamen Tschechen

Team TschechienAuch so eine Truppe, die wie die Russen tendenziell überaltert ist und über keine außergewöhnlichen Spieler verfügt, ist die aus Tschechien. Das sang- und klanglose Vorrunden-Aus ist aber aus mehreren Gründen etwas seltsam. Nicht nur, weil die Tschechen die Quali-Gruppe mit Island, der Türkei und Holland siegreich beendet hatten.

Einerseits spielte man die vermutlich disziplinierteste Leistung aller 24 Teams in der Vorrunde im Match gegen Spanien, wo der Abwehrverbund 90 Minuten lang praktisch überhaupt nichts zugelassen hat. Andererseits war es mit der Kompaktheit und dem gegenseitigen Aushelfen in der Raumaufteilung völlig vorbei, als man selbst etwas mehr tat und das Mittelfeld-Zentrum (vor allem im letzten Spiel gegen die Türken) eine an sich spannende und im Idealfall auch sicherlich wirksame Fluidität an den Tag legte. So einig man in der Defensive agierte, so sehr spielten die Tschechen nach vorne jeder für sich aneinander vorbei.

Was erstaunlich ist, denn Sparta Prag (wo die Flügelspieler Dockal und Krejci sowie Joker Sural unter Vertrag stehen) kam gerade wegen der taktischen Flexibilität ins Viertelfinale der Europa League. Außerdem fehlte es dem Team gerade an der Routine nicht. Rosicky ist 35, Plasil 34, die Abwehr-Leute Limbersky, Hubnik und Sivok 32, Sturm-Joker Lafata 34. Mittelfristig wird von der aktuellen Mannschaft nicht viel übrig bleiben.

Trainer Pavel Vrba hat nach seinen Erfolgen mit Viktoria Pilsen und der starken Qualifikation noch Kredit, der passive Auftritt gegen die Kroaten und der planlose gegen die Türken hat aber daran gekratzt.

Eh okay, aber halt harmlos: Die biederen Rumänen

Team RumänienNicht großartig, aber auch nicht dramatisch schlecht war der EM-Auftritt der Rumänen. Dass es dem Team eklatant an jeglicher Klasse in der Offensive fehlt, war vorher schon allen klar, dafür schlug man sich allerdings recht wacker. Man traute sich im Eröffnungsspiel, die Rumänen anzugehen und richtig zu ärgern und ließ gegen die optisch überlegenen Schweizer nicht so arg viel zu.

Die auf dem Papier recht mittelmäßige Verteidigung mit einem Serie-A-Reservisten, einem Endzwanziger aus Katar, einem ehemaligen Porto-Legionär auf Heimat-Karriere-Auskling-Tour und einem altersschwachen spanischen Absteiger machte wie schon in der Qualifikation (nur zwei Gegentore, allerdings in einer recht schwachen Gruppe) eine äußerst solide Figur.

Was letztlich zum Aus führte, war die fehlende Klasse im Vorwärtsgang. Mit einem Punkt und -1 Toren aus den beiden Spielen gegen Frankreich und die Schweiz war die Ausgangslage vor dem abschließenden Albanien-Spiel sehr akzeptabel; aber der bombensicheren und aufopferungsvoll kämpfendenDefensiv-Darbietung der Albaner stand Rumänien ziemlich ratlos gegenüber. Dem fälschlicherweise wegen angeblichen Abseits aberkannten vermeintlichen Ausgleich zum Trotz: Das war zu wenig.

So ist man zwar Gruppenletzter, hat sich aber im Rahmen der ziemlich begrenzten Möglichkeiten relativ ordentlich präsentiert. Das ist aber auch das Optimum, das der aktuellen Spielergeneration möglich ist – wie bei den Tschechen stehen auch bei den Rumänen zahlreiche Spieler recht unmittelbar vor dem internationalen Karriereende.

Quälender Zeitlupen-Fußball: Die alterschwachen Schweden

Team SchwedenDas internationale Karriereende hat mit dem schwedischen Aus in der Vorrunde nun auch Zlatan Ibrahimovic vor sich. Und nicht nur er: Neben dem bei Fast-Absteiger Sunderland zum Bankangestellten degradierten Seb Larsson und dem bei diesem Turnier einmal mehr völlig abgetauchten Markus Berg wird auch Zlatans Intimfeind Kim Källström, mit dem sich Zlatan abseits des Platzes nie vertragen hatte, unter dem neuen Teamchef Janne Andersson mit höchster Wahrscheinlichkeit keine Chance mehr haben.

Gerade Källström war das Sinnbild für den Zeitlupen-Fußball, den das Trekronor-Team in Frankreich zeigt. Fehlende Kreativität, wie sie den Schweden seit vielen Jahren eigen ist, ist das eine. Aber wie sehr vor allem Källström in der Mitte praktisch immer jegliches Tempo auch aus potenziellen Gegenstößen genommen hat, war schon erstaunlich. Würde man sagen, er spielt wie einer, der sich aufs Altenteil in die Schweizer Liga zurückgezogen hat, wäre das eine Beleidigung für die Schweizer Liga.

Von den Jungen, die letztes Jahr U-21-Europameister wurden, durfte nur Abwehrspieler Victor Lindelöf als Stammkraft ran, John Guidetti war Joker, Oscar Lewicki nur einmal im Einsatz. Oscar Hiljemark (auf der Källström-Position daheim) sah sich alle drei Spiele von der Bank an, Linksverteidiger Ludwig Augustinussen ebenso. Der vermutlich talentiertste der Europameister, der potenziell großartige Alleskönner Simon Tibbling, war nicht einmal im Kader.

Nach dem Ende der Generation mit Ljungberg, Mellberg und Henrik Larsson vor acht Jahren steht nun der nächste Generationswechsel an – ähnlich wie bei Rumänien, bei den Tschechen und bei den Russen. Dass mit dem Abgang diverser Spieler und Förbundskapten Erik Hamrén auch die quälende Ideenlosigkeit seiner sechsjährigen Amtszeit vorbei ist, ist nicht ganz unwahrscheinlich.

Hinter den Erwartungen: Die verunsicherten Österreicher

ÖsterreichEine ausführliche Evaluierung, aber keine Palastrevolution – weder im Kader, noch auf der Trainerbank – steht nach dem enttäuschenden Auftritt von Österreich bei diesem Turnier an. Nach einer glanzvollen Qualifikation (28 von 30 möglichen Punkten) galt das Erreichen des Achtelfinals als absolutes Minimalziel, zumal man eine nicht gerade problematische Gruppe erwischt hatte.

Viele verschiedene Umstände führten dann aber dazu, dass praktisch nichts so klappte wie erwünscht. Coaching-Fehler, die Verletzung von Junuzovic und der Ausschluss von Dragovic führten zu einem 0:2 gegen Ungarn, die nach einer harzigen Vorbereitung angeknackste Psyche krachte nun in sich zusammen. Mit einer ungewohnten Defensiv-Taktik und einigem Glück trotze man den Portugiesen ein 0:0 ab, erst in der zweiten Hälfte des letzten Spiels gegen Island konnte man erstmals erahnen, wie dieses Team eine so starke Qualifikation gespielt hatte.

Hohe Erwartungshaltung (sowohl öffentlich als auch an sich selbst) traf auf gut eingestellte Gegner, Formschwächen von Schlüsselspielern (Alaba, Harnik), verletzte oder gerade genesene Spieler (Junuzovic, Dragovic, Janko). Der Teamchef traute sich, auf diese Umstände zu reagieren und experimentierte mit Spielanlage und System. Das ging auch nur teilweise auf.

Bis auf Keeper Almer und Wechselspieler Schöpf geht kein Österreicher als Gewinner aus dem Turnier raus, aber mehr als ein oder zwei Stammkräfte werden aus dem Team, das sich derzeit im besten Alter befindet, erstmal nicht rausfallen. Man wird personell nur punktuell verändert in die WM-Quali gehen.

Sich ordentlich verkauft: Die Albaner aus aller Herren Länder

Team AlbanienDas einzige in der Vorrunde ausgeschiedene Team, das mit einem zufriedenen Gefühl nach Hause fahren darf, ist jenes aus Albanien – wiewohl auch hier mehr möglich gewesen wäre. Ein wenig cooler gegen die in Überzahl implodierenden Schweizer, noch drei Minuten länger stand gehalten gegen die Franzosen, und die Albaner wären alles andere als unverdient in der nächsten Runde gestanden.

Natürlich war wie bei vielen Teams die Grundausrichtung eher defensiv, aber nicht so unterkühlt wie bei Island, nicht so planlos wie bei den Ukrainern. Man erwischte die richtige Balance aus taktischer Disziplin und feuriger Leidenschaft. Für viel mehr als einen vierdienten Sieg und zwei unglückliche Niederlagen reicht halt die individuelle Klasse halt nicht aus.

Außerdem haben das Team und dem vernehmen nach auch die Fans alles dafür getan, das aus der Qualifikation etwas ramponierte Image (Stichwort Fight Night von Belgrad) aufzupolieren. Das Team kämpfte hart, aber nie unfair (Canas Ausschluss war patschert, aber mehr nicht), ließ in keinem Spiel nach, wirkte geschlossen und kameradschaftlich; die Anhänger brachten bedingungslose und lautstarke Unterstützung, aber machten keine Troubles. So sind die Albaner auf jeden Fall ein gern gesehener Gast bei Turnieren (wiewohl es in der WM-Quali-Gruppe gegen Italien und Spanien, nun ja, eher schwierig wird).

Albanien und die nationale Jugendarbeit kann übrigens so gut wie nichts für den Aufschwung: Fast der halbe Kader (Abrashi, Ajeti, Aliji, Basha, Gashi, Kukeli, Lenjani, Veseli und Xhaka) ist in der Schweiz geboren und/oder aufgewachsen, Mavraj ist Deutscher, Memushaj Italiener, Kace Grieche. Kapitän Cana (der seine Teamkarriere beendet) und Goalie Berisha sind Kosovaren und wären ab sofort auch für die Kosovo-Auswahl spielberechtigt.

Fazit: Viel Biederheit ohne Idee nach vorne

Wer hat das Turnier also verlassen? Überwiegend biedere Truppen ohne echte Idee nach vorne (Russland, Ukraine, Rumänien, Tschechien, Schweden), Teams die von einigen wenigen Individualisten leben (Ukraine, Türkei), eine höher gehandelte Truppe, bei der viel zusammen gekommen ist (Österreich) und eine Mannschaft, die in jedem Bereich alles gegeben hat und nicht eigentlich nichts vorwerfen muss (Albanien).

Auf ins Achtelfinale also.

turnier

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Perfekten Plan früh verlassen, doch Österreich siegt in Russland https://ballverliebt.eu/2015/06/14/perfekten-plan-frueh-oesterreich-siegt-in-russland/ https://ballverliebt.eu/2015/06/14/perfekten-plan-frueh-oesterreich-siegt-in-russland/#comments Sun, 14 Jun 2015 19:39:28 +0000 http://ballverliebt.eu/?p=11158 Perfekten Plan früh verlassen, doch Österreich siegt in Russland weiterlesen ]]> Österreich fährt zur EM nach Frankreich! Daran gibt es nach dem 1:0-Sieg in Russland keine Zweifel mehr. Das ÖFB-Team degradierte die Sbornaja in der ersten Hälfte zu Schulbuben und musste nur deswegen noch ein wenig Zittern, weil das so großartige Spiel nach der Pause fahrlässig früh zurückgefahren wurde.

Russland - Österreich 0:1 (0:1)
Russland – Österreich 0:1 (0:1)

Auffällig war schnell, dass Junuzovic oft sogar höher stand als Janko. Logische Erklärung: Die langsamen und etwas hüftsteifen russischen Innenverteidiger sollten angelaufen werden. Das funktionierte sehr gut, genau wie das Unter-Druck-Setzen der Außenverteidiger. Vor allem Dmitri Kombarov auf der linken Seite wurde das Leben von Harnik, Junuzovic und Klein zur Hölle gemacht.

Österreich macht Russland flügellahm

Die Folge des sofort ausgeübten Drucks auf die Sbornaja war, dass Österreich das Spiel praktisch mit Anpfiff voll im Griff hatte und Russland kaum drei Pässe hintereinander an den Mann brachte. Der Zahn war schnell gezogen – schon nach 10, 15 Minuten brauchte es deutlich weniger Anlauf-Aufwand, um bei den Russen Sicherheitspässe entweder von außen auf innen oder von innen auf den Torhüter zu provozieren.

Außerdem stellte Österreich – vor allem auf der eigenen rechten Seite – exzellent Überzahl in Ballnähe her. So traute sich Kombarov schon sehr früh nur noch 15-Meter-Pässe auf seinen Vordermann Juri Shirkov zu, der damit seine größte Stärke, nämlich sein Tempo, nie ausspielen konnte. Wenn Shirkov den Ball haben wollte, musste er mit dem Rücken zum österreichischen Tor die Anspiele von Kombarov erwarten. Ehe er die Kugel annehmen und sich umdrehen konnte, standen oft schon zwei, drei Österreicher um ihn herum. Dass das hochverdiente 1:0 durch Janko über diese Seite eingeleitet wurde: Kein Zufall.

Auf der anderen Seite reichte Arnautovic oft schon die pure Anwesenheit, um Smolnikov in Angst und Schrecken zu versetzen, im Zweifel halfen gerne auch Baumgartlinger oder Fuchs mit, Shatov von der Zufuhr abzuschneiden. Dem russischen Spiel waren die Flügel komplett genommen.

Russland nimmt sich selbst das Zentrum

Die Viererkette und der oft abkippende Sechser Glushakov waren dermaßen verstört, dass auch die Versorgung durch das Zentrum keine echte Option war. Es half der Sbornaja natürlich außerdem nicht direkt weiter, dass sich Achter Ivanov gegen den aggressiven Ilsanker überhaupt nicht zurecht fand, und dass Zehner Roman Shirokov sich sehr hoch bewegte und am umsichtigen Baumgartlinger vorbei kaum anspielbar war.

Wie überhaupt sich die Mittelfeld-Zentrale als besonders vernachlässigter Raum bei den Russen präsentierte. Ein Umschalten von Offensive auf Defensive gab es vor allem von Shirokov, aber auch oft von Ivanov schlicht nicht, sodass sich gerade hier wunderbare Räume für die Österreicher ergaben, wenn Russland doch einmal tiefer in der gegnerischen Hälfte war.

Das ÖFB-Team erkannte die russischen Schwächen – fraglos ein Verdienst von Koller und Janeschitz – und verstärkte sie geschickt. Der einzige Vorwurf, den sich Österreich gefallen lassen muss: Aus der haushohen inhaltlichen Überlegenheit nicht mehr Kapital geschlagen zu haben als „nur“ ein Tor.

Österreich lässt nach der Pause locker

Erstaunlich ist nach der überlegen geführten ersten Hälfte, dass Österreich das so erfolgreiche Spiel nicht weiter verfolgte. Man ließ deutlich locker, lief die russische Verteidigung nur noch halbherzig oder gleich gar nicht mehr an. Und man reagierte nicht darauf, dass Capello den sich nach Kräften versteckenden Ivanov durch den deutlich aktiver am Spiel teilnehmenden Miranchuk ersetzte.

So gelang es Russland, besser ins Spiel zu finden und sich weiter in Richtung österreichisches Tor zu orientieren. Nicht, dass es eine Fülle an gefährlichen Torchancen gegeben hätte – da machten Dragovic und Hinteregger gut zu – aber man merkte dem Gastgeber deutlich an, dass der die Chance, Luft zum Atmen zu bekommen, dankend annahm.

War es in der ersten Hälfte oft noch so, dass angekommene Pässe eher Zufallsprodukte waren, gewann Russland nun an Sicherheit. Es passierte aber immer noch viel über Einzelaktionen und Zufallsprodukte: Russland zeigte in dieser Phase, dass man durchaus über ganz gute Spieler verfügt, aber nicht über ein funktionierendes Team.

Capellos letzter Trumpf sticht nicht

Zwanzig Minuten vor Schluss rotierte Fabio Capello mit seinem letzten Wechsel, um noch mehr Druck zu erzeugen: Für Linksverteidiger Kombarov kam Zentrumsstürmer Kershakov, dafür ging Kokorin auf die linke Mittelfeldseite und Shirkov zurück auf die LV-Position. Damit sollte Shirkov, von noch weiter hinten kommend, mehr Tempo aufnehmen können, Kokorin (und Shatov auf der anderen Seite) rückten ein. So entstand ein 4-3-3 bei den Russen.

Doch anstatt immer mehr Druck aufzubauen und massiv auf den Ausgleich zu drängen, erschlaffte das Spiel zusehens wieder, womit man sich auf den gleichen Präsizions-Level hinunter begab wie die Österreicher. Man hatte den Eindruck, dass die Köpfe der Russen leer waren, und damit auch ihr Glaube schwand.

Fazit: Taktische Vorbereitung war perfekt

Ja, es war für viele eine körperlich wie mental schwierige Saison, und mit den Kräften ist es Mitte Juni so eine Sache. Aber wie sehr Österreich nach dem Seitenwechsel jegliche Bemühung eingestellt hat, das so exzellente und konsequente Spiel der ersten Hälfte fortzusetzen, war in seiner ganzen Fahrlässigkeit schon sehr erstaunlich. Man hatte das Team aus Russland zur völligen inhaltlichen Implosion getrieben, und anstatt so lange weiterzumachen, bis man das 2:0 erzielt hatte, weckte man einen toten Gegner auf.

Was aber auch in Erinnerung bleibt, ist eben diese unglaubliche erste Hälfte. Man war um minimum zwei Klassen stärker als ein russisches Team, das ums Überleben kämpft und drei Jahre vor der Heim-WM nun endgültig vor den Trümmern einer planlosen sportlichen Aufbauarbeit steht.

Das Österreich zur EM fährt, steht spätestens mit diesem Sieg außer Frage, und dass man sich das Ticket für Frankreich aber sowas von verdient hat, ebenso. Vor allem die taktische Vorbereitung auf dieses Spiel war auf den Punkt. Wenn man zurückblickt, wie nicht vorhanden jeglicher Plan noch vor vier Jahren war, ist das einfach nur extrem erfreulich.

gruppe g

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Capello mit dem Rezept, aber Österreich mit dem Sieg – 1:0! https://ballverliebt.eu/2014/11/15/oesterreich_siegt_trotz_capellos_gutem_rezept/ https://ballverliebt.eu/2014/11/15/oesterreich_siegt_trotz_capellos_gutem_rezept/#comments Sat, 15 Nov 2014 22:33:30 +0000 http://ballverliebt.eu/?p=10668 Capello mit dem Rezept, aber Österreich mit dem Sieg – 1:0! weiterlesen ]]> Der Sieg an sich war schon etwas glücklich. Dass das goldene 1:0 durch Okotie aus Abseitsposition fiel, kommt noch dazu. Dennoch: Österreich steht nach dem Erfolg über Russland, eingefahren ohne Alaba und ohne Baumgartlinger, blendend da. Obwohl Fabio Capello eigentlich ein gutes Rezept gegen das ÖFB-Team gefunden hatte.

Österreich - Russland 1:0 (0:0)
Österreich – Russland 1:0 (0:0)

Leitgeb statt Alaba, Ilsanker statt Baumgartlinger: Dass statt des langfristig verletzten Bayern-Stars und des kurzfristig lädierten Mainzers die Salzburger Zentrale zum Einsatz kommen würde, war beinahe logisch. Schließlich startete Österreich so, wie man das lange auch von Salzburg kannte: Mit Druck im Mittelfeld, mit Pressing und Gegenpressing, mit dem kompromisslosen Fight um zweite Bälle.

Russland zunächst beeindruckt…

Von der Agilität, mit der das Offensiv-Quartett Österreichs mit der Unterstützung von Christoph Leitgeb in der Startphase spielte, war die routinierte, aber doch etwas hüftsteife russische Defensive durchaus beeindruckt. Vor allem Sechser Glushakov produzierte viele zuweilen billige Fehlpässe im Aufbau, nach denen Österreich sehr flink umschaltete. Schnell hatte sich Glushakov zudem die gelbe Karte abgeholt.

Echte Torgefahr konnte Österreich so zwar nicht erzeugen, aber man nahm den Russen komplett den eigenen Spielaufbau. In den ersten 15 Minuten kam die Sbornaja nur ein einziges Mal kontrolliert vor den österreichischen Strafraum, dazu gab’s einen Konter über Tcherishev. Der eher verzweifelte Weitschuss, mit dem Kokorin den Pfosten traf (15.) und die übertriebene Hast, mit der Tcherishev kurz danach abschloss und weit daneben schoss (18.) waren sichtbarer Beweis davon, dass Österreich den Russen vermittelt hatte, keine Zeit am Ball zu haben.

…erarbeitet sich dann aber Kontrolle

Kam Russland aber doch einmal halbwegs kontrolliert in die österreichische Hälfte, was vor allem ab etwa der 20. Minute öfter der Fall war, fiel vor allem ein extremes horizontales Verschieben der Vierer-Offensivreihe auf. Faisullin und Shirokov besetzten nicht selten gemeinsam das ballnahe Halbfeld, während der jeweilige Außenspieler – aufgrund des Linksdralls des russischen Teams zumeist RM Shatov – in der Spielfeld-Mitte agierte.

So konnte Russland das Zentrum überladen, womit die Sbornaja immer mehr die Kontrolle über diesen Bereich und damit auch über das Spiel übernahm. Zusätzlich verstärkt wurde dieser Effekt durch zwei Faktoren: Zum einen agierte Ilsanker recht tief hinter Leitgeb (was er ja von Salzburg gewöhnt ist). Russland konnte so die durch die vertikale Staffelung etwas fehlende österreichische Kompaktheit nützen.

Und zum anderen ließ bei Österreich der Druck und das Anlaufen der Gegner immer mehr aus.

Aufbau in die Zentrale gelockt

Dennoch blieb Russland von der Grundeinstellung her eher vorsichtig und staffelte sich bei österreichischem Ballbesitz eher tief. Die beiden Achter Shirokov und Faisullin stellten sich nicht zwischen die österreichische Innenverteidigung und Ilsanker/Leitgeb, sondern zwischen Ilsanker/Leitgeb und dem eigenen Tor. Man verzichtete also darauf die österreichische Eröffnung von hinten heraus anzupressen (Stürmer Kokorin alleine hätte da wenig machen können).

Dafür versuchte man, den österreichischen Aufbau durch das Zentrum zu locken – logisch, weil dort ohne Alaba der kreative Chef fehlte (dass Baumgartlinger beim Aufwärmen auch w.o. geben musste, hatte Capello bei der Erstellung seiner Taktik ja noch nicht wissen können). Auf den Außenbahnen jedoch lauerte mit Arnautovic und Harnik sehr wohl Gefahr. Weshalb Shatov und Tcherishev auch ganz offensichtlich die Order hatten, auf diese beiden aufzupassen.

Leichte Adaptierung von Koller

Teamchef Koller nahm in der Pause einige Adaptionen vor, wie etwa, dass der ballentfernte Außenspieler ins Zentrum rückt. Das funktionierte etwa bei Harniks Lauf über die linke Seite und seine Rückgabe auf Arnautovic kurz nach Wiederbeginn auch schon ganz gut. Keine Frage: Diese Maßnahme war eine Reaktion auf das konsequente ballorientierte Verschieben der Russen, mit dem sie ja das Zentrum kontrollierten.

Was den Russen aber weiterhin nicht nach Wunsch gelang, war das Erzeugen eigener Torgefahr. Weil Hinteregger immer wieder antizipierte und intelligent aus der Kette rückte, wenn es notwendig war, kam Russland bei aller Kontrolle nicht über das Zentrum in den Strafraum, dazu war Tcherishev links ein Totalausfall und der hochtalentierte Shatov auf rechts kam gegen Fuchs nicht zum Zug. Daher änderte Capello nach einer Stunde erst einmal seine Flügelbesetzung.

Okotie statt Janko

Statt des enttäuschenden Tcherishev kam Jonov, der nun die rechte Angriffsseite besetzte; Shatov wechselte dafür nach links. An der Charakteristik des Spiels änderte sich aber wenig – umkämpftes Mittelfeld, wenig Torgefahr auf beiden Seiten. Für merkliche Bewegung sorgte aber die Einwechslung von Okotie statt Janko nach einer Stunde.

Der 1860-Stürmer ist zwar nicht so bullig wie Janko, aber beweglicher, was gegen die alten und langsamen russischen Innenverteidiger nicht schlecht war. Vor allem, wenn es Österreich gelang, für Gewusel im Strafraum zu sorgen, wie beim Beinahe-Tor nach 70 Minuten. Aus dem Spiel heraus war Österreich aber an sich ebenso ungefährlich wie aus Standard-Situationen.

So war es ein langer Abschlag von Almer, der das 1:0 einleitete. Von Junuzovic‘ Kopf geschickt auf Harnik weitergeleitet flankte der Stuttgart-Legionär auf Okotie, der Ignashevitch entwischt war und zum 1:0 verwertete. Es war zwar Abseits, aber Referee-Assistent Stephen Child hatte es übersehen.

Er brachte Sturmspitze Dzyuba für den enttäuschenden Tcherishev und stellte auf ein 4-4-1-1 um, mit Dzyuba vorne und Kokorin etwas hinter ihm.

Capello ändert das System

Ab 75. Minute
Ab 75. Minute

Die direkte Reaktion von Russlands Temachef Fabio Capello war, sein System umzustellen. Statt Achter Faizullin kam nun Stoßstürmer Dzyuba und damit hatte die Sbornaja nun ein 4-4-1-1 auf dem Feld.

Damit verzichtete er auf die Kontrolle im Zentrum und wollte dafür mehr Anspielstationen in der Spitze haben – der flinke Kokorin mit etwas mehr Aktionsradius, der bullige Dzyuba als Anspielpunkt im Strafraum. Wenig später kam dann auch Alan Dzagoyev, ewiges Talent von ZSKA Moskau, für den hoch veranlagten Shatov von Zenit St. Petersburg.

Die Folge von Capellos Umstellung im System war auch eine Umstellung im Stil: In der Schlussphase war die Brechstange gefragt. Dabei bewahrte die österreichische Abwehr aber etwas mehr Sicherheit als gegen Montenegro und deutlich mehr Sicherheit als in Moldawien.

Der zweite 1:0-Heimsieg war die Folge.

Fazit: Russland passte sich Österreich an

Ohne die Einser-Besetzung in der Mittelfeld-Zentrale mit Alaba und Baumgartlinger fehlt dem österreichischen Team ziemlich offensichtlich die ordnende Hand und die Übersicht in der Spielfeld Mitte. Logisch – Alaba ist Weltklasse, Leitgeb und Ilsanker „nur“ gutes Europa-League-Niveau. Aber: Glückliches Österreich, wenn man ein gutes Europa-League-Duo als Back-up hat.

Denn es wird immer mehr deutlich, dass sich das ÖFB-Team immer breiter aufstellt, wenn es darum geht, ein Spiel zusammenzuhalten und zu kontrollieren. Es war eine recht ordentliche Leistung, aber keine überragende und der Sieg ist dann doch eher glücklich und ein Remis hätte den gezeigten Leistungen fraglos eher entsprochen. Aber man behält mittlerweile die Nerven und kann auch wackelige Spiele gegen gute Gegner über die Zeit bringen.

Vor allem aber zeugt es von dem internationalen Respekt, den Österreich in den drei Jahren unter Koller gewonnen hat, dass sich ganz deutlich Capello dem ÖFB-Team angepasst hat und nicht so sehr Koller den Russen. Österreichs Anlage war, wie Österreichs fast immer ist – berechenbares 4-2-3-1 mit Pressing in der Anfangsphase und Vorstößen über die Außen. Capello aber ließ Österreich im Aufbau über das Zentrum locken, in dem Alaba fehlte.

Russland muss sich ärgern, nicht zumindest ein 0:0 aus Wien mitgekommen zu haben, und ein solches wäre absolut verdient gewesen. Österreich hingegen hat nach vier Spielen schon drei Siege auf dem Konto – keine andere Mannschaft der Gruppe hat mehr als einen. In den nun allesamt absolvierten Heimspielen gegen die drei Gegner um die EM-Tickets gab es sieben Punkte. Das ist großartig.

Das letzte Mal, dass Österreich mit 10 Punkten aus vier Spielen startete, ist 14 Jahre her. Zwei der Spiele damals gab’s allerdings gegen Liechtenstein, am Ende wurde man Gruppenzweiter. Das würde diesmal reichen.

gruppe g

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Europas zweite Reihe bei der WM: Von „recht gut“ bis „Katastrophe“ – und mit Luft nach oben https://ballverliebt.eu/2014/07/15/europas-zweite-reihe-von-recht-gut-bis-katastrophe-und-mit-luft-nach-oben/ https://ballverliebt.eu/2014/07/15/europas-zweite-reihe-von-recht-gut-bis-katastrophe-und-mit-luft-nach-oben/#comments Tue, 15 Jul 2014 20:09:52 +0000 http://ballverliebt.eu/?p=10393 Europas zweite Reihe bei der WM: Von „recht gut“ bis „Katastrophe“ – und mit Luft nach oben weiterlesen ]]> Sie sind die Länder mit den nicht ganz so großen Ligen im Rücken, die Nationalmannschaften, die sich zumeist eher aus Legionären rekrutieren – sie sind Europas zweite Reihe. Die sich mit sehr unterschiedlicher Fortune in Brasilien präsentiert haben. Mit dem Erreichten können manche von ihnen, vor allem Belgien und die Schweiz, durchaus zufrieden sein. Aber was sie alle gemeinsam haben: Sie haben nicht in allen Bereichen ihr Optimum ausgeschöpft.

Belgien: Enttäuschend zum nicht enttäuschenden Ergebnis

Das mit den Belgiern ist so eine Sache. Sie galten als Geheimtipp und sie wurden dann auch Gruppensieger und schieden erst im Viertelfinale knapp gegen Argentinien aus. Eigentlich eine Super-WM für ein Team, das 12 Jahre bei keinem Turnier mehr dabei war. Aber dennoch hatte das Spiel der Roten Teufel, bei allem Talent, immer so ein wenig die Aura von Dienst-nach-Vorschrift, von Uninspiriert- und Biederkeit.

Belgien
Belgien: Das talentierte Team hatte viel Kontrolle in seinen Spielen, aber wenig echten Zug zum Tor.

Marc Wilmots hat eine kompakte Mannschaft geformt, mit einer bärenstarken Abwehr, aber man bekam das eigene Spiel nach vorne selten wirklich gefährlich aufgezogen – dazu fehlte auch so ein wenig das Tempo. Die Außenverteidiger sind umgeschulte Innenverteidiger, die zwar ihr möglichstes machten, aber kein Gegner musste ihre Flanken fürchten.

Auch Marouane Fellaini fehlte aus dem Zentrum heraus die Direktheit und der Zug zum Tor, Eden Hazard wirkte ein wenig überspielt, dazu konnte der als Stamm-Mittelstürmer ins Turnier gegangene Romelu Lukaku überhaupt nicht überzeugen und verlor seinen Platz bald an Neo-Liverpooler Divock Origi. Dries Mertens, der ebenso im Turnierverlauf ins Team rutschte, war noch der mit dem meisten Punch.

So hat Belgien mit dem Viertelfinal-Einzug nicht direkt enttäuscht, aber gemessen an den Erwartungen irgendwie doch zumindest unterwältigend agiert. Was für das Team spricht: Nur eine Stammkraft hat sicher das letzte große Turnier gespielt, bis auf Daniel van Buyten können alle noch mindestens eine WM spielen und auf den Erfahrungen aufbauen.

Schweiz: Zu konservativ für den großen Wurf

Auch noch recht jung ist das Team aus der Schweiz. Auch dieses hat mit dem Achtelfinal-Einzug ein ordentliches Resultat zu Buche stehen, auch dieses verlor wie danach Belgien knapp gegen Argentinien. Und wie die Belgier schafften es auch die Schweizer nicht so richtig, aus einer extrem talentierten Mannschaft auch einen wirklich attraktiven Fußball herauszuholen. Was auch an der konservativen Grundhaltung von Ottmar Hitzfeld liegen mag.

Schweiz
Schweiz: Ein Top-Kader und ein gutes Team, aber nicht so aufregend, wie es hätte sein können.

Denn eine außergewöhnliche Spielanlage oder gar Experimente gibt es bei dem 65-Jährigen nicht. Er verstand es, der Nati ein nicht besonders komplizierte, aber grundsätzlich funktionierende Spielweise einzuimpfen, mit einer klaren Ordenung. Zwei starke Außenverteidiger, ein kampfstarken Sechser, ein guter Passgeber auf der Acht. Nur vorne wollte es nicht so recht flutschen.

Shaqiri startete in den ersten beiden Spielen auf der rechten Seite, tauschte dann jeweils in der Halbzeit mit Granit Xhaka die Plätze, und jedesmal wurde es deutlich besser. Erst im dritten Spiel konnte sich Hitzfeld überwinden, Shaqiri von Beginn an auf die Zehn zu stellen – der Bayern-Spieler dankte es mit drei Toren gegen Honduras.

Auch in der Abwehr zögerte Hitzfeld lange, ehe er sich über die funktionierende Lösung drübertraute. Johan Djourou, der beim HSV eine Katastrophen-Saison gespielt hat, konnte sich der Nibelungentreue von Hitzfeld sicher sein – warum auch immer, schließlich war Djourou auch bei der WM ein ständiger Unsicherheitsfaktor. Nach der Verletzung von Nebenmann Steve von Bergen gab Hitzfeld aber immer noch nicht dem (von Experten schon vorm Turnier statt Djourou geforderten) Schär die Chance, sondern Senderos – und kassierte beim 2:5 gegen Frankreich die Rechnung.

Erst im dritten Spiel kam Schär, und mit ihm gab es in 210 Spielminuten nur noch ein Gegentor – das in der 118. Minute gegen Argentinien von Di María. Nun übernimmt Vladimir Petkovic für Hitzfeld, der sich nun endgültig in die Fußball-Pension verabschiedet. Der 50-Jährige, der zuletzt Lazio trainierte, übernimmt eine gutklassige Mannschaft, aus der man noch viel herausholen kann. Wenn man sich traut.

Griechenland: Wenig Glanz, aber wieder achtbar

Es ist so eine Sache mit den Griechen. Der praktisch flächendeckend als fußballhistorische Katastrophe aufgenommene EM-Titel von 2004 hängt ihnen noch immer nach. Dabei darf man aber nicht den Fehler machen, Negative Spielweise mit Pragmatismus zu verwechseln. Denn was Fernando Santos bei Hellas spielen lässt, ist nicht mehr der plumpe Destruktivismus der späten Rehhagel-Jahre, sondern einfach jene Spielweise, die am besten zu seiner Mannschaft passt.

Griechenland
Griechenland: Ein Team aus braven Arbeitern: Zusehen macht wenig Spaß, aber wieder einmal wurde die Gruppe überstanden – und das verdient.

Was aber nicht heißt, dass Griechenland immer nur verteidigt. Ganz im Gegenteil. Über weite Strecken des Spiels gegen die Ivorer waren sie die aktivere Mannschaft, was mit dem späten Siegtor und damit dem Achtelfinal-Einzug belohnt wurde. Gegen Costa Rica war man ebenso die fast über die ganzen 120 Minuten, jedenfalls aber in der letzten Stunde mit einem Mann mehr, zuweilen drückend überlegen. Und dass man in Unterzahl gegen Japan darauf schaut, das Spiel zumindest nicht zu verlieren, kann man dem Team schwer zum Vorwurf machen.

Im Grunde war Griechenland aber doch das, was Griechenland halt meistens ist: Eine nicht gerade prickelnde Mannschaft, die aus einer gesicherten Abwehr heraus vor allem dann seine Stärken hat, wenn man schnell und direkt umschalten und die Offensivkräfte die noch offenen Räume bearbeten können. Einen dezidiert kreativen Spieler im Mittelfeld gibt es nicht, es wird Fußball gearbeitet, nicht zelebriert.

Was das griechische Team unter Fernando Santos immerhin in zwei Versuchen zweimal in die K.o.-Phase einer EM bzw. einer WM gebracht hat. Und angesichts der Tatsache, dass der Kader nicht übertrieben alt ist und immer wieder Leute nachkommen – wie die U-19, die vor zwei Jahren Vize-Europameister war – muss damit auch noch nicht Schluss sein, nur weil Santos nach vier Jahren als Teamchef nicht mehr weitermacht.

Kroatien: Unter Wert geschlagen

Schon bitter. So furchtbar viel haben die Kroaten gar nicht falsch gemacht, und doch ging’s nach der Vorrunde nach Hause. Wegen eines erstaunlichen Paradoxons – obwohl man mit Modric und Rakitic zwei Gestalter im Mittelfeld-Zentrum stehen hatte und keinen Balleroberer, war es vor allem die fehlende Durchschlagskraft am Weg nach vorne, die das Aus bedeuteten. Und keine defensive Instabilität, wie man annehmen hätte können.

Team Kroatien
Kroatien: Zweieinhalb Spiele okay bis stark, aber dennoch hat es nicht fürs Achtelfinale gereicht.

Gegen Brasilien hätte man mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht verloren, wenn nicht der Referee einen Elfmeter gepfiffen hätte, den man nicht hätte pfeifen sollen. Gegen Kamerun nützte man die eklatanten Schwächen des Gegners konsequent aus. Nur gegen Mexiko wurde – vielleicht auch, weil Teamchef Kovac von seinem 4-4-1-1 abging und ein 4-3-3 versuchte, in dem sich das Team merklich nicht sonderlich wohl fühlte – es verpasst, die auf dem Papier bestehenden Stärken auszuspielen.

Weil vorne die hängende Spitze als Anspielstation fehlter – in den ersten beiden Spielen konnten weder Mateo Kovacic noch Sammir da wirklich überzeugen – war man dem mexikanischen Pressing ausgeliefert. Dennoch: Rakitic und Modric haben beide noch zumindest eine WM im Tank, mit Dejan Lovren sollte es auch bald wieder einen Innenverteidiger von Format geben, die meisten Spieler haben noch Steigerungspotenzial.

Wenn man Kovac die Zeit lässt, kann da bei der EM in zwei Jahren durchaus einiges herausschauen.

Bosnien: Zu viel Respekt gezeigt

Die große Stärke in der Qualifikation, die bei Bosnien schon lange überfällig war: Die herausragende Offensive mit dem brandgefährlichen Sturm-Duo Edin Dzeko und Vedad Ibisevic, mit Zvjedzan Misimovic dahinter an der Spitze der Mittelfeld-Raute. So fegte man über die Gegner hinweg – weshalb es schon sehr erstaunlich ist, dass Teamchef Safet Susic in der nicht gerade unüberwindbaren Gruppe mit dem Iran und Nigeria vom Erfolgs-Konzept abwich.

Bosnien
Bosnien: Beim Debüt zu wenig Mut gezeigt und auch etwas Pech gehabt. Da war mehr möglich.

Nicht nur, das er gegen Argentinien und Nigeria Ibisevic opferte und mit nur einer Spitze agierte, nein, auch sonst zeigte Bosnien vor allem im entscheidenden Spiel gegen Nigeria deutlich zu viel Respekt vor dem Anlass und deutlich zu wenig von dem Punch nach vorne, der Bosnien sonst auszeichnet. Die Herangehensweise war zu verhalten, zu langsam.

Natürlich war auch Pech dabei. Pech, dass ein korrekter Treffer gegen Nigeria nicht zählte, Pech, dass Dzeko in der Nachspielzeit den Pfosten traf, Pech, dass Messi eine leblose argentinische Mannschaft im Alleingang rettete, Pech, dass wegen der anderen Ergebnisse das Aus schon vor dem letzten Spiel feststand.

Aber das Vorrunden-Aus alleine am Pech festzumachen, würde zu kurz greifen. Der Abwehr fehlt es an internationalem Format, Misimovic ganz dramatisch am Tempo (noch ein weiterer Grund, warum es keine gute Idee war, ihm eine Anspielstation in der Spitze zu nehmen). Aber es gab auch einen Spieler, der positiv überraschte: Es ist kaum anzunehmen, dass der erst 21-jährige Sechser Muhamed Besic, der Messi an der ganz kurzen Leine hatte, noch lange bei Ferencváros in der sportlich völlig wertlosen ungarischen Liga spielt.

Vieles deutet darauf hin, dass dies eine einmalige, wenn man so will goldene Generation der Bosnier ist, die mit dem nahenden Karriere-Ende von Misimovic bald ihren ersten elementaren Baustein verliert. Wie lange man mit der Taktik auf hohem Niveau Erfolg haben wird, Flüchtlings-Kinder zu finden, die in anderen Ländern gut ausgebildet wurden, wird sich erst zeigen müssen. Die erste Teilnahme und den ersten Sieg bei einer WM kann Bosnien keiner mehr nehmen. Jedoch auch nicht die Gewissheit, dass mehr möglich gewesen wäre.

Russland: Bestenfalls biederer Durchschnitt

Furchteinflößend für die Gegner war das ja nicht von den Russen. Im Gegenteil. Die Auftritte der Sbornaja erinnerten mit einer erschreckenden Ähnlichkeit jener der Engländer vor vier Jahren. Was auch daran liegen mag, dass damals wie heute Fabio Capello der Trainer ist. Bei Österreichs Gruppengegner in der anstehenden EM-Quali stimmte über alle drei Spiele gesehen so gut wie nichts und so schaffte man es sogar in der vermutlich schwächsten Gruppe, auszuscheiden.

Russland
Russland: Weit von vergangener Form entfernt. Bieder, hölzern, harmlos und fehleranfällig.

Torhüter Akinfejev wirkte unsicher und machte teils haarsträubende Fehler. Die Innenverteidigung ist langsam und hüftsteif. Von den Außenverteidigern kommt zu wenig. Für die Position im linken Mittelfeld hatte Capello nur Notlösungen zu bieten. Kurz: Russland war von einer ungeheuerlichen Harmlosig- und Biederkeit.

Es war auch nie erkennbar, wofür diese Mannschaft eigentlich inhaltlich stehen möchte. Es gab kein echtes Pressing, keinen vernünftigen Aufbau, Alibi-Pässe im Mittelfeld. Lichtjahre von dem entfernt, was das russische Team 2008 unter Guus Hiddink zu einer der aufregendsten des Turniers gemacht hat.

Die russische Liga hat aber auch ein ähnliches Problem wie die englische, die Capello ja davor als Rekrutierungs-Becken zur Verfügung hatte, wenn auch nicht so extrem: Annährernd die Hälfte aller Spieler der russischen Liga, in der alle 23 Kader-Spieler unter Vertrag stehen, sind keine Russen – und viele besetzen bei den Klubs auch Schlüsselpositionen.

Anders gesagt: Wenn es bessere Spieler gegeben hätte, wären sie auch mit dabei gewesen. So aber konnte Capello nur Durchschnitt aufbieten, dazu sind nur zwei Stammspieler jünger als 27 Jahre. Sieht mittelfristig nicht so gut für Russland aus.

Portugal: Was schief gehen kann, ging schief

Es war ein ziemlicher Total-Kollaps, den die Portugiesen hingelegt haben – jene Portugiesen, die praktisch in der selben Besetzung vor zwei Jahren beinahe das EM-Finale erreicht hätten. Das ist aber nur in Einzelfällen wirklich Spielern anzulasten, gar beim Teamchef die Schuld zu suchen, wäre eigentlich völlig verkehrt.

Portugal
Portugal

Ob man Pepe im ersten Spiel wirklich ausschließen muss, sei mal dahingestellt, aber besonders intelligent war seine Aktion gegen Thomas Müller in keinem Fall. Nur: Fábio Coentrão schon im ersten Spiel verletzt zu verlieren, dazu mit Almeida (im ersten Spiel) und Postiga (im zweiten Spiel) mit Muskelblessuren nach jeweils 20 Minuten zu verlieren, was will man da machen.

Einen an sich verlässlicher Innenverteidiger, einen sehr guten Linksverteidiger und den Einser-Stürmer schon im ersten Spiel zu verlieren, das dann auch noch 0:4 in die Binsen ging, das verkraftet kein Team. So musste Veloso von der Sechs auf die Linksverteidiger-Position auswandern (wo er sich sichtlich unwohl fühlte), musste der international völlig unerfahrene William Carvalho auf der Schlüsselposition im defensiven Mittelfeld ran, musste der Dritte-Wahl-Stürmer Éder ganz vorne aushelfen. Und zum Drüberstreuen verletzte sich im letzten Spiel auch noch Torhüter Beto.

Derart verunsichert hätte man beinahe gegen die kampfstarken, aber individuell schwach besetzten US-Amerikaner verloren, da half dann auch der abschließende Sieg gegen Ghana nichts mehr. Und natürlich hätte Cristiano Ronaldo mehr zeigen können, aber wenn rund um ihn herum alles einstürzt, kann man das frühe Ausscheiden nicht dem Star von Real Madrid anlasten.

Es war ein Turnier nach dem Motto „Pech gehabt“. Abhaken, nach vorne schauen. Was soll’s.

Nächste Kontinental-Meisterschaft: Juni 2016 in Frankreich

Angesichts der Tatsache, dass sich neben dem Gastgeber noch 23 weitere Mannschaften für die aufgeblähte EM in zwei Jahren qualifizieren, ist anzunehmen, dass die komplette zweite Reihe aus Europa, die in Brasilien dabei war, auch dort dabei sein sollte. Einige davon werden auch sicher eine realistische Chance haben, dort gut auszusehen – vor allem Belgien, Kroatien und Portugal, aber auch die Schweizer.

Allen diesen Teams, den Mid-Majors aus dem alten Kontinent, ist beim Turnier in Brasilien aber eines gemeinsam: Bei allen herrschte Luft nach oben, niemand kann von sich sagen, das spielerische UND das resultatsmäßige Optimum herausgeholt zu haben. Die größten Sorgenkinder unter diesen Teams sind sicher die Russen (die mit Schweden, Österreich und Montenegro eine gemeine Quali-Gruppe haben) und die Bosnier, die wohl schon über dem Zenit sein dürfte (aber in der Gruppe mit Belgien, Israel und Wales kaum Probleme haben dürfte, sich zu qualifizieren).

Und klar ist auch: Viele Teams aus dieser zweiten Reihe sind nicht mehr auf Augenhöhe mit so manchem Vertreter der (vermeintlich) Großen, sondern hat diese schon überholt. Stellt sich nur die Frage, für wie lange.

(phe)

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Bilanz des Algarve-Cups: Der gigantische Schatten kam 15 Minuten vor Schluss https://ballverliebt.eu/2014/03/13/bilanz-des-algarve-cups-der-gigantische-schatten-kam-15-minuten-vor-schluss/ https://ballverliebt.eu/2014/03/13/bilanz-des-algarve-cups-der-gigantische-schatten-kam-15-minuten-vor-schluss/#respond Wed, 12 Mar 2014 23:02:46 +0000 http://ballverliebt.eu/?p=9986 Bilanz des Algarve-Cups: Der gigantische Schatten kam 15 Minuten vor Schluss weiterlesen ]]> Vier Spiele lang austesten, wie man den verletzungsbedingten Ausfall von Abwehr-Boss Carina Wenninger kompensiert. So war der Plan beim Algarve Cup. Hat funktioniert. Was nicht geplant war: Dass sich eine Viertelstunde vor Ende des letzten Spiels Laura Feiersinger schwer verletzt. Schien- und Wadenbein sind durch, die Saison für die Bayern-Legionärin vorbei. Bitter! Denn in den 345 Spiel-Minuten davor war eine kontinuierliche Steigerung erkennbar – ausgehend vom völligen Fehlstart in das Turnier.

2:3 gegen Portugal

2:3 (2:2) gegen Portugal
2:3 (2:2) gegen Portugal

„So viele individuelle Fehler…“, stöhnte Teamchef Thalhammer nach dem 2:3 zum Auftakt gegen Gastgeber Portugal. Bei dem er Heike Manhart, zuletzt als RV eingesetzt, neben Gini Kirchberger in die Zentrale zog, jene Position also, die sie auch im Klub bei Szombathely spielt. Statt ihr musste Jenny Pöltl, eigentlich immer auf links unterwegs, als Rechtsverteidigerin aushelfen. Das klappte alles zusammen überhaupt nicht. Die Abstimmung innerhalb der Kette war schlecht, Portugal konnte schnell 2:0 in Führung gehen. Bis zur Halbzeit hatte Österreich auf 2:2 ausgeglichen, aber sowohl Manhart (von Bell ersetzt) als auch Pöltl (von Tieber ersetzt) erlebten die zweite Halbzeit nicht mehr auf dem Platz. Auf das 3:2 von Portugal gab’s keine Antwort mehr.

Das Problem: Mit der wackeligen Defensive ließ sich auch der erhoffte und geplante Druck im Mittelfeld nicht ausüben. Quasi als „Folge-Fehler“: Wenn das Fundament nicht steht, kann man darauf nicht aufbauen. So gab’s gegen ein Team, das man in der letzten Quali zweimal geschlagen und das eigentlich von Österreich deutlich distanziert werden sollte, eine Niederlage. „Ein Selbstfaller“, konstatierte Thalhammer.

0:2 (0:0) gegen Nordkorea
0:2 (0:0) gegen Nordkorea

0:2 gegen Nordkorea

Für das Spiel gegen Nordkorea kehrte Manhart in die IV zurück, rechts von ihr startete aber Lisi Tieber. Im zweiten Spiel mit umformierter Abwehr war die Abstimmung schon deutlich besser, aber die schnellen Vertikal-Pässe nach Ballgewinnen, um die Sturmspitzen Burger und Makas einzusetzen, fielen Österreich sehr schwer. Grund dafür: Die sehr kompakte, flinke und disziplinierte Spielweise des im (von Nordkorea gewohnten) 4-4-1-1 spielenden Gegners – dieses Team kratzt nicht umsonst an den Top-10 in der Weltrangliste. „Dadurch haben wir keinen Zugriff auf den Raum zwischen den Linien bekommen“, nickte Thalhammer nach dem Spiel, in dem man aber selbst so solide agierte, dass man den Koreanerinnen wenig Chancen ermöglichte.

Erstaunlich bei Nordkorea waren indes vor allem die Wechsel von Teamchef Kim Kwang-Min: Er vollzog drei Spielertäusche, alle drei in der ersten Hälfte, wobei er eine nach 19 Minuten gekommene Spielerin in der 36. Minute wieder vom Feld nahm. „Er war wohl nicht ganz zufrieden, das ist aber schon etwas gar wild“, schüttelte Thalhammer den Kopf, „das sind andere Methoden als bei uns…“ In der zweiten Hälfte setzte sich dann doch die höhere Klasse durch, Nordkorea erzielte zwei Tore, Österreich kam nicht wieder ins Spiel zurück. Aber immerhin: Die Leistung war deutlich sicherer als gegen Portugal zwei Tage zuvor.

3:2 gegen Russland

3:2 (2:1) gegen Russland
3:2 (2:1) gegen Russland

Eine Knöchelverletzung bei Gini Kirchberger zwang Thalhammer im dritten Spiel, der EM-Playoff-Revanche gegen Russland, zu einem so nicht ganz geplanten Experiment, das aber gut funktionierte: Neben Manhart rückte nun Sechser Viki Schnaderbeck in die Innenverteidigung zurück. Das hatte der Teamchef eigentlich nicht wollen, weil er auf die Präsenz, die Übersicht und das Passspiel von Schnaderbeck im Mittelfeld nicht verzichten wollte. So rückte Puntigam von der Acht auf die Sechs und Sarah Zadrazil, die im ersten Spiel ganz vorne agierte, wie schon im zweiten Spiel wieder ins zentrale Mittelfeld zurück. Den Gegentreffer nach 18 Minuten glich Nina Burger postwendend aus, nach einer halben Stunde erzielte Nadine Prohaska die Führung.

„Das war phasenweise schon so, wie ich mir das wünsche und vorstelle“, lobte der Trainer. Was heißt: Die Abwehr stand zumeist sicher, der Druck im Mittelfeld war vorhanden und die Russinnen kamen nicht so recht zur Entfaltung. Auch vom 2:2-Ausgleich durch einen Elfmeter ließ sich das Team nicht aus der Bahn werfen, sondern kam dank Nina Burgers Tor kurz vor dem Schlusspfiff sogar zu einem 3:2-Erfolg.

Nur ums nochmal zu sagen: Vor anderthalb Jahren kam Russland im EM-Playoff mit einem 2:0 in St. Pölten und einem 1:1 in Rostov über Österreich drüber und man hatte konstatieren müssen: Österreich hatte Russland Schwächen aufgezeigt, sie aber nicht nützen können.

2:1 gegen Portugal

Die Gruppe C hatte Nordkorea mit drei Siegen vor den jeweils punktgleichen Teams aus Russland, Österreich und Portugal gewonnen – Russland hatte im Dreiervergleich jedoch die bessere Tordifferenz, weshalb sich im Platzierungsspiel Österreich und Portugal noch einmal trafen.

2:1 (2:0) gegen Portugal
2:1 (2:0) gegen Portugal

Diesmal netzte Nadine Prohaska nach nicht einmal drei Minuten, Sarah Zadrazil legte nach einer halben Stunde nach. Die Mannschaft war personell gegenüber dem Russland-Sieg – von der Goalie-Rotation zwischen Kristler und Zinsberger abgesehen – unverändert geblieben. Auf eine abkippende Sechs wurde verzichtet, in der Eröffnung von hinten raus mussten immer wieder lange Bälle herhalten – aber wenn man den Ball mal in der gegnerischen Hälfte hatte, sah das ganz gut aus. Der Druck auf die portugiesische Spieleröffnung war präsent, nach Ballgewinnen wurde schnell der Vorwärtsgang eingelegt. Die Laufwege von Lisa Makas waren gewohnt gut, ihr Torabschluss allerdings leider ausbaufähig.

Hinten brannte nichts an, Portugal war nur aus Standards und aus Weitschüssen in der Lage, Torschüsse zu fabrizieren. Nach der Pause brachte Thalhammer Kirchberger für Manhart, so wurde die vermutliche Variante getestet, mit der es im April wohl in die WM-Quali-Auswärtsspiele in Bulgarien und Frankreich gehen wird.

Zu beobachten war allerdings ein Phänomen, dass schon im August beim Test gegen Belgien zu sehen war: Nachdem Österreich das Spiel kontrolliert hatte, lässt ein Gegentor alles ein wenig flattern – wiewohl sicherlich auch die Kräfte eine Rolle gespielt haben dürften, angesichts der fordernden Spielweise und vier Spielen in sieben Tagen. Unmittelbar vor dem Anschlusstreffer hatte Portugal bereits einen Elfmeter vergeben.

Dass die Mannschaft nach dem Vorfall um Laura Feiersinger, die von Regina Pereira (die dafür nicht mal gelb sah) frontal umgenietet wurde, auch psychisch erledigt war, ist durchaus verständlich. Unverständlich aber, warum Portugal auch in der Nachspielzeit dieses Spiels immer noch so reinholzte, dass Lisi Tieber auch noch ausgetauscht werden musste.

Gut: Variante in der Abwehr wohl gefunden & Standards

Sehr auffällig: Waren Standards, vor allem Eckbälle, in der Vergangenheit alles andere als österreichische Stärken, schlug es beim Algarve Cup häufig nach ruhenden Bällen ein. Beide Tore im ersten Spiel gegen Portugal, das zweite Tor gegen Russland und auch das zweite Tor im letzten Spiel gegen Portugal – vier der sieben rot-weiß-roten Treffer fielen aus Eckbällen. „Es ist uns oft gut gelungen, unmittelbar vor dem Tor unsere Spielerinnen freizublocken“, nickte Thalhammer.

Nach eigenen Ecken entwickelte Österreich (hier in weiß beim 2:1 gegen Portugal) eine ungemeine Torgefahr, aber auch an Defensiv-Standards wurde gefeilt.
Nach eigenen Ecken entwickelte Österreich (hier in weiß beim 2:1 gegen Portugal) gut Torgefahr, auch an Defensiv-Standards wurde gefeilt. (Screenshot: Twitter @iDesporto)

Ebenfalls sehr positiv zu bewerten: Nach anfänglichen Problemen klappte die Variante mit Heike Manhart in der Innenverteidigung ganz gut, auch von jener mit Viktoria Schnaderbeck in der zentralen Abwehr war der Teamchef durchaus angetan. Qualitativ wird Carina Wenninger natürlich weiter fehlen, aber diese vier Spiele waren extrem wichtig, um die Abstimmung mit einer anderen Besetzung zu finden.

Schlecht: Die Feiersinger-Verletzung

Die nicht so gute Chancen-Verwertung bei Möglichkeiten aus dem Spiel heraus ist ein alter Hut, vor allem bei Lisa Makas, daran änderte leider auch dieses Turnier nichts. Das ist aber verkraftbar und daran kann man arbeiten – nicht so tragisch.

Richtig beschissen ist aber die Verletzung von Laura Feiersinger. Natürlich in erster Linie für sie selbst, auch für ihren Klub Bayern München (der neben ihr bei diesem Algarve-Cup auch die Deutsche Leonie Maier durch Kreuzbandriss verlor). Und selbstredend auch für das ÖFB-Team. Bei den letzten 28 Länderspielen war die bald 21-Jährige immer in der Startformation, ihre Energie, ihr Zug nach vorne, ihre Bereitschaft ins 1-gegen-1 zu gehen, all das ist praktisch unverzichtbar.

Inhaltlich ist die rechte Mittelfeld-Seite natürlich weniger diffizil neu zu besetzen wie ein Platz in der Innenverteidigung (wiewohl Feiersinger oft auch ins Zentrum ging, dieses zu überladen half – dafür braucht’s Gespür), aber qualitativ wird’s hart. Jelena Prvulovic kann da eine Option sein – die 18-Jährige vom Wiener Klub Landhaus ersetzte Feiersinger in der Schlussphase. Lisi Tieber hat diese Position schon im Play-Off gegen Russland gespielt, kann das auch. Jenny Pöltl, obwohl die sich links wohler fühlt, kann auch eine Überlegung wert sein. Carina Mahr spielt RM bei Vizemeister St. Pölten und ist auch im U-19-Team auf der rechten Seite daheim – war aber noch nie im Kader der A-Nationalmannschaft.

Alles Spekulation. Und ein ziemlich gigantischer Schatten über einem ansonsten vielleicht nicht superguten, aber doch zumindest ganz okayen Turnier.

(phe)

PS: Ein großer Dank an Dominik Thalhammer und Iris Stöckelmayr für die gute Zusammenarbeit während dieses Algarve Cups. Und den Genesungswünschen für Laura Feiersinger schließen wir uns natürlich an!

f
Hinten links nach rechts: Teammanagerin Watzinger, Schnaderbeck, Pöltl, Zadrazil, Kirchberger, Bell, Burger, Prvulovic und Puntigam. Vorne links nach rechts: Manhart, Zinsberger, Tabotta, Kristler, Eder, Prohaska, Aschauer, Tieber, Makas und Sportpsychologin Wolf. Foto: ÖFB/Freunde des ÖFB Frauen Nationalteams (Facebook)

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Schöner Mist! Was soll’s. Positiv bleiben. https://ballverliebt.eu/2014/02/24/schoener-mist-was-solls-positiv-bleiben/ https://ballverliebt.eu/2014/02/24/schoener-mist-was-solls-positiv-bleiben/#comments Mon, 24 Feb 2014 01:59:10 +0000 http://ballverliebt.eu/?p=9943 Schöner Mist! Was soll’s. Positiv bleiben. weiterlesen ]]> Schon wieder so eine Scheißgruppe also. Nichts wurde es etwa mit Ungarn aus dem zweiten Topf, nichts mit Finnland oder Lettland aus dem vierten. Nein, es wurde mit Montenegro eine der echten Gemeinheiten aus der vierten Kategorie und mit Schweden was richtig Ungutes aus der zweiten. Schöner Mist.

Nicht, dass das alles unschlagbare Truppen wären und man das Ziel, sich für die EM 2016 zu qualifizieren, jetzt schon abschreiben kann. Österreich kann diese Gruppe, wenn’s richtig gut läuft, sogar gewinnen. Österreich kann aber genauso Vierter werden.

Aufgepasst vor Montenegro

So könnte ein Tiroler Nationalteam aussehen
So könnte ein Tiroler Nationalteam aussehen

Mal ehrlich: Eine „Nationalmannschaft“ des Bundeslandes Tirol würde, bei allem Respekt vor den besten Kickern dieses Bundeslandes, nicht gerade Angst und Schrecken verbreiten. Dass es auf Größe und Einwohnerzahl des Landes nicht ankommt, beweist aber das in beiden Aspekten mit Tirol vergleichbare Montenegro, seit das noch junge Land (das zwar nicht zur EU gehört, in dem man aber mit dem Euro zahlt) 2007 sein erstes Länderspiel ausgetragen hat.

Dank Ausnahme-Kickern wie Stefan Jovetic und Mirko Vucinic gibt es individuelle Klasse, aber vor allem punktet Montenegro mit kompaktem Kollektiv, enormem Teamgeist und – von Balkan-Fußballern ist man das ja gewohnt – guter Technik. Zudem ist das kleine, enge Stadion Pod Goricom in der Hauptstadt Podgorica (ein wenig größer als Innsbruck), in dem die Heimspiele ausgetragen werden, auch aufgrund der heißblütigen Fans ein für Auswärts-Teams ausgesprochen unangenehmer Ort.

So sieht Montenegro derzeit aus
So sieht Montenegro derzeit aus

In der ersten Quali für dieses Team, jener zur WM in Südafrika, verlor man nur drei der zehn Spiele, davon zwei gegen Italien. Dann, für die EM in Polen und der Ukraine, zog man vor den Schweizern ins Play-Off ein und scheiterte erst dort an Tschechien. Und im Rennen um die WM-Tickets für Brasilien war die Truppe lange vor England, Ukraine und Polen in der Pole-Position, ehe den „Falken“ erst auf der Zielgerade die Puste ausging. In vier Pflichtspielen gegen England gab es für Montenegro erst eine einzige Niederlage.

Sicher: Jovetic ist auch nicht besser als Alaba (ja, andere Position, aber nur so vom Prinzip her), Vucinic ist auch nicht mehr der jüngste, und der Rest des Teams macht so rein von den Namen gesehen auch nicht so arg viel her. Und wenn man bei einer EM dabei sein will, muss man Montenegro schon schlagen. Aber eine Niederlage in Podgorica ist nicht nur für das ÖFB-Team eine absolut realistische Möglichkeit.

Zlatan und zehn andere

Dass Österreich Schweden schlagen kann, wissen wir seit dem 7. Juni letzten Jahres. Dass Schweden was die internationale Abgezocktheit (noch?) vor Österreich liegt, wissen wir seit dem 11. Oktober letzten Jahres.

So spielte Schweden im WM-Playoff gegen Portugal
So spielte Schweden im WM-Playoff gegen Portugal

Dass es sich bei Schweden um Zlatan Ibrahimovic mit zehn eher beliebigen Mitspielern gehobenen Durchschnitts handelt, stellen nicht einmal die Schweden selbst in Abrede. Larsson und Kacaniklic spielen bei Abstiegskandidaten in der Premier League, ohne den alternden Källström ist das Mittelfeld eher phantanise-befreit, die Abwehr ist nicht die schnellste.

Will sich Schweden qualifizieren, braucht es Zlatan. Will man gegen Schweden gewinnen, muss man als Kollektiv mehr Tore erzielen als Zlatan (Wenn man nicht gerade Cristiano Ronaldo in der eigenen Mannschaft hat. Hat Österreich aber nicht). Anders gesagt: Schweden ist eine Verletzung von Ibrahimovic davon entfernt, Gruppenvierter zu werden. Hinter Österreich und Montenegro.

Russland, der seltsame Hybrid

Ja, diese Russen. Einerseits als Geheimfavorit in die letzte EM gehen, dann schon in der Vorrunde kollabieren. Einerseits Europas Spieler mit Geld zuscheißen, damit sie in die heimische Liga wechseln (Hulk und so), andererseits dann aber in der Champions League gegen die Wiener Austria in zwei Spielen nur einen Punkt zu Stande bringen. Einerseits eigentlich schon ein Team für die Heim-WM 2018 aufbauen müssen, andererseits mit einem Trainer, der stramm auf die 70 zugeht und kein Russisch spricht, aber schon noch ganz gerne irgendwie in Brasilien was reißen wollen und daher den Umbruch auf die lange Bank schieben.

So qualifizierte sich Russland für die WM
So qualifizierte sich Russland für die WM

Zeigt: Eigentlich sind die Russen aus dem ersten Topf sogar ein gar nicht undankbarer Gegner. Schon gutklassig, mit Qualität, gar keine Frage. Aber die Russen sind keine Deutschen.  Und ein seltsamer Hybrid aus alten Recken der Aufbauzeit vor zehn Jahren (wie Ignashevitch, Beresutski, Denisov und Shirkov), stecken gebliebenen Talenten (wie Kombarov, Koslov und Glushakov) und jungen Hoffnungsträgern (wie Dzagojev, Kokorin oder Schennikov).

Darum lässt sich auch jetzt noch nicht sagen, wie die Truppe nach der WM aussehen wird. Klar ist aber: Will man gegen Schweden und Montenegro in der Tabelle gut aussehen, würde sich der eine oder andere Punkt gegen Russland schon sehr gut machen. Ist schwer. Ist aber nicht unmöglich.

Knapp elf Jahre ist es her

Das 0:1 in Tiraspol am 7. Juni 2003, EM-Quali
Das 0:1 in Tiraspol am 7. Juni 2003, EM-Quali

Erinnert sich noch wer? Es war im Juni 2003, Hans Krankl war Teamchef, als ein, naja, ausnahmsweise nicht so ganz gutes ÖFB-Team in der EM-Quali-Gruppe nicht nur gegen Holland und Tschechien auf verlorenem Posten stand, sondern es sogar zu Stande brachte, in Moldawien zu verlieren. Das 0:1, das „Trauerspiel von Tiraspol“, war bis heute das letzte Spiel gegen das Team aus dem zwischen Rumänien und alten Sowjetbanden, zwischen lateinischer und kyrillischer Schrift, zwischen dem abtrünnigen Transnistrien im Osten und dem Hauptland im Westen zerrissenen Land.

Mit Sheriff Tiraspol gibt es einen (im besten Fall als „zwielichtig geführt“ zu bezeichnenden) Klub, der regelmäßig an der Gruppenphase der Europa League teilnimmt, das aber als Legionärstruppe mit Spielern aus Afrika, Brasilien und vom Balkan, aber weitgehend ohne Moldawier macht.

So spielte Moldawien zuletzt. Eine echte Promi-Truppe mit klingenden Namen.
So spielte Moldawien zuletzt. Eine echte Promi-Truppe angefüllt mit klingenden Namen.

Man braucht sich nichts vormachen: Auch wenn das eine unangenehm zu spielende Truppe ist, natürlich müssen da aus österreichischer Sicht zwei Siege her. Die besseren Akteure stehen bei russischen Nicht-gerade-Topklubs unter Vertrag, die anderen in der sportlich nicht gerade hochwertigen moldawischen Liga. Bekannte Namen sucht man im moldawischen Line-up vergeblich.

Hinfahren, sich zu einem 2:0 würgen, heimfahren. Glänzen kann man da nur, wenn’s nach 15 Minuten schon entschieden ist. Sechs Punkte ohne Schönheitspreis. Da zählt nur das Ergebnis. *hier beliebige weitere Pflichsieg-Floskeln einfüllen*

Unterm Papst-Denkmal zum Sieg

Das erste Pflichtspiel gegen Liechtenstein (1994)
Das erste Pflichtspiel gegen Liechtenstein (1994)

Wie passend, dass neben der Eckfahne als Erinnerung an einen Papst-Besuch ein riesiger, dreischenkeliger Aufbau mit einem in der Mitte befestigten Kreuz stand (und noch heute steht), wo flotte 2,5 Kilometer hinter der Grenze, in Eschen, ein glanzloser 4:0-Sieg eingefahren wurde. Gute Zeiten damals, 1994, wenn man sich an ein schlimmes 1:0-Gemurkse in Vaduz 2000 erinnert, einen zähen 2:0-Erfolg in Innsbruck im Jahr darauf, und Österreichs glorreiches 2:1 zwei Jahre vor der Heim-EM, bei dem Liechtenstein um zumindest eine Klasse besser war und eigentlich 3:0 gewinnen hätte müssen.

Jetzt, 20 Jahre nach der Premiere, ist mit dem früheren GAK-Spieler bzw. Vorarlberger Nachwuchs-Coach René Pauritsch ein Österreicher Teamchef von Liechtenstein, mit Polverino vom WAC und Wieser von Ried gibt es zwei aktuelle Legionäre in unserer Bundesliga, mit dem Ex-Rieder Martin Stocklasa einen weiteren mit Innviertel-Vergangenheit.

So spielte Liechtenstein zuletzt
So spielte Liechtenstein zuletzt

Der Rest bestreitet das fußballerische Tagesgeschäft zwischen zweiter und vierter Schweizer Liga (wo die Klubs des Fürstentums ja spielen) bzw. Thailand (ob Herr Christen dort auch gegen Roli Linz gespielt hat?) und sollte für Österreich im Normalfall kein elementares Problem darstellen. Über die Zeit der peinlichen Umfaller á la Färöer 1990 und 2008, Lettland 1995 oder Moldawien 2003 hofft man sich als rot-weiß-roter Beobachter ja doch hinweg.

Und noch was Gutes hat das Los Liechtenstein: Vorarlberger können sich endlich mal ein Länderspiel live ansehen, ohne vorher durch das ganze Land durch zu müssen. Und die Liechtensteiner könnten tatsächlich in die Verlegenheit kommen, in einem ausverkauften Happelstadion zu spielen – dann nämlich, wenn es am letzten Spieltag im Oktober 2015 hoffentlich darum geht, nach dem Heim-Auftritt gegen Liechtenstein sagen zu können: „Frankreich, wir kommen!“

Wie im Herbst 1997 halt.

Schwer. Zäh. Ungut. Aber nicht unmachbar.

Was waren das noch Zeiten, so um die Jahrtausendwende herum, als Österreich eine (verhältnismäßig) leichte Quali-Gruppe nach der anderen zugelost bekam. Das Glück ist ein Vogerl, das uns schon lange davongeflogen ist. Simma aber auch selber Schuld irgendwie, so schlimm, wie genau zu dieser Zeit um die Jahrtausendwende geschlafen worden ist, im österreichischen Fußball.

Erster müsste man werden, das wär‘ was. Zweiter wäre genauso gut, nehmen wir mit Handkuss. Oder wenn schon, dann meinetwegen Dritter und dann Play-Off gegen Estland oder so. Es ist eben wieder so eine Kack-Gruppe geworden, in der man schon um den dritten Platz echt raufen muss. In der es so gut wie sicher bis in den Herbst 2015 spannend bleibt, die ungemein ausgeglichen besetzt ist. Wie eben mit Schweden und Irland. Oder wie mit Belgien und den Türken davor.

Aber auch eine, in der man zeigen kann (und muss), wie viel man unter Marcel Koller gelernt hat, nachdem man es davor mit dem Lernen ja nicht so genau genommen hatte. Man sollte ja immer versuchen, das Positive zu sehen. Beschissenen Auslosungen zum Trotz.

(phe)

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Auslosungs-Spuk kurz vor Mitternacht: Noch mehr Lotterie als Elferschießen https://ballverliebt.eu/2013/07/19/auslosungs-spuk-kurz-vor-mitternacht-noch-mehr-lotterie-als-elferschiesen/ https://ballverliebt.eu/2013/07/19/auslosungs-spuk-kurz-vor-mitternacht-noch-mehr-lotterie-als-elferschiesen/#comments Thu, 18 Jul 2013 23:23:07 +0000 http://ballverliebt.eu/?p=9150 Auslosungs-Spuk kurz vor Mitternacht: Noch mehr Lotterie als Elferschießen weiterlesen ]]> Wirklich wohl war bei der ganzen Sache keinem, die Stimmung war angespannt bis negativ im schlecht beleuchteten PK-Zelt auf dem Stadion-Parkplatz von Norrköping. Ein kleines Podest wurde zwischen die Sitzreihen geschoben und die darauf gestellte Kamera hielt auf den Tisch vor der Sponsoren-Wand, auf dem schon die Schüssel mit den zwei braunen Kugeln platziert war. Eine andere, die vorne im Eck stand, hielt auf die russische Mannschaft, die sich hinten im Zelt eingefunden hatte. Und alles starrte gebannt auf Karen Espelund von der UEFA. Sie ist so etwas wie der Gianni Infantino für den Frauen-Fußball.

Sie nahm die Auslosung vor, welcher der punktgleichen Gruppen-Dritten das letzte Team im Viertelfinale der Frauen-EM sein würde. Dänemark – oder eben Russland.

Der Rahmen für den Los-Entscheid hätte auch etwas würdiger sein können als das zugige PK-Zelt am Parkplatz
Der Rahmen für den Los-Entscheid ums Viertelfinale hätte auch etwas würdiger sein können als im zugigen PK-Zelt auf dem Parkplatz vor dem Stadion von Norrköping

„Ich bin nur froh, nicht direkt beteiligt zu sein“, stöhnte ein schwedischer Journalist eine Viertelstunde, ehe der Spuk losging – also rund 60 Minuten, nachdem Russland mit einem 1:1 gegen Spanien den zweiten Punkt holte und damit ebensoviele auf dem Konto hatte wie Dänemark, der Dritte der Gruppe A. Das neue Reglement sieht vor: In dem Fall muss gelost werden. Keine Tordiffernz, kein Ranking, keine Fair-Play-Wertung. Nichts.

„Stell dir vor, du arbeitest zwei Jahre, mit Qualifikation, mühst dich durch’s Play-Off, und dann kommt’s drauf an, was die Espelund aus der Schüssel zieht“, antworte ich. „Oh my“, verdreht der Kollege die Augen und vergräbt sein Gesicht in seinen Händen, „ich will gar nicht daran denken!“ So ging es schon uns Journalisten, die wir uns an den Seiten des PK-Zeltes in Norrköping aufstellten. Sitzen konnte eh kaum noch jemand.

Dann marschierte hinten die komplette russische Mannschaft ein, stellte sich auf, die Hände über den Schultern der Nebenfrau. Eine Stunde vorher waren sie wie bestellt und nicht abgeholt auf dem Rasen herumgestanden, weil sie nicht so recht wussten, was sie von diesem 1:1 halten sollten. Vorne moderierte ein Moderator des dänischen Fernsehens die Auslosung an. „Natürlich übertragen wir die live“, hat er uns davor noch erklärt.

Das russische Team in gespannter Erwartung
Das russische Team in gespannter Erwartung

Wer es mehr verdient hätte? Müßige Diskussion.

Dänemark holte gegen Schweden ein hochverdientes Remis. War dann gegen Italien 60 Minuten das klar bessere Team und schaffte es irgendwie, dennoch mit 1:2 zu verlieren. Und war zuletzt gegen Finnland drückend überlegen, kassierte aber in Minute 87 noch das 1:1.

Russland war gegen Frankreich chancenlos, hatte dann aber England am Rande der Niederlage und kassierte da erst tief in der Nachspielzeit durch ein Dusel-Tor das 1:1. Ehe man gegen Spanien nach einem intelligenten Wechsel von Teamchef Lavrentiev (der nach einer halben Stunde die überforderte Kostyukova aus dem zentralen Mittelfeld auswechselte) aktiver war und kurz vor dem Ende um einen glasklaren Elfmeter geprellt wurde.

Die beiden Teams, die sich jeweils via Österreich für die EM qualifiziert hatten, hätten dort also deutlich mehr Punkte auf dem Konto haben müssen, als sie letztendlich hatten. Wer es mehr verdient gehabt hätte? Müßig, darüber zu diskutieren.

Unverständnis allerorten

Russland oder Dänemark?
Russland oder Dänemark?

„Das kannst du so nicht machen“, schüttelte ein deutscher Fotograph den Kopf, „nicht bei einer Europameisterschaft!“ Tordifferenz, Fair-Play-Wertung, meinetwegen ein anberaumtes Elferschießen zwischen den Beteiligten am Tag danach. Das ist noch nicht ganz so viel Lotterie. Alles besser als Auslosen. Nein, Auslosen geht gar nicht.

Und auch Karen Espelund fühlte sich in ihrer Haut sichtlich unwohl, als sie um 23:36 Uhr as Zelt betrat und zur Tat schritt. Sie hastete durch die Erklärung, was nun genau passiert, wer in welchem Fall gegen wen und wo im Viertelfinale spielen würde. Bis sie „Ich werde dann nachher nochmal zusammenfassen“ sagte und in den Topf griff. Die Kugeln drehen ließ, nach etwa fünf Sekunden reingriff. In der linken Hand immer noch das Mikro, in der rechten eine der beiden braunen Kugeln: „Dieses Team kommt ins Viertelfinale!“

Die Fotoapparate knatterten, als Espelund das Mikro beiseite legte, die Kugel öffnete, das Mikro wieder in die Hand nahm. Und sagte:

„Denmark!“

IMG_1218Wie vom Blitz getroffen froren bei den Russinnen die Gesichtszüge ein, beinahe fluchtartig verließen sie das Zelt. Espelunds Ausführungen, was das nun genau für das Viertelfinale heißt, nahm niemand mehr war. Die meisten Russinnen gingen sofort zum Team-Bus. Einige blieben noch kurz vor dem Zelt stehen und versuchten, sich gegenseitig gut zuzureden. Und eine flüchtete hinter einen Baum neben jenem Parkplatz, auf dem das PK-Zelt aufgestellt war.

Um im Schock alleine sein zu können, niemanden sehen zu müssen. Im Schock über das Aus per Los-Entscheid.

(phe)

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