How to play for 0:0

Bedrückend defensiv war der Zugang jener Schweden, die nach der verpassten WM einen radikalen personellen Schnitt durchgeführt hatten. Der WM-Dritte und Favorit der österreichischen Quali-Gruppe, bei dem viele junge Spieler ausprobiert wurden, fand keine passende Antwort.

Schweden - Deutschland 0:0

Schwedische Nationalteams waren in den letzten Jahren immer tendenziell langweilig. Hölzerne Arbeitertruppen, in denen Einzelkönner wie Ibrahimovic den Glanz verbreiten konnten. Nach der verpassten WM gab’s den großen Schnitt, viele bekannte Gesichter sind unter Erik Hamrén nicht mehr übrig. Inzwischen zeigen die Schweden aber etwas, was seit vielen Jahren vermisst wurde: Systematische Flexibilität. Im Ballbesitz wurde aus dem 4-4-1-1 im Handumdrehen ein 4-1-4-1. Leider zeigten die Schweden ansonsten nicht besonders viel. Was das Spiel zu einer äußerst zähen Angelegenheit werden ließ.

Das Heimteam verlegte sich nämlich fast ausschließlich auf die Defensive. Zwei tief stehende Viererketten machten es der auf vielen Positionen neu besetzten deutschen Mannschaft extrem schwer, sich vor das Tor von Isaksson zu spielen. Im Zentrum wurde Holtby in einer Art und Weise eingekesselt, die selbst Mesut Özil – der Stammbesetzung auf dieser Position – vor kaum zu lösende Rätsel gestellt hätte. Der Mainzer blieb bei seinem Länderspiel-Debüt damit von einigen wenigen Szenen abgesehen zunächst wirkungslos, denn ließ er sich zurückfallen, sah er zwar Bälle – hatte aber zumindest acht Schweden zwischen sich und dem Tor. Je länger das Spiel lief, desto weniger ließ er sich aber von der Umklammerung beeindrucken, und desto selbstbewusster konnte er sich immer mehr freispielen. Eine echte Masse an tatsächlich gefährlichen Situationen konnte er aber nicht erzeugen. Im Endeffekt war es ein ordentliches Debüt von Holtby, mehr aber auch nicht.

Marko Marin lief sich auf der linken deutschen Angriffsseite immer wieder an Mikael Lustig (den man „Lüsti“ ausspricht) fest, für Linksverteidiger Schmelzer war nicht selten schon bei Sebastian Larsson Schluss. Und auf der anderen seite traute sich Jerome Boateng zu wenig nach vorne zu. Er erledigte seinen Defensiv-Job gegen Chippen Wilhelmsson zumeist ordentlich, aber Großkreutz vor ihm war auf sich alleine gestellt. Den beiden deutschen Sechsern Schweinsteiger und Khedira, die diesmal ziemlich auf einer Höhe agierten, blieben oft nur Querpässe oder weite Bälle in die Spitze. Die keinen Abnehmer fanden.

Das Tre-Kronor-Team selbst tat sehr wenig für das Spiel, was die deutsche Defensive nach etwa einer halben Stunde etwas sorglos werden ließ. Hauptsächlich kamen die Schweden über der Duo Lustig/Larsson nach vorne. Die beiden harmonierten gut, echte Torgefahr strahlten aber auch sie nicht aus. Pontus Wernbloom lief sich als hängende Spitze die Seele aus dem Leib und war der Vorposten jenes Pressings, mit dem die Schweden den Gegner hinter der Mittellinie erwarteten, echte Hilfe für Sturmspitze Ola Toivonen war aber auch er nicht. Es wurde hin und wieder versucht, Toivonen mit Steilpässen zu schicken, das funktionierte aber nicht.

Was indes wunderbar klappte, war das Engmachen der Räume. Die Raumaufteilung der Schweden hätte Arrigo Sacchi die Freudentränen in die Augen getrieben: Egal, wo sich das Spiel gerade abspielte, die Entfernung des letzten Mannes der Schweden zum vordersten war selten größer als 30 Meter. Genau das war es, was den Deutschen in der Offensive die Luft zum atmen nahm.

Löw reagierte: In der Halbzeit kam Beck für den äußerst zurückhaltenden Boateng, was sofort Wirkung zeigte. Und, nach einer Stunde, kam der erste größere Schwung an Wechseln: Kroos und Träsch besetzten statt Schweinsteiger und Khedira die Mittelfelddefensive neu, und – eigentlich noch wichtiger – Cacau kam für Marin. Das bedeutete, dass Cacau nun hängende Spitze war und Holtby auf die linke Seite gehen. Der Mainzer, der im Laufe des Spiels immer mehr auftaute, fand dort deutlich mehr Platz vor als im Zentrum, weswegen er in den 20 Minuten, in denen er noch spielen durfte, das zuvor auf die Beck-Seite schwappende deutsche Spiel wieder ausgeglichener zu gestalten. In der Schlussphase durften dann noch Schürrle und Götze debütieren.

Der schwedische Teamchef Erik Hamrén tauschte nicht so viel wie Löw, und auch immer im 4-4-1-1. Doch egal ob nun Toivonen (bis 68.), Berg (68. bis 88.), oder Torschützenkönig Gerndt (zum Schluss) ganz vorne war, er hing in der Luft. Egal, um nun Wernbloom (bis 75.) die hängende Spitze gab, Elm (75. bis 88.) oder Berg (zum Schluss) – Schweden spielte von der ersten bis zur letzten Minute stur auf ein 0:0. Was letztlich klappte.

Schweden - Deutschland 0:0 (zu Spielschluss)

Fazit: Die Schweden hielten ihr für ein Heimteam etwas bedrückendes Defensivkonzept unbeirrt durch und wurden mit einem Unentschieden belohnt. Spieler vom Schlage eines Ibrahimovic, eines Ljungberg oder eines Henke Larsson sucht man vergeblich – die neue Tre-Kronor-Generation ist wieder eine von Fußball-Arbeitern – nur fehlen derzeit die Einzelkönner. Was das Spiel aber nicht gerade prickeld macht.

Der extrem jungen deutschen Mannschaft (Durchschnittsalter zum Anpfiff 23,6 Jahre) fehlte es an den Mitteln, am Tempo und letztlich auch ein wenig an den Mitteln, diese massive Defensive zu knacken. Teamchef Jogi Löw zeigte sich angesichts der nicht im übermaß vorhandenen internationalen Erfahrung seiner Test-Elf nicht unzufrieden – der Lerneffekt stand im Vordergrund.

(phe)

Über Philipp Eitzinger

Journalist, Statistik-Experte und Taktik-Junkie. Kein Fan eines bestimmten heimischen Bundesliga-Vereins, sondern von guter Arbeit. Und voller Hoffnung, dass irgendwann doch noch alles gut wird.